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SoBli mit der Brechstange

Das ist doch etwas nassforsch.

Aus heiterem Himmel überraschte der «SonntagsBlick» den ZACKBUM-Redaktor René Zeyer mit dieser Mitteilung:

«Wir danken Ihnen für die Bestellung und begrüssen Sie herzlich im Kreis unserer Leserinnen und Leser.» Das wüsste ich aber.

«Bei vielen gehört der SonntagsBlick so selbstverständlich zum Wochenende wie der Butterzopf auf dem Frühstückstisch.» Oder sagen wir bei immer wenigeren.

Dann noch etwas Lockstoff: «Ihr Geschenk senden wir Ihnen sofort nach Eingang der Abo-Zahlung zu.» Gleichzeitig werden 169 Franken eingefordert.

So gerne man auch Geschenke hat: daraus wird nix. Das fängt damit an, dass ich mir keinen Zustand der völligen Unzurechnungsfähigkeit vorstellen kann, in dem ich ein SoBli-Abo bestellt hätte. Da der Brief von Zofingen abgeschickt wurde, kann ich mir höchstens vorstellen, dass beim Abwracken der Druckerei irgend was schief gegangen ist. Meine Adresse also von der Shit-List auf die «will ein Abo»-Liste geraten ist.

Oder vielleicht ist es ein verzweifelter Versuch, mit Cold Calls irgendwelche armen Schweine dazu zu bringen, die Rechnung unbesehen zu bezahlen.

Leider muss ich aber klarstellen, dass ich keinen Beitrag gegen den Leserschwund leisten kann und will. Mir reicht’s schon, wenn ich den Schrott ab und an lesen und verdauen muss. Dafür wäre eigentlich Schmerzensgeld fällig.

Ich schlage vor: in der gleichen Höhe, aber bitte monatlich. Auf Wunsch gebe ich gerne die Kontoverbindung an.

Freundliche Grüsse zurück und viel Glück auf dem weiteren Lebensweg. Ihr werdet’s brauchen.

Würden Sie diesem Mann ein Haarfärbemittel abkaufen?

Der SoBli macht auf «buhu, Geisterbahn».

Den «Friedensengel und Pharma-Schreck» Donald Trump gross als Aufmacher. Friedensengel, echt jetzt? Weil er so schönes Engelshaar hat? Und Schreck, weil er so böse gucken kann? Also wenn Boulevard, selbst wenn er nicht mehr Boulevard sein will, etwas können muss, dann Schlagzeile.

Wie man das macht, zeigt natürlich «Bild»:

Oder in der Version der «Bild am Sonntag»:

Wenn Boulevard noch etwas sein soll, dann kurz und knackig. Öhm. Die tragisches Geschichte des Falls von Viola Amherd auf sechs Seiten? Gratis-Kaffeeausschank nach Seite 4. Tja, den Chefredaktor Reza Rafi in seinem Lauf hält weder Ochs noch Esel auf.

Und dann noch die überraschende Eröffnung von Hausgespenst Frank A. Meyer: «Viola Amherd tritt aus dem Bundesrat zurück. Ein neues Mitglied des Kollegiums ist zu wählen.» Verflixt nochmal, wie der Mann es immer schafft, uns auf ganz einfache Art verblüffend neue Erkenntnisse zu vermitteln.

Ach, wer immer noch nicht genug hat: Man könnte eine Meldung draus machen, dass die Amtseinführung wegen Arschkälte im Saale stattfindet. Oder man macht fast eine Seite mit Bildchen draus.

Also Crime hatten wir nun, Büsis zwar noch nicht, aber was fehlt sonst? Richtig; ein Thema, das nur noch auf Umwegen in die familientaugliche «Blick»-Familie geschmuggelt werden kann. Der «Langstrassenstrich» von Zürich, mit Bildern von gestern, vorgestern und heute. Endlich ein wenig Sex.

Ach ja, der «Stützli-Sex» von 1977, da lebten die ganzen Kindersoldaten im Newsroom doch noch nicht einmal als feuchter Traum.

Aber, nun kommt mal wieder das Einmann-Investigativteam, die menschliche Abrissbirne, der Journalist des Jahres, wenn nicht des Jahrhunderts Fabian Eberhard. Der findet zwar nicht mal ein Büro in einem Bürohaus, aber das kann er:

Bei den grossen Buchstaben fragt man sich einen Moment, ob damit Selenskyi gemeint sei. Scherz beiseite, natürlich handelt es sich um den Belarus-Herrscher Lukashenko. Der lässt nächsten Sonntag wählen und hat sich dafür, wenn man Eberhard glauben darf, drei Schweizer Wahlbeobachter geangelt. «Lukaschenkows Regime zahlt ihnen die Reise- und Hotelkosten, erwartet im Gegenzug aber freundliche Worte über den Diktator», weiss Eberhard.

Sicher ist es komisch, dass darunter ein Politiker ist, der bereits 2014 wegen Wahlfälschung verurteilt wurde, wie Eberhard schreibt. Andererseits könnte man ja sagen, dass so einer besonders sensibilisiert ist. Aber Scherz beiseite, dass der Basler Grossrat vom belarussischen Aussenminister höchstselbst und mit freundlichen Worten eingeladen wurde, kann man nun nicht gegen diesen Mann verwenden. Hätte der denn schreiben sollen: dann komm halt, wenn du’s einrichten kannst?

Dann gibt es noch einen SVP-Kantonsrat aus Zug, der wohlweisslich nicht mit dem SoBli sprechen will, und einen echten Putin-Fan und «Russland-Versteher», den man vielleicht vor sich selbst schützen sollte: «Die Wahlen sind frei und fair», Proteste dagegen seien «vom Westen eingefädelt». Meine Güte.

Kann man sonst noch jemandem etwas vorwerfen? Nun, der «Politquerulant» und Grossrat Eric Weber wurde doch tatsächlich bei seiner letzten Reise nach Minsk im Sommer von der Schweizer Botschafterin «persönlich begrüsst». Wie das halt so bei Auslandsreisli von Schweizer Parlamentariern üblich ist und von Molina abwärts auch immer gerne genommen wird.

Aber sicherlich hat sich Frau Botschafterin anschliessend die Hände gewaschen.

Und das war’s dann auch hier soweit. Oder interessiert sich jemand für das Knalleraufmacherthema unter «Gesellschaft»: «Notendruck statt Bewegungsfreude?» Himmels willen, reicht mens sana in corpore sano nicht mehr? Würden unsere Kinder nicht viel freier über den Schwebebalken hüpfen, das Pferd überspringen, die Kletterstange hochhangeln, wenn es nicht diesen elenden Notendruck gäbe?

Schliesslich wird der SoBli doch auch nicht benotet. So kommt er allerdings auch daher.

Oh je, SoBli

Die Alternative zur NZZaS? Nein, ein Bruder im Geist.

Wie verzweifelt muss eine Redaktion sein, wenn sie so was zur Titelgeschichte macht, mitsamt eines verpixelten Fotos? Sehr.

Dann wird Chefredaktor Reza Rafi in seinem «Editorial» mal richtig frech: «Die Welt als Wille und Wermuth», lässt er schon im Titel wieder Bildung aufblitzen. «Die Welt als Wille und Vorstellung», Schopenhauer, wow.Viel hübscher war allerdings Niklaus Meienbergs «Die Welt als Wille & Wahn» über General Wille. Aber die Absicht zählt hier und soll gelobt werden.

Denn Rafi nimmt sich den irrlichternden SP-Co-Präsidenten Cédric Wermuth vor, der im Tagi unwidersprochen über Singapur hergezogen war und vor der Schweiz als «Alpen-Singapur» gewarnt hatte. Denn der Stadtstaat sei eine Art Hölle mit «tiefen Steuern und kaum sozialen, gleichstellungspolitischen oder ökologischen Regeln für Unternehmen».

Halt typisch Wermuth, der viel Meinung, aber wenig Ahnung hat. Oder wie Rafi sanft tadelt: «Mit den Fakten nimmts der Parteichef nicht so genau: Singapur kennt eine progressive Einkommenssteuer ganz nach sozialdemokratischem Gusto. Der Durchschnittslohn eines Nationalrats von etwas mehr als 130 000 Franken würde dort mit 19 Prozent besteuert. Punkto Gleichstellung gehört der Tigerstaat dank Gesetzen wie dem über «Fairness am Arbeitsplatz» zu den Musterschülern, auf dem «Gender Equality Index» der Uno belegt er den achten Platz. Im Umweltschutz ist man dank des ehrgeizigen «Singapore Green Plan» Asiens Zugpferd.»

Das nennt man voll eins auf die Zwölf, und das bei einem SP-Genossen und im SoBli. Rafi traut sich was. Das Ein-Mann-Investigativteam Fabian Eberhard allerdings auch. Der findet bekanntlich nicht einmal die Büroräumlichkeiten des Internet-Radios Kontrafunk. Aber einen abgeschobenen afghanischen Straftäter. Der jammert aus dem fernen Kabul, dass er wieder zurück in die Schweiz wolle und in seiner Heimat Angst habe.

Wohlgemerkt war sein Asylgesuch in der Schweiz abgelehnt worden, er blieb geduldet und wurde dann wegen schwerer Körperverletzung verurteilt und nun endlich zwangsweise abgeschoben. Ob Eberhard sich und dem SoBli mit so einer Story einen Gefallen tut? Der Leser wird kaum sympathisierend Anteil nehmen …

Dann geht’s bergab, beziehungsweise Richtung Advent und Weihnachten:

Ein Hammer-Titel, eine Hammer-Story, und einige Tassen Kaffee werden nicht reichen, um beim Lesen wach zu bleiben.

Mindestens so behämmert ist dieser Artikel:

Anscheinend soll es an der ZHAW eine Studentin geben, die angeblich Beziehungen zur «Jungen Tat» habe und sogar mit deren Anführer eine Beziehung unterhalte. Das ist ein kleiner rechtsradikaler Haufen. Nachdem sie sich um die Anzahl Dochte fürs Kerzenziehen Sorgen gemacht hatte, nimmt sich Sara Belgeri nun diesem Aufreger an.

Sie ist nicht mal Volontärin oder Anfängerin, also nicht entschuldigt. Sie berichtet, dass 63 «Studierende», also Studenten, einen offenen Brief unterzeichnet hätten, in dem sie behaupten: «Unsere Studienwahl repräsentiert das Ziel, jedem Menschen die bestmögliche Pflege und Unterstützung zu bieten. Diese Haltung wird jedoch infrage gestellt, wenn Studierende unserer Fachhochschule extremistische und menschenfeindliche Ideologien im Privatleben unterstützen und fördern.»

Die «Unterzeichnenden», also die Unterzeichner, denn irgend wann unterzeichnen sie nicht mehr, fordern, «dass die ZHAW Massnahmen ergreift, sodass die Hochschule ein sicherer, diskriminierungsfreier Raum bleibt, frei von extremistischen Ideologien». Und um dieses Ziel zu erreichen, diskriminieren sie selbst ungehemmt.

Nicht zum ersten Mal: «Bereits im Februar 2023 wurden von einer anderen Gruppe wegen der Studentin Plakate an der ZHAW aufgehängt. Darauf prangte das Gesicht von S. C. mit der Überschrift «Keine Neonazis an unserer Schule». Dazu die Frage: «Willst du eine faschistische Hebamme bei deiner Geburt?»»

Das ist ungefähr so blöd wie die Frage, ob man eine rote, grüne oder vegane Hebamme bei der Geburt wolle. Zudem ist es im höchsten Masse denunziatorisch, solche Plakate aufzuhängen und zukünftigen Mitarbeitern im Gesundheitswesen zutiefst unwürdig. Zum Schluss zitiert Belgeri das woke Geschwurbel einer anonymen Mitstudenten:

««Vor allem Personen mit Migrationsgeschichte oder queere Studierende fühlen sich nicht sicher.» Teil des Studiums seien Themen wie Schwangerschaftsabbruch oder Intergeschlechtlichkeit – darüber zu diskutieren, würde sich nicht gut anfühlen, wenn S. C. dabei sei. «Ich habe das Gefühl, mich im Unterricht nicht frei ausdrücken zu können, wenn ich weiss, dass eine Mitstudentin diese Ideologie vertritt.»»

Kritik an dieser völlig verpeilten Aktion, dieser offenen Diskriminierung mitsamt Safe-Space-Geschwafel? Fehlanzeige.

Aber jetzt kommen wir zu einem absoluten Höhepunkt des Blatts, ein Überhammer, das hat sonst keine einzige Sonntagszeitung, ja nicht mal eine Zeitung:

Dieses Magazin wollen wir nun achtsam männlich lesen, wenn uns das möglich ist. Ganze drei Redaktor*Innen** verantworten immerhin 62 Seiten dieser Beilage, die neben dem SoBli auch noch die Leser*Innen** der «Schweizer Illustriert*In» und der «Handels- und Händlerinnenzeitung» erfreut.

Peter Hossli, der Tausendsassa und Oberfeminist, schreibt die Aufmacherstory:

Dabei lehnt er sich mutig aus dem Fenster: es sei eine Ablehnung der woken Identitätspolitik, der dümmlichen Idee, dass nach Geschlecht, nicht nach Fähigkeit gewählt werden solle. «Gewonnen hat, wer als besser wahrgenommen wurde. Dies ist nicht nur negativ, wenn das Ziel eine gleichberechtigte Gesellschaft ist». Nicht nur negativ? Ob Hossli da ohne Prügel davonkommt?

Er wird noch frecher; ob er damit davonkommt, dass er sich hinter einem Zitat versteckt?

Gute Analyse, aber muss diese komische (weibliche?) Typo sein?

Dann lässt’s aber nach (ui, das ist sicherlich die Meinung eines CIS-Mannes, also eines alten, weissen Sacks). Denn es kommen Reminiszenzen an den Frauenstreik von 1991, an ein Pärchen, das «in den 80er-Jahren einen Rollentausch» wagte, an die Gründerinnen des ersten Frauenhauses der Schweiz.

Dann eine Prise «Journalistin schreibt über sich selbst». Hier die Chefredaktorin der «Schweizer Illustrierte». Statt sich um die Auflage Sorgen zu machen, fragt sie sich, ob sie eigentlich eine Pionierin sei. Wie findet sie’s raus? Indem sie bei Wikipedia nachschlägt, was das eigentlich sei. Da verstummt der Mann.

Dann eine Story, der man eine gewisse Exotik nicht absprechen kann. Oder hätten Sie gewusst, dass es einen Verein «QueerOfficers Switzerland» gibt?

Eine People-Story nach der anderen, bei denen es nur um eines geht: eine Frau im Zentrum. Wo bleiben denn eigentlich wir Männer (also die, die nicht queer sind)? Wo ist unsere Equal Voice? Müssen wir unsichtbar werden, damit Frauen sichtbarer sind?

Aber wahrscheinlich ist es so, dass Pimmelträger sich in dieser Welt verloren vorkommen.

 

 

Ringier-Leute, fürchtet euch!

Wenn das Management im Wolkenkuckucksheim schwebt …

Der «Blick» zitiert Bundesrat Rösti. Der zeige sich besorgt über den Sparkurs bei den Medien. «In den letzten 15 Jahren haben sich die Zeitungsauflagen in der Schweiz halbiert», sagte der Medienminister in Lausanne.

«Mein Glaube und meine Freude an Print bleiben ungebrochen. Die neusten Leserschaftszahlen bestätigen dies», behauptet Ladina Heimgartner, wir holen tief Luft «Head Ringier Media & CEO Ringier Medien Schweiz – Member of the Ringier Group Executive Board bei Ringier AG».

Wie bitte? Diesen Ausflug in die Wunschwunderwelt muss man im Original geniessen:

Die Dame mit der extrabreiten Visitenkarte versucht, den alten Militärspruch zu übertreffen: vorwärts, wir ziehen uns zurück.

In ihrer Version: «Sehr erfreulich: Der Rückgang der Leserschaftszahlen ist bei vielen unserer Publikationen im Mehrjahresvergleich deutlich geringer als zuvor.» Im Mehrjahresvergleich ist der Rückgang bspw. der «Blick»-Familie desaströs. Abgesehen davon: versteht jemand die Aussage dieses Satzes des Heads? «Im Mehrjahresvergleich geringer als zuvor»? Zuvor wann? Geringer als was? Aber vielleicht muss man zum obersten Management bei Ringier gehören, um solchem Nonsens Sinn abzuringen.

Aber sie legt noch nach, mit Feiersmiley und allem: «Einfach super: in einigen Segmenten konnten neue Leserinnen und Leser gewinnen». Der Satz würde mit einem zusätzlichen «wir» deutlich gewinnen. Da hätten wir mal die «Bilanz» mit «+10.1 %». Wunderbar, nur: das Blatt hat eine Auflage von 31’599 Exemplaren. Da sind zehn Prozent sehr relativ. Dann hätten wir PME mit «+3.1%». Muss man nicht kennen. «l’illustré» mit «+2.6%» (Auflage 65’625) und schliesslich, Tatä, die «Landliebe» mit sagenhaften «+1.0 %». Das sind bei einer Auflage von 115’259 gigantische 1153 Exemplare mehr.

Kein Wort zum «Blick»-Desaster, kein Wort zu allen anderen Printorganen, wo der Rückgang vielleicht «deutlich geringer als zuvor» ist. Oder auch deutlich stärker. Oder was auch immer.

Der Head, CEO und das Member hat – trotz Glaube und Freude – den desaströsen Niedergang des Ringier-Flaggschiffs «Blick» mitsamt «SonntagsBlick» zu verantworten. Da beispielsweise die übrige Sonntagspresse einen viel geringeren Rückgang im Print zu verschmerzen hat, ist völlig klar, dass der Absturz des SoBli nicht irgendwelchen Umständen, sondern einer verfehlten Strategie geschuldet ist.

Wer Toilettenschüsseln mit Henkel innen anbietet, muss sich halt nicht wundern, wenn sich die Nachfrage in Grenzen hält.

Natürlich muss jeder Manager die Kunst beherrschen, Katastrophen in laue Luft umzuschwatzen. Wenn aber jemand dermassen den Kontakt zur Realität verloren hat, dann gilt nicht nur für die «Blick»-Leute, sondern ganz allgemein für die Ringier-Print-Leute: fürchtet euch! Zaget und wehklaget. Die Printer selbst, also die Drucker, haben es schon hinter sich. Begleitet von ein paar bedauernden Geräuschen wurde das Stammhaus von Ringier, die Druckerei in Zofingen, geschlossen. Aus, fertig, Ende. So viel zum Glauben an Print im Hause Ringier.

Wer allerdings den Glauben an die Zukunft von Print als Angestellter behält, der muss sehr viel Glaubensstärke haben. Denn bislang sind alle Versuche gescheitert, die Einnahmeverluste durch wegfallende Inserate und Print-Abonnenten zu ersetzen. «Blick+» ist ein Witz, aber kein guter. Ratgeber und Service, das können so viele andere auch und besser.

Oder wer braucht das?

Das hier ist wohl mehr in eigener Sache zu verstehen:

Und noch eine Antwort auf eine Frage, die uns alle umtreibt:

Richtige Antwort: nein, sie müssen getragen werden. Kleiner Scherz. Aber es gibt natürlich auch Storys, an denen die ganze Schweiz Anteil nimmt:

Und wer’s verträgt, noch ein Absackerchen als Doppelpack:

Sagen wir so: wie viele Arbeitnehmende (grässlich, diese Korrekt-Sprache-Vergewaltigung) bei Ringier werden demnächst keine Lohn-, sondern Abfindungsgespräche führen? Aber im festen Glauben an Print und an die Fähigkeiten des leitenden Managements …

Dabei wäre es doch so einfach. Man müsste nur der eigenen Statistik vertrauen:

Katastrophe, Tragödie und Sex. Plus Büsis. Wäre eigentlich gar nicht so schwer.

«Blick»-Leute, fürchtet euch!

Euer Chief Content Officer ist ratlos.

Zum «Kleinreport» sagt Steffi Buchli einen denkwürdigen Satz: «Die jüngsten Leserschaftszahlen seien «bedauerlich», so die Content-Chefin, sie bedeuteten aber nicht, dass die Inhalte nicht ankämen.»

Bedauerlich? Innert fünf Jahren haben 40 Prozent der Printleser beim Abschied leise servus gesagt. Und dabei gilt nicht einmal die übliche Entschuldigung. Die Umstände, die Inserate, das Leseverhalten und Blabla. Denn die überlebenden Konkurrenzblätter SoZ und NZZaS haben bei weitem nicht einen solchen Einbruch zu verzeichnen.

Also ist eigentlich Alarmstufe rot, nur nicht für Buchli: «Der ‚SonntagsBlick‘ liefert jede Woche starke Recherchen, spannende Geschichten und setzt nationale Themen, wie zuletzt mit dem Fall von GLP-Politikerin Sanija Ameti, den Ungereimtheiten um die Forschungsarbeiten von Adriano Aguzzi an der Uni Zürich oder die Fifa-Zuschüsse für Giovanni Infantino», fantasiert sie völlig losgelöst von der Wirklichkeit.

Um noch einen draufzusetzen: ««Massnahmen zur Stabilisierung und Neugewinnung von Lesern und Leserinnen» seien «eingeleitet» worden, so Steffi Buchli weiter gegenüber dem Klein Report.»

Damit meint sie wahrscheinlich die Einstellung des «Magazins» vom SoBli, womit das Angebot noch flachbrüstiger wird.

Nun sind Krisen auch immer Chancen, wie es im schönsten Manager-Bullshit-Talk heisst. Wenn sich die Nachfrage nach einem Angebot im freien Fall befindet, die Mitbewerber mit ähnlichen Angeboten aber durchaus stabile Verkäufe zu verzeichnen haben, dann liegt die Schlussfolgerung auf der Hand: beim SoBli, überhaupt beim «Blick» läuft etwas furchtbar falsch.

Was falsch läuft, lässt sich eindeutig benennen und zeitlich verorten. Da ist der 8. März 2023. An diesem Tag wurde bekannt, dass der «Blick»-Oberchefredaktor Christian Dorer in eine sechsmonatige Auszeit geschickt wurde. Mit nebulöser Begründung und der Ankündigung einer Untersuchung, deren Ergebnisse niemals bekannt gegeben wurden.

Dabei war der eigentliche Grund klar. Dorer stand jemand anderem in der Sonne, zudem musste ein Sündenbock für eine völlig verfehlte Strategie her. ZACKBUM nannte das das «Tal der Beliebigkeit». Oder wie das die Dame mit der extrabreiten Visitenkarte so unnachahmlich formulierte:

«Wir nennen es nicht mehr Boulevard. Wir verstehen uns als Newsplattform, die schnell ist und auch komplexe Themen sehr einfach erklären und erläutern kann. Dabei stellen wir immer den Menschen ins Zentrum – das macht uns aus, dafür stehen wir.»

Plus Bezahlschranke und dahinter viel Ratgeber und Service. Plus eine neue Führungsstruktur mit einem Kopfsalat von Heads, Chiefs, Teamleitern und überhaupt furchtbar vielen Häuptlingen. Plus ein verunglücktes Redesign nach dem anderen. Wobei man immerhin sagen muss, dass Regenrohr und Kästchenlogo schnell wieder verschwunden sind. Wobei man nicht wissen möchte, was der angebliche Starwerber Frank Bodin dafür kassierte. Aber immerhin konnte er sicherlich mit dem Geld eine neue geschäftliche Bruchlandung vermeiden.

Allerdings ist die Wurzel der Probleme von «Blick» und SoBli nicht in der Überbevölkerung auf der Kommandobrücke zu suchen. Sondern der steile Absturz ist einer völlig verfehlten Strategie geschuldet, die von einer Managerin entwickelt wurde, die von Print, Newsmedien oder der DNA des «Blick» ungefähr so viel Ahnung hat wie eine Stubenfliege von Quantenphysik.

Wenn ein Manager einen Gewaltsflop zu verantworten hat, der eindeutig und einwandfrei seiner Kette von Fehlentscheiden anzulasten ist, dann wird er normalerweise entsorgt. Mehr oder weniger höflich. Er wird nicht direkt gefeuert, sondern damit betraut, die Entwicklung des Lesermarkts in Schwarzafrika ganz vertieft zu untersuchen. Oder so.

Bei Ringier läuft das anders, die Managerin wird befördert. Dabei schützt sie ein dreifacher Panzer. Ihr Geschlecht, ihre sexuelle Orientierung und ihre Herkunft aus einer sprachlich-kulturellen Randgruppe. Das – und ein paar Schwächeanfälle des amtierenden CEO Marc Walder – machen sie unkaputtbar.

Natürlich wäre es furchtbar sexistisch, einen Zusammenhang zwischen Flops und Geschlecht ganz allgemein in den Medien herzustellen. Daher ist es sicherlich reiner Zufall, dass sie Skelettierung von Tamedia von einer Jessica Peppel-Schulz zusammen mit einer Raphaela Birrer durchgeführt wird, wobei eine Kerstin Hasse immerhin über die Klinge springen musste.

Aber zurück zum SoBli und der nicht mehr so glücklichen «Blick»-Familie. Wenn das, was früher einmal Chefredaktor hiess, eine desaströs Entwicklung der Zahlen als «bedauerlich» bezeichnet, dann gilt für die Mannschaft (inklusive weiblicher Teil und alle beyond): fürchtet euch! Zittert und zagt. Das ist mit der Beschäftigung von Kindersoldaten im Newesroom nicht aufzufangen. Auch nicht alleine mit der Einstellung des «Magazin». Sondern ihr müsst das leider so sehen:

CH Media hat mit dem grossen Rausschmeissen angefangen. Tamedia hat nachgezogen. Selbst die SRG macht ein paar Sparübungen. Wer fehlt im Umzug? Genau. Und noch ein kleiner Tipp: normalerweise wird nicht bei den Häuptlingen gespart. Auch nicht bei Heads und Chiefs. Sondern bei den Indianern. Also schwingt euch auf die Pferde und reitet um euer Berufsleben. Nur: wohin bloss?

 

 

Es kann nur einen geben

Eric Gujer und Frank A. Meyer kolumnieren zum Nahen Osten.

Eine Koinzidenz, eine Peinlichkeit. Da haben wir den unermüdlichen Kolumnisten Frank A. Meyer, nicht mehr Hausgespenst bei Ringier, nur noch Gespenst seiner selbst.

Er steht vor dem Brandenburger Tor und betrachtet, der Tor, die Welt durch seine dunkel verschattete Brille. Durch die sieht er einfache Verhältnisse:

«Zwei Welten und zwei Zeiten prallen aufeinander: die westliche Freiheits- und Fortschrittszivilisation auf die muslimische Religions- und Rückschrittsideologie, der aufgeklärte Westen auf die unaufgeklärte Doktrin der Gläubigen Mohammeds und Allahs.»

Dass es in Israel mindestens so unaufgeklärte Doktrinen von orthodoxen Juden gibt, die sogar an der Regierung beteiligt sind, dass fanatische israelische Siedler ihre illegale Landnahme mit Mord und Totschlag verteidigen, dass die westliche Freiheit- und Fortschrittszivilisation zu widerlichen Kriegsverbrechen fähig ist, das passt nicht in sein Schwarzweiss-Raster der Welt.

Von Berlin aus mag man das mit getrübtem Blick vielleicht so sehen, von nahe betrachtet ist das eine Beleidigung der Schweiz: «So steht Israel seit gut 75 Jahren für alles, wofür, beispielsweise, die Schweiz steht: Freiheit, offene Gesellschaft, wirtschaftlichen Erfolg – und Wehrhaftigkeit.» Schon alleine der Unterschied, dass die Schweiz noch nie einen Regierungschef hatte, den nur die Immunität des Amtes vor dem Knast bewahrt, ist Unterschied genug. Von der Annexion fremder Länder ganz zu schweigen.

Schliesslich das klare Bekenntnis eines Salonkolumnisten, ein wohlfeiles Bekenntnis, das nichts kostet: «Es ist an der Zeit, dass für die Begriffe Israel und Juden einfach nur ein einziges Wort steht: Wir.» Seit Charlie Hebdo und «nous sommes Charlie» abgehalftert wie nur was.

Aber von den Tiefebenen des «SonntagsBlick» zum Luziden der NZZ und ihres Vordenkers Eric Gujer. Auch der macht sich so seine Gedanken zum Nahen Osten. Man mag mit ihnen einverstanden sein oder auch nicht, elegante Schärfe, Weit- und Tiefenblick ist ihnen nicht abzusprechen. «Die Zeit der Mässigung ist vorbei», titelt Gujer, und er belegt das mit einer historischen Reminiszenz: «Nach dem Libanonkrieg im Jahr 2006 formulierte der Hizbullah-Führer Hassan Nasrallah diese Sichtweise prägnant. Er sagte in einem Interview, hätte er gewusst, was die Entführung zweier israelischer Soldaten auslösen würde, hätte er nie seine Zustimmung gegeben.»

Ironie der Geschichte, nennt man das wohl. Und wie äussert sich das Fehlen der Mässigung:

«Die Invasion am 7. Oktober und der sadistische Blutrausch enthemmter Palästinenser änderten alles. Die Hamas liess den Geist aus der Flasche, der ab 2006 gebändigt schien. Jetzt gilt wieder Auge um Auge, Zahn um Zahn oder, etwas weniger alttestamentarisch ausgedrückt: Die fatale Neigung ist zurückgekehrt, Probleme ein für alle Mal lösen zu wollen.»

Auch hier beweist Gujer, im Gegensatz zu vielen Instant-Konfliktordnern, historische Kenntnisse: «Auch die Israeli hofften mit dem Einmarsch in Libanon 1982, den Unruheherd an ihrer Nordgrenze mit Stumpf und Stiel zu vertilgen. Die fürchterlichen Massaker in den Beiruter Palästinenserlagern Sabra und Shatila waren die Folge. «Ein für alle Mal» ist das todsichere Rezept für ein Desaster im Nahen Osten.»

Einer erinnert sich an Sabra und Shatila, schon dafür gebührt Gujer Lob. Die Dimension des Desasters ist den westlichen Verbündeten Israels offensichtlich nicht klar: «Einer Fehleinschätzung unterliegen auch die USA und die Europäer. Sie rufen zur Zurückhaltung auf und appellieren an den gesunden Menschenverstand, so als würden in diesem Grosskonflikt nicht längst andere, atavistische Kräfte walten

Viel Hoffnung für die Zukunft vermag Gujer nicht zu geben: «Das Feuer, das jetzt wütet, muss ausbrennen. Das System der relativen Mässigung ist kollabiert. Eine neue Ordnung für den Nahen Osten muss erst entstehen, und das geschieht in dieser Region meist mit Waffengewalt

Für den Nahen Osten sei der Moment der Wahrheit gekommen, orakelt Gujer. Entweder versucht der Iran, seinen Anspruch auf «die absolute Hegemonie vom Persischen Golf bis zum Mittelmeer» zu erheben. Hätte Teheran damit Erfolg, stünden alle anderen im Nahe Osten als Verlierer da, inklusive USA und EU, was sie nicht zulassen könnten. «Muss aber Iran einen Rückzieher machen, steht es in den Augen seiner Verbündeten geschwächt da.»

Zu gelinde formuliert, als Verlierer. Neckisch dann, dass Gujer mit einem abgewandelten Zitat von Karl Marx endet, der das über Revolutionen sagte: «Im Nahen Osten tanzen die Machtverhältnisse

Während Meyer ärgerlich, im besten Fall mitleidserregend ist, liefert Gujer Food for Thought, Gedankennahrung, die erbaut, befremden mag, aber befruchtet. Er zeigt, was für Vorteile darin liegen, wenn man Geschichte nicht nur rezipiert hat wie Meyer, sondern auch gedanklich verarbeitet. Für Meyer gilt hingegen «si tacuisses», hätte er besser geschwiegen, dann wäre ihm diese Verzwergung erspart geblieben.

 

Die SoZ macht sich

Wer hätte gedacht, dass die SoZ die NZZaS abtrocknet?

Journalismus ist halt ein People’s Business. Der Mann (oder die Frau) am Steuerrad entscheidet. Da hat sich in jüngster Zeit einiges zum Schlechteren verändert.

Längere Zeit waren Christian DorerBlick»-Familie), Arthur Rutishauser (Tamedia) und Patrik Müller (CH Media) die Platzhirsche im Tageszeitungsgeschäft. Auf einem anderen Planeten schwebt Eric Gujer (Chefredaktor, Geschäftsleiter und God Almighty der NZZ).

Dann wurden Dorer und Rutishauser übel gemobbt. Nach einer angeblichen «Untersuchung», deren Ergebnisse niemals bekannt gegeben wurden und angeblichen Gesprächen über eine Weiterbeschäftigung, war Dorer weg. Und ist seither Leiter der Migros-Kommunikation. Rutishauser wurde nach einem Protestbrief von 78 erregten Tagi-Frauen, die niemals belegte, vage Anschuldigungen erhoben, die alle männlichen Mitarbeiter unter Generalverdacht stellten, zum SoZ-Chefredaktor zurückgestuft. Nur Müller konnte sich halten und gewann sogar den Nahkampf mit der publizistischen Leiter nach unten Pascal Hollenstein. Der desavouierte sich als Sprachrohr für Jolanda Spiess-Hegglin und wurde von einem Tag auf den anderen entsorgt.

Sozusagen als Kollateralschaden musste auch Jonas Projer sein Pult bei der NZZaS räumen; nachdem seine Nachfolgerin auf der Zielgeraden absagte, wurde Beat Balzli, eigentlich vorgesehen als Booster für die Deutschland-Offensive, notfallmässig sein Nachfolger bei der NZZaS. Und Gieri Cavelti legt Wert auf die Feststellung, dass er sein Pult als Chef des SoBli freiwillig geräumt habe.

Was nachkam, nun, auch auf die Gefahr hin, der Misogynie bezichtigt zu werden: ein Frauenbonus wird in leitenden Positionen schnell zum Malus …

All diese Hintergründe muss man kennen, wenn man aktuell konstatiert: Der SoBli unter Reza Rafi hat weitgehend seine Bedeutung als ernstzunehmende Stimme am Sonntag verloren. Die NZZaS dümpelt mit Belanglosigkeiten vor sich hin, seine noch nicht vollständig in die NZZ integrierte Restmannschaft frönt ihren Pläsierchen, der Chefredaktor blamiert sich mit Editorials, die deutsche Unwichtigkeiten enthalten.

Und die SoZ läuft unter Rutishauser zu alten Formen auf. Höchstens Lukas Hässig mit seinem «Inside Paradeplatz» übertrumpft sie im CS-UBS-Bashing, dank Rutishausers Quellen und Beziehungen – und seiner ungebrochenen Schreibkraft.

Aber auch das Geschäft des Breitbandangebots beherrscht er. Während die NZZaS mit einer verunglückten Konservenbüchse aufmacht, setzt die SoZ auf einen Promi, der seinen runden Geburtstag feiert:

Auch wenn die SoZ gelegentlich unter einem verunglückten Layout leidet, das zu jedem Seitenaufmacher ein Riesenfoto verlangt, was dann oftmals an Banalität nicht zu überbieten ist, hat man hier ein nettes Porträt des Schneemenschen Reinhold Messner ausgegraben. Dazu ein kleiner Aufreger, eigentlich zwei. «Klimagesetz ist unsinnig und unsozial», da werden im Kreis 8 vegane Müeslis auf die SoZ gespuckt. Und «Schweizer Pistolen schützen Putin»; schlimmer wäre nur, wenn er auch noch eine Schweizer Uhr trüge. Hoppla, er trägt gelegentlich eine Schweizer Uhr, der böse Schlingel.

Auch der Immer-noch-Redaktor Peter Burkhardt bastelt aus Versatzstücken eine nette Rempelei-Story gegen den reichsten Schweizer zusammen. Denn Klaus-Michael Kühne hat wie viele Erben ein bewunderndes Verhältnis zu seinem Vater, der allerdings während dem Braunen Reich in üble Geschäfte verwickelt war, was der Sohn nicht wahrhaben will. Beziehungsweise den Deckel auf allen entsprechenden Dokumenten und Untersuchungen draufhält.

Dann noch ein «Heimkind», das «an den Behörden verzweifelte», Neues von der «Fettwegspritze»,  und als Auflockerung Tim und Struppi. Alleine der inhaltliche und visuelle vergleich mit der NZZaS lässt wenig Fragen offen:

Im Editorial regt sich Rutishauser wohlfeil auf: «Dass Russland mit Schweizer Waffen Krieg führt, ist eine Schande». Ist zwar etwas aufgepumpt – auch Rutishauser lässt sich gelegentlich von der Pumpstation Tagi anstecken –, aber erregt den Leser, was ja der Sinn der Sache ist.

Dann ein Schulthema, nicht weltbewegend, aber immer für Aufreger gut. Diesmal nicht wieder ein Verriss der letzten, gescheiterten Schulreform, sondern die Frage, wie die Schulen gegen die Handy- und Smartwatch-Plage vorgehen sollten.

Schliesslich der aufgepumpte Aufreger:

Issja furchtbar; hoffentlich haben die Waffen dann nicht Ladehemmung, was bei Schweizer Sturmgewehren leider vorkommt.

Dann beginnt eine nicht ganz brandneue, aber doch den Leser nicht wirklich amüsierende Werbekampagne mitten im redaktionellen Umfeld:

Geht auch so:

Ob sich der hier sicher genannt sein wollende Online-Händler damit einen grossen Gefallen tut?

Der alte, erfahrene USA-Kenner Martin Suter, der vielen «wir hassen Trump und lieben Harris»-Flachdenkern kräftig auf den Zeiger geht, weil er sich im Gegensatz zu den meisten anderen bemüht, so genau wie möglich die Wirklichkeit abzubilden, weist dann wieder auf die alte Erkenntnis von Bill Clintonit’s the economy, stupid») hin:

Dann kommen wir zu einem absoluten Stehaufmännchen. Marcel Salathé. War der nicht mal der grosse Corona-Guru der Schweiz? Überpräsent auf allen Kanälen? DER Fachmann? Und dann weg? Denn ohne Corona kein Salathé. Während aber viele seiner Kollegen (und Kolleginnen, man erinnert sich an Isabella Eckerle «Die Schweiz braucht einen Lockdown»?) in der Dunkelheit der Laborforschung verschwunden sind, hat sich Salathé neu erfunden. Schluss mit Epidemiologe, her mit dem «Co-Leiter des neuen KI-Zentrums der ETH Lausanne». Eine Wiedergeburt erster Klasse. Und um grosse Worte war er noch nie verlegen:

Und er weiss, zur Message gehört auch das entsprechende Foto:

Wie von Rodin gemeisselt. Gekonnt ist gekonnt, ein Profi halt, ein Meister der Selbstinszenierung. Aber eben gut.

Bei so viel Interessantem kann man wohlgemut eine Seite Ewiggestriges überblättern. Oder wer will schon lesen, welche Gedanken sich Bettina Weber über das verblühte Supermodell Christy Turlington macht, das letztes Jahr (!) verkündete, sie wolle keine plastische Chirurgie, was Weber spät, aber immerhin auffällt. Jacqueline Badran erinnert sich an ihre erste Anti-AKW-Demo – und daran, dass sie seither nichts dazugelernt hat. Und Markus Somm beschäftigt sich auch noch mit einem verglühten Polit-Pin-up-Girl, das nun wirklich allen zum Hals raushängt.

Aber selbst der «Sport», von ZACKBUM konsequent überblättert (überklettert, machte das Korrekturprogramm draus, endlich eins mit Humor), macht mit einem interessanten Interview mit Yeti Reinhold Messner auf, der schon mehrfach gezeigt hat, dass er nicht nur in seinen Händen Muskeln hat, sondern auch genügend Hirnzellen sein eigen nennt. Und wunderbar: das Interview ist mit Bordmitteln von Christian Brüngger erstellt.

Dann liefert Rutishauser, nach der Kühne-Sause, seinen Aufreger der Woche ab:

Selbst Jorgos Brouzos, der gerne gepflegte Langeweile versprüht, scheint seine Beförderung zum Wirtschafts-Chef gutgetan zu haben.Er erzählt eine hübsche Skandalgeschichte aus dem Unterholz der internationalen Wirtschaftswelt nach. Beteiligt ist das Imperium von Inder Gautam Adani (100 Milliarden Vermögen), die Behauptung des US-Leerverkäufers Hindenburg, dass Adani mit verdeckten Aufkäufen die Aktienkurse seiner Firmen hochmanipuliere und ein Urteil der Genfer Justiz, das 310 Millionen Dollar auf Schweizer Konti gesperrt hat, die darin verwickelt sein könnten. François Pilet veröffentlichte das zuerst auf seinem munteren Blog «Gotham City». Der wurde dann mit DoS-Angriff (Dental of Service, ein Server wird mit so vielen Anfragen bombardiert, dass er schlapp macht) fast in die Knie gezwungen.

Hübsche Crime-Story.

Dann geht’s man kann ein Niveau halt nicht durchhalten, bergab:

In der Schweiz soll es ungefähr 40’000 Transmenschen geben. Das sind 0,44 Prozent der Bevölkerung. Randgruppe trifft es nicht mal ganz. Also ist der Artikel für 99,5 Prozent aller SoZ-Leser zum Überblättern. Dann noch die Autobiographie von Frank Zappa. Nein, der ist schon ein Weilchen tot und kann sich nicht dagegen wehren, dass seine Tochter von seinem Ruhm zehrt und ihre Autobiographie schreibt.

Aufreger, Aufreger, Schauspielerin Gillian Anderson, die auch schon gloriosere Zeiten hatte, hat ein Buch über geheime Sex-Fantasien geschrieben. Von Frauen. Boach, geil.

«Hackbraten», eine Seite über Hackbraten. Weniger geil. Es gibt ein Einzelstück des Porsche 917. Überhaupt nicht geil. «Tintin flog natürlich Swissair», mässig lustig. Der Autor eines neuen Reiseführers über «Bikepacking» darf Gratis-Werbung machen. Auch nicht lustig.

Aber: Zwischen dieser SoZ und der NZZaS liegen Welten. Peinlich für die NZZ.

 

Zwei Flughöhen

Vielleicht sollte Reza Rafi keine Editorials mehr schreiben.

Wir besichtigen den Tatort. Er verteilt sich auf zwei Schauplätze. Zunächst dieser hier:

Als hätte Rafi nicht ausgiebig, häufig und unter der Gürtellinie gegen Fremdenfeinde, Rassisten, Isolationisten, gegen die Feinde alles Kulturfremden, mit einem Wort gegen die SVP gewäffelt. Aber vielleicht ist das nun seine Abbitte.

Allerdings beginnt er etwas dunkel: «Unser nördliches Nachbarland darf kein zweites Frankreich werden.» Leider löst er auch in seinem Editorial nicht auf, wodurch Deutschland denn zu einem zweiten Frankreich werden könnte, und was dann los wäre.

Aber gut, er repetiert die Bluttat von Solingen und erklärt dem ungebildeten Leser, was der Duden unter dem Wort Schock versteht. Vielen Dank dafür. Dann rhabarbert er Bekanntes: «Es ist die Vielfalt der westlichen Länder, von denen Fundamentalisten profitieren.» Phänomenale Erkenntnis. Schliesslich erinnert er den Staat an seine wichtigste Aufgabe:

«Bevor wir über Themen wie Gleichberechtigung, Kulturförderung, Kindererziehung oder Datenschutz debattieren können, müssen wir die Gewissheit haben, dass im Café, am Bahnhof oder an der Chilbi kein Irrer mit dem Messer auf uns losgeht

Leider, leider: diese Gewissheit kann kein Staat garantieren. Also was soll das dann? Auch die nächste Erkenntnis von Rafi ist Geeiertes: «auf der einen Seite zieht eine mit Blindheit geschlagene Szene jeweils reflexartig «gegen rechts» durch die Strassen. Auf der anderen Seite lauern Putin-Parteien wie AfD oder «Bündnis Sahra Wagenknecht», die bei den Wahlen in Thüringen und Sachsen nächsten Sonntag ein glanzvolles Resultat erwarten.» Putin-Parteien wie AfD oder BSW? In welcher Welt lebt der Mann?

Aber der Platz eines Editorials ist beschränkt; so wie der Inhalt. Deshalb muss er sich in die Schlusskurve legen. Und was macht  ein Chefredaktor eines Blatts, das ganz sicher nicht in deutschen Regierungskreisen gelesen wird? Er erteilt Ratschläge: «Bundeskanzler Olaf Scholz hat gestern angekündigt, mit «aller Härte des Gesetzes» gegen den Terror vorzugehen. Er wäre gut beraten, nicht bloss Lippenbekenntnisse von sich zu geben

Gut beraten, diese Worthülse hat sich Rafi von seinen deutschen Kollegen abgeschaut. Und welchen Ratschlag hat er denn auf Lager:

«Gefragt sind eine strikte Einwanderungspolitik, die erfolgreiche Integration aller Migranten und die Repression jeglichen Gewaltpotenzials.»

Oh je, «die erfolgreiche Integration aller Migranten», und alle Menschen werden Brüder, bevor wir ins irdische Paradies ziehen.

Ganz anders der zweite Tatort:

Hier nimmt Frank A. Meyer mit dem Zweihänder und der feinen Klinge (verbal, nur verbal!) einen seiner Lieblingsfeinde auseinander. Wobei er geschickt über die Bande spielt und den Namen des Aufgespiessten nicht einmal nennt. «Im Fall des Schweizer Publizisten Nachsicht zu üben, verbietet sich, nur seinen Namen zu nennen, wäre schon zu viel der Ehre.»

Was hat der Publizist – wir lehnen uns etwas aus dem Fenster und behaupten, dass sein Nachname mit K beginnt und mit l endet – denn getan? Er habe die Identifikation mit der westlich-amerikanischen Weltordnung als Verhalten von Sklaven bezeichnet. Zudem habe er gesagt: «Beim Thema der westlichen Wertegemeinschaft geht mir in der Hose das Sackmesser auf.»

Da hat der Ungenannte mal wieder einen rausgehauen, und das tat er nicht ungestraft:

«In der freien und offenen Gesellschaft des Westens, unter dem militärischen Schutzschirm der USA, wettern Maulhelden gegen die Nation, die ihnen das Wettern überhaupt erst möglich macht – Beschimpfung, Polemik und Beleidigung gegen die Garanten einer Freiheit, der man sich bedient, um zu beschimpfen, zu polemisieren, zu beleidigen

Dann erreicht Meyer, man macht sich Sorgen über seinen Blutdruck, denn er ist nicht mehr der Jüngste, seine Betriebstemperatur: «Der amerikafeindliche Reflex ist nicht neu. Die USA, eine mit vielen Fehlern behaftete Freiheitsmacht, steht seit je unter politischem Beschuss von Rechts- und Linksextremisten, die zu unterscheiden sich letztlich erübrigt. Es genügt die ebenso volkstümliche wie historische Einsicht: Pack schlägt sich, Pack verträgt sich

Das nennt man eine rechte (oder linke) Gerade, voll auf die Zwölf. Leider überbeisst Meyer dann, indem er auf einen dunklen Fleck auf der gar nicht weissen Weste der USA hinweist, den Vietnamkrieg, der für seine Generation traumatisch und politisierend war. Aber er fährt mit der Frage fort, was denn wohl wäre, hätten damals die USA (die kaum ein Kriegsverbrechen ausliessen und deren General Westmoreland angesichts der drohenden Niederlage nur mühsam davon abgehalten werden konnte, Atomwaffen einzusetzen), hätten also damals die USA gesiegt?

«Vietnam wäre heute eine freie Gesellschaft, wie Südkorea, wie Taiwan, wie Japan. Es wäre Teil der westlichen Wertesphäre.»

Das ist eine mehr als kühne These, das ein letzter Triumph kolonialistischen Verhaltens diese Wirkungen gehabt hätte. Würde Meyer vielleicht einen Blick auf den Irak werfen, wo die USA bekanntlich gesiegt haben, würde er nicht so einen Unsinn verzapfen.

Aber abgesehen von diesem kleinen Ausrutscher ist das wenigstens eine Polemik auf Niveau, gnadenlos, konsequent formuliert und den Herrn, der leider zu oft schneller schreibt, als er denkt, mit wenigen Handgriffen in den Senkel stellend. Das nennt man Niedermachen vom Feinsten, durchaus auf ZACKBUM-Niveau.

Also hier ein Tadel für Rafi, ein Lob für Meyer.

 

AC/DC

Auf der Suche nach Positivem sind wir schon mit wenig zufrieden.

Die beiden Jungs sind unkapputbar. Gut, die Bandkollegen von Sänger Brian Johnson (76) und Gitarrero Angus Young (69) nicht. Aber AC/DC versucht seit 1976, die edle Kunst der Vereinfachung, der Reduzierung auf das Notwenige, zur Perfektion zu treiben. Gelungen.

Da laufen immerhin auch die Rezensenten zu Höchstformen auf. «Es ist, als wären sie nie weg gewesen», schwärmt Michael Marti in Tamedia. Dann wird er echt witzig: «Das Hardrock-Business ist wohl eine der letzten Branchen, in der alten Menschen nicht diskriminiert werden.»

Und wirbelt Vergangenheit und Gegenwart ineinander: «Schon als zweiter Song ein Hammer-Hit, «Back in Black» (1980), mit einem der bekanntesten Gitarrenriffs der Rockgeschichte. Veröffentlicht damals nur einige Monate nach dem Tod von Frontmann Bon Scott; der Mann starb, Berufsrisiko!, an einer Alkoholvergiftung.»

Ziemlich gut auch die Beschreibung der Musik: «Schnell, direkt, mitreissend. Killerriffs und Powerfills. Das ist die Essenz des AC/DC-Sounds, so perfekt verlässlich, wie von einem Tiktok-Algorithmus angerührt.» Gut, das mit TikTok ist vielleicht etwas gesucht.

Dafür aber ein hübscher Schluss: «Womöglich ist die Hölle ein viel angenehmerer Ort, als man es sich bisher vorstellte – wenn dort unten tatsächlich AC/DC  den Soundtrack liefert.»

Auch CH Media lässt es krachen: «Der alterslose Gitarrist, 69, mit der roten Schulbubenuniform und der grossen Liebe zum Blues bleibt der optische und akustische Dreh- und Angelpunkt des Quintetts. Johnson hingegen ist der Strippenzieher, der den Draht zum Publikum aufbaut, während Young in der Musik zu versinken scheint.»

Stefan Strittmatter kann auch witzig sein: «Die Gitarren sägen, schnarren, schmatzen. Zuweilen scheppert es, und man weiss nicht, ob es die Wand an Marshalls ist, die die Stromgitarren so klingen lässt oder doch das eigene Innenohr, das unter den Druckwellen einknickt.»

Der «SonntagsBlick» setzt es hingegen in den Sand, indem er das Trachtenfest in Zürich und AC/DC zusammenmixt. Bringt für beide Events nix.

Nur Florian Bissig von der NZZ muss mäkeln, das gehört sich bei dem Blatt wohl so: «Brian geht unter, Angus liefert», titelt er. Aber auch er kommt in Stimmung: «Die Hörer bekamen offensichtlich, was sie begehrten: grelle Gitarrenriffs, stampfende Basslinien, ekstatische Solos und natürlich die eingängigen Refrains der Hits dieser Rockband der Superlative.»

Allerdings geht ihm dann zum Schluss, im Gegensatz zur Band, die voller Dampf alles durchspielt, etwas der Strom aus, da reicht’s nur zu einem müden Ende: «Es ist Rock’n’Roll unter Starkstrom, es ist «High Voltage»-Rock’n’Roll.»

Eigentlich sollte man den Mainstreammedien zurufen: nehmt euch ein Beispiel. Denn auch Journalismus ist Rock’n’Roll. Ein Ereignis, einer geht hin, schreibt auf, kommt zurück, bringt seine Notizen in Form, einfach, aber mit Wucht und Dampf, und unterhält damit den Leser aufs Beste. Könnte gar nicht so schwer sein. Man muss nicht mal so virtuos wie Angus Young auf der Gitarre sein.

Aber das Handwerk müsste man schon beherrschen, nicht sich selbst und seine Ingroup bespassen wollen, sondern den Leser. Ach, und Intelligenz kann auch nicht schaden. Da wird’s dann aber ganz, ganz dünn, nicht nur bei den Kindersoldaten in der Produktionshölle des Newsrooms.

 

Tiefdruckgebiet Sonntag

Dabei wäre die Weltlage doch so interessant …

Aber die «SonntagsZeitung» setzt mal wieder ihre eigenen Prioritäten:

Sie adressiert die wichtigsten Fragen der Menschheit zurzeit. Die da wären: «Hilft die Glukosemessung beim Abnehmen?», «Das sind die besten Spaghetti», «Eine 84-Jährige, die am liebsten in Jugis schläft», «Darf man noch schimpfen?» und «UNO: Schweiz auf der Seite der Israel-Kritiker». Das ist zwar Berichterstattung über den Nahen Osten, bezieht sich aber auf eine längst abgefrühstückte und im Übrigen bedeutungs- und sinnlose Abstimmung in der UNO-Vollversammlung.

Dann will Glättli überraschungsfrei nicht Bundesrat werden (umgekehrt wäre es eine frontwürdige Meldung), herrscht beim Bau der zweiten Gotthardröhre Vorsicht, und ganz unten rechts (!) noch die Meldung «Moskau einfach». Nein, «Kommunisten sehen sich im Aufwind». Sehen sich, Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste.

Mal im Ernst, wurde nun auch der letzte zurechnungsfähige Blattmacher entlassen? Kann sich jemand vorstellen, dass eine solche Front am Kiosk einen unbezähmbaren «muss ich kaufen»-Reflex auslöst?

Wer dem tatsächlich nachgegeben hat oder zu den zwangsbeglückten Abonnenten gehört, wird auch auf der nächsten Doppelseite unsanft in den Schlaf gewiegt. Arthur Rutishauser hat einen patenten Lösungsvorschlag für den nahen Osten, der angeschlagene Obergrüne Glättli wird doch allen Ernstes gefragt, ob er sich Chancen auf einen grünen Bundesrat ausrechne, dann noch etwas Schlaumeierei «Angriff der Grünen setzt SP unter Druck, nicht die FDP», und schon erlöst ein Inserat den Leser. Aber nur kurzfristig. Die nächste Seite ist wieder putzig.

Oben wird die Schweiz gebasht, dass sie einer UNO-Resolution für eine «humanitäre Waffenruhe» zugestimmt habe. Der israelische UNO-Botschafter, nie um harsche Worte verlegen («UNO-Generalsekretär muss zurücktreten»), beschimpft das als «Schande». Auch die SoZ muss die Schweiz darauf hinweisen, dass jeglicher Hinweis auf die Verursacher der Eskalation in der Resolution fehle. Noch schlimmer: die Liste der Urheberländer mache «hellhörig».

Denn neben dem Haupturheber Jordanien gebe es da viele arabische Länder und, Gottseibeiuns, «zweifelhafte Nationen wie Nordkorea, Russland und Venezuela». Pfuibäh, wenn die für irgendwas sind, muss man dagegen sein, egal, was es ist. Aber eigentlich sind wohl alle 120 Nationen, die dieser Resolution zustimmten, irgendwie zweifelhaft und sollten sich am besten auflösen. Anhaltend hohes Niveau der intellektuellen Durchdringung, auch bei der SoZ.

Aber dann wird es ganz heikel: «Tausende liefen an Kundgebungen mit», an «Pro-Palästinenser-Demos». Fast bedauernd meldet die SoZ: sie «blieben friedlich», und offenbar ist es den Veranstaltern gelungen, Hamas-Wahnsinnige und «from the river to the sea»-Idioten auszugrenzen. Ausser in Basel, dort wurde ein solches Transparent gezeigt. Zudem waren es mehr als erwartet, in solchen Fällen spricht man dann von «mehreren Tausenden».

Der unverwüstliche Alt-Nationalrat Geri Müller zeigte in Bern seine schönsten Selfies. Nein, er wies darauf hin, dass dieser Spruch keineswegs antisemitisch sei, sondern nur fordere, dass Palästinenser zwischen dem Jordan und dem Mittelmeer frei leben könnten. Kleine Märchenstunde.

Da es aber keinen Vorfall gab, der Anlass für richtig verbale Dresche geboten hätte, ist der Artikel scheu mit (SDA/SZ) gezeichnet. Da wollte sich kein Redaktor die Finger dran verbrennen.

Dann ein Bericht, der uns alle mehr aufrütteln sollte als die Gefahren, die vom Islamismus ausgehen: «In diesem Berner Büro planen sie die Weltrevolution». Schluck, schon wieder? Doch, doch: «Die Regierungen der Kapitalisten müssen von der vereinten Arbeiterklasse gestürzt werden». Jö. Es gibt in der Schweiz auch Nostalgiker, die den Alpöhi zurückwollen. In Österreich trauern manche dem Kaiser nach. Aber eine Seite und dieser Titel für Revolutions-Nostalgiker?

Dann muss aber jedem linientreuen Tamedia-Journi das Halbeli hochkommen, das er sich am Samstag gönnte, um den Frust über die neuen Entlassungswellen runterzuspülen. Ein positives Porträt über Nina Fehr Düsel. Frisch gewählte Nationalrätin und Tochter von Hans Fehr. Ja, dem Fehr von SVP. Und sie ist auch in dieser fremdenfeindlichen Hetzerpartei. Dabei heisse es über sie, sie «sei konstruktiv, tolerant, ja «liebenswürdig»». Und das muss man in der SoZ lesen, da platzt so manche Gesinnungsblase.

Dann, da war doch was, eine Seite Ukraine. Aber gerade nach der jüngsten Ausdünnung der Work Force stammt der Artikel natürlich von der «Süddeutschen Zeitung», what else?

So geht’s dann auch weiter. Eine Seite Gemischtes, Abhandlung über gefährlichen Häuserkampf und Abhandlung über Sahra Wagenknecht. Beides ist der SZ nicht ganz geheuer, wie die beiden Autoren aus München zum Ausdruck bringen, was dem SoZ-Leser frisch aufgewärmt serviert wird. Ach, vielleicht eine inhaltliche Auseinandersetzung mit der frischgegründeten Partei Wagenknechts? I wo, eine Glosse darüber, dass deren provisorisches Kürzel BSW schon von anderen gebraucht werde, darunter dem «Bundesverband Schwimmbad & Wellness». Ist das vielleicht zum Brüllen komisch.

Aber nicht nur im Nahen Osten geht es strub zu und her: «160’000 Schweizer Kinder erhalten Ohrfeigen». Die «Präsidentin von Kinderschutz Schweiz» mahnt: «Jeder Fall ist tragisch, gopf. Jedes Kind kann eine langfristige Schädigung davontragen.» Von den Kindern in Israel und im Gazastreifen ganz zu schweigen.

Aber dann müssen alle Klimaretter, die es aktuell sowieso nicht so leicht haben, dank Greta, eine weitere eiskalte Dusche über sich ergehen lassen: ein Arktisforscher behauptet doch unwidersprochen: «Der Weltuntergang ist nicht nahe». Wenn das die Klimakleber wüssten.

Sonst noch was? Rutishauser entgeht ja in der Wirtschaft nichts, auch nicht: «Globus sucht nach neuen Investoren». Das ist zwar ungefähr so überraschend wie «Trump ist gar nicht so reich, wie er tut». Aber immerhin, mit Riesenfoto von René Benko mit Gattin Nathalie füllt das die erste Seite und zweite Seite des Wirtschafts-Bundes.

Aber immer noch relevanter als die Titelstory bei «Leben & Kultur»: «Abnehmen und fitter werden dank Blutzuckertracker?» Ein Selbstversuch, immer wieder beliebt. Resultat: war nix. Ausser: zwei Seiten gefüllt.

Dass es die SoZ allerdings nicht fertigbringt, mit eigenen Kräften den neusten Asterix zu besprechen, sondern das auch von München erledigen lässt, ein Armutszeugnis. Die spinnen, die an der Werdstrasse.

Aber dann der Test, auf den die Welt gewartet hat, der vor allem in Italien mit angehaltenem Atem gelesen wird: die besten Spaghetti. Erstaunliches Resultat: mit einem halben Kochtopf Vorsprung gewinnen die Migros-Spaghetti. Wohlgemerkt die von M-Budget. Wahnsinn. Darf man den Kalauer machen, dass der Name einer der beiden Autorinnen gut zum Thema passt? Claudia Salzmann

Ach, einer geht noch, was macht der «SonntagsBlick»? Nun, es gibt ihn noch, was ja schon mal eine Nachricht ist. Er ignoriert auf der Front die Welt, lobt natürlich Gut-Behrami und macht mit einem Interview auf. Mit dem Gottseibeiuns Christoph Blocher. Und bevor er den interviewt, topft Reza Rafi auch noch die Grünen ein «Es ist bittere Ironie, dass die Grünen ausgerechnet mit einer Bundesratskandidatur ihr Unreife für eine Regierungsbeteiligung darlegen». Na ja, «darlegen», aber inhaltlich für einmal nichts zu meckern.

Nur das Hausgespenst bleibt sich treu und irrlichtert etwas über die SVP, diese «Schweizer Rechtspopulisten, Anti-Europäer aus tiefster Seele». Aber immerhin, er schreibt nicht «schwarzer Seele», und den «Führer aus Herrliberg» lässt er auch mal weg. Dafür drischt er in eine neue Richtung: «Für die Siege der Rechtspopulisten trägt die Linke die Verantwortung.» Da schau an.