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Ordnungspolitischer Zwischenruf

So nannte das mal die NZZ. Das waren noch Zeiten.

Inzwischen leben wir aber in Zeiten, wo immer weniger argumentativ aufeinander eingeprügelt wird, sondern Haltungen, Positionen entweder gelobt – oder verurteilt werden. Es gilt nicht mehr: Abt sagt das. Das ist falsch, weil. Sondern es wird zum Ausdruck gebracht, dass einem die ganze Richtung nicht passt.

Das ist natürlich jedem ZACKBUM-Leser unbenommen. Da wir keine Verantwortung für gesundheitliche Folgen zu grosser Erregung übernehmen können, wollen wir nochmals darauf hinweisen, dass die Lektüre freiwillig ist. Und dass wir jeden kritischen Kommentar, wenn er sich innerhalb der weitgefassten Grenzen von Anstand und rechtlich Zulässigem bewegt, veröffentlichen.

Aber es scheint uns doch nötig, einen kurzen ordnungspolitischen Zwischenruf abzusetzen. ZACKBUM teilt die Auffassungen von Felix Abt nicht. ZACKBUM hat weder die Zeit noch die Kompetenz, seine Argumente zu überprüfen, zu verifizieren oder zu falsifizieren.

ZACKBUM ist hingegen der unerschütterlichen Auffassung, dass es Platz für vom Mainstream und Einheitsbrei abweichende Meinungen geben soll. Daher käme es uns eher nicht in den Sinn, solche Meinungsträger als Gastautoren zu akzeptieren. Ausser, sie hätten ein konkretes Widerwort zu bieten.

ZACKBUM ist zudem der Auffassung, dass Verortungen oder Kritiken an den Gastartikeln, die nicht konkret zur Sache gehen, vielleicht der Psychohygiene des Verfassers dienen, aber keinen erkenntnisfördernden Beitrag zur Debatte bilden.

Dennoch werden wir auch solche Äusserungen weiterhin publizieren, denn wir sind liberal. Aber als Betreiber dieser Plattform bestimmen wir nunmal die Spielregeln. Und wem das nicht passt, der kann das Spielfeld problemlos und freiwillig verlassen. Wer mitspielen will, ist darum gebeten, Inhaltliches zum Spiel beizutragen, sich umlaufenden Spiel zu äussern und nicht zu ausufernd Betrachtungen über die Welt als solche anzustellen.

Vielen Dank.

Meinungsvielfalt à la Ringier

Ein Konzern lebt Pluralismus vor. Allerdings länderübergreifend.

«Der Aufenthalt des ungeimpften Novak Djokovic in Melbourne und sein Auftritt beim Grand Slam war vor allem eine desaströse PR für die australischen Politiker an der Macht, weil ihre Bürger und Wähler seit zwei Jahren unter einer der strengsten Quarantänen der Welt leben.»

Djokovic aus dem Land zu «schmeissen», das sei einer der «grössten Sportskandale des 21. Jahrhunderts». Schreibt das Ringier-Blatt «Blick». Das ist Meinungspluralismus.

Denn gleichzeitig hämt eine deutlich überforderte «Chefredaktorin Sport»: «Und täglich grüsst der Drama-King». Dann geht sie in die Vollen:

Oh, ich sehe gerade, das erste Zitat stammt von hier:

Das ist ja der serbische «Blic». Gleicher Besitzer, gleiche Marke. Nur eben anders. Der Devise des CEO Marc Walder folgend, dass man die jeweilige Regierungspolitik unterstützen solle. Das gilt offenbar nicht nur für Corona, denn Serbiens Regierung ist natürlich bestürzt über den Entscheid, dem Tennisspieler zum zweiten Mal das Visum zu entziehen.

Schön, dass es Translator gibt …

Echter Meinungspluralismus wäre allerdings, wenn diese konträren Meinungen auch in der Schweiz im «Blick» Platz fänden.

Aber wenn man eine Steffi Buchli nicht daran hindert, sich lächerlich zu machen, was will man da erwarten …

Impfwoche! Spritz dir eins!

Wir leben im Paradies der pluralistischen Medien. Und glauben an den Weihnachtsmann.

Der Bund wirft ein paar Millionen Steuergelder auf, um mal richtig vorwärts zu machen mit dem Impfen. Impf dir eins, dann gibt’s Raclette. Nimm den Impfbus. Booster dir eins. Einen hübschen Teil der Millionen gibt der Staat für Medienkampagnen aus. Endlich mal wieder Inserate satt in den Tageszeitungen.

Fotos der grossartigen Webseite «Kim looking at things».

Das alles hat natürlich überhaupt keinen Einfluss auf die objektive, ausgewogene, alle Meinungen widerspiegelnde Berichterstattung. Niemals. Ehrenwort. Strikte Trennung von redaktionellem Inhalt und Werbung. Hand aufs Herz und treuer Blick nach oben. Publireportage? Paid Content? «In Zusammenarbeit mit»? «Diese Reisereportage wurde unterstützt von»? Diese Produkte hat unsere Beauty-Redaktorin für Sie ausgewählt, äh, wurden ihr gratis zugesteckt?

Nun ja, wir wollen da den Fünfer gerade sein lassen. Nicht nur der Coninx- oder Ringier- oder Wanner-Clan muss ja von was leben. Seine Angestellten auch. Aber wenn’s ernst wird, wenn es um Leben oder Tod geht, dann besinnen wir uns doch auf alle journalistischen Anstandsregeln, oder nicht?

Oder nicht.

Weil das Thema wirklich nervt, das Panoptikum der ausgewogenen Berichterstattung der drei grossen Medienhäuser plus NZZ im Dreisprung kurz vorgeführt. Achtung, nur für stärkere Nerven. Bei Nebenwirkungen fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker. Der kann zwar auch nicht helfen.

Wir fangen irgendwo an, denn zwischen oben und unten ist bei dem Thema Corona schwer zu unterscheiden.

So ausgewogen berichtet der «Blick» übers Für und Wider der Impfung.

Testimonial eines reuigen Sünders, kommt immer gut.

Testimonial aus berufenem Mund, kommt auch gut.

 

Wir queren den Mediensumpf Richtung Tamedia.

Corona-Kreische Marc Brupbacher muss seinen Ruf verteidigen.

Impfmuffel und Trödelkantone. Gute Wortwahl ist alles.

Auch «20 Minuten» greift objektiv in die Debatte ein.

Wir haben diese Anglergummistiefel an und kommen daher trockenen Fusses zu CH Media.

Nehmt das, ihr trödelnden Impfstoff-Zulasser in der Schweiz.

Sachbeschädigung, dann der nächste Sturm aufs Bundeshaus?

«Beantworten Fragen» ist etwas euphemistisch formuliert. «Machen Ansagen» wäre wohl besser.

Nun noch der Aufschwung in die Höhe der intellektuellen Kühle, also zur NZZ.

Oh, auch hier wird mit Testimonials gearbeitet.

Gib uns das tägliche Grauen. Nimm das, du verstockter Impfgegner.

Endlich, der philosophische Diskurs in Widersprüchlichkeiten.

 

Zusammenfassung

Das ist eine durchaus repräsentative Auswahl aus der nordkoreanischen Meinungspresse. Pluralistisch, vielfältig, widersprüchlich, Für und Wider darstellend. Mit Platz für abweichende Meinungen. Damit könnte sogar Kim der Dickere leben.

Meinungsfreiheit: eine Chimäre

Es gibt sie, es gibt sie nicht. Ein Mischwesen halt. Und kostspielig.

Schöner als in der Schweizer Bundesverfassung kann man es nicht sagen:

«Zensur ist verboten.»
Art. 17, Absatz 2, kurz und knackig.

Zensur setzt allerdings voraus, dass es etwas gibt, was zensuriert werden könnte. Keine Zensur ist, um das gleich aus dem Weg zu räumen, was als Verstoss gegen Gesetze geahndet wird. Solange das durch ordentliche Gerichte geschieht.

Wird diese Zensuraufgabe des Staates an private Unternehmen übertragen, haben wir ein gröberes Problem, ein Staatsversagen. Aber keine Freiheit kann grenzenlos sein, auch nicht die Meinungsfreiheit. Sonst artet sie in Willkür und Barbarei aus.

«Die freie Mitteilung der Gedanken und Meinungen ist eines der kostbarsten Menschenrechte.»
Art. 11 der Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte 1789

Eine Illusion ist allerdings, dass Meinungsfreiheit gratis sei. Eine Meinung darf und kann jeder haben. Aber sie öffentlich äussern, das ist ein ganz anderes Spielfeld. Der Angestellte darf meinen, dass sein Chef ein unfähiger, aufgeblasener Emporkömmling sei, nur dank Vitamin B zu seiner Position gekommen. Er darf das auch öffentlich äussern.

Dann bezahlt er aber wohl den Preis für die Inanspruchnahme der Meinungsfreiheit. Er wird gefeuert. Der Beweis: Meinung ist gratis, Meinung äussern ist kostenpflichtig. Dabei muss die Meinung nicht mal von grossen Multiplikatoren hinausgepustet werden. Diese Ansicht über den Chef, im engsten Kollegenkreis geäussert, kann die gleiche Wirkung haben, wenn ein Kollege eben doch nicht so kollegial ist.

Meinungspluralismus ja, Wirkung nein

Das Internet hat einen Meinungspluralismus ermöglicht, wie er wohl in der Geschichte der Menschheit einmalig ist. Ortsunabhängig hat hier buchstäblich jeder – Internetanschluss und minimale Kenntnisse vorausgesetzt – die Möglichkeit, seine Meinung buchstäblich der ganzen Welt kundzutun. Für verhältnismässig kleines Geld. Nur: wenn kein Schwein schaut, macht das auch nicht wirklich Spass.

«Die Gedankenfreiheit haben wir. Jetzt brauchen wir nur noch die Gedanken.»
Karl Kraus.

Meinungsfreiheit wird nur dann interessant, wenn Meinung tatsächlich Wirkung entfaltet. Echte oder vermutete, das spielt eigentlich keine Rolle. Meinungsfreiheit ist ein Popanz, wenn es keine Plattformen für den Austausch von Meinungen gibt. Diese Plattformen müssen den gesellschaftlichen Realitäten entsprechen. In einem Stadtstaat wie Athen mit relativ wenigen freien Meinungsträgern reichte ein Gebäude neben dem Marktplatz zur freien Meinungsbildung.

Auch Redner Demosthenes (384 bis 322 v.u.Z.) musste üben.

Wie sagte Perikles (490 bis 429 v.u.Z.) so richtig: «Athen ist der einzige Ort, an dem ein unpolitischer Mensch nicht als ein stiller, sondern als ein schlechter Bürger gilt.» Allerdings war damals der Begriff Bürger nur Auserwählten vorbehalten; Frauen und Sklaven zum Beispiel gehörten nicht dazu.

Nicht verbürgt, aber ein grossartiger Satz, der’s auf den Punkt bringt.

Wie sieht das heute in der Schweiz aus, wo es keine Sklaven gibt und auch Frauen seit Kurzem überall politisieren dürfen? Findet hier nun eine Meinungsfreiheit statt, die diesen Namen auch verdient?

Wie steht’s um die Meinungsfreiheit in der Schweiz?

Wenn wir diese Freiheit so definieren, dass sie Zugang zur Öffentlichkeit umfasst für die, die das wollen: schlecht sieht’s aus. Im Tageszeitungsmarkt gibt es ein Duopol von zwei Konzernen, die weitgehend den Markt unter sich aufgeteilt haben und sich nicht konkurrenzieren. Daraus ist eine Meinungsmonokultur entstanden, dominiert von jeweils einer Zeitung, die den Namen einer Stadt trägt.

«Die freie Mitteilung der Gedanken und Meinungen ist eines der kostbarsten Menschenrechte.»
Art. 11 der Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte 1789

Für die happy few gibt es noch die NZZ, die «Blick»-Familie kann man als Meinungsmacher weitgehend vergessen, zu unbedeutend. Alle Versprechen während dieses Konzentrationsprozesses, sich der staatsbürgerlichen Verantwortung bewusst zu sein und die Monopolblätter daher als pluralistische Forumszeitungen zu installieren, wurden gebrochen. Selbst das Beibehalten von zwei Redaktionen für zwei Traditionsblätter in der Bundesstadt Bern überdauerte lediglich ein paar Jahre, bis auch dieses Versprechen entsorgt wurde.

Wirklich noch ganz weit weg in der Schweiz?

Wer mit Arthur Rutishauser (Tamedia), Patrik Müller (CH Media), Christian DorerBlick») und Eric Gujer (NZZ) gut steht, hat nichts zu befürchten.

«No hay duda de que la prensa libre es la primera enemiga de las dictaduras.»
Es gibt keinen Zweifel, dass die freie Presse der grösste Feind der Diktaturen ist. Fidel Castro, 1959.

Angesichts der sich ins Elend sparenden Privatmedien bekommt die SRG, also der Staatsfunk, eine zunehmend wichtige Bedeutung. Auch hier kann von Meinungspluralismus, der sich aus einer Respektierung von Meinungsfreiheit zwangsläufig ergeben müsste, keine Rede sein.

Wie in einem Reagenzglas färbt die Corona-Berichterstattung die veröffentlichte Meinung in einem bestimmten Ton. Staatshörig, weder die Massnahmen, noch deren Begründung noch Auswirkungen ernsthaft hinterfragend.

Was zur Meinungsbildung beitragen sollte, indem möglichst Meinungsfreiheit zugelassen wird und herrscht, ist zu Verlautbarungsjournalismus degeneriert, bei dem es sogar einen Aufschrei in den Medien gibt, wenn es eine Diskussionssendung von SRF wagt, tatsächlich auch andere Meinungen zu Wort kommen zu lassen.

Zensur ist verboten, das steht in der Bundesverfassung. Zum Schutz der Meinungsfreiheit ist aber nichts vorgesehen, weil sich der Gesetzgeber die aktuellen Zustände nicht vorstellen konnte. Dass ein Virus der Meinungsfreiheit den Garaus macht, wenn man darunter auch die Möglichkeit einer breiten öffentlichen Debatte über viele verschiedene Meinungen versteht, das ist ein Treppenwitz der Geschichte. Aber kein lustiger.

«Nichts kann mehr zu einer Seelenruhe beitragen, als wenn man gar keine Meinung hat.»
Georg Christoph Lichtenberg.

Das waren noch Zeiten …