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Friedenstaube Schweiz

Ihr Ruf als neutraler Staat ist angekratzt. Der Bürgenstock soll’s richten.

Die Schweiz lädt zur grossen Friedenskonferenz in Sachen Ukraine. Dialog, erster Schritt für einen «umfassenden, gerechten und dauerhaften Frieden», behauptet das EDA.

Die öffentliche mediale Meinung dazu ist, gelinde formuliert, durchwachsen. Wie üblich recht staatshörig gebärdet sich mal wieder Tamedia. Da darf Aussenminister Cassis in einem Gastbeitrag für seinen «Friedensgipfel» werben.

«Beitrag leisten, im Geiste unserer Tradition, Verantwortung übernehmen, humanitäre Tradition, zuhören, sich austauschen, voneinander lernen».

Wunderbares Wortgeklingel. Aber vielleicht etwas weltfremd. Ob’s daran liegt, dass der Aussenminister laut eigenem Bekunden «keine Zeitungen mehr liest»? Könnte ihm deswegen entgangen sein, dass ein Friedensgipfel, an dem eine der beiden Kriegsparteien nicht teilnimmt, eher wenig Sinn macht? An den Pariser Friedensverhandlungen zum Vietnamkrieg, die von Kriegsverbrecher Kissinger torpediert wurden, nahmen immerhin Vietnam und die USA teil.

Aber auf dem Bürgenstock wird Russland fehlen. Man sei nicht eingeladen worden, heisst es aus Moskau, und überhaupt sei das eine Farce. Wie hochrangig die USA vertreten sein werden, steht noch in den Sternen. Präsident Biden wird im heraufziehenden Wahlkampf wohl nicht seine Zeit verschwenden, um für einen Grüssaugust-Gipfel in die Schweiz zu reisen.

Nur Ukraines Präsident Selenskyj will gerne anreisen. Aber nicht, um über Frieden zu verhandeln. Sondern um für weitere finanzielle Unterstützung und Waffen zu betteln. Was auch nicht sonderlich friedfertig ist. Zudem wird er wohl seinen «Friedensplan» wiederholen, der als Voraussetzung für Verhandlungen mit Russland den vollständigen Abzug russischer Truppen (inkl. Krim) und die Errichtung eines internationalen Kriegsverbrechertribunals zur ausschliesslichen Aburteilung russischer Verbrechen vorsieht.

Während Russland rundum eine Teilnahme ablehnt, verbrämt China seine Abwesenheit diplomatischer, es sei nicht der richtige Zeitpunkt dafür.

Das alles erinnert fatal an die «Wiederaufbau-Konferenz» von Lugano im Sommer 2022. Das war im Prinzip eine erfolgreiche Betteltour Selenskyjs, da bei einem in der Ferne liegenden Kriegsende an Wiederaufbau gar nicht zu denken ist. Denn sollte Russland seine Kriegsziele erreichen, will der Westen garantiert nicht die auf eroberten Gebieten entstandenen Schäden heilen.

Nun macht ein Friedensgipfel mit nur einem kriegerischen Teilnehmer, unter Abwesenheit Russlands und Chinas, unter fraglicher hochrangige Beteiligung der USA, schlichtweg keinen Sinn. Schlimmer noch: die Schweiz macht sich damit lächerlich und ramponiert ihr Image als neutraler Verhandlungsort noch mehr, als sie es durch die sklavische Befolgung aller EU- und USA-Sanktionen ohnehin schon tut.

Aber angesichts des elenden Zustands der grossen Massenmedien (vom Schweizer Farbfernsehen ganz zu schweigen) sind solche Erkenntnisse nicht jedem Journalisten gegeben. Offensichtlich wirkt die untertänige Obrigkeitshörigkeit aus der Coronazeit bis heute nach.

God Almighty Gujer zürnt

Das ist mal eine saftige Polemik an unerwarteter Stelle.

Die Teilnehmer an der Generalversammlung der AG für die Neue Zürcher Zeitung müssen mit den Ohren geschlackert haben. Denn NZZ-Chefredaktor Eric Gujer hielt eine Brandrede, die vom Titel bis zum Ende auf Krawall gebürstet ist.

Sie ist nicht nur inhaltlich, sondern auch formal grossartig; dagegen verzwergen die wenigen anderen Polemiker, die die Schweiz kennt. Sie «verleugnet die Realität», betitelt Gujer sein Werk in der gedruckten Fassung. Schon der Lead ist eine kleine Bombe:

«Die Welt steht in Flammen. Die Schweiz aber macht nur widerwillig Aussenpolitik. Bundesrat und Parlament sind unfähig, Antworten auf die aktuellen Fragen zu formulieren. Das wird sich rächen.»

Zack.

Ob die Schweiz, neben Käse und Geld, auch Aussenpolitik könne, fragt Gujer. Und zitiert den damaligen Aussenminister Felber, der auf die Frage, was der Bundesrat zum Fall der Berliner Mauer meine, antworten liess: «Es ist unmöglich, dass Bundesrat Felber zu allen politischen Ereignissen gegenüber Journalisten Stellung nehmen kann. Schliesslich geschieht fast jeden Tag etwas Wichtiges.»

Bum.

Dann greift der gebildete Gujer weit in die Geschichte zurück und erwähnt den ersten Schweizer Botschafter in Berlin. Um maliziös zu beschreiben:

«Kaum in Berlin angekommen, erkrankte Heer an der Allergie gegen fremde Fötzel. Nach drei Wochen depeschierte er in die Heimat, er habe «im vollen und wahren Sinne Heimweh und sehne sich aus diesem Lärm einer mir fremden Welt in die Stille meines lieben Glarnerlandes zurück». Eilig gab der Bundesrat dem Gesuch statt. Ich glaube, seither wurde in Bern nie mehr etwas so schnell entschieden.»

Ob man mit dem Inhalt einverstanden ist oder nicht, man wird bestens und auf einem Niveau unterhalten, das zumindest in der Deutschschweiz sonst keiner hat.

Als der Bundesrat zum ersten Mal mit einer Auslandreise an den Begräbnisfeierlichkeiten für den US-Präsidenten Kennedy teilnehmen wollte, motzte die Bundesverwaltung mit einer Aktennotiz: «Der Schweizer hat einen Horror vor allzu beweglichen Leuten und vor politischem Geschwätz. Bleiben wir also unserer seriösen und diskreten Politik treu, und diese eignet sich nicht für spektakuläre Besuchsreisen

Trockener Kommentar Gujers: ««Horror vor politischem Geschwätz» – ach, wenn sich Bundesbern nur an diese Worte erinnern würde, wenn es uns mit immer neuen Verordnungen und Gesetzen beglückt.»

So im Vorbeilaufen watscht er auch noch den ehemaligen Bundesrat Berset ab:

«Inzwischen besuchen die Bundesräte eifrig das Ausland. Manche dieser Reisen sind spektakulär, etwa wenn sich ein Bundesrat in ein Sportflugzeug setzt und Frankreich mal eben einen Besuch abstattet. Wenn er dann auch noch in gesperrten Luftraum eindringt, dann können wir voller Stolz sagen: Solch spektakuläre Reisediplomatie sollen andere Staaten der Schweiz erst einmal nachmachen!»

Aber neben Köstlichem kann er natürlich auch Ernstes. Denn die Verteidigungsministerin kriegt ganz anders ihr Fett ab: «Schläue ziert jeden Politiker, Verantwortungslosigkeit hingegen nicht.»

Dann führt er wieder vor, dass Bildung durchaus nicht schaden muss:

«Schriebe Gottfried Keller heute «Romeo und Julia auf dem Dorfe», so wären die Väter der beiden Liebenden immer noch verfeindet. Der eine würde im Zorn «Bilaterale III» hervorstossen, der andere «Rahmenabkommen 2.0». Die Schweiz ist manchmal ein grosses Seldwyla. Das bilaterale Rahmenabkommen 3.0 – ich hoffe, mit dieser Formel allen Positionen im Saal gerecht zu werden – erfordert Souveränitätsverzicht.»

Aber damit läuft er sich erst warm, hier hat er Betriebstemperatur erreicht:

«Das Wichtigste aber, was man über Schweizer Aussenpolitik wissen muss, hat der grosse britische Liberale und Gelehrte Isaiah Berlin schon vor langer Zeit erkannt. Er teilte alle Menschen in Igel und Füchse ein: «Der Fuchs weiss viele Dinge, aber der Igel weiss eine grosse Sache.» Der Igel hat eine Idealvorstellung, der er alles andere unterordnet. Der Fuchs kennt hingegen alle Schliche. Er findet sich in der Unübersichtlichkeit der Welt besser zurecht. Dafür bleibt der Igel eher sich und seinen Prinzipien treu. Die Schweiz ist ein Igel.»

Angewendet auf das Verhältnis zur EU: «Der Igel sagt, ich brauche das perfekte EU-Abkommen, weil ich nicht weiss, auf welche verrückten Ideen Brüssel noch kommt. Der Fuchs sagt, ich brauche nicht das eine perfekte Abkommen, sondern möglichst viele halbwegs gute. Die Zukunft ist offen, daher will ich verschiedene Optionen. Auf ihre Weise haben beide recht. Sie haben nur eine sehr unterschiedliche Sicht auf die Welt.»

Wohin kann das führen? «Linke Propaganda gegen Ausbeutung und rechte Propaganda gegen Brüssel, der Protektionismus der Bauern und der Protektionismus der Gewerkschaften potenzieren einander. Am Schluss weiss sich die Mehrheit einig in ihrer Allergie gegen fremde Fötzel

Wie geht’s weiter? Auch das fasst Gujer in elegante Worte: «Wir nähern uns dem Punkt, wo es wirklich weh tut. Doch Politiker und Bürger halten sich die Augen zu. Wir wollen nicht nur neutral sein, sondern auch ein bisschen wichtig. Zu diesem Zweck schuf Gott die Guten Dienste. Er wusste, seine Schweizer haben zwei Leidenschaften: den Tunnelbau in den Bergen und das Vermitteln in der Welt.»

Damit nähert er sich dem furiosen Finale seiner Wutrede:

«Moderne Neutralität ist kein Hexenwerk. Vier einfache Regeln genügen: 1. Die Schweiz geht keine Bündnisverpflichtungen ein. 2. Sie beteiligt sich nicht direkt an Kriegen. 3. Über Waffenlieferungen und andere tagespolitische Fragen entscheidet die Regierung gemäss Staatsräson. 4. Die Schweiz bekennt sich zur westlichen Gemeinschaft und leistet einen aktiven Beitrag, dass Putin und Konsorten die Welt nicht nach ihrem autoritären Willen umgestalten können.

Im Bundesrat aber sitzen sieben Igel. Ihnen graut es vor der Unübersichtlichkeit der Welt. Zugleich sind die sieben Igel schlau. Sie wissen, dass ihr Volk weder Füchse noch allzu bewegliche Leute schätzt. So bleibt in der Aussenpolitik alles, wie es ist. Der Stillstand hat unbestritten den Reiz der Bequemlichkeit. Man muss nur ignorieren, was täglich an Wichtigem geschieht in der Welt.»

Sicher, diese Würdigung besteht im Wesentlichen aus langen Zitaten. Aber wieso soll man kommentieren oder umformulieren, was einer für ein Mal grandios gesagt hat?

Liefert der NZZ-Chef noch mehr von diesem Stoff, wird ZACKBUM noch zum Gujer-Groupie. Aber keine Angst, wir werden niemals Übergriffigkeiten behaupten oder beklagen.

 

1. August ohne Feuerwerk

Das gilt auch fürs Mediale.

Nehmen wir als Beispiel das Mittelmass. Also CH Media. Das Wanner-Imperium profitiert normalerweise davon, dass es zwar nicht so intellektuell ist wie die NZZ, dafür aber auch nicht so gender-kreischig wie Tamedia. Das erspart es CH Media häufig, in die ganz grossen Fettnäpfchen zu treten.

In die kleinen schon gelegentlich, wenn es sich auf Art des Hauses an der Hatz auf den ehemaligen Chefredaktor des «Magazin» beteiligt, dafür den Big Boss von Tamedia anrempelt – und zerknirscht eine öffentliche Entschuldigung vor den gelöschten Artikel stellen muss.

Idealtypisch wird Mass und Mitte vom Überchefredaktor Patrik Müller verkörpert. Kein Zufall, dass er inzwischen der einzige Überlebende des Triumvirats Christian Dorer, Arthur Rutishauser und eben Müller ist. Dorer wurde in ein «Nie mehr»-Sabbatical geschickt, Rutishauser wurde als Bauernopfer auf den Rang eines SoZ-Chefredaktors zurückgestuft.

Müller hingegen leitet, zeigt sich im «Sonntalk» und absolviert überhaupt einen Marathonlauf. Und schreibt den obligaten Kommentar zum 1. August.

Der fängt harmlos an: «Die Neutralität ist genial – aber sie braucht dringend einen neuen Anstrich.» Es gab da allerdings schon mal so einen Anstreicher, aber gut, Bilder sind so eine Sache. Dann wird Müller geschickt persönlich, Familienferien im Norden, Zwischenstopp in Brüssel, der zehnjährige Sohn tippt als Wunsch für Europa ein: «Neutral sein wie die Schweiz

Wunderbar, Leser abgeholt, sich als Familienvater gezeigt, schon Sohnemann beweist mit zehn Jahren politisches Bewusstsein. Bis hierhin wäre es einfach ein 08/15-Kommentar. Aber leider muss Müller dann Gas geben.

Neutralität sei identitätsstiftend, «solange daraus nicht Selbstgefälligkeit und die Neutralität nicht zum Götzen wird». Ohä, und wie könnte sie dazu denaturieren? Na klar, Ukrainekrieg: «Eigentlich war klar, dass es bei einem solch krassen Verstoss gegen das Völkerrecht keine neutrale Haltung geben konnte

Zuvor vergleicht Müller die Invasion der Ukraine mit dem Überfall Hitler-Deutschlands auf Polen. Ohne sich bewusst zu sein, dass die Schweiz damals auch neutral war – und blieb. Aber mit historischen Vergleichen ist es halt so eine Sache, wenn Leichtmatrosen unterwegs sind.

Die aber mit starken Worten nicht sparen: «Es scheint, als wirke die Neutralität wie ein politisches Narkotikum, auch mehr als ein Jahr danach: Das Aufspüren russischer Oligarchengelder gehen unsere Behörden im Halbschlaf an. Da erstaunt es nicht, dass aus den USA Vorwürfe auf die Schweiz einprasseln, sie finanziere Putins Krieg.»

Dann legt sich Müller wieder in die Kurve, das sein «grösstenteils pure Polemik». Aber eben, bei den nachrichtenlosen Konti sei anfänglich auch unterschätzt worden, welche Bedeutung Kritik aus den USA habe – «was den Ruf der Schweiz beschädigte und den Anfang vom Ende des Bankgeheimnisses markierte».

Richtig wäre allerdings, dass das der erste Anschlag auf die Schweizer Rechtssouveränität war, dem weitere folgten, bis sich der Bundesrat tatsächlich entschloss, US-Gesetze auch in der Schweiz gelten zu lassen. Was damals im Übrigen von ebendiesem Müller scharf kritisiert worden war. Aber seither sind einige 1.-August-Feiern ins Land gegangen.

Aber dieses Geholper soll nur auf die Zielgerade führen; die Bevölkerung sei schon viel weiter «als manche Ideologen in der Politik:Neutralität als Mittel zum Zweck statt als Selbstzweck. Entwickeln wir sie nicht weiter, so wie das seit ihrer Begründung 1815 wiederholt geschah, verliert sie ihre Genialität – und wird zum falschen Zauber.»

Das ist wieder einmal ein Gedankenflug, dem nur schwer zu folgen ist. Neutralität war noch nie Selbstzweck, was sollte das auch sein? Sie solle weiterentwickelt werden? Wieso nicht, kann man darüber diskutieren. Aber einleitend meinte Müller ja, dass es bezüglich des Ukrainekrieg keine Neutralität geben könnte. Hätte die Schweiz auch 1939 diesem Prinzip nachgelebt, wären aber wohl Diskussionen über Neutralität überflüssig; wozu auch in einem durch den Krieg zerstörten Land.

Werde sie nicht weiterentwickelt, offenbar in Richtung partieller Aufgabe, verlöre sie «ihre Genialität», werde gar «zum falschen Zauber». Genial an der Neutralität war und ist allerdings, dass sie beinhaltet, dass sich die Schweiz mit nichts und niemandem gemein macht. Weder mit der guten Sache, noch mit der schlechten. Wenn die gute Sache aber behauptet, wer nicht mit ihr sei, unterstütze die schlechte, dann muss man das aushalten und als machtpolitischen Egoismus durchschauen.

Statt schon wieder auf den falschen Zauber der USA hereinzufallen. Die haben tatsächlich das Schweizer Bankgeheimnis geknackt. Und sind seither noch unbestrittener der sichere Hort für Schwarzgeld, für kriminelle Gelder, betreiben die grössten Geldwaschmaschinen der Welt, in denen Milliarden Drogengelder blütenweiss werden – und pfeifen auf jede Teilnahme an Informationsaustauschsystemen wie den AIA. Im Gegenteil, mit ihrer Datenkrake FATCA zwingen sie alle Finanzhäuser der Welt, mittels der Weltmacht Dollar, alle Informationen herauszurücken, auf die die USA lustig sind. Umgeht gilt allerdings nicht.

Das ist falscher Zauber, nicht das Festhalten an der Schweizer Neutralität. Vielleicht sollte sich Müller doch leichtere Themen für seinen 1.-August-Kommentar aussuchen.

 

Wumms: Sanija Ameti

ZACKBUM macht errötend ein Geständnis.

Wir brechen hier ein Versprechen, denn wir wollten nie mehr über die Bachelorette der Politik schreiben. Aber da die Frau wirklich dumm wie Brot ist und leider die Plattformen geboten bekommt, das auch öffentlich zu zeigen, soll’s hier ein letztes Mal sein, Ehrenwort.

Zuerst das Positive: dieser Unsinn von Sanija Ameti wird die Grünliberalen mindestens ein Prozent Wählerstimmen kosten, und die «Operation Libero» wird weiter an Anhängern und Bedeutung verlieren.

Denn die Dichte an Dämlichkeit in diesen wenigen Zeilen ist erschütternd. Wir greifen ein paar wenige absolute Tiefpunkte heraus: «Die Realität ist, dass unsere Existenz als Kleinstaat von der internationalen Ordnung abhängt, die auf Regeln und nicht auf Macht beruht.» Welche internationale Ordnung? Vielleicht die, die von den USA als stärkste Militärmacht der Welt dominiert wird, die die Regeln bestimmen? Was auch Russland, China, Indien und ein paar andere Staaten versuchen? Diese Regeln beruhen nur auf Macht, worauf denn sonst?

«Die Schweiz befindet sich sogar inmitten des hybriden Gefechtsfelds. Der hybride Krieg» fände auch «bei uns» statt, weiss Ameti. Er richte sich auch «gegen unsere Unternehmen». Sehr wahr, da versuchen die EU und die USA, rechtsimperialistisch und als Machtdemonstration Einfluss auf die Rechtssouveränität der Schweiz zu nehmen, indem sie den Bundesrat dazu zwingen, ein Sanktionspaket nach dem anderen zu übernehmen und durchzuwinken, womit Rechtsstaat und Eigentumsgarantie beschädigt werden.

«Die Neutralität war nie für den Fall eines Angriffs auf die Schweiz gedacht. Diese Neutralität hat es nie gegeben. Sie ist ein Mythos.» Das ist Punkt für Punkt so falsch, dass nicht einmal das Gegenteil richtig wäre. Vielleicht hat Ameti vergessen, dass es im letzten Jahrhundert zwei Weltkriege gab.

Die Neutralität sei ein Mythos (die Dame weiss nicht einmal, was ein Mythos ist). «Der Mythos macht nicht mutig, sondern feige. Nicht frei, sondern handlungsunfähig

Zwischen den Stühlen zu sitzen, sich weder mit der guten, noch mit der schlechten Sache gemein machen, das ist der Wesenskern der Neutralität der Schweiz. Das ist mutig, kein Mythos, sondern real. Dagegen behauptet Ameti: «Sie muss sich entscheiden können, auf welcher Seite sie steht, jener der internationalen Ordnung oder der eines kleptokratischen Imperiums.»

Nein, muss sie nicht, und das ist gut so.

Das war nun definitiv das allerletzte Mal, dass wir uns über das Allerletzte äussern, was Ameti blödelt.

 

Neidvolles Gewäffel

Deutsche Medien schäumen über die Schweiz.

Die FAZ ist auch nicht mehr das, was sie einmal war. Seit der genialen Werbekampagne «Dahinter steckt immer ein kluger Kopf» steckt nun doch viel Kleinkopfiges im Blatt.

Der gebürtige Schweizer und Verantwortliche «für Aussenpolitik» Nikolas Busse ledert über die Schweiz ab:

Da er schon lange in Deutschland lebt, hat er den teutonischen Oberlehrertonfall verinnerlicht und veräusserlicht: «Man sollte in Berlin darauf achten, dass die Zusammenarbeit auf Gegenseitigkeit beruht.» Anlass für seine Philippika ist die Absichtserklärung der Schweizer Verteidigungsministerin, an einem europäischen Projekt zur Luftverteidigung teilzunehmen.

Da macht Busse nun haarfeine Unterschiede aus: «Die Neutralität, die man dort stets ins Felde führt, wenn es um die militärische Unterstützung der Ukraine geht, schließt eine Zusammenarbeit mit anderen Ländern offenbar nicht aus, wenn es um die eigene Sicherheit geht.»

Dann galoppiert Busse richtig los: «Letztlich profitiert sie von der Stabilität, welche die NATO seit Langem in Europa garantiert, genauso wie ein Mitglied. Dass sie nun gerade in einer Schicksalsfrage des Kontinents meint, sich heraushalten zu müssen, ist ihr gutes Recht als souveräner Nationalstaat, hat aber etwas von Trittbrettfahrerei.»

Gehen wir mal den krummen Gedanken Busses nach. Berlin solle auf Gegenseitigkeit achten? Diesen Ratschlag könnte Busse auch Bern geben, denn worin besteht genau die Gegenseitigkeit bei den Milliardenzahlungen der Schweiz für die sogenannte «Kohäsion»? Welcher andere Wirtschaftsraum verlangt dermassen unverschämt die Übernahme seiner Regeln wie die EU? Wer hat die Schweizerische Nationalbank mit seinem absaufenden Euro dazu gezwungen, ihre Bilanz über Gebühr aufzublasen?

Aber gut, wer 250 Millionen in eine abgeblasene Autobahn-Maut verbrät, sollte vielleicht lieber bei sich selber aufräumen, statt sich Sorgen über Gegenseitigkeit mit der Schweiz zu machen.

Es ist inzwischen altbekannt, dass Deutschland fast identische Waffenausfuhrgesetze hat wie die Schweiz. Kleiner Unterschied: die Schweiz hält sich an ihre. Und wieso sollte das die Zusammenarbeit mit anderen Ländern ausschliessen? Hat die Schweiz, bewaffnet mit Hellebarden und Morgensternen, Deutschland dazu gezwungen, sie am «European Sky Schild» zu beteiligen? Sind dort die harten Fränkli etwa nicht willkommen?

«Schicksalsfrage des Kontinents»? Eine Nummer kleiner hat es ein Deutscher selten. Fast immer geht es ums Schicksal, um den Kontinent, um alles, wie der Deutsche Constantin Seibt in der «Republik» sagen würde. Aber dass die FAZ auf das Niveau eines solchen Schwurbelmagazins absinkt?

Dann verrutscht Busse in der Erregung noch die Logik ins Absurde. Dass sich die Schweiz bei dieser angeblichen «Schicksalsfrage» heraushalte, also den Regeln ihrer Neutralität folgt, habe «etwas von Trittbrettfahrerei». Hä? Indem sie sich heraushält, fährt sie auf dem Trittbrett? Das Trittbrett des Heraushaltens?

Offenbar wird bei der FAZ leider auch am Korrektorat oder Lektorat gespart. Und was soll eigentlich «meint, sich heraushalten zu müssen»? Das ist bloss so eine Meinung, eine Laune der Schweiz? Könnte das neutrale Land auch anders sehen? Und was wäre, wenn sich die Schweiz nicht heraushielte? Sie befolgt doch schon brav sämtliche Sanktionen, die die EU beschliesst – unbesehen davon, dass die rechtsstaatlich mehr als fragwürdig sind, gegen fundamentale Prinzipien wie die Unschuldsvermutung und die Eigentumsgarantie verstossen.

Wie es die FAZ zulassen kann, dass ein solcher Stuss erscheint? Sicherlich, es ist ein Kommentar. Aber auch da müsste es ein Niveau geben, dass das Blatt der ehemals klugen Köpfe nicht verlassen sollte. Oder meint die FAZ, es verlassen zu müssen? Wie bei der NZZ geht es ja nicht ums allgemeine Niveau. Das ist beimSchweizer Organ weitgehend, aber nicht ausnahmslos – man denke nur an den «Russland»-Irrwisch Ulrich Schmid – weiterhin hoch. Aber die NZZ gewinnt nicht zuletzt in Deutschland zunehmend Leser, weil die FAZ ganz allgemein schwächelt. Was für die NZZ gut, für die FAZ bedenklich ist.

Wumms: Cyrill Pinto

Neutralität, kompetent erklärt.

«Cyrill Pinto ist ausgebildeter Buchhändler und hat einen Master in Kulturpublizistik der Zürcher Hochschule der Künste.»

Nicht nur das befähigt den Tamedia-Mann, uns eine Lektion in Sachen Neutralität zu erteilen: «Die Schweiz muss ihre Neutralität überdenken», dekretiert Pinto in seinem Kommentar. Wer genau? Schwer zu sagen, von einer denkenden Schweiz ist leider nichts bekannt.

Pinto weiss aber: «Immer wieder wurde das Kriegsmaterialgesetz dafür nachgeschärft und wieder gelockert. Inzwischen ist es auf 20 Seiten angewachsen, die dazugehörende Verordnung ist nochmals 28 Seiten lang.»

Das ist doch für ein Gesetz recht übersichtlich. Aber darum geht es Pinto nicht. Sondern hierum: «Auch wenn es unbequem ist, muss die Schweiz bei einem Krieg, wie dem in der Ukraine, eine klare Haltung einnehmen

Wie wäre es mit der klaren Haltung, dass die Schweiz als neutraler Staat ihre guten Dienste anbietet, obwohl sie mit der Befolgung der EU-Sanktionen bereits eine genügend unklare Haltung einnimmt? Und sich ansonsten an den Wortlaut der 48 Seiten Gesetz plus Verordnungen hält, wie es in einem Rechtsstaat Brauch ist?

Nun wird Pinto etwas wolkig und schwammig, denn  – wie einzelne Tamedia-Kollegen – einen klaren Rechtsbruch möchte er dann doch nicht vorschlagen: «Und am Ende kommt man nicht daran vorbei, eine Position zu beziehen, die auch mit dem internationalen Völkerrecht kompatibel ist. Nur so wird die Schweiz als Partner in der internationalen Staatengemeinschaft ernst genommen.»

Was genau sollte also die Schweiz machen, um endlich mal ernst genommen zu werden? Da ist guter Rat teuer, zu teuer für Pinto. Was genau ist an der aktuellen Position der Schweiz nicht mit dem «internationalen Völkerrecht» kompatibel? Statt diese Postion auch nur ansatzweise zu beschreiben, behauptet er (hoppla, muss er sich offenbar gedacht haben, Platz für Kommentar fast zu Ende): «Doch lieber versteckt sich die Schweiz – allen voran der Bundesrat – hinter einem verstaubten Verständnis von Neutralität. Das ist bequemer und einfacher, als klar Position zu beziehen.»

Vorhang geschlossen, alle Fragen offen. Hinter welchem Verständnis verstecke sich die Schweiz (und der Bundesrat)? Was wäre daran verstaubt, wenn man wüsste, was es ist? Was soll daran bequem sein? Wie würde denn eine «klare Position» aussehen? Zwei Sätze, fünf offene Fragen.

Auch ein Kommentar sollte einigermassen verständlich, folgerichtig und logisch formuliert sein. Wenn sich der Autor stattdessen hinter Gedöns und Geschwurbel versteckt, ohne dass es dem Leser möglich ist, seinen Aussagen oder Forderungen zu folgen, dann handelt es sich einwandfrei um ein Stück aus dem Tamedia-Imperium, in dem die Sonne der Kultur tief steht, Intelligenz und Sprachbeherrschung keine Voraussetzungen für eine Publikation sind – und jeder der noch nicht eingesparten Redaktoren ungehindert, unkontrolliert und unter Unterbietung jeglicher Grundansprüche an Niveau oder Inhalt loslabern darf.

Auch Anwälte wollen werben

Christophe Germann passt sich dem Tamedia-Niveau an.

«Legal thinking out of the box», so preisen sich «Germann Avocats» aus Genf an. Das Team besteht aus Dr. Christophe Germann und Dr. Flavia Germann, höchstwahrscheinlich verwandt oder verschwägert.

Nun dürfen Anwälte bis heute keine Werbung für sich machen. Aber Tamedia bietet gerne nicht nur eigenen Mitarbeitern Gelegenheit, Unsinn zu verzapfen: «Die Schweiz hat den Vertrag über die Nichtverbreitung von Kernwaffen ratifiziert. Die kürzlich fusionierten Banken UBS und CS tragen massiv zur Verletzung dieses internationalen Abkommens bei

Oha, ist das eine Tatsache oder einfach eine Behauptung? Zweiteres: «Credit Suisse und UBS sind gemäss dem neusten Bericht von PAX und der Friedensnobelpreisträgerin International Campaign to Abolish Nuclear Weapons (Ican) «Risky Returns: Nuclear Weapon Producer and Their Financiers» die einzigen Schweizer Geldinstitute, die noch beträchtliche Finanzdienstleistungen für das Kernwaffenwettrüsten liefern. Diese NGOs schätzen die Investitionen beider Banken in Unternehmen, die nukleare Massenvernichtungsbomben produzieren, auf über 5 Milliarden Dollar.»

Was NGOs so alles behaupten, wenn der Tag lang ist. Dann stellt Germann weitere absurde Behauptungen auf, bei denen er aber selbst einen solchen «Beleg» schuldig bleibt: «Der Scherbenhaufen CS kostet die Schweizer Öffentlichkeit voraussichtlich den Betrag von 109 Milliarden Franken, was ein Viertel der Kosten eines Wiederaufbaus der Ukraine ausmacht, welche die Weltbank zurzeit auf 411 Milliarden Dollar schätzt.»

Kann Germann behaupten, mit dem dritten Auge der Zukunftssicht ausgestattet zu sein? Es sind insgesamt 259 Milliarden, die im Feuer stehen. Ob davon überhaupt etwas von der «Schweizer Öffentlichkeit», also vom Steuerzahler, berappt werden muss, steht in den Sternen. Dass der Wiederaufbau der Ukraine entschieden mehr als 411 Milliarden Dollar kosten wird, das ist hingegen ein Fakt.

Nach diesem Ausflug in die Ukraine kehrt Germann mit mehr schlechten Nachrichten in die Schweiz zurück: «Dieses Geld wird voraussichtlich verpulvert, nachdem die Nationalbank im letzten Jahr einen Verlust von 134 Milliarden Franken hat verbuchen müssen. Eine volkswirtschaftliche Apokalypse ist zu befürchten: Beim nächsten Börsen-Windstoss wird das Kartenhaus zusammenfallen. Allzu grosse Bank, um unterzugehen, allzu kleiner Staat, um zu überleben.» Was die Staatsgarantien für die Bankenfusion mit den Verlusten der SNB zu tun haben, das erklärt Germann genauso wenig wie seine düstere Ansage einer Apokalypse, dem drohenden Untergang der Schweiz gar.

Nun steigert sich Germann am Schluss seines «Gastkommentars» selber zum apokalyptischen Reiter: «Im Vergleich zu diesem relativ harmlosen Szenario riskiert die Ukraine hingegen einen Weltuntergang im leibhaftigen Sinne, der heute nicht bloss volkswirtschaftlich durch selbst verursachte Misswirtschaft jederzeit erfolgen kann. Es geht ums schiere Überleben dieser Nation. Die Schweizer Neutralität ist im Lichte dieser Realität neu zu definieren – wer Zeuge wird von Vergewaltigung und Meuchelmord am helllichten Tag und auf offener Strasse, kann nicht einfach gegenüber Opfer und Täter «neutral» wegschauen. Dasselbe gilt für schlimmste Verletzungen des Völkerstrafrechts: Unser Land muss sich krasse Doppelmoral vorwerfen lassen, wenn es die Lieferung von konventionellen Waffen zur Verteidigung der Ukraine gegen das kriminelle Putin-Regime verweigert und gleichzeitig amoralischen Ultralaxismus bei der Finanzierung von nuklearen Massenvernichtungsmitteln betreibt.»

Eine «volkswirtschaftliche Apokalypse» samt Untergang der Schweiz wird also zu einem «relativ harmlosen Szenario». Nun geht es plötzlich gar nicht mehr darum, sondern um die Schweizer Neutralität und die mit ihren Gesetzen übereinstimmende Weigerung, in ein Kriegsgebiet Waffen zu liefern. Gerade für eine Anwalt ist das schon speziell, wenn der die Schweizer Regierung dazu auffordert, gegen Schweizer Gesetze zu verstossen.

Gegen das Mitteilungsbedürfnis einer Genfer Anwaltskanzlei ist nichts einzuwenden; Werbung in eigener Sache ist erlaubt, wenn’s Tamedia zulässt. Nur sei eine kleine Frage gestattet: Würden Sie einen Anwalt mandatieren, der mit wilden Behauptungen um sich wirft und offen zum Rechtsbruch auffordert?

 

Wumms: Philipp Loser

Sicher, die Wiederholung kann nerven. Aber der Mann nervt auch.

«Es geht je nach Quelle um 12’000 bis 12’500 Schuss. … Knapp zehn Minuten Krieg.»

Dieser Satz ist von einem dermassen abgründigen Zynismus, dass man Loser wirklich endlich die Lizenz zum schreibenden Scheitern entziehen sollte.

Denn er macht sich – wie meist als Letzter im Umzug – Gedanken zur Schweizer Neutralität. Originelles fällt ihm dazu nicht ein, dafür Altbekanntes. Plus das übliche Geseier von Autoren, denen rechtsstaatliche Prinzipien völlig schnurz sind. Statt die entsprechenden Artikel im glasklaren Gesetz über Rüstungsgüterexporte zu lesen, jammert Loser: «Was bedeutet die Schweizer Neutralität, wenn in Europa Krieg herrscht?» An dieser Frage sei das Schweizer Parlament in der Debatte gescheitert, behauptet Loser: «Dabei ging es, wie so oft im Parlament, aber nicht um grundsätzliche Erwägungen. Sondern um Formalien. Um rechtliche Details.»

Für Loser ist es offensichtlich ein blödes Detail, dass alle Abnehmer von Schweizer Rüstungsgütern versichern müssen, diese nicht an kriegführende Parteien weiterzuleiten. Pacta sunt servanda, wussten schon die alten Römer. Hat der junge Loser vergessen, wenn er es jemals wusste. Dafür probiert er einen Ausflug in die Vergangenheit: «So war es, als sich die Schweiz im Zweiten Weltkrieg auf ihre Neutralität berief und alle insgeheim wussten, dass es für die Achsenmächte ganz andere Gründe gab, unser Land zu verschonen (nicht nur schöne)

Das ist richtig, die Schweiz hat sich durchlaviert. Was Loser mit der Überheblichkeit des Nachgeborenen kritisiert. Das darf er, aber es wäre ihm gut angestanden, wenigstens andeutungsweise auszuführen, was die Schweiz denn seiner Meinung nach hätte tun sollen. Den Achsenmächten den Krieg erklären? Den Widerstand im nicht besetzten Frankreich mit Waffen beliefern? Sich solidarisch mit der Sowjetunion erklären und die in ihrem Kampf gegen ukrainische Faschisten, Kriegsverbrecher und Nazi-Kollaborateure wie Stepan Bandera unterstützen?

Die «kleinliche Debatte um die Panzermunition» zeige, «dass wir Schweizer schon immer versucht haben, alles zu bekommen.» Was soll die Schweiz denn sonst wollen? Weniger bekommen? Nichts bekommen? Statt eine «kleinliche Debatte» führen auf die eigenen Gesetze scheissen? Was hat Loser an Alternativen anzubieten?

Kritiken nachbeten, das kann jeder. Dazu braucht es null Gramm Gehirnschmalz. Sinnvolle, valable, durchdachte Alternativen auf die Kritik folgen lassen, das bräuchte eine eigene Denkleistung. Das ist nichts für Loser. Wahrscheinlich bekäme er dann Kopfweh. Oder schlimmer noch: er müsste einsehen, dass er ein ganz, ganz kleines Licht auf der grossen Torte der Intellektuellen ist.

Wumms: Fabian Renz

Bei Tamedia ist inzwischen alles erlaubt.

Dann lümmelt er weiter: «Von der Schweiz haben die Angegriffenen in der Ukraine nichts zu erhoffen und die russischen Aggressoren nichts zu befürchten. Stattdessen werden wir pflichtschuldig beiden Seiten unsere Guten Dienste anbieten. Die Neutralität zeigt wieder mal ihr kaltes Zahnpastalächeln

Ob diese Zügellosigkeit, diese Rechtsfeindlichkeit, diese erschreckende Nonchalance, dieses kalte Lächeln womöglich ungeputzter Zähne gegenüber dem Rechtsstaat erlaubt ist, weil mit Raphaela Birrer eine schwache Chefredaktorin eingesetzt wurde? Renz führt dann seinen Feldzug gegen gültige Gesetze bezüglich Rüstungsmittelexport, gegen die Regeln der Schweizer Neutralität fort: «Sollte ein Staat der Ansicht sein, die Schweiz verletze das Neutralitätsrecht, könnte er Klage erheben. Dieses Risiko dürften wir angesichts des Ukraine-Kriegs eingehen

Verstehen wir ihn richtig? «Die Schweiz», also Renz, möchte gerne gültige Gesetze in die Tonne treten und dann schauen, ob jemand dagegen klagt? Der Mann muss verbotene Substanzen eingenommen haben, anders lässt sich dieser Ausraster nicht erklären.

Waffenexporte in Kriegsgebiete, an eine kriegsführende Partei sind verboten. Auch über Drittstaaten, sonst gäbe es dort ein scheunentorweit klaffendes Loch in diesem Gesetz. Um das zu kapieren, muss man nicht Journalismus studiert haben. Ein Restbestand von gesundem Menschenverstand reicht.

Aber bei Renz geht Rechtsstaat so: Also gut, Diebstahl ist verboten. Aber für eine gute Sache klaue ich mal ein Portemonnaie. Wenn jemand denkt, das sei ein Gesetzesverstoss, dann soll er doch klagen.

Wahnsinn ohne Methode, unglaubliche Zustände im Hause Tamedia. Es deutet alles darauf hin, dass Pietro Supino völlig die Kontrolle verloren hat. Oder aber, es ist ihm völlig schnurz, was in seinen Blättern publiziert wird.

So steht’s im Gesetz

Wenn vermeintliche Moral wichtiger als Gesetzestreue wird …

… ist eine Gesellschaft in Gefahr, den Bereich des zivilisierten Zusammenlebens zu verlassen. Wenn Gesetze nicht mehr gelten oder umgebogen werden können, ist der Rechtsstaat in Gefahr.

Der Rechtsstaat ist unser einziger Schutzwall gegen Barbarei, Willkür und Faustrecht. Wohin es führen kann, wenn der Rechtsstaat nicht existiert oder dysfunktional wird, kann man bei allzu vielen Ländern der Welt beobachten. Nicht zuletzt in Russland oder der Ukraine. Beides zutiefst korrupte Regimes, wo fundamentale Prinzipien des Rechtsstaats nicht funktionieren.

Nun hat das eine Unrechtsregime das andere überfallen. Da das unter Bruch aller internationalen Verträge erfolgte, in denen Russland die territoriale Integrität der Ukraine zusicherte, ist das Putin-Regime noch mehr ein Paria als das Selenskyj-Regime. Ganz abgesehen davon, dass sich der Krieg in der Ukraine längst zu einem internationalen Konflikt ausgeweitet hat; ein typischer Stellvertreterkrieg wie weiland Korea oder Vietnam. Nur waren dort die USA der Invasor, der unzählige Kriegsverbrechen (Agent Orange, Flächenbombardierungen, Massaker) beging.

In all solchen Auseinandersetzungen der Grossen, der Atommächte, hat ein Kleinstaat wie die Schweiz aus reinem Selbsterhaltungsprinzip die Aufgabe, sich strikt an seine Gesetze zu halten – und sie gegen Angriffe von aussen (und innen!) zu verteidigen.

Nun wird seit einiger Zeit vor allem von der EU, aber auch von diversen politischen Parteien in der Schweiz, das «Bundesgesetz über das Kriegsmaterial» in Frage gestellt. Deutschland hat fast identische Bestimmungen, foutiert sich aber darum und liefert inzwischen sogar schwere Waffen wie Kampfpanzer an eine Kriegspartei. Seine Aussenministerin behauptet sogar, die EU befinde sich «im Krieg mit Russland».

Unglaubliche Zustände. Nassforsch fordert vor allem Deutschland von der Schweiz, dass die gefälligst auch auf ihre Gesetze scheissen solle. Verpeilte Kommentatoren behaupten, wer nicht Waffen an die Ukraine liefere, unterstütze Putin. Prinzipienlose Kommentatoren fordern, dass auch die Schweiz sofort und massiv Waffen an die Ukraine liefern soll. Zumindest der Weiterleitung von bereits exportiertem Kriegsmaterial an die Ukraine nicht im Wege stehen soll.

Nun heisst es im entsprechenden und gültigen Gesetz glasklar in Artikel 18:

«In der Regel kann eine Ausfuhrbewilligung nur erteilt werden, wenn es sich um die Lieferung an eine ausländische Regierung oder an eine für diese tätige Unternehmung handelt, und wenn eine Erklärung dieser Regierung vorliegt, dass das Material nicht wieder ausgeführt wird (Nichtwiederausfuhr-Erklärung).»

Glasklar, der nächste Absatz regelt noch präzise definierte, kleine Ausnahmen.

Artikel 22a definiert die «Bewilligungskriterien für Auslandgeschäfte»:

«Auslandsgeschäfte nach Artikel 22 und Abschlüsse von Verträgen nach Artikel 20 werden nicht bewilligt, wenn:
a. das Bestimmungsland in einen internen oder internationalen bewaffneten Konflikt verwickelt ist;
b. das Bestimmungsland Menschenrechte schwerwiegend und systematisch verletzt;
c. im Bestimmungsland ein hohes Risiko besteht, dass das auszuführende Kriegsmaterial gegen die Zivilbevölkerung eingesetzt wird; oder
d. im Bestimmungsland ein hohes Risiko besteht, dass das auszuführende Kriegsmaterial an einen unerwünschten Endempfänger weitergegeben wird.»

Auch hier gibt es nur eine klar definierte Ausnahme:

«Abweichend von Absatz 2 kann eine Bewilligung für Auslandsgeschäfte für Einsätze zugunsten des Friedens erteilt werden, die auf der Grundlage eines Mandats der Vereinten Nationen, der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa oder einer supranationalen Organisation, deren Ziel die Friedensförderung ist, durchgeführt werden.»

Für jeden Laien ist verständlich: es ist ausgeschlossen, Kriegsmaterial an die Ukraine zu liefern. Es ist ausgeschlossen, den Wiederexport von an andere Länder geliefertes Schweizer Kriegsmaterial an die Ukraine zu bewilligen.

Das ist das Gesetz.

Gesetze kann man ändern. Entsprechende Bestrebungen sind im Gange, das ist völlig legitim. Aber bis dieser Prozess mit einer allfälligen Veränderung dieser Gesetze abgeschlossen ist, gelten sie.

Wer daran herumkrittelt, rabulistisch nach Schlupflöchern sucht, moralinsauer übergesetzliche Notwendigkeiten fabuliert, wer gar peinlich berührt davon ist, wenn das Ausland die Schweiz dafür kritisiert, sich an ihre Gesetze zu halten, ist ein gefährlicher Brandstifter im Rechtsstaat.

Darunter sind Politiker, Einzelmasken, die nach Aufmerksamkeit gieren, aber auch Rechtsgelehrte, die zu zeigen versuchen, dass man mit genügend Hinschmalz jedes Gesetz so umbiegen könnte, dass das Gegenteil seiner klaren Aussage gelten würde.

Und natürlich gibt es ein sich ständig vergrösserndes Heer von Schreibtischgenerälen, von schreibenden Kriegsgurgeln, von unerschrockenen Kämpfern am Sandkasten, die gerne Schweizer Waffen in der Ukraine sähen, die dafür sind, dass auch die neutrale Schweiz dafür sorgt, dass noch mehr gelitten, zerstört, getötet wird. Natürlich für eine gute Sache, was jedem Getöteten sicherlich ein gutes Gefühl mit ins Jenseits verschafft.

Die Empörung über das Unrecht, das Russland als Unrechtsstaat verursacht, darf nicht dazu führen, dass auch die Schweiz den Boden der Rechtsstaatlichkeit verlässt. Ein besonders abschreckendes Beispiel liefert gerade der Rechtsprofessor Mark Pieth, der sogar behauptet, dass die von reichen Russen in der Schweiz beschlagnahmten Werte gesetzeskonform enteignet, also gestohlen und an die Ukraine ausgehändigt werden könnten.

Das alles sind Anschläge auf den Schweizer Rechtsstaat. Hoffentlich bleibt er unberührt von diesem Wahnsinn. Falls nicht, ist das keine gute Nachricht für die Ukraine. Aber eine ganz schlechte für jeden Schweizer Staatsbürger.