Schlagwortarchiv für: Tages-Anzeiger

Zahlen zählen: Die FinCEN-Leaks

Ein paar Fragen zum neusten Datenleck.

Wieder einmal wurde ein hübscher Datenberg dem eigentlichen Besitzer entwendet. Diesmal handelt es sich um sogenannte SARs, «Suspicious Activity Reports». Mit dieser Meldung einer verdächtigen Transaktion wenden sich Banken weltweit an das US-Schatzamt.

Genauer an dessen Financial Crimes Enforcement Network (FinCEN). Diese Behörde ist spezialisiert auf die Verfolgung krimineller Aktivitäten wie Geldwäsche, das Verschieben von Geldern aus Drogen- und Menschenhandel, aus dem Verkauf von Blutdiamanten, oder das Verstecken von Geldern, die von Diktatoren, Potentaten, Oligarchen ihren Völkern abgepresst wurden.

In der Schweiz schlachtet Tamedia die aufbereiteten Daten aus

Das US-Newsportal BuzzFeed News bekam vor einem Jahr diesen Datenschatz zugespielt und machte sich zusammen mit dem einschlägig bekannten International Consortium of Independent Journalists (ICIJ) daran, ihn auszuwerten. Anschliessend übernahmen die schon in anderen Fällen zusammenarbeitenden Redaktionen aus vielen Ländern die spezifische Aufbereitung.

In der Schweiz gehört Tamedia zu diesem Netzwerk, was sich schon in der Publikation diverser Leaks niederschlug. Es gehört ebenfalls zu den Gebräuchen, dass weltweit auf einen Schlag zum gleichen Zeitpunkt Artikel erscheinen.

Jeder Dollar weltweit macht einen Abstecher in die USA

Zum Verständnis: Alle Banken der Welt müssen solche Meldungen an die USA machen, wenn es sich um eine Transaktion in US-Dollar handelt, immer noch die Weltwährung Nummer eins. Und im Besitz der USA, die deshalb verlangen, dass ihnen jede Transaktion gemeldet werden muss. Falls nicht, drohen empfindliche Strafen.

Ebenfalls müssen verdächtige Geldflüsse gemeldet werden. BuzzFeed News hat rund 2100 dieser SAR-Meldungen mit «200’000 Transaktionen» zwischen 1999 und 2017 ausgewertet. Die «Süddeutsche Zeitung», mit der Tamedia in der Auslandberichterstattung kooperiert, hat es eher einfach. Denn mit Abstand die meisten geleakten Meldungen erfolgten durch die Deutsche Bank; fast 1000. Weit abgeschlagen kommen dann US-Banken oder die Bank of China.

Nur Brotkrumen für Tamedia

Eher Brotkrumen fallen bislang für den «Tages-Anzeiger» und seine Kopfblätter ab. In einem ersten Artikel (hinter Bezahlschranke) beschreibt er, wie Geld, das für eine Armensiedlung in Venezuela bestimmt war, stattdessen teilweise auf Schweizer Bankkonten abgezweigt wurde. Diese Siedlung hätte mit Hilfe der staatlichen «Che Guevara Mission» in einen menschenwürdigen Zustand versetzt werden sollen. Stattdessen bunkerte die Unternehmerfamilie Ceballos mindestens 30 Millionen auf ihren Privatkonten in der Schweiz.

Das hätte sich auch Che Guevara gefragt

Ähnliche Fälle sind schon länger im Zusammenhang mit der staatlichen Ölfirma PDVSA bekannt, die sich in einen Selbstbedienungsladen für korrupte Funktionäre des Maduro-Regimes verwandelt hat.

Aus all diesen Gründen ist natürlich ein solches Leak durchaus interessant. Allerdings stellen sich doch ein paar Fragen, die sich auch Che Guevara als ehemaliger Präsident der kubanischen Notenbank gestellt hätte.

So schreibt der «Tages-Anzeiger»: «Das Leck besteht aus über 2100 Geldwäschereimeldungen von US-Banken.» Das wird die Deutsche Bank aber wundern, dass sie im Besitz der USA ist. Sie machte zudem mit 982 SARs über 1,3 Billionen Dollar mit weitem Abstand die meisten Meldungen. Auch HSBC oder gar die Bank of China wüssten es wohl, wenn sie inzwischen von den Amis aufgekauft wurden.

Nächste Frage: BuzzFeed News spricht zwar von über 200’000 Transaktionen, aber von 2100 SARs-Meldungen. Bei einem Gesamtvolumen von 2 Billionen wäre das pro SAR eine Anzeige von fast einer Milliarde?

Gnadenlos gut aufbereitet von BuzzFeed News

In der Datenbank von BuzzFeed News, die mal wieder zeigen, wie man internetbasierten Journalismus betreibt, nämlich auf einem Niveau der Darstellung, das im deutschen Medienbereich keiner kann, sind die Transaktionen pro Land abrufbar.

Bei der Schweiz sind es 2051 Transaktionen, mit denen rund 3,75 Milliarden Dollar in die Schweiz transferiert wurden, und 4,2 Milliarden aus ihr heraus. Noch spezifischer sind dann die Transaktionen auf einzelne Banken heruntergebrochen.

Nur die USA selbst könnten durchgreifen, aber …

Auch hier ist es in der Darstellung des «Tages-Anzeigers» nicht klar, wie das aus lediglich 2’100 SARs insgesamt herausgelesen werden konnte. Aber auf jeden Fall könnte dieses Leak den US-Behörden Beine machen. Denn nur sie können hier durchgreifen. Und für einmal ist die Schweiz nur unter ferner liefen. Dass die Deutsche Bank so herausragt, hat seinen Grund. Es ist längst bekannt, dass Deutschland – neben Frankreich und England – zu den grössten Geldwäschereianlagen der Welt gehört. Und sich in der EU mit aller Kraft dagegen stemmt, mehr Transparenz im Finanzwesen zu ermöglichen.

Die weltweite Nummer eins in Sachen Geldwäsche sind aber ausgerechnet die USA selbst.

Corona-Leugner gegen Zeugen Coronas

Eigentlich sind sogar Zeitungen farbig. Ausser bei Corona.

Der Medienchoral, der unablässig Hosianna sang, wenn die BAG-Schlafpille Daniel Koch oder der fach- und sachfremde Gesundheitsminister Alain Berset etwas von sich gaben, hat sich aufgelöst.

Die eine oder andere Kritik an der Weisheit von Beschlüssen der Obrigkeit oder an mit wissenschaftlichem Gestus vorgetragenen Befürchtungen sind erlaubt. Aber ansonsten sind die Meinungen in den Leitmedien gemacht.

Gibt es wirklich Corona-Leugner?

Drei Dinge sind sicher auf dieser Welt: Donald Trump ist auch bei der Pandemie ein Vollversager. Der «schwedische Weg ist gescheitert», wusste schon Ende Juni der Corona-Kenner aus dem Hause Tamedia. Also eigentlich der Auslandredaktor Sandro Benini.

Aber wenn darüber vielleicht noch diskutiert werden könnte, allerdings nicht ergebnisoffen, bitte schön, eines ist unumstösslich: Es gibt Corona-Leugner. Und die haben einen Sprung in der Schüssel. Tragen zu Hause oder sogar öffentlich einen Aluhut. Glauben daran, dass es eine weltweite Verschwörung der Reichen gibt. Oder an UFOs.

Neigen auch durchaus zu Rechtsradikalismus, glauben auch an Homöopathie und andere obskure Heilungswege. Aber sie leugnen, dass es eine Pandemie namens Corona gibt. Sie sind allerdings auf ihrem Irrweg brandgefährlich. Deshalb ergibt das Suchwort «Corona-Leugner» in den letzten sechs Monaten sagenhafte 330’000 Treffer im Medienarchiv SMD.

Mehr Treffer für Corona-Leugner

Selbst «COVID-19» stinkt mit 213’000 Treffern dagegen ab. Was komisch ist: Ich kenne keinen einzigen Corona-Leugner. Ich kenne auch keinen, der einen kennt. Ich kenne nicht mal einen, der einen kennt, der einen kennt.

Aber vielleicht kann ich diese Lücke am Samstag schliessen. Da ist anscheinend eine Demonstration der «Corona-Skeptiker» angekündigt, wie der «Tages-Anzeiger» etwas abtemperiert schreibt. Das ist immerhin ein neuer Begriff, nachdem auch Tamedia das idiotische Wort vom Corona-Leugner in den letzten 6 Monaten über 4500 Mal verwendte.

Also ist das nun gut, ein Ausdruck demokratischer Meinungsvielfalt, das Ausüben eines Grundrechts, indem man demonstriert? Nun ja.

Framing ist auch bei Corona alles

Es besteht doch Anlass zur Sorge. Denn zunächst einmal gibt es zwei «Stargäste» an dieser Demo. Zum einen Comedian Marco Rima, der sich allerdings schon «bei Schawinski selbst demontierte».  Und Andreas Thiel, der sich «auch mit Talkmaster Schawinski öffentlich gestritten» habe. Dass damals das Thema überhaupt nichts mit Viruserkrankungen zu tun hatte, was soll’s.

Was Tamedia aber von den deutschen Kollegen gelernt hat, die fast die gesamte Auslandberichterstattung bestreiten: Framing ist alles, wer den Luftkampf um die verbale Etikettierung gewinnt, ist Sieger. Deshalb wird in Deutschland bei jedem Bericht über eine Demonstration gegen die Corona-Politik der Regierung darauf hingewiesen, dass sich unter den oft hunderttausend Teilnehmern auch Rechtsradikale, Reichsbürger, Verschwörungstheoretiker und überhaupt verantwortungslose Irre befänden.

Zweifelhafte Organisatoren, zweifelhafte Absichten

Organisiert wird die Demonstration in Zürich vom «Bürgerforum Schweiz», zusammen mit «weiteren Corona-skeptischen Gruppen und Impfgegnern». Schlimmer noch: Dessen Präsident Daniel Regli sei «als Gemeinderat mit homophoben Aussagen aufgefallen» und tue sich ebenfalls bei «Antiabtreibungs-Demos» hervor, weiss der «Tages-Anzeiger».

Das mag ja alles so sein, nur: Was hat das mit dem Ausüben eines urdemokratischen Rechts zu tun? Nämlich gegen eine vermeintlich falsche, schädliche Regierungspolitik zu demonstrieren? Wieso sind das dann Corona-Skeptiker, gar Leugner? Das ist so absurd wie der Begriff Kreml-Kritiker. Oder Umweltsünder. Oder Klimaleugner.

Eine ganze Nomenklatur falscher Begriffe

Niemand, der alle Tassen im Schrank hat, ist skeptisch, dass es ein COVID-19-Virus gibt. Geleugnet wird es erst recht nicht. Wenn ein Oppositioneller in Russland ein Kreml-Kritiker ist, wieso gibt es dann in der Schweiz keine Bundeshaus-Kritiker? Oder in Deutschland Reichstags-Kritiker? Ist jede Form von unachtsamem Umgang mit der Umwelt gleich eine Sünde? Bedeutet jede abweichende Meinung zu Klimafragen, dass da jemand das Klima leugnet?

Werden sich also am Samstag in Zürich nur homophobe, sich selbst schon öffentlich bei Schawinski demontiert habende Verschwörungstheoretiker, Corona-Skeptiker, gar Corona-Leugner, allenfalls auch Abtreibungsgegner, Fremdenfeinde, Rassisten, Hetzer, mit einem Wort: Vollirre versammeln?

Und muss nicht jeder, der nicht in diese Gesellschaft geraten will, die Teilnahme tunlichst meiden? Oder ganz einfach gefragt: Ist das die Art von Berichterstattung, die einer Monopolzeitung ansteht, die doch behauptet, mangels anderen Plattformen offen für Divergierendes zu sein, zudem nach hohen Standards des journalistischen Handwerks zu berichten?

Aber vielleicht ist man dann ein Zeitungsleugner, wenn man nur schon diese Frage stellt.

Ex-Press IV

Blasen aus dem Mediensumpf: Schnelle Nummern im schnellen Journalismus.

 

«Blick» ist nicht so dabei

Wo erfährt man, dass der BLS-Chef zurückgetreten ist? Na, in einer Meldung im «Blick». Wo erfährt man, was BLS ist? Na, in Google. Oder hätten Sie’s gewusst?

Wo wird Donald Trump zwischen Lead und Lauftext ein Jahr älter? Richtig, im «Blick»: «Donald Trump (73) strebt eine zweite Amtszeit an.» Da altert man schnell: «US-Präsident Donald Trump (74) hat Briefwähler bei der Wahl im November zum Versuch ermutigt, zusätzlich auch im Wahllokal abzustimmen, und damit für einen Eklat gesorgt.» Wettbewerb folgt; welche Altersangabe ist richtig? Schicken Sie ein SMS an #Orangeman.

Haben Sie’s gemerkt? Der «Blick» schmückt sich online mit einem Schweizerkreuz als i-Punkt. Und die Ressorts heissen «Nöis, Schport, Meinig». Ein Bekenntnis zu Volk und Heimat, ein Signal für die SVP-Initiative?

Zum Thema getragen

«Knall bei der Praxiskette «Mein Arzt»», vermeldet die «Aargauer Zeitung» aus dem Hause CH Media. Unglaublich, wie lange es dauert, bis bei diesem Blatt das Geräusch einer Explosion ankommt. Schon im Juni hatte die «Rundschau» über üble Zustände bei «meinarzt» berichtet. Auch der «Reussbote» berichtete bereits am 1. September darüber. Und, mit Verlaub, am 3. September ZACKBUM.ch. Genügend Anlass für CH Media, sich endlich mal in Bewegung zu setzen. Am Abend des 3. und am 4. September.

Immerhin, zunächst vermeldete die AZ: «Die Patienten der «MeinArzt»-Praxis in Niederrohrdorf standen Anfang Woche plötzlich vor verschlossenen Türen. «Der Arzt ist einfach weg», schreibt eine Leserin der AZ.» Ob diese Leserin wohl den Nachnamen Reuss-Bote trägt?

Aber nun zeigt die AZ sicher mal, was eine Qualitätszeitung im Vergleich zu einem Lokalblatt kann. Vor allem, wenn sich gleich zwei Redaktoren auf Recherche begeben. Hintergründe, Informationen über das Management von «meinarzt», Blick ins Betreibungsregister, gar Recherche am Hauptquartier? Ach nein, man ist glücklich, einen gesprächsbereiten betroffenen Arzt aufgetan zu haben. Alles andere würde doch in stressigen Aufwand ausarten.

Schwester, ein Tupfer bitte

Der «Tages-Anzeiger» begleitet schon länger das Schlamassel an der Herzklinik des Unispitals Zürich. Nun ist der ehemalige Leiter von beurlaubt über amtsenthoben zum Abgang «im gegenseitigen Einverständnis» durchgereicht worden. Der Whistleblower, der den Fall ins Rollen brachte, wehrt sich gegen seine neuerliche Entlassung. Gute Gelegenheit, mal mit dem Präsidenten des Spitalrats, des Kontrollgremiums über das Skandal-Spital, ein hartes Interview zu führen.

Nun ja. Die härteste Frage lautet: «Sie haben sich also einvernehmlich getrennt, zahlen ihm eine Abfindung, und sonst heisst es: Schwamm drüber.» Martin Waser, zwar völlig unbeleckt von medizinischen Kenntnissen, aber Berufspolitiker und Ex-Stadtrat, weiss, wie man mit frechen Fragen umgeht: «Das stimmt nicht.» – «Das ist eine Unterstellung.» – «Nein, das ist falsch. Der Waser ist nicht erpressbar.» – «Dazu kann ich nichts sagen.»

Immerhin wagen sich die beiden Interviewer sogar an die Frage, ob Waser und der Spitaldirektor Gregor Zünd nicht zurücktreten sollten. «Hätte es geholfen?», fragt Waser zurück, und damit ist er weitgehend unverletzt durchs Wattebausch-Interview gekommen.

Schwester, nochmal abtupfen

Auch die NZZ wagte sich an ein Interview mit Martin Waser. Inhalt? Siehe oben. Immerhin entlockt sie Waser ein titelfähiges Zitat: «Es brauchte einen klaren Schnitt». Auch hier kann Waser ungestraft um unangenehme Fragen herumrudern. Komme die Trennung von Prof. Maisano nicht einer Vorverurteilung gleich, da die Ergebnisse der Untersuchung gegen ihn noch gar nicht vorliegen? «Nein, absolut nicht», darf sich Berufspolitiker Waser einer Antwort entziehen.

Auch im Fall des Whistleblowers, der den Fall ins Rollen brachte, entlassen wurde, wieder eingestellt wurde und nun neuerlich entlassen wird, kann sich Waser in einen Stossseufzer flüchten: «… und das fliegt uns jetzt um die Ohren.» An die naheliegende Frage, ob es nach dermassen vielen Skandalen und Baustellen nicht höchste Zeit wäre, die Kontrollbehörde oder die operative Leitung des Spitals auszuwechseln, wagt sich die NZZ erst gar nicht.

Schreiben mit der Klosettbürste

Tagi-Journalist Andreas Tobler ist Wiederholungstäter.

Die feine Klinge ist seine Sache nicht. Wenn Tobler in die Tasten haut, geht’s zu, als ob er mit einer Klosettbürste hantieren würde.

Ein dümmlicher Schlingensief-Imitator wollte im Theater am Neumarkt provozieren und entwarf ein Plakat mit dem Text: «Tötet Roger Köppel! Köppel Roger tötet!» Das druckte dann das Strassenmagazin «Surprise» ab, laut Selbsteinschätzung «journalistisch hochwertig».

Nachdem ihn fundamentalistische Wahnsinnige mit dem Tod bedroht hatten, weil er mutig Mohammed-Karikaturen nachdruckte, musste sich Roger Köppel zum zweiten Mal Sorgen um seine persönliche Sicherheit und die seiner Familie machen.

Viel Verständnis für einen Mordaufruf

Die Redaktion von «Surprise» zeigte sich damals einsichtig, die Publikation sei «ein Fehler» gewesen, der ihnen «Leid tut». Aber da hatten sich schon Linksausleger in Stellung gebracht, um den Mordaufruf umzudeuten: Es handle sich um den «Versuch, mittels eines künstlerischen Statements zum Nachdenken anzuregen», säuselte Sylvia Egli von Matt, sonst die Siegelbewahrerin von Sitte und Anstand im Journalismus.

Viel Feingefühl zeigte auch der Mitarbeiter Kultur beim «Tages-Anzeiger». «Dieser Mordaufruf», so Tobler damals, könne als Reaktion auf die Auftritte Köppels in deutschen Talkshows «verstanden werden», zudem stehe diese «Künstleraktion» in der Tradition Schlingensiefs, der auch wiederholt zum Mord an Helmut Kohl und Christoph Blocher aufgerufen habe. Es sei ja wirklich nur ein «Theatermord».

Man stelle sich vor, wie Tobler ins Hyperventilieren mit Schnappatmung geraten wäre, wenn in aller künstlerischen Freiheit ein solcher Mordaufruf gegen den damaligen Tagi-Chefredaktor Res Strehle ergangen wäre.

Nun reitet er gegen die «Cancel Culture»

Feige verzichtete Tobler damals darauf, sich auf Anfrage zu erklären. Nun reitet er wieder, diesmal gegen die sogenannte «Cancel Culture». Sie sei die Beschwörung eines «Phantasmas», wer davon rede, wolle sich endlich als Opfer präsentieren.

Dann zählt Tobler einige Beispiele aus Deutschland auf, wo sich Künstler darüber beschwerten, dass man sie wegen ihrer Gesinnung zensiert oder boykottiert habe. Das sei nun keineswegs so, urteilt Tobler, es hätten höchstens «viele Menschen ihre demokratischen Rechte wahrgenommen», indem sie im Netz den üblichen Hassmob bildeten.

Das würde Tobler sicherlich als Anschlag auf die Freiheit der Kunst beklagen, wenn die Betroffenen nicht eine in seinen Augen falsche Gesinnung hätten. So sei es völlig richtig, dass der Sänger Xavier Naidoo in München keinen Termin für ein Ersatzkonzert bekommen habe, nachdem das geplante Corona zum Opfer gefallen war.

Naidoo sei ein Antisemit

«Der Antisemitismus und die Homophobie eines Naidoo» seien »nichts, was geschützt ist, denn Hass ist keine Meinung». Meint Tobler hasserfüllt. In seiner Verblendung ist ihm offenbar entgangen, dass Naidoo in Deutschland gerichtlich untersagen liess, dass man ihn als Antisemiten anrempelt.

Denn der dunkelhäutige Naidoo engagiert sich seit vielen Jahren gegen Rassismus und jede Form von Diskriminierung. Muss er erwähnen, dass sein Sohn einen hebräischen Namen trägt und ihn auch sein – im Übrigen jüdischer – Konzertveranstalter gegen solche unqualifizierten Verleumdungen in Schutz nimmt?

Naidoo wird insbesondere vorgeworfen, er verbrüdere sich im Lied «Marionetten» populistisch mit deutschen Rechten. Obwohl man das diesem Text nicht entnehmen kann. Aber das alles ist Tobler in seinem blinden Hass egal, schliesslich treibe Naidoo «in Netzwerken wie Telegramm weiter sein Unwesen».

Gegen jeden Sinn, jede Logik

Während an der Meinung Toblers wohl die Welt genesen solle. Denn von «Cancel Culture» sprächen «rechtskonservative Publizisten gesetzteren Alters», weil im Netz deren «Machtanspruch in Sachen Meinungsbildung unterlaufen» würde.

In Wirklichkeit wird hier nur jeder Sinn, jede Logik unterlaufen. Denn in den Leitmedien herrscht bekanntlich nicht die Meinung konservativer, alter weisser Säcke vor. Sondern von dümmlichen Traumtänzern wie Tobler. Und im Netz wird kein Machtanspruch in Frage gestellt, weil es den gar nicht gibt. Und Shitstorms, üble Beschimpfungen unter dem Deckmantel der Anonymität zu einem Akt des zivilen Aufbegehrens umzuschreiben, das zeugt von pathologischem Realitätsverlust.

Mehr braucht es nicht zum Heuchler

Austeilen und sich dann feige vom Acker machen, das hat bei Tobler Methode. So rempelte er auch im «Tages-Anzeiger» Roger Schawinski anlässlich von dessen Buch über Narzissten an, warf ihm Plagiat und unsaubere Zitiermethoden vor, verwendete unautorisierte Zitate von Schawinski. Als der ihm daraufhin anbot, die Sache vor laufendem Mikrophon auszudiskutieren, kniff Tobler.

So wie er sich beim «Theatermord» nicht erklären wollte, so wie er es Roger Köppel nicht gönnt, als «brillanter Journalist» bezeichnet zu werden. Neid, Einseitigkeit und fehlende Standfestigkeit: mehr braucht es nicht zum Heuchler.