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Roshani im Zwielicht

Sind ihre Anschuldigungen haltlos und erfunden?

Schlechte Nachricht für alle, die bereits losgaloppiert sind. In erster Linie die «Zeit»-Mitarbeiterin Salome Müller, die «feministische Aktivistin» Franziska Schutzbach und alle die vielen Journalisten, die sich freudig sabbernd auf die Anschuldigungen der ehemaligen «Magazin»-Redaktorin Anuschka Roshani geworfen haben.

Völlig bescheuert wirkt in diesem Zusammenhang nun das Verwenden von anonymen Quellen, die mutig aus der Dunkelheit «es war alles noch viel schlimmer» gerufen haben sollen (wenn sie nicht schlichtweg erfunden wurden). Mit ziemlich abgesägten Hosen steht auch mal wieder der «Spiegel» da, der seiner ehemaligen Mitarbeiterin die grosse Bühne freimachte und eine vierseitige Klageschrift von ihr veröffentlichte. Deren Inhalt angeblich gnadenlos verifiziert worden sei.

Das alles steht nun in einem schiefen Licht, seit es Roger Schawinski gelungen ist, Einblick in den Untersuchungsbericht der Anwaltskanzlei Rudin Cantieni zu nehmen. Der Bericht über die Vorfälle im «Magazin» war schon von Tamedia als Zusammenfassung publiziert worden. In ihr hatten beide Protagonisten dieser Affäre kräftig eins über die Rübe bekommen.

Finn Canonica waren inakzeptable Verhaltensweisen vorgeworfen worden, Anuschka Roshanis Anschuldigungen hätten sich aber grösstenteils nicht erhärten lassen, zudem habe sie die weitere Zusammenarbeit mit der Kanzlei verweigert.

Beide Angestellten waren im Anschluss entlassen worden; zuerst der «Magazin»-Chefredaktor Canonica, dann die Anklägerin und Redaktorin Roshani.

Was Schawinski nun auf seinem Radio 1 aus dem ihm offenbar vorliegenden Gesamtbericht zitiert, ist starker Tobak:

«Zusammenfassend ergibt sich, dass auch die meisten Vorwürfe gegenüber Finn Canonica verneint werden mussten…Bossing gegenüber Anuschka Roshani scheidet aus, da es an der Zielgerichtetheit und Systematik über längere Zeit fehlt und gerade sie auch Privilegien genoss, die andere nicht hatten… Die Sonderbehandlung eines bezahlten Sabbaticals stellt eine Bevorzugung gegenüber anderen dar und schliesst ein gleichzeitiges Bossing gegenüber Anuschka Roshani eigentlich aus.»

Und: «Nicht bestätigt wurde (von Redaktionsmitgliedern) die Aussage, dass Finn Canonica bösartige höchst verächtliche Aussagen über Anuschka Roshani machte.» Dafür rückt nun ein weiterer Ex-Mitarbeiter ins Zentrum der Affäre: «Nachdem Prof. Dr. Peter Nobels Untersuchung im 2014 eine basale Lüge von Mathias Ninck zeigt, vorliegend Mathias Nincks Angaben nachweislich nicht stimmen, kann er nicht als glaubwürdige Quelle eingestuft werden.»

Ninck habe behauptet, Canonica habe eine Affäre mit einer Angestellten gehabt; diese Story wurde auch von Roshani im «Spiegel» erzählt und noch ausgeschmückt. Dazu der Bericht:

«Die Überprüfung von Mathias Nincks Angaben zeigen, dass schon die äusseren Eckpunkte seiner Schilderung nicht stimmen können.»

Der Bericht merkt weiter an: «Anuschka Roshani baut ihre Versionen ihrerseits stetig aus. Anreicherungen können Hinweise auf bewusste Lügen oder aber auf suggestive Einflüsse sein. Vorliegend fand mutmasslich eine Absprache von Mathias Ninck und eine Angleichung an seine Version statt.» Anscheinend soll Roshani solche Kontakte zuerst verneint, dann eingeräumt haben, um sich dann weiteren Antworten zu entziehen.

Auch in einem anderen Punkt bekommt Ninck gröbere Probleme: «Mathias Nincks Vorwurf, Finn Canonica habe eine Frauenbrust mit nach oben gerichteter Brustwarze auf dem Pult gehabt und diese jeweils – begleitet von zweideutigen Aussagen – vor weiblichen Bewerberinnen gestreichelt, geht ins Leere. Der fragliche plastische Chirurg bestätigte schriftlich, dass er Finn Canonica erst im 2018 – nach Matthias Nincks Zeit – ein Brustimplantat schenkte. Implantate sind nicht als Brust zu erkennen und haben insbesondere keine Brustwarzen.»

Und dann der Hammer:

«Die Untersuchungspersonen gehen nach dem Gesagten von Absprachen zwischen Anuschka Roshani und Mathias Ninck aus.»

Wenn sich das erhärten lässt, kann das für beide Beteiligten ohne Weiteres strafrechtliche Konsequenzen haben.

Ein weiterer schwerer Vorwurf gegen Roshani: Diverse Beweismittel, welche Untersuchungspersonen angefordert hatten, wurden nicht eingereicht. Zum Vorwurf, Canonica habe Roshani die «Ungefickte» genannt, steht im Bericht: «Ins Auge springt vorab die Verwendung der Terminologie. So äusserte Michèle Roten ursprünglich, Finn Canonica habe die «Untervögelte» gesagt. Anuschka Roshani sprach später von die «Ungefickte», worauf Michèle Roten, die als Einzige den Ausdruck hörte, ebenfalls auf «die Ungefickte» umschwenkte. Unbestritten ist, dass Michèle Roten und Anuschka Roshani sich austauschten.»

Eine Parallele zwischen Ninck und Roshani scheint darin zu bestehen, dass beide entlassen, bzw. freigestellt wurden. Ninck kündigte dann 2015 von sich aus, nachdem der damalige Untersuchungsbericht der Kanzlei Nobel seine Anschuldigungen in der Luft zerrissen hatte. Ein weiteres pikantes Detail aus dem Bericht ist die Verbandlung zwischen dem Chefredaktor der «Schweizer Familie» Daniel Dunkel als VR des Verlags «Kein & Aber», dessen Gründer, Besitzer und Geschäftsführer Peter Haag ist, der Ehemann von Roshani. Haag wiederum soll die Tamedia-Verwaltungsrätin Pascale Bruderer mit einem von seiner Frau zusammengestellten Dossier über Canonica versorgt haben, das sie in den VR trug.

Auch die Behauptung von Roshani, sich seit 2007 bei zuständigen Stellen gemeldet und beschwert zu haben, ist laut Bericht nicht belegbar. Mündlich korrigierte sie dann, dass die Meldungen zwischen 2012 bis 2015 stattgefunden haben sollen, allerdings telefonisch. Dem HR von Tamedia liegen dazu aber keine Unterlagen vor.

Wohlgemerkt wurde dieser Bericht vor den Entlassungen von Canonica und Roshani abgeschlossen. Laut Tamedia soll er ihr zur Kenntnis gebracht worden sein, sie bestreitet das.

Wenn man es als belegt erachtet, dass sich Roshani in einer Blindbewerbung um die von Canonica besetzte Stelle des «Magazin»-Chefredaktors bewarb, sich ab März 2022 krank meldete («ohne ärztliches Attest», wie der Bericht anmerkt), schliesslich mit Kündigungsfrist bis Ende 2022 entlassen wurde, um dann im «Spiegel» die ganz grosse Keule hervorzunehmen, kommt der nicht voreingenommene Betrachter zu einer klaren Schlussfolgerung.

Es hat im Verhalten von Canonica offensichtlich schwere Schnitzer gegeben, die auf jeden Fall geahndet werden mussten, wie das auch der Bericht vorschlägt. Allerdings spricht er von Coaching und Abmahnung, nicht von Entlassung.

Nochmals in einem ganz schrägen Licht erscheint das Schweigen der Männer, also der übrigen «Magazin»-Redaktoren. Sie waren und sind offenbar zu feige, sich zwischen einer Bestätigung der Vorwürfe von Roshani und einem Dementi zu entscheiden. Entweder hätten sie sexuelle Ausfälligkeiten ihres Chefredaktors geduldet – oder sie müssten einer Frau widersprechen, die das Narrativ der sexistischen Machokultur bei Tamedia bedient. Herausragend feige ist dabei Daniel Binswanger, früher eng mit Canonica und als Chefredaktor a.i. der «Republik» nicht mehr Lohnabhängiger von Tamedia.

Aber auch er schweigt, wohl um sich die Aussicht auf ein warmes Plätzchen nach dem möglichen Untergang seines jetzigen Brötchengebers nicht zu verscherzen. Was für ein Charakter.

Was allerdings Roshanis Anschuldigungen betrifft, kann ZACKBUM nur wiederholen: sollten sie sich als übertrieben, erfunden herausstellen, als Rache für gescheiterte Karrierepläne und eine Entlassung, dann ist die Dame als Journalistin erledigt und hätte der «Spiegel» neuerlich einen kleinen Fall Relotius an der Backe.

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PS: Die Ereignisse überschlagen sich mal wieder. Wie abzusehen war, wurde nach dem Prinzip «Ene, mene, muh» ein Sündenbock bestimmt. Supino kann’s nicht sein, die beiden Geschäftsführer retteten auch ihre Haut. Also wurde der arme Arthur Rutishauser degradiert und auf den Posten des Chefredaktors der «SonntagsZeitung» runtergstuhlt.

Gleichzeitig wurden die beiden Co-Chefredaktoren des «Tages-Anzeigers» gespült. Von deren Existenz merkte sowieso niemand gross was. Nun ist Marco Stäuble neu «Inlandchef». Also ist dieses Ressort von abnehmender Bedeutung. Priska Amstutz kommt ins Abklingbecken «neues Projekt».

Das ist noch nicht so schlimm (ausser für Arthur). Aber jetzt kommt’s: Raphaela Birrer wird die neue Quotenfrau-Chefredaktorin. Die «ausgebildete Lehrerin» auf Primarschulstufe fiel in der Vergangenheit mehrfach durch so unqualifizierte wie rechthaberische Kommentare auf, sonst aber durch nichts. Offenbar ist Tamedia die Mantelredaktion auch zunehmend schnurz. Denn auch Kerstin Hasse, die unsichtbare Frau mit Blödel-Tweets und starkem feministischem Einschlag, ist ebenfalls in dieser Chefredaktion.

ZACKBUM drückt allen verbleibenden Redaktionsmitgliedern sein Mitgefühl aus. Ihr Trost kann nur sein: die nächste Sparrunde kommt bestimmt. Vorher wird das aber auf die Leber gehen!

 

 

Wumms: Daniel Binswanger

Neues Schmierenstück aus der «Republik».

Wie kann man nur so Journalismus betreiben? Dennis Bühler und Boas Ruh verschwenden 9000 A auf die Zustände im Hause Tamedia. Zur Beschreibung verwenden sie ausschliesslich anonyme Quellen. Behaupten dies und das. Was mutige anonyme Heckenschützen halt so erzählen, wenn der Tag lang ist. Zum Beispiel, dass Finn Canonica die Chefredaktion der «SonntagsZeitung» angeboten worden sei, der aber abgelehnt habe.

Dann verbreiten sie die Fake News, dass ein Lokaljournalist wegen eines kritischen Berichts über eine Stiftung auf Geheiss von Supino entlassen worden sei. Das ist anders gelaufen und hatte mit einem sehr verunglückten Porträt einer jüdischen Politikerin zu tun. Das weiss eigentlich jeder, ausser den beiden Recherchier-Genies.

Aber es ist noch schlimmer. Einleitend schreiben sie: «Zur Transparenz. Zwei Personen der Republik haben mehrere Jahre beim «Magazin» des «Tages-Anzeigers» gearbeitet: Daniel Binswanger – er ist derzeit Co-Chefredaktor ad interim – und Daniel Ryser, er ist Reporter.»

Damit hört dann die Transparenz auch schon auf. Was sagt denn Binswanger, der jahrelang im «Magazin» publizierte und mit Canonica eng war, was sagt denn diese namentlich bekannte Quelle? Was sagt denn die schreibende Schmachtlocke, die jede Woche mit erhobenem Zeigefinger und getränkt mit Moralinsäure, Arroganz und Rechthaberei, der Welt erklärt, wie sie zu sein hat?

Wäre doch die Chance für Binswanger gewesen, kostenfrei Zivilcourage zu beweisen. Was könnte ihm Tamedia schon anhaben, als Chefredaktor der «Republik» a.i.? Er kommt aber namentlich zitiert ihn den 9000 A kein einziges Mal vor. Stammen vielleicht anonyme Zitate von ihm? Man weiss es nicht …

Binswanger schweigt verbissen. Warum? Ganz einfach. Würde er sagen, dass ihm keinerlei verbale Übergriffigkeiten von Canonica aufgefallen wären, dann würde er die Anklägerin Anuschka Rushani desavouieren. Würde er aber einräumen, dass Canonica häufig Ferkeleien von sich gab, dann müsste sich Binswanger die Frage gefallen lassen, wieso er als Feminist und Gutmensch geschwiegen habe.

Blöde Lage, in der sich auch der Partner der «feministischen Aktivistin» Franziska Schutzbach befindet. Aber der ist noch angestellt beim «Magazin».

Beim feigen Heuchler Binswanger gibt es wohl noch einen weiteren Grund: Als Chefredaktor weiss er sehr genau, dass die Tage der «Republik» wohl gezählt sind. Und dann braucht er ja wieder ein warmes Plätzchen

Tick, tack, tick, tack

Was ist das? Das ist die Skandal-Uhr.

Nicht nur wegen den asozialen Medien gibt es im Aufmerksamkeit-Management zwei klar unterschiedliche Zustände. Geradezu binäre: voll Strom, kein Strom.

Die «Magazin»-Affäre ist ein perfektes Beispiel dafür. Sie löste die Affäre um die Buchveröffentlichung über eine lange zurückliegende Zuger Landammann-Feier ab, bei der sich zwei Politiker mithilfe von Flüssigem sehr nahe kamen.

Dann kam ein Donnerschlag im «Spiegel», Anuschka Roshani als Opfer, Finn Canonica als Bösewicht, die «Magazin»-Redaktion als Versammlung feiger Heuchler. Dann mischte sich Tamedia ein, auch Canonica holte zum Gegenschlag aus, Feministen und Kampffeministen krakeelten rein und setzten unbewiesene Behauptungen in die Welt, gerne auch im Indikativ, so beispielsweise Salome Müller.

Der Kommentator wusste es wie meist besser und opinierte, räsonierte, widersprach, schimpfte, verteilte Betragensnoten, verurteilte und war höchlichst erregt und aufgeregt. Dann amteten Anwälte, allzu forsche Behauptungen aufgrund anonymer Quellen mussten gelöscht werden. CH Media musste sich sogar zu einer zerknirschten «Entschuldigung» verstehen.

Dann griff noch der Big Boss von Tamedia persönlich ein; mit anderen Worten: Pietro Supino fuhr die Affäre gegen die Wand. Mal schauen, ob der Satz so stehenbleiben darf; das geneigte Publikum ist gebeten, einen Screenshot anzufertigen.

Natürlich umschwirrten schnell Gerüchte aus anonymen, trüben Quellen die Affäre wie Schmeissfliegen. Es sei alles noch viel schlimmer gewesen. Canonica sei ein ganz Schlimmer. Es sei alles furchtbar aufgeplustert, Roshani sei eine ganz Hinterlistige. Es gebe dann im Fall noch weitere Fälle im Hause Tamedia.

Und dann, und jetzt? Erschöpfte Pause. Man hört nichts. Ausser dem leisen Ticken der Skandal-Uhr. Aber das nächste Wochenende kommt bestimmt. Sollte es da kein neues Erdbeben oder keine neue Schlacht in der Ukraine geben, nun, die Chancen stehen gut, dass dann das Gelärme weitergeht.

Und der Rest ist …

Peinlich. Peinliches Schweigen bei Tamedia.

Die «SonntagsZeitung» soll angeblich helfen, den Montag bis Samstag zu verstehen. Letzte Woche war von Montag bis Samstag zumindest in medialen Kreisen ein einziges Thema interessant: der neuste Tamedia-Skandal.

Zu dem ist nämlich ein möglicher Canonica-Skandal oder ein möglicher Roshani-Skandal oder ein möglicher «Magazin»-Skandal geworden. Die aktuelle Chefredaktion des «Magazin»? Sie schweigt. Die Redaktoren, die ja nicht erst seit gestern an Bord sind? Sie schweigen. Ehemalige Mitarbeiter wie die schreibende Schmachtlocke Daniel Binswanger, früher mal eng mit Canonica? Schweigt.

Anonyme Heckenschützen, die allenthalben zitiert werden, dass alles noch viel schlimmer sei oder schon längst intern bekannt? Sie schweigen nicht, aber wie glaubwürdig sind Behauptungen von Journalisten, die sich nicht einmal trauen, mit ihrem Namen dazu zu stehen?

Also hat sich ZACKBUM auf Spurensuche begeben, ob es denn in der SoZ oder im «Magazin» wenigstens Andeutungen über diesen Skandal gibt.

Schon im Editorial von Arthur Rutishauser meinten wir, fündig geworden zu sein: «Ein Management, das hilflos versucht, Zuversicht zu verbreiten und sich ansonsten einigelt.» Könnte das eine Kritik an der unterirdische Performance von Pietro Supino sein? Mutig, könnte man meinen: «Genauso wie 2001 beim Swissair-Grounding ist es es auch heute wieder bei Tamedia.» Oh, Pardon, unser Fehler, «bei der Credit Suisse», schreibt Arthur.

«Wohin unsere Steuergelder gehen», ist eine Analyse auf Seite 4 überschrieben. Na, nicht zu Tamedia, aber das ist leider auch kein Beitrag zur Aufarbeitung des hausinternen Skandals. ««Gesundheit» wünschen oder ignorieren?» Ist das wenigstens ein Artikel über den Zustand von Finn Canonica? Leider nicht, es geht um viel Wichtigeres: «Was erwidert man auf ein «Hatschi»?» Das ist in Zeiten der politischen Korrektheit wahrlich nicht so einfach.

Aber hier vielleicht? «Sie nehmen die Hodenschrumpfung in Kauf». Ein bislang unbekannter Spruch des Ex-Chefredaktors? Schon wieder nein, es geht um Anabolika. Leserbriefseite? Nix. Harald-Schmidt-Interview: Sternstunde, aber auch nix über Canonica oder Roshani oder Supino. Aus die Maus.

Also nahm sich ZACKBUM «Das Magazin» vor; mit 32 Seiten immerhin schnell zu überblättern. Die Titelgeschichte ist aus dem «New Yorker» übersetzt. Soweit nichts Neues; Eigenleistung nur, wenn es gar nicht anders geht. Und es geht immer anders.

Auf Seite zwei ein längeres Editorial des nachgerückten Chefredaktors Bruno Ziauddin. Die Chance, endlich. Aber nein, Plattitüden, Seichtheiten und Lob eines «ambivalenten Verhältnisses zu Butter». Also alles in Butter.

Aber vielleicht die Kolumnisten, sonst immer schnell zur Hand, Schlimmes, Kaputtes, Fragwürdiges, Fehlerhaftes überall auf der Welt und auch in anderen Gazetten zu kritisieren. ZACKBUM setzte grosse Hoffnungen auf Philipp Loser. «Der Inhalt zählt nicht», ist seine Kolumne überschrieben. Ein Hinweis auf die Oberflächlichkeiten des Canonica-Ära? Leider nein, Loser verbreitert sich über Wahlen, mit Dumpfsätzen wie: «Diese Komponente  der inhaltliche Wahrnehmung ist ein Teil der Wahlentscheidung.» Wie man einen solchen Satz schreiben kann, ohne selber dabei wegzuschnarchen?

Aber vielleicht Katja Früh, sie dilettiert über «Liebe und Toleranz». Endlich eine Aufarbeitung des Verhältnisses zwischen Canonica und Roshani? Nein, verflixt, sie hat endlich auch noch den Briefwechsel Bachmann-Frisch gelesen. Nach allen anderen. Aber dann Kaltërina Latifi, «Wie viel Widerspruch halten Sie aus?» Ach was, Anlass zu banaler Nabelschau: «seit 2016 lehre ich zeitweise an einer Londoner Universität». Leider nennt sie den Namen nicht, damit man diese Bildungsstätte meiden kann.

Dass Christian Seiler als Fresspapst nichts zum Thema schreibt, okay. Ein Bericht über die Kreml-Propaganda? Wenn man auch wenige Seiten füllen muss, die bei 14 Seiten voller «New Yorker» noch übrigbleiben …

Max Küng vielleicht? Lachhaft. Als Frage an Hans Ulrich Obrist? Lachhaft. Und schon ist’s aus, das «Magazin». 10 Tage Tamedia-Skandal, 10 Tage das «Magazin» und seine Mannschaft im Feuer. Aufarbeitung, Reaktion, journalistische Analyse, Einordnung? Investigativ-Desk, all die überbezahlten und unterbeschäftigten Journis bei Tamedia, die sich endlich mal von der Betrachtung des eigenen Bauchnabels lösen könnten? I wo, nur kein Stress. Interessiert den Leser doch nicht.

Unfassbar.

 

 

Das Mies-«Magazin»

Ein Schatten, der Schatten eines Schattens von früher.

Die Geschäftsleitung von Tamedia attestiert dem «Magazin» doch tatsächlich «hervorragende Leistungen». Das ist ungefähr so realitätsnah, wie wenn man einen Artikel aus «20 Minuten» für den Pulitzer-Preis vorschlagen würde.

Denn eine der publizistischen Höchstleistungen von Finn Canonica, dem im Feuer stehenden ehemaligen «Magazin»-Chefredaktor, bestand bekanntlich darin, einen eisernen Sparkurs durchzuziehen, den die Mehrheit der Redaktion mit Kündigung beantwortete (freiwillig oder unfreiwillig). Keine eigenen Reportagen mehr, ein paar Kolumnen und billig Eingekauftes. Das wurde die neue Blattmischung.

Wir wollen hier nicht nostalgisch an frühere Glanzzeiten des «Magazin» erinnern, sondern aus gegebenem Anlass einfach die aktuelle Ausgabe anschauen.

Diese Arbeit ist ziemlich schnell erledigt, das Blatt umfasst noch gerade 32 Seiten. Da muss haushälterisch vorgegangen werden, schon seit Längerem ist das Editorial oberhalb des kurzen Inhaltsverzeichnisses reingequetscht.

Diesmal ist es von einer geradezu brüllenden Komik, wenn auch unfreiwillig. Es beginnt mit der Nacherzählung einer Kurzgeschichte von Alfred Döblin, die den Autor zur Selbsterkenntnis führt: «Vermutlich ist das schlechte Gewissen gegenüber den Kreaturen um uns herum, die wir schlechter behandeln, als es unser Weltbild erlaubt, den meisten nicht fremd, mir jedenfalls nicht.»

Allerdings meint er mit der Klage, «dass wir zu anderen gemein sind, obwohl wir doch eigentlich das Beste wollen», nicht die Zusammenarbeit auf der Redaktion. Sondern diese Ausgabe nimmt sich (wieder einmal) die alte Frage vor, wie es denn wäre, wenn Tiere «ähnliche Rechte besässen wie wir Menschen». In Basel scheiterte vor Kurzem eine entsprechende Initiative krachend; in ihrem Umfeld wurde diese Frage ausreichend diskutiert.

Hier schreckt aber die Autorin offenbar nicht vor einem geschmacklosen Vergleich zurück: «Jene, die den Gedanken (an Tierrechte, Red.) lächerlich finden, erinnert Svenja Beller an einen Gerichtsprozess in England vor 250 Jahren, als vor einer ungläubig lauschenden Zuhörerschaft ein Richter erstmals einem Sklaven Personenrechte zusprach

Dieser Stuss wird hier vor einer ungläubig lesenden (und zahlenden) Kundschaft dargeboten.

Auf Seite 4 kolumnieren dann Philipp Loser und Nadine Jürgensen. ZACKBUM weiss sich des Applauses seiner Leser sicher, wenn wir darüber einfach kein Wort verlieren. Oder doch, nur ein Satz: «Wir drei Gründerinnen von elleXX sind allesamt auch Mütter.» Inzwischen darf hier jeder (und jede) Schleichwerbung für alles machen …

Dann kommt Kochkenner Christian Seiler zu Wort. Der hat auch schon in so ziemlich alles ausser in einen Michelin-Reifen gebissen, also fällt ihm nur noch eine Verneigung vor der Sardelle ein, «diesem ebenso ungewöhnlichen wie unterschätzten Schwarmwesen».

Dann kommt wie angedroht die Verneigung vor dem Tier (das eine Seite vorher noch gewissenlos gefressen wird). Aber Beller weiss: «Schon bald werden wir zurückblicken und uns dafür schämen.» Nimm das, Christian.

Auf der Ebene Illustration erreicht das «Magazin» Tiefen, die zuvor nicht für möglich gehalten wurden. Es serviert seinen Lesern nämlich einen Rüssel. Auf einer ganzen Seite:

Rüssel eines unbekannten, wohl rechtlosen Elefanten (Screenshot «Magazin»).

Über 8 Seiten erstreckt sich diese Tier- und Leserquäleri, nur kurz unterbrochen von der neckischen Frage «Porsche oder Ferrari?». Mit dem nochmals ganzseitigen Schlussbild kann sich ZACKBUM jeden weiteren Kommentar ersparen:

Da greift sich selbst der Schimpanse an den Kopf (Screenshot «Magazin»).

Die gute Nachricht zwischendurch: mit dem Interview zur Frage «Wie hält man das weltweite Artensterben aus?» sind wir bereits halb durch. Auch hier schaffen ganzseitige Bilder wenigstens Luft für den geplagten Leser:

«Wenn ein Baum gestorben ist, trauern dann die anderen Bäume um ihn?»
Original-Bildlegende …

Auch die nächste Bildlegende hinterlässt tiefe Spuren beim Leser: «Die Bäume verdursten, und wir schauen weg. Ist der Mensch in Bezug auf Pflanzen und Tiere ein Soziopath?» Vielleicht sollten sich diese Frage mal Tamedia-Mitarbeiter über sich selbst stellen …

Noch ein Interview mit den beiden Gutmenschen Milo Rau und Wolfgang Kaleck. Dem Leser schlafen schon beim Titel beide Füsse ein: «Sie wollen nicht weniger, als die Welt verändern». Wie fängt der Text an? «Krieg, Ausbeutung, Ungerechtigkeit sind die grossen Themen …» Spätestens hier schliessen sich die Augen den Füssen an.

Auf Seite 30 eifert dann Max Küng den anderen Kolumnisten nach. Da es keinen neuen Pfister-Katalog zu betexten gibt, schreibt er über das Velofahren. Genau, diese «Zahlenpoesie» ist viel besser als Schäfchenzählen.

Wobei, es lockt noch das Kreuzworträtsel der unverwüstlichen Trudy Müller-Bosshard. Aber dann hat das «Magazin» ein Einsehen mit den Lesern. Halt, nicht ganz, mangels Inserenten prangt auf der Rückseite ein Eigeninserat des Hauses, das sich nun auch nicht jedem Leser erschliesst:

ZACKBUM ist sich sicher: das ist eine heimtückische Kritik am «Tages-Anzeiger». Der schreibt offensichtlich von Montag bis Samstag Unbegreifliches, was dann erst am Sonntag erklärt werden kann.

So gemein …

Ehrenwerte Gesellschaft

Gegen aussen hui, aber gegen innen?

Tamedia im Allgemeinen und «Das Magazin» im Besonderen sind der Hort des Gutmenschentums. Der politischen Korrektheit. Des Abscheus über jede Art der Diskriminierung, insbesondere des Sexismus. Hier werden Seiten mit Abhandlungen gefüllt, wie die deutsche Sprache nicht-sexistisch, inkludierend und nicht diskriminierend verwendet werden sollte.

Nun hat eine langjährige «Magazin»-Redakteurin erschreckende Einblicke in den widerlichen, sexistischen Alltag auf der Redaktion dort gegeben. Vorausgesetzt, ihre Darstellung stimmt, herrschte dort ein gestörter Chefredaktor, der Tourette-artig «ficken» sagte, ständig sexuelle Anspielungen machte, Frauen übelst abqualifizierte und brachiales Mobbing betrieb.

Vor aller Augen und Ohren. Daher hat sich ZACKBUM gestattet, einigen der möglichen Augen- und Ohrenzeugen ein paar Fragen zukommen zu lassen.

Zu den Empfängern gehört Daniel Binswanger. Die schreibende Schmachtlocke war lange Jahre Kolumnist beim «Magazin», bevor er als aktuell Chefredaktor a.i. bei der «Republik» amtet. Von ihm wollten wir zudem wissen, wie er bei seinem neuen Organ solche Zustände verhindert.

Dann schickten wir den Fragenkatalog an Christof Gertsch, Journalist des Jahres und redaktioneller Mitarbeiter, des Lobes voll über sein Organ. An Mikael Krogerus, «Magazin»-Redaktor und als Gatte von Franziska Schutzbach sicherlich besonders sensibilisiert für solche Fragen. Schliesslich an die beiden Kolumnisten Nina Kunz und Philipp Loser, der sich überall als Obergenderpapst geriert. Und schliesslich an Bruno Ziauddin, langjähriger Stellvertreter von Finn Canonica und nach dessen abruptem Abgang nachgerutscht auf den Chefsessel.

Da wir befürchten (und uns wünschen, widerlegt zu werden), dass keiner der Angeschriebenen die Eier in der Hose hat (Pardon, Frau Kunz), sich nicht hinter «redaktionsinterne Vorgänge» zu verstecken oder nicht «wenden Sie sich an die Medienstelle» zu schreiben (oder schlichtweg wie üblich und in der Tradition der 78 erregten Protestfrauen bei Tamedia überhaupt nicht zu antworten), veröffentlichen wir hier die Fragen:

Sie haben sicherlich die schweren Vorwürfe zur Kenntnis genommen, die die ehemalige und langjährige «Magazin»-Redaktorin Roshani im «Spiegel» erhebt.
Sie führt unter anderem aus, dass Canonica seine sexistischen Sprüche und Widerlichkeiten auch gerne coram publico geäussert habe.
Vorausgesetzt, Roshanis Darstellungen entsprechen der Wahrheit, und einiges scheint darauf hinzudeuten, sind Sie offensichtlich auch Zeuge gewesen.
Daher einige Fragen an Sie:
1. Waren Sie selbst auch von solchen Aussagen oder von Mobbing durch Canonica betroffen?
2. Wenn Sie Zeuge solcher Widerlichkeiten waren, wieso haben Sie das nicht schon vor Jahren an die Öffentlichkeit gebracht?
3. Haben Sie intern die entsprechenden Anlaufstellen informiert, und wenn ja, wie war deren Reaktion?
4. Canonica soll behauptet haben, er geniesse Protektion von oberster Stelle, insbesondere durch Pietro Supino. Hat er sich Ihnen gegenüber auch so geäussert?
5. Wie vereinbaren Sie Ihr eigenes Auftreten und Eintreten gegen aussen mit dem Tolerieren solcher unglaublicher Zustände in der Redaktion?
6. Hätten Sie, Herr Gertsch, als «Journalist des Jahres» nicht eine Plattform gehabt, auf der Sie solche Zustände hätten anprangern können? Wieso haben Sie das nicht getan?
7. Würden Sie das als verzeihliche Form der Arbeitsplatzsicherung bezeichnen?
8. Oder würden Sie die Darstellung von Roshani bestreiten?
Freundliche Grüsse
Wetten, dass ..?
Nein, wir raten ZACKBUM-Lesern davon ab, Wetten einzugehen, ob hier jemand Eier in der Hose hat. Chefredaktor Ziauddin reagierte immerhin mailwendend mit der Bitte, sich mit den Fragen doch an den Medienmenschen von Tamedia zu wenden. Wie erbärmlich das alles
PS: Natürlich hat der «Kommunikationsverantwortliche Tamedia» schnell in den Stehsatz gegriffen und das hier abgesondert (was wieder mal der Beweis ist, dass es schon Scheissjobs gibt):
«Tamedia hat die Vorwürfe von Frau Roshani sehr ernst genommen und akribisch prüfen lassen. Der Konflikt zwischen Frau Roshani und Herrn Canonica war Gegenstand einer von Tamedia in Auftrag gegebenen externen Untersuchung durch eine spezialisierte Kanzlei. Die Untersuchung des Falles ergab, dass sich die von Frau Roshani in diesem Zusammenhang geäusserten Vorwürfe zu einem grossen Teil nicht bestätigten. In einigen Punkten kam die Untersuchung sogar zu einem gegenteiligen Ergebnis – insbesondere was den Führungsstil und die Arbeitsatmosphäre unter der Leitung von Herrn Canonica betraf.
Eine Mitschuld von Frau Roshani an der für alle Beteiligten schwierigen Situation kann Tamedia weder ausschliessen noch bestätigen. Priorität hatte die Wiederherstellung einer unbelasteten Arbeitsatmosphäre.
Aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes kann Tamedia keine weiteren Angaben zum Fall machen.»

Widerliche Gutmenschen

Was ist nur im «Magazin» von Tamedia los?

Starker Tobak: «Als Finn Canonica 2007 »Magazin«-Chefredakteur wurde, begann er ein Regime des Mobbings. Ich war nicht die Einzige, er nahm auch Männer ins Visier. Eine Kollegin entließ er ohne Vorwarnung. Als ihr das Mutterblatt des »Magazins«, der »Tages-Anzeiger«, direkt danach eine Reporterstelle anbot, soll Canonica gesagt haben, man untergrabe seine Autorität, würde man sie dort anstellen. Sie trat die Stelle nicht an.»

Das schreibt die langjährige «Magazin»-Journalistin Anushka Roshani im «Spiegel». Sie war von 2002 bis 2022 dort angestellt, bis sie laut eigenen Angaben «im September 2022 ohne Angaben von Gründen die Kündigung erhielt». Gleichzeitig klagt sie «wegen Verletzung der Fürsorgepflicht aufgrund sexistischer Diskriminierung und Mobbings» gegen ihren ehemaligen Arbeitgeber.

Sie gehörte zu den erregten Frauen, die einen Protestbrief gegen angeblich unerträgliche, sexistische und demotivierende Zustände bei Tamedia unterzeichnet hatten. Ohne dass allerdings ihre oder andere Beispiele namentlich genannt wurden.

Also ist Roshani nicht gerade eine objektive Zeugin oder unbeleckt von Eigeninteresse. Und die Fähigkeiten des «Spiegel», die Plausibilität von Erzählungen zu überprüfen, ist auch nicht über jeden Zweifel erhaben. Laut persoenlich.com weise der Anwalt des ehemaligen «Magazin»-Chefredaktors die Anschuldigungen zurück. Und Tamedia lässt ausrichten, eine «externe Untersuchung habe Roshanis Vorwürfe «zum überwiegenden Teil» nicht bestätigt». Welcher Teil bestätigt wurde, bleibt offen.

Der «Spiegel» hat sich nach eigenen Angaben nicht alleine auf die Schilderungen von Roshani verlassen: «Der Redaktion liegen Aussagen ehemaliger Kollegen und Kolleginnen, Chatnachrichten, Korrespondenz und Dokumente vor, die die Vorwürfe stützen und insgesamt plausibel erscheinen lassen. Soweit einzelne Vorwürfe, etwa über den Inhalt von Vieraugen­gesprächen, allein auf Wahrnehmungen von Anuschka Roshani beruhen, hat sie diese eidesstattlich versichert.»

Auch hier gilt natürlich wie immer die Unschuldsvermutung.

Aber: Es pfiffen schon länger die Spatzen von den Dächern, dass der abrupte Abgang von Canonica nicht dadurch motiviert war, dass der «eine neue berufliche Herausforderung» annehmen wolle.

Roshani beschreibt eine Unkultur und ein geradezu toxisches Verhalten des Chefs: «Wer zum inneren Kreis gehörte, was sich allerdings jederzeit ändern konnte, genoss Privilegien, bekam Zeit und Platz für Artikel, wurde von Aufgaben freigehalten, musste aber auch, egal ob sie oder er es wollte, Details aus Canonicas Sexleben erfahren. Er mutmaßte über die sexuelle Orientierung oder Neigungen von Mitarbeitern. Äußerte sich verächtlich über jeden, der nicht im Raum war. Bezeichnete unliebsame Themen als »schwul«. Benutzte in Sitzungen fast touretteartig das Wort »ficken«. Erzählte Intimitäten, etwa, dass zwei Redakteure ihre Kinder nur durch künstliche Befruchtung bekommen hätten.»

Ihre persönlichen Erfahrungen schildert Roshani so:

«Im Wesentlichen aber entwürdigte er mich mittels verbaler Herabsetzungen. So unterstellte er mir in einer Konferenz, ich hätte mir journalistische Leistungen mit Sex erschlichen: Ich sei mit dem Pfarrer der Zürcher Fraumünster-Kirche im Bett gewesen, den ich für eine Recherche getroffen hatte. In einer SMS sprach mich Canonica als »Pfarrermätresse« an.
Das war nicht alles. Hinter meinem Rücken nannte er mich vor einer Kollegin »die Ungefickte«. Sagte coram publico zu mir, mein Mann habe »einen kleinen Schwanz«. Brüstete sich in meinem Beisein vor Kollegen mit einem scheinbaren Exklusivwissen über mein Liebes­leben: dass ich zu Beginn meiner »Magazin«-Zeit öfter die Männer gewechselt hätte.»

In dem Artikel dokumentiert Roshani einige ihrer Vorwürfe, so den, dass ihr Canonica bei angeblich zu deutschen Ausdrücken in ihren Manuskripten ein Hakenkreuz daneben gemalt hätte, sie als «Pfarrermätresse» bezeichnet oder ihr mit folgenden Worten zu einer Leistung gratuliert habe: «Obwohl Du eine Frau bist, hast du brilliert.»

Nun könnte man bis hierher sagen, dass hier ein unfähiger und unbeherrschter Diktator Chef gespielt habe, worunter seine Untergebenen zu leiden hatten. Zum systematischen Skandal wird aber diese Beschreibung dadurch, dass Roshani die gesamte Führungsriege von Tamedia beschuldigt, Canonica lange Jahre geschützt und gestützt zu haben:

«Wann immer ich mich zur Wehr setzte, gab er mir zu verstehen, dass ich niemanden im Verlag fände, der mir Gehör schenken würde. Er sitze bombenfest im Sattel und genieße sogar das große Wohlwollen des Verlegers Pietro Supino.»

Mitredakteure hätten gekündigt und teilweise Canonica als Grund bei der Personalabteilung angegeben – keine Reaktion. Nach dem Protestbrief hätten gegen aussen der damalige Geschäftsführer Marco Boselli und auch Oberchefredaktor Arthur Rutishauser Betroffenheit und Null-Toleranz behauptet, aber auf ihre wohldokumentierten Beschwerden sei man nicht eingegangen. Dabei hätte es genügend deutliche Skandale gegeben:

«Nicht mal Canonicas Affäre mit einer Untergebenen und den damit verbundenen Machtmissbrauch fand das Unternehmen als Vorwurf erheblich genug: Erst bevorzugte Canonica seine Geliebte, ohne da­raus einen Hehl zu machen, ging mit ihr auf Dienstreisen, dann, nach dem Ende des Verhältnisses, verbot er uns, mit ihr zu kommunizieren.»

Die Unternehmensleitung, immer laut Roshani, habe alles getan, um das Problem auszusitzen:

«Man ließ mich vollkommen allein in dieser Lage. Ich musste an einem Tisch mit Canonica sitzen, nachdem er schon über meine Vorwürfe informiert war. Vom Stand der Untersuchung erfuhr ich nichts. Längst wissen auch der Verwaltungsrat und der Verleger Pietro Supino von den Vorfällen.
Rutishauser, Canonicas Vorgesetzter, laut ihm sein enger Studienfreund, tat, als wäre ich das Pro­blem. Mein Arbeitgeber behandelt mich, als wäre ich eine Störung des Betriebsfriedens. Und als wäre es ein privater Zwist zwischen mir und Canonica.»

Dass hier ein saftiger Skandal geplatzt ist, scheint auch folgende Aussage von Roshani zu belegen: «So wie sich Canonica anstrengte, mich kleinzukriegen, versucht Tamedia, mich in die Knie zu zwingen. Deren Anwältin behauptet, dass ich alles nur inszeniert hätte, um Canonicas Chefposten zu bekommen.»

Ihre bittere Bilanz:

«Ende Juni gab der Verlag bekannt, Canonica verlasse »Das Magazin«, um eine »neue berufliche Herausforderung anzutreten«. Seitdem hat weder die Leserschaft noch die Redaktion erfahren, wo er ab­ge­blieben ist. Mir sagte man, ich solle mich unterstehen, Gerüchte in die Welt zu setzen, mit meinen Vorwürfen habe sein Weggang nichts zu tun. Aus der Redaktion hieß es, er habe eine hohe Abfindung erhalten.
Canonicas Posten hat sein Vize übernommen, er ist schlicht nachgerückt. Dabei hatte der Verlag nach dem »Frauenbrief« verkündet, dass ab sofort jede Stelle intern und extern zur Bewerbung ausgeschrieben werde. Das ist hier nicht geschehen. Im Editorial verabschiedete der neue »Magazin«-Chefredakteur den alten mit Glanz und Gloria.»

Sicherlich, es handelt sich hier um die Anklageschrift einer einzelnen Journalistin, die zudem offensichtlich mit ihrem ehemaligen Arbeitgeber ein Hühnchen zu rupfen hat. Es erscheint aber sehr unwahrscheinlich, dass sie sich all diese Geschichten aus den Fingern saugt. Denn im Gegensatz zu den bis heute unbewiesenen Behauptungen im Protestschreiben nennt sie konkrete Beispiele, will Zeugen haben und kann auch Belege vorweisen.

Textnachrichten von Canonica (Screenshot «Spiegel»).

Auf ganz üble Verhältnisse deutet diese Bemerkung von Roshani hin, denn viele seiner widerlichen Sprüche hätte Canonica coram publico gemacht. Reaktion: «In der Redaktion tat man trotzdem so, als wäre Canonica einfach nur ziemlich verquer. Als hätte er einen Spleen, mit dem man sich halt arrangieren müsse.»

Es scheint zumindest in der Redaktion des einstmals angesehenen «Magazin» eine toxische Unkultur geherrscht zu haben. Die Frage ist vor allem, wieso so viele auch männliche Mitarbeiter, die sich gegen aussen wortstark für die Sache der Frau und gegen Sexismus und Figuren wie Weinstein aussprechen, in der Reaktion feige die Schnauze gehalten haben.

Spannend wird auch zu beobachten sein, wie Tamedia um dieses Thema öffentlich herumeiern wird. Wetten, dass die Fürsorge des Arbeitgebers und der Persönlichkeitsschutz von Mitarbeitern leider jede offizielle Stellungnahme verhindern wird?

Dabei wäre es für die zahlenden Leser durchaus von Interesse, wie sich ein solch widerlicher Chefredaktor so lange halten konnte. Ob er wirklich Protektion von oben besass. Ob er Herrschaftswissen hatte, das ihn unantastbar machte. Wieso es ihn dann doch gelupft hat, am Schluss. Wieso auch Roshani – laut ihr ohne Begründung – gefeuert wurde. Wie sich das von ihr geschilderte Verhalten von Boselli, Rutishauser und der Tamedia-Führung mit deren Selbstdarstellung nach aussen verträgt.

Aber so gerne Tamedia auch bereit ist, vermeintliche oder echte Skandale anderswo aufzudecken, so verschlossen wie eine Auster ist das Haus, wenn es um den Dreck vor der eigenen Türe geht.

Nz, nz, nz, nz

Wieso erinnert die NZZaS an diesen wummernden Sound?

Vielleicht deswegen:

Was für die SoZ gilt, stimmt auch für die «NZZamSonntag»: Samstag war ein echter Scheisstag für Nachrichten. Also stellt sich das Blatt die originelle Frage, woher eigentlich der Leim kommt, erinnert, wenn man schon nostalgisch ist, an den Filmwal Keiko, trampelt vorhersehbar und überparteilich auf Bundesrat Berset rum, lässt – als wohl Letzter im Umzug – die KI einen kleinen Scifi-Thriller schreiben und blickt hoffentlich nicht in die eigene Zukunft: sterben sei «wunderschön, sagen Forscher». Die bekanntlich immer irgendwas sagen, wenn echt tote Hose bei den News ist.

Wie füllt man dieses Loch mit Löchrigem? Natürlich, die Ukraine gibt immer und auf jeden Fall eine Doppelseite her, obwohl hier für einmal ein Bild mehr als alle Worte sagt:

Bildzitat aus der NZZaS.

Gibt es Neues aus England? Jein: «Brexit-Hardliner wollen sich der EU-Vorschriften entledigen». Verblüffend, wenn man aus einem Verein austritt, will man sich nicht mehr an die Vereinsregeln halten, ts, ts. Da fügt dann die Anti-Brexit-Hardlinerin Bettina Schulz in aller gebotenen journalistischen Ausgewogenheit hinzu: «Die Wirtschaft fürchtet Nachteile.» Ist aber auch schreckhaft, diese britische Wirtschaft, nix von steifer Oberlippe.

Die Seite 12 vereint mal wieder alles, was am modernen Journalismus schlecht ist. Ein Riesenfoto, ohne jegliche Aussagekraft.Plus die billigste Art, eine Seite zu füllen: das Interview. Plus die billigste Art von Interview: Fragen als Stichwortgeber, kritische Nachfragen Fehlanzeige. Dafür schleimige Schlussfrage: «Sie haben als Leichtathletin 1996 für die Schweiz an den Olympischen Spielen teilgenommen. Sieht man Sie hier abends eigentlich mit Stirnlampe durch Davos joggen? – Nein, ich gehe in der Regel schon am Morgen. Heute lief ich eine Stunde im Schnee.» Super, das wir das nun wissen.

Felix E. Müller hat sich vorgenommen, eine Kolumne zu schreiben, die an den Auftritt von Lady Gaga in einem Fleischkostüm erinnert: «Die Tage der Extrawurst sind gezählt.» Es geht nichts über einen Titel, der den Leser ratlos auf den Fingernägeln knabbern lässt. Was will uns der Autor damit sagen? Will er uns etwa eine saure Gurke verkaufen?

Wenn mittelbegabte Schreiber ihr Sprachscherz-Truckeli leeren, wird’s dem Leser ganz anders. Er schreibt seine Kolumne im Januar, einmal darf der ZACKBUM-Leser raten, worüber. Genau, «Detox, Fasten, Heublumentee mit blanchiertem Seetang.» Wir ahnen Schlimmes, nach diesem ersten Sauglattismus, aber alle Befürchtungen werden übertroffen. «Keine Fleischmetaphern mehr», dann kalauert sich Müller durchs Gemüsebeet. «Ran an den Speck, Extrawurst, im Saft schmoren, ihr Fett abbekommen

Aber der Mann weiss, wie man die Spannung aufrechterhält und eine Pointe setzt. Fleischmetapher ersetzen, nur wodurch? «Es geht um die Wurst – es geht um die Banana. Ein Hühnchen rupfen – eine Artischocke rupfen. Du Sau! – Du Schwarzwurzel.» Gewinsel um Gnade nutzt nix, Müller tofut sich zur Schlusspointe durch, welches Fleischwort fehlt noch? Schon wieder richtig: der «Fleischwolf». Durch den gedreht fühlt sich der Leser.

Daher bittet ZACKBUM um Nachsicht, dass wir nicht die Kraft hatten, auch noch Nicole Althaus zu lesen. Schreib-Rentner Müller darf sich dann nochmal zu Wort melden, auch so füllt man zwar billig, aber eben auf Kosten des Lesers eine Seite.

Er wärmt aus dem Stehsatz uralte Frank-A.-Meyer-Anekdoten auf, um unter dem Titel «Der Ringier-Komplex im Bundeshaus» längst Bekanntes aus den glorreichen Zeiten nachzuerzählen, als Meyer noch eine Suite im Hotel Bellevue neben dem Bundeshaus benützte. Natürlich liest man das Bonmot von Otto Stich immer wieder gerne, als der von Meyer zu einem Arbeitslunch eingeladen wurde. Stich soll erwidert haben, dass er beim Arbeiten nicht zu essen pflege und beim Essen nicht zu arbeiten, zudem tue er beides lieber ohne Meyer.

Sauglatt, aber alles Jahrzehnte zurück, viele Jahrzehnte. Schnee von vorgestern, seit über 20 Jahren residiert Meyer nicht mehr zu Bern, sondern in Berlin. Und wie CEO Walder Kontaktpflege betreibt, nun ja, nicht jedem ist’s gegeben.

Schliesslich, als glorreicher Abschluss, die Leserbriefseite, von der ZACKBUM sich gestattet hat, das Titelfoto für diesen Beitrag abzugreifen. Irgendwie erinnert der Inhalt dieser NZZaS an Schweinefüttern, keine Ahnung, warum.

War da noch was? Ach ja, das Magazin für die letzten Fragen, das Weltall und Besinnliches:

«Die Kerze. Eine Kulturgeschichte.» Daraus liesse sich eine Serie machen. «Der Furz. Eine Odorgeschichte.» «Der Handschlag. Eine Sozialgeschichte.» «Der Zungenkuss. Eine erotische Geschichte.» «Der Bleistift. Eine Schreibgeschichte.»

Aber immerhin, der kurze Ausflug in die Verbindung von Kulinarik mit berühmten Schriftstellern scheint beendet zu sein; ob da unser kritischer Hinweis auf Plagiatsverdacht wirkte?

Zuvor aber ein weiterer Beitrag aus der Serie: Wir stellen unbekannten Personen die ewig gleichen, langweiligen Fragen. Mitwirkende diesmal: Mirna Funk. Mirna who? Eben.

Wie leitet man dann einen Artikel so ein, dass garantiert Wort für Wort eine Kerze erlischt, ein Leser wegschnarcht und nur ganz Wache und Helle den Bandwurmsatz des Leads durchstehen: So:

«Sie sind seit Ewigkeiten Symbol für Leben, verbreiten verlässlich romantische Stimmung, und eine energiesparende Lichtquelle sind sie auch.»

Sie? Bevor sich der Leser vor Spannung wegschmeisst: sie, die Kerze, die Kerzen. Immerhin, für mehr als fünf Seiten Wächsernes hat’s dann nicht gereicht.

Aber anschliessend wird der Leser wachgerüttelt, was für eine Zeile: «Sadomaso-Teddys und nichts unter der Jeans.» Huch, welche Kapriolen die Mode doch immer macht. Das Magazin ist nun offenbar erotisch auf Betriebstemperatur und fährt gnadenlos fort: «Wer Sex lieber mag als Kinder, sollte besser gut verhüten». Besser gut? Oder gut besser? Kann nicht verhüteter Sex zu Kindern führen? Sozusagen wie bei den Bienen? Wahnsinn.

ZACKBUM weiss, nun freuen sich alle auf «Bellevue». Nicht umsonst. Aufmacher ist diesmal, immerhin passend zur Jahreszeit, eine «Pufferjacke». Recykliertes ist bekanntlich angesagt. Also her mit den aus PET-Flaschen und mit rezyklierten Daunen hergestellten Jäckchen. Die gibt’s nämlich in billig, ganz billig, teuer und sauteuer. Wo sind wir beim «Bellevue», hier gilt sauteuer: schlappe 790 Franken kostet das in verschiedenen Farben und einem eher unförmigen Einheitsschnitt hergestellte Teil von Round Rivers. Es steht zu vermuten, dass die Redaktion ein Dankeschön in dieser Form abgelehnt hat.

Dann gilt es Abschied nehmen, die Food-Kolumnistin verabschiedet sich. Leider haben wir den Scherz mit der Lücke schon verbraten.

Ach, aus der Reihe «da ist dann noch so ein Hotel» kommt nun eins in Berlin zum Auftritt; «Chateau Royal» heisst das etwas grosssprecherisch, es verbindet rustikalen DDR-Charme mit westlichen Preisen (395 € für die Junior-Suite, 495 € die Suite, immerhin Frühstück inbegriffen).

Und wer noch unbeantwortete Fragen zu wichtigen Problemen des Lebens hat, Henriette Kuhrt kratzt langsam die letzten Reste zusammen: «Was tun mit klimaschädigenden Kindern? Der richtige Weg zum Du? Was tun bei übergriffiger Bettlerin?» Wobei das letzte Thema stark nach Sexismus riecht, mit Verlaub.

Aber, ZACKBUM will versöhnlich schliessen, diese Story hier ist anmächelig:

Drei Jö-Bären auf kleiner Scholle, da geht einem das Herz auf. Oh, wirklich, ist ein Inserat? Schade.

 

Der doppelte Rohner

Was macht man, wenn eine Story wehtut? Man bestellt den Weichspüler.

Der Langzeit-Chefredaktor der «Bilanz» wirkt immer freundlich und konziliant. Das kann aber täuschen, denn er schlägt auch gnadenlos zu. So klatschte er in der Oktober-Ausgabe den Versagerrat Urs Rohner aufs Cover:

Was Schütz von der Performance des ehemaligen CS-Bosses hält, das fasst er knackig zusammen:

Es ist eine Abrechnung und Hinrichtung: «Die Krise ist das schlimmste Führungsdebakel der Schweiz seit dem Swissair-Grounding.» Nicht nur das, von Schuldbewusstsein, Zur-Verantwortung-Ziehen oder gar finanzieller Wiedergutmachung könne bei Rohner keine Rede sein: «Kein Prozess, keine Zurückzahlung

Also kommt Schütz zum wenig schmeichelhaften Fazit schon im Titel der Story:

Das alles hat sich «weisse Weste» Rohner unredlich verdient, durch seine zwölfjährige Tätigkeit als VR-Präsident der einstmals stolzen Credit Suisse. Die Bank wankte in dieser Zeit durch eine Krise nach der anderen; während seiner obersten Verantwortung sank der Aktienkurs von über 60 auf unter 10 Franken, heute dümpelt er um die 4 Franken herum. Besonders peinlich für den Juristen und ehemaligen Chief Legal der CS: In seiner Amtszeit zahlte die CS 7,8 Milliarden Bussen.

Alleine im Steuerstreit mit den USA rekordhohe 2,6 Milliarden Dollar, während die UBS mit 800 Millionen davonkam.

Inzwischen ist Rohner abgetaucht, aus der Öffentlichkeit verschwunden, gibt keine Interviews, will keine Stellungnahmen abgeben, ist nicht mal mehr auf dem grünen Teppich des von seiner Lebensgefährtin begründeten Zürcher Filmfestivals anzutreffen.

Dabei könnte Rohner sich eigentlich sagen: 80 Millionen sind doch genügend Schmerzensgeld, da geht mir eine «Bilanz»-Klatsche doch schwer an einem gewissen Körperteil vorbei. Sagt sich Rohner aber nicht. Was tun, wenn einen ehemals mächtigen Mann eine Titelgeschichte schwer angurkt? Na, er organisiert sich eine andere.

Die muss natürlich auf einem gewissen Niveau stattfinden, also kommen die Organe seines Freundes Marc Walder eher weniger in Frage. Die NZZ würde sich niemals für eine Weisswäsche hergeben, das Verhältnis zu CH Media ist nicht ganz spannungsfrei. Ausserdem, in der «Schweiz am Wochenende» auftauchen? Das hält Rohner auch für unter seinem Niveau. Da bleibt dann nur noch eins:

Und wer kann ein solches liebedienerisches, höchstens mit pseudokritischen Einsprengseln versehenes Porträt schreiben? Denn das ist auch nicht gerade förderlich für die Reputation. Da kann es nur einen geben. Den obersten Qualitätshüter von Tamedia, den längst pensionierten Wendehals Res Strehle.

In seiner Jugend schrieb er emotionale Nachrufe auf Linksterroristen, daraus ist er längst herausgewachsen. Obwohl auch er seine fette Pension plus die Zusatzeinnahmen aus seiner angeblichen Qualitätskontrolle genüsslich verzehren könnte, greift er in die Harfe, wenn’s gewünscht wird.

«Republik»-lange 35’615 Anschläge darf er im «Magazin» schleimen, um den «gestrauchelten Hürdenläufer» Rohner zu rehabilitieren. Natürlich ist Strehle viel zu clever, eine reine Lobhudelei abzuliefern. Zu dramatisch und erinnerlich ist das Versagen Rohners.

Also wählt Strehle als naheliegend-banales Leitmotiv Rohners Sportart: «Hürdenläufer sind ganz besondere Menschen, Abenteurer und Schrittzähler zugleich.»

Dass Rohner den Einzug ins Halbfinale bei Europameisterschaft in Athen um 20 Hundertstelsekunden verpasste, sei «eine der wenigen Niederlagen im Leben des Urs Rohner, vielleicht die einzig wichtige, bis zu seinem Straucheln im März 2021 auf einem der höchsten Posten, die die Schweizer Wirtschaft zu bieten hat».

Der schmähliche Abschied ohne Décharge, Dankesreden oder wenigstens einer dem hinterlassenen Desaster angemessenen Entschuldigung, das war ein «Straucheln»? So geht schönschreiben.

Seither sei Rohner abgetaucht, aber natürlich im ganz grossen Sinne: «er teilt mit Friedrich dem Grossen das Motto «servir et disparaître».» Wow, Friedrich der Grosse, Rohner der Kleine, ein gemeinsames Motto.

Immerhin gibt Strehle dann offenherzig bekannt, was der Anlass für sein Schönschreibwerk ist: «Aber diesen Oktober hat ihn die Titelgeschichte des Wirtschaftsmagazins «Bilanz» aus der Feder des Chefredaktors verärgert.» Also nix mit dienen und verschwinden, das will Rohner nicht auf sich sitzen lassen, das wäre ja ein Fleck auf der weissen Weste.

Schliesslich sei er noch geschäftlich aktiv: «In Zug hat er mit Vega Cyber Associates eine Sicherheitsfirma für Cybertechnologie eintragen lassen, deren Verwaltungsrat einem James-Bond-Drehbuch entnommen sein könnte. Sir Alex Younger sitzt darin, der ehemalige Chef weltweiter Operationen des britischen Geheimdienstes MI6, Vorlage des Agenten M im Film «No Time to Die»

Leider versteht Strehle von der Geschäftswelt ungefähr so viel wie von James-Bond-Filmen und der Rolle von M darin. Aber wie dort folgt Strehle dem gleichen Drehbuch. Zuerst ein knalliger Anfang, dann die Retrospektive in Form eines – Leitmotiv! – Hürdenlaufs.

Sprung eins bis sechs wird nacherzählt, nicht ohne dass sich «der Autor dieser Zeilen» an die eine oder andere Begegnung erinnert, so viel Eitelkeit muss dann schon sein.

Aber welch eine Karriere darf hier aus der Kammerdienerperspektive beschrieben werden. Was für ein «Man in Full», wie ihn Tom Wolfe vielleicht genannt hätte. Aber das ist nicht Strehles Gehaltsklasse, er himmelt billiger: «Auch die Philosophie, Mutter aller Geisteswissenschaften, nimmt ihn in ihren Kreis auf: Katja Gentinetta, zuvor stellvertretende Direktorin des Thinktanks Avenir Suisse, lädt ihn am ersten Adventstag desselben Jahres zum einstündigen Gespräch in die «Sternstunde Philosophie» des Schweizer Fernsehens ein. … Auch diese Aufgabe meistert er unangefochten.»

Eigentlich ist Rohner auch noch ein unbekannter Held, wie er offenbar in einem zweistündigen Gespräch in seinem Büro im Seefeld verrät, obwohl er vom «Autor dieser Zeilen» nicht direkt zitiert werden will. Aber diese Heldentat muss natürlich erzählt werden, aus den Zeiten des Steuerstreits mit den USA:

«Rohner erwägt, den USA eigenhändig einen Stick mit CS-Kundendaten zu übergeben, sich danach anzuzeigen und die Verletzung des Bankgeheimnisses mit Notstand zu begründen. Er verzichtet dann darauf, der US-Justizminister begründet in der Folge die hohe Busse mit mangelnder Kooperation der Bank. Diese hätte die Schweizer Regierung zur Zustimmung zwingen sollen – ein seltsames Verständnis von Demokratie

Was für ein Mutanfall, welche Grösse, das wäre seit Winkelried die zweite Selbstaufopferung eines Schweizers gewesen. Aber leider, leider, er verzichtete dann bescheiden auf die Heldentat, wahrscheinlich wäre es Rohner unangenehm gewesen, dass man dann auf dem Paradeplatz ein Denkmal für ihn errichtet hätte.

Aber Strehle hat noch weitere gute Eigenschaften am Menschen Rohner entdeckt: «Noch gefährlicher als Finanzrisiken ist die Gefahr des persönlichen Abhebens in diesem Job: Da verdient einer vier Millionen im Jahr, hat jederzeit einen Privatchauffeur zur Verfügung und bei riskanteren Auslandsreisen Bodyguards. Urs Rohner benutzt den Privatchauffeur nur selten, den Firmenjet kaum. Er fliegt in jener Zeit mit eigenem Flugbrevet selber, eine einmotorige Cessna 172, ab dem Flughafen Kloten.»

Geradezu ein früher Berset, dieser Rohner. Chauffeur, Bodyguards, Firmenjet? I wo, bescheiden wie Otto Normalverbraucher eine einmotorige Cessna, höchstselbst pilotiert. Also an seinen Spesen kann der Niedergang der CS nicht erklärt werden.

Nun kommt’s aber knüppeldick, Milliardendesaster nach Milliardendesaster, immer unter der Verantwortung des Cessna-Piloten. Da muss Strehle einräumen: «Rohner kann diese beiden Hürden nur noch strauchelnd überspringen.»

Da wird Strehle zum Abtemperieren ganz nostalgisch: «Der Schreiber dieser Zeilen erinnert sich an die glanzvollen CS-Weihnachtsessen im vornehmen Saal des bankeigenen Hotel Savoy um die Jahrtausendwende.»

Aber auch die längste Schreibstrecke geht mal zu Ende, wie nähert sich der Hürdenläufer, der Schönschreiber Strehle dem Schlussspurt?

«Jetzt steht der ehemalige Leichtathlet vor der zehnten und letzten Hürde. Für ihn wird es der schwierigste Sprung: Er muss Fehler eingestehen, ein Wort der Entschuldigung würde helfen. Urs Rohner sieht dafür keinen Grund.»

Nun ja, vielleicht hätte er sich entschuldigen sollen. Aber er ist ein guter Mensch, will doch Gutes tun, nur lässt man ihn nicht: «Das versuchte er, als er im Schweizer Komitee der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch Einsitz nahm. Aber inzwischen hat man ihn von der Liste entfernt. Ein anderes Mitglied hatte mit Rückzug gedroht, wenn Rohner dabeibleibe.»

Es ist halt schon schlimm, wenn so viele, von Schütz abwärts, Mensch und Werk nicht richtig zu würdigen wissen. Aber dafür gibt es doch Strehle. Den Worte-Zuckerbäcker, den Zuschwiemler. Mit diesem Stück hat er sich dafür qualifiziert, dereinst die Biographie Rohners zu schreiben. Wetten, dass?

Zuvor sind wir aber gespannt, ob und wie er diesen Schleimhaufen eines Artikels in seinem nächsten Qualitätsbericht erwähnen wird. Wir setzen auf «überhaupt nicht». Wettet einer dagegen?

Beziehungsdelikte

Die Steigerung zu: Journalisten interviewen Journalisten? Enkelin interviewt Grossmutter.

Es ist eine altbekannte Unart. Wenn Journalisten überhaupt nichts mehr einfällt, dort, wo sie herumstehen, nichts los ist, dann interviewen sie sich gegenseitig. Als würde es den Leser interessieren, wenn Journalist A zu Journalist B sagt, dass er genauso wenig Ahnung hat wie sein Interviewer.

Aber im modernen Elendsjournalismus sind noch Steigerungen möglich. Ist nichts los, berichtet Journalist A über das Innenleben, das Befinden, die Qualen, die Zweifel, die körperlichen Funktionen von Journalist A. Auch das interessiert den Leser herzlich wenig.

Nun gibt es eine weitere Spielart des Selbstbespiegelungsjournalismus. Eines Journalismus, der meint, der Bote sei wichtiger als die Botschaft. Oder der Bote sei gleichzeitig die Botschaft.

Da spielt ein Redaktor, wenn er nicht gerade Elon Musk eintopft, mit seinem Sohn auf der Playstation. Und macht doch tatsächlich einen Artikel draus. Der genauso überflüssig ist wie sein Interview mit Dieter Bohlen.

Andere Kolumnisten lassen sich über Modefragen aus, über ihre Wünsche als Jugendliche, über Restaurantbesuche («war sehr gut»), über bezahlte Reisen, über Kochrezepte oder über ihre Wohnungseinrichtung.

All das, so meint man, sei schwer zu unterbieten. Aber es gibt ja nicht nur das Selbst des Journalisten, seine Sprösslinge oder Lebenspartner oder dramatischen Erlebnisse aus Kindheit, Leben und Krankheit. Es gibt auch noch die Eltern und die Grosseltern.

Da entblödet sich der Qualitätskonzern Tamedia nicht, zu verkünden: «Nina Kunz interviewt ihre Grossmutter». Nina who? Nun, laut Wikipedia ist Kunz eine «Schweizer Journalistin, Kolumnistin und Schriftstellerin». Ihr erstes Buch sei «eine Sammlung ihrer Texte unter anderem zu den Themen Leistungsdruck, Internet und Patriarchat». So wird man von der Kolumnistin zur Schriftstellerin. Der sehr passende Titel des Werks lautet: «Ich denk, ich denk zu viel.» So kann man sich täuschen.

Diese bedeutende Schriftstellerin interviewt nun ihre Grossmutter. Schon die Einleitungsfrage beweist, dass nicht übermässig gedacht wird: «Liebe Oma – du hast im Februar deinen fünfundachtzigsten Geburtstag gefeiert. Wie fühlt sich das an?» Wahrscheinlich wie das Feiern des 85., könnte man denken. Die Grossmutter lässt es bei einem freundlichen «gut» bewenden, gibt aber zu, dass sie mit dem Gedächtnis so ihre kleinen Probleme habe.

Deshalb macht ihre Enkelin gleich einen Gedächtnistest: «Vor einigen Monaten hast du mir erzählt, dass dich die jetzige Zeit immer wieder an deine Kindheit erinnere. Kannst du mir nochmals erklären, warum?» Das ersparen wir aber dem Leser. Wie geht’s weiter? Eine kleine Duftmarke soll genügen, bevor wir uns alle die Nase zuhalten:

«Als du in meinem Alter warst – das war dann 1966 –, warst du schon Mutter, verwitwet … – … und Vollzeit im Spital angestellt.  – Eben. Und ich schaffe es ja kaum, meine beiden Orchideen am Leben zu halten

Das ist vielleicht launig und weist darauf hin, dass die Grossmutter altersmilde ihrer Enkelin alles nachsieht. Wird’s auch noch ernster? Unbedingt:

«Warst du auch mal überfordert vom Grundkonzept des Existierens? – Vom was? – Also, dass man ungefragt auf diese Erde geworfen wird … – … und in den meisten Fällen auch ungefragt wieder gehen muss. – Genau.»

Kaum zu steigern, aber Kunz probiert’s:

«Was willst du mir noch mit auf den Weg geben? –Was ich gemerkt habe, ist, dass man im Alter bescheidener werden muss, was das Programm angeht. Ein gelungener Tag ist für mich einer, an dem ich alles geschafft habe, was ich mir vorgenommen habe.»

Mit 17’388 Anschlägen quält hier das «Magazin» seine Leser. Wir wagen die Behauptung, dass sich selbst die «Republik» nicht trauen würde, eine solche Peinlichkeit auf eine solche Länge auszuwalzen.

ZACKBUM findet, dass unsere Leser mal wieder kräftig spenden sollten, weil wir ihnen den grössten Teil ersparen. Nur weil’s zum Grölen ist, kommt hier noch der Schluss der Quälstrecke. Uns fehlen dafür die Worte:

«Was hast du denn noch vor? – Ich muss Fallen bauen. Die Kirschessigfliege legt Maden in meine Himbeeren, dann schmecken sie komisch. Ich will nicht, dass sie mir die ganze Herbsternte verderben