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Wladimir «Der Schreckliche» Putin

Kriegerisches Vokabular ist multifunktional.

«Die Pandemie muss entschlossen bekämpft werden.» – «Sie ist eine Bedrohung für uns alle.» – «Impfgegner sind zu verurteilen und scharf zu sanktionieren.»

Wir erinnern uns. Nun ersetzen wir die Worte Pandemie und Impfgegner durch Putin und Russland. Funktioniert genauso gut.

Nehmen wir nur das Kriegsgeschrei aus der «Sonntagszeitung». Der US-Aussenminister sorge sich «um den Frieden weltweit», brüllt die Headline auf Seite eins heraus. Das ist nett von ihm, aber wieso eigentlich, und wie bringt er diese Sorge zum Ausdruck?

Es geht auf Seite 2/3 genauso kriegerisch weiter. «Ein Krieg hätte schreckliche, verheerende Folgen», warnt hier nochmals der Aussenminister. Wie ein einigermassen zurechnungsfähiger Produzent eine solche Banalität in den Titel nehmen kann – das zeugt von höherer Verzweiflung. Von den rigiden Qualitätskontrollen des Hauses ganz zu schweigen, die hier ein weiteres Mal versagt haben.

Martin Suter, der Linksausleger, vermeldet aus New York: «Die USA rechnen mit baldigem Angriff.» Das ist nun auch nicht wirklich eine Breaking News. Interessant höchstens, dass sich nun Präsident Biden auf diese Woche als Datum des Kriegsbeginns festgelegt hat. Nicht ganz ohne Risiko, wenn der Oberbefehlshaber der stärksten Militärmacht der Welt falsch liegen sollte. Aber es hatte – trotz riesigem Foto russischer Panzer – noch Platz auf der Seite. Also stellte man flugs dazu: «Die Suche nach einem Kriegsgrund».

Auch das ist tiefgründelnd und wahr. Eher selten beginnen Kriege ohne Grund, das könnte auch hier der Fall sein. Nun ist es aber nach wie vor eher schwierig, einen Kriegsgrund zu finden. Die Separatisten in den östliche Provinzen der Ukraine würden «zur «Generalmobilmachung» aufrufen und Waisenkinder evakuieren», weiss die SoZ.

Wenn das mal nicht gleich zwei Kriegsgründe sind … Viele Buchstaben, wenig Inhalt. Schlimmer ist auf dieser Seite eigentlich nur die Bebilderung. Ein Agenturfoto des US-Aussenministers und von Präsident Putin. Ein Wimmelbild von russischen Panzern als fast eine halbe Seite füllende Verzweiflungstat. Und dann noch eine Briefmarke, auf der sich ein nicht identifizierter Soldat einer unbekannten Armee an einem unbekannten Ort über ein kleines Loch im Boden beugt, dass angeblich von einer Granate der Separatisten verursacht wurde.

Insgesamt ist der Informationsgehalt dieser Doppelseite ungefähr so tiefschürfend wie das Löchlein im Boden, das der Soldat begutachtet.

Kriegsspiele aus dem Sandkasten

Abklingende Pandemie, Platz für Kriegsgeschrei.

Tamedia macht sich schon Sorgen um die Versorgung der Bevölkerung mit Notvorrat. Der «Blick» befürchtet eine neuerliche WC-Papier-Krise. Stefan Schmid, der eigentlich überflüssige Chefredaktor des St. Galler «Tagblatt», macht sich strategische Gedanken um den möglichen Einsatz der Schweizer Luftwaffe.

Das hört sich dann so an, wenn ein Spielzeug-General in die Tasten greift:

«Dass die Schweiz als eines der reichsten Länder Europas mithilft, die Sicherheit auf dem Kontinent zu garantieren, ist richtig. Angesichts der angespannten geopolitischen Lage in Osteuropa sind solche Überlegungen wichtiger denn je

Man spürt, wie aus jeder Zeile ernste, angestrengte Bedeutsamkeit tropft. Endlich hat die Journaille ein Thema gefasst, das Platz gibt für die volle Orgel, das ganze Klavier, sogar für Pauken und Trompeten.

Denn es geht doch um alles. Um Krieg und Frieden. Leben und Tod. Verantwortung und Mut. Endlich kann man sich wieder in Schwarzweissdenken suhlen, das Schachbrettmuster einfacher Gedanken und Begrifflichkeiten über die Welt werfen.

Eigentlich ist die Lage doch ganz einfach

Ist doch einfach. Da steht wieder mal der böse Russe, wie weiland im Kalten Krieg. Der ist zwar nicht mehr rot, aber immer noch ein Bär. Zuoberst ist kein Kommunist mehr, aber fast, so ein ehemaliger KGB-Agent, das reicht doch auch als Feindbild.

Dann haben wir das unschuldige Opfer. Die Ukraine, ein Land voll lupenreiner Demokraten, fleissig, westlich orientiert, mutig, unserer Sympathie und Unterstützung würdig. Da gab es doch auch mal so eine Heldin mit blondem, geflochtenem Haarkranz, und einen Helden mit leicht entstelltem Gesicht, weil der einen Giftanschlag überlebte. Wie hiessen die nur?

Der Präsident des Landes, wie heisst der schon wieder, war anscheinend ein Komiker. Vielleicht ist er’s noch. Dann ist da noch irgendwas mit Erdgas, und wo liegt die Ukraine schon wieder genau? An welche Länder grenzt sie? Was ist ihre Geschichte?

Ach, das würde ja alles zu weit führen. So kann man sich doch nicht richtig auf Krieg oder Frieden vorbereiten. Schliesslich müssen wir alle mithelfen, die Sicherheit auf dem Kontinent zu garantieren. Das sind wir Europa schuldig, reich, wie wir sind.

ZACKBUM bietet dazu Hand; wir geben eine Garantieerklärung für die Sicherheit auf dem Kontinent ab. Nimm das, du russischer Bär, und troll dich.

Nach der Intensivstation nun der War Room

Offensichtlich ist den meisten Medien ihre in der Pandemie entdeckte staatspolitische Bedeutsamkeit in den Kopf gestiegen. So wie sich eigentlich jeder Redaktor in einen Epidemiologen, Virologen und Seuchenspezialisten verwandelte, muss man sich das nun so vorstellen, dass die wenigen überlebenden Kindersoldaten im Newsroom sich in einem War Room fühlen, vor sich ein virtuelles Schlachtfeld mit den Blauen (unsere, die Guten) und den Roten (die anderen, die Bösen).

All die Virenkenner verwandeln sich nun in Spezialisten der Kriegskunst. Panzer, Artillerie, Luftwaffe, Seestreitkräfte nicht vergessen. Ach, Raketen natürlich, und am Schluss entscheidet immer die Infanterie.

Wie steht es eigentlich im näheren Umfeld der Schweiz? Im letzten grossen Krieg waren ja eigentlich alle gegen uns, wollten sich aber die Verkehrswege nicht kaputtmachen, und so ein neutraler Handelsplatz mitten in Europa war ja auch nicht schlecht.

Und heute? Wenn wir Kriegsstrategen nach Norden blicken, müssen wir erschrecken. Was ist aus dem deutschen Landser geworden? Überhaupt aus der Armee? Die Teutonen senden 350 Soldaten in den Osten und rund 6000 Helme. Das ist alles? Was macht Frankreich? Mit wem verbündet sich Italien? Das ist wichtig zu wissen, denn wer Italien an seiner Seite hat, verliert eigentlich immer. Österreich? Ach, die sind ja auch neutral, müssen uns wieder alles nachmachen.

So viele offene Fragen, so wenig Antworten

Sind wir eigentlich auch mental auf einen Krieg vorbereitet? Wird er uns wieder verschonen? Können wir uns mit den guten Diensten retten? Und bei allem Spass an neuen Fliegern, wie steht’s mit Cyberwar? Heutzutage muss Infrastruktur nicht mehr bombardiert werden, ein paar Computerviren erledigen das viel effizienter.

Wie steht es mit der Fünften Kolonne, dem Feind im Inneren? Gibt’s den überhaupt, und wenn ja, woran erkennt man ihn? Wem muss man zurufen: «Moskau einfach»?

Da gibt es noch so viel jungfräuliches Terrain zu beackern, so viele Fragen sind noch offen. Wir müssen den Journalisten aber noch etwas Zeit lassen, Betriebstemperatur zu erreichen. Ist schliesslich nicht so einfach, den Geschlechterkampf, die Durchsetzung des Gendersterns, den Kampf gegen Rassismus, Sklaverei, Mohrenköpfe und Männersprache mit echtem Kriegshandwerk zu ersetzen.

Sagen wir so: wenn Corona-Kreische Marc Brupbacher nicht mehr Viren zählt, sondern Panzer und Bodentruppen, dann wissen wir, dass der Paradigmenwechsel stattgefunden hat. Ehrlich gesagt ist Kriegsgeschrei zwar genauso nervig wie die ewigen Warnungen vor dem Massensterben durch ein Virus. Aber es ist immerhin eine Abwechslung.