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Frischling trifft auf alten Fuchs

Schlachtross Ossi Grübel vernascht die Fragen einer Jungredaktorin.

Die Idee ist nicht schlecht: was meint eigentlich Oswald Grübel, der einzige Mensch, der Chef bei der UBS und bei der CS war, zu dem UBS-Krisenplan unserer Finanzministerin Karin Keller-Sutter? Das könnte interessant werden – wenn nicht jemand die Fragen stellte, der von Finanzen, Banking und so Zeugs so viel Ahnung hat wie Keller-Sutter.

Bei CH Media darf da Ann-Kathrin Amstutz dilettieren. Die schreibt über sich selbst: «Schon immer hat mich eine grosse Neugier angetrieben. Dies brachte mich 2016 zum Journalismus. Ein Praktikum bei der Aargauer Zeitung war mein Einstiegsticket.» Jö. Noch mehr jö: «Ab und zu versuche ich mich an kreativen Texten.»

Jemand mit einem so wohlgefüllten Rucksack darf nun Grübel interviewen. Dem dürften dabei die Augenlider noch schwerer geworden sein als sonst. Denn er muss nicht mal aus dem Halbschlaf erwachen, um so harmlose Fragen zu beantworten wie die, ob man die UBS eigentlich überhaupt abwickeln könne: «Das wird sehr schwierig sein. Die UBS ist eine global systemrelevante Bank und im internationalen Netz eingebettet – das kann die Schweiz gar nicht alleine bestimmen.» Das ist im Prinzip richtig, aber genau dafür gibt es Plattformen wie die CMG. Hä, würde da Amstutz sagen, daher: das ist die Abkürzung für «Crisis Management Group»,  eine Behörde, mit der sich international Bankenaufsichten austauschen und koordinieren.

Was sie im Fall der CS übrigens auch taten – und was Grübel sehr wohl weiss. Aber wenn es die Interviewerin nicht weiss …

Dann behauptet Grübel: «Wenn die Schweiz keine Grossbank mehr hätte, wäre das sehr nachteilig für die Wirtschaft und das ganze Land.» Blühender Unsinn. Gäbe es keine UBS mehr und bestünde Nachfrage nach ihrem Angebot, würden das problemlos andere internationale Banken mit Handkuss übernehmen. Und ein Zusammenbruch der UBS wäre mehr als nur bloss «nachteilig» für das Land, das wäre eine helle Katastrophe bei einem solchen Dinosaurier.

Dann wird es ganz abstrus, denn Grübel darf unwidersprochen behaupten: «Dass die Regulatoren wie im Falle der CS schon über ein Jahr im Voraus wussten, dass die Bank vor dem Abgrund steht, aber dann bis zu einem Tag warten, wo ein Krisenentscheid gefällt wird.»

Dabei hat Grübel den FINMA-Bericht über ihr Handling der CS-Katastrophe sicherlich gelesen, aber eben auch im Gegensatz zu Amstutz. Hätte sie sich etwas kreativer und neugieriger vorbereitet, dann wäre ihr aufgefallen, dass die FINMA selbst klarstellt, dass ihr am Vorabend des katastrophalen Entscheids der Finanzministerin die Zusicherung der wichtigsten Bankenaufsichtsbehörden weltweit vorlagen, dass die bei einer von der FINMA vorgeschlagenen Sanierung keine Probleme in ihren jeweiligen Jurisdiktionen sahen.

Diese Sanierung hätte vorgesehen, die CS-Aktionäre und Wandel-Obligationäre, wie es in einem solchen Fall Brauch ist, auf null zu setzen, die Bail-in-Obligationäre zu den neuen Besitzern zu machen und die Operation mit einem Kapital (Total Loss-Absorbing Capacity, aber das würde für Amstutz zu weit gehen) von über 111 Milliarden Franken zu unterfüttern. Das wäre doppelt so hoch gewesen wie das Eigenkapital der UBS und wäre zudem mit Liquidität von der SNB gestützt worden.

Also wären die wirklich interessanten Fragen an Grübel gewesen, wieso um Himmels willen die Finanzministerin nicht diese Lösung wählte und stattdessen die CS zum Schnäppchenpreis von 3 Milliarden an die UBS wegschenkte. Und noch dem Steuerzahler mit ihrer ungeschickten Äusserung («this is not a bail-out») ein 16-Milliardenproblem aufs Auge drückte. Aber dafür müsste Amstutz wissen, was AT-1-Bonds sind, und nein, dass hat nicht mit James Bond zu tun.

Deren Nominalwert belief sich auf 16 Milliarden Franken, die nun weltweit eingeklagt werden, weil die FINMA auf Anordnung des Bundesrats diese Wandelanleihen auf null setzte. Dadurch verschluckte sich die UBS fast an einem Sondergewinn von 29 Milliarden Franken – durch die halb geschenkte Credit Suisse.

Dann sagt Grübel noch das Übliche zur Frage, ob nicht wenigstens Boni wieder zurückgefordert werden könnten, wenn es der Bank schlecht läuft. Die CS brachte bekanntlich das Kunststück fertig, 32 Milliarden Boni auszuzahlen – für einen kumulierten Verlust von 3 Milliarden Franken. Aber auch da darf Grübel unwidersprochen behaupten, «so eine Bestrafungsmentalität» bringe nichts. Es sollten halt «die falschen Leute von den mächtigen Positionen ferngehalten» werden.

Wie dieses Kunststück funktionieren sollte? Sagt Grübel nicht, fragt Amstutz nicht.

Es ist einer Jungredaktorin ohne Fachkenntnisse unbenommen, naive und uninformierte Fragen zu stellen. Wieso aber auch bei CH Media sämtliche Qualitätskontrollen versagen und ein solcher Müll dem zahlenden Leser als geldwerte Leistung aufs Auge gedrückt wird?

Das ist so, wie wenn der Kochlehrling ein 5-Gänge-Menü auf den Teller zaubern sollte. Während der Chefkoch gemütlich zuschaut und auch das Gemurmel überhört, wenn er dann die Rechnung präsentiert.

Es wird immer deutlicher. Nicht die Umstände schaffen die klassischen Newsmedien ab, sondern die Unfähigkeit auf der Chefetage der grossen Medienhäuser.

 

Bli, blü, blöd

Der «Blick» arbeitet weiter am Leserunterhaltungsprogramm. Bravo.

Hier ist die Antwort auf die Frage, wie viele «Blick»-Journalisten es braucht, um eine Schlagzeile in den Sund, Pardon, Sand zu setzen:

Die Antwort ist: fünf reichen für eine Hölle.

Manche mögen das als Journalismus bezeichnen, ohne vor Lachen loszuprusten:

ZACKBUM nimmt zudem belustigt zur Kenntnis, dass es nun auch einen «Teamlead Wirtschaft-Desk» gibt. Wir verlangen ultimativ eine Gebrauchsanweisung für all die Titel der Häuptlinge beim «Blick». Und wir möchten wissen, wie viele Häuptlinge pro Indianer inzwischen chefen, leaden, offizieren und sonstwie wichtig tun.

So, und nun kann man aus Mitleid oder Mitgefühl lachen:

Einfach zur Klarheit: um das zu lesen, bekommt der «Plusser» nicht etwa Geld, sondern muss Geld zahlen.

Nun kommen wir zur Rubrik «wo die News von gestern heute gemacht werden»:

Liebe «Blick»-Officers, Heads, Chefs und Team-Leads: haltet Ihr es wirklich für eine gute Idee, eine News vom 5. März auch am 11. März noch zuoberst auf der Homepage unter «People» zu halten? Wo die «Vorbereitung für Montag» am Montagnachmittag eigentlich vorbei ist und auch bekannt, welche der nominierten Filme was gewonnen haben.

Oder ist das einfach ein kühner Versuch, den Leser zum Lachen zu bringen? Und wenn ja, wieso versteckt ihr ihn dann hinter der Bezahlschranke? Dass Ihr in der Lage seid, die Aktualität zur Kenntnis zu nehmen, zeigt Ihr doch verschämt und klein unten drunter:

Aber den Rekord in alt, angestaubt, aber immer noch brandaktuell zuoberst in der Rubrik hält dieser Artikel:

Er stammt sage und schreibe vom 26. 2., immerhin allerdings 2024. Er wurde um 14.54 Uhr aufgeschaltet und rasant um 14.55 Uhr «aktualisiert». Und seither ist an seiner Aktualität nichts mehr zu rütteln; er ist sozusagen zeitlos aktuell. Und wird den «Blick»-Leser vielleicht noch lange begleiten.

Und noch das Absackerchen zum Nachglucksen? Bitte sehr, ZACKBUM sagt nur: Nutzwert, Service, Lebenshilfe.

Klitzekleiner Wermutstropfen: Ob dieses Ei noch geniessbar ist? Schliesslich stammt es von der SI Style. Das ginge ja noch, aber der Ratgeber wurde am 11. Dezember 2023 verfasst …

 

 

«Blick» ist Slapstick

Verweile doch, du bist so schön.

Könnte «Blick» Goethe und kennte das Blatt den «Faust», dann würde es diesem Motto nachleben. Immer wieder bleiben Storys wie in Beton gegossen auf der Homepage stehen. Ob es sich zu den Kindersoldaten in ihren Verrichtungsboxen im Newsroom noch nicht durchgesprochen hat, dass Geschwindigkeit und Abwechslung online nicht ganz unwichtig sind? Offenbar nicht:

 

«Unnütz, eklig und beängstigend», nomen est omen. Oh, Pardon, das wäre Latein. Auf jeden Fall leitet diese Knaller-Story die People-Meldungen ein. Seit dem 17. 12. 2023. Das mag vor Weihnachten ja noch angehen. Aber danach? Oder aber, vielleicht ist die finstere Absicht, damit bis Weihnachten 2024 zu fahren. Immerhin kann man hier etwas Busen zeigen, was ja eigentlich nicht mehr zum Programm des wesensentkernten, ehemaligen Boulevard-Blatts gehört.

Aber es geht noch älter:

Die finalen Folgen sind längst verflimmert, die Szene mit Harry in Naziuniform kennt jeder, der sich dafür interessiert. Die Meldung wurde am 16. Dezember online gestellt. Und dort verstaubte sie über die gesamte Weihnachtswoche und auch danach.

Diese Meldung ist etwas neuer, aber keine Eigenleistung:

Diese Wahnsinnstipps von «SI Style» wurden am 19. Dezember publiziert. Ob sie wegen ihres gewaltigen Gehalts Weihnachten überlebten? «Duschen, bewegen, rausgehen, Komplimente machen». Die Brüller. Gesteigert noch von einem unverständlichen ««Bonustipp»: «Katzen. Katzen machen alles besser.»

Man wünschte, Katzen würden den «Blick» übernehmen. Dann könnten Sie sich das «Kultspiel Snake» reinziehen:

Das ist von 1997, seine Vorläufer belebten schon die ersten Personal Computer, als der Bildschirm noch schwarzweiss flimmerte.

Ist das echte Leserverarschung? Das ist echte Leserverarschung. Nach der Devise: schauen Sie doch nächsten Monat mal wieder rein, vielleicht haben wir dann neue News für Sie.

Neues von der Abraumhalde

Tamedia als Werkhof für Rezykliertes.

Dieser Artikel warf keinerlei Wellen in der «Süddeutschen Zeitung»:

Die «begeisterte Tennisspielerin, Langstreckenläuferin und Snowboarderin» Anna Dreher interviewte in der «Süddeutschen Zeitung» diese Grinsbacke. Seine Qualifikation dafür: «Big-Wave-Surfer Sebastian Steudtner raste eine mehr als 26 Meter hohe Welle hinunter: Weltrekord

Wer das tut, weiss natürlich auch genügend Lebensweisheiten, die eng mit seiner Tätigkeit zu tun haben «es gibt noch viel größere Wellen» und sich problemlos auf alle wichtigen Themen des Lebens («Geld») anwenden lassen.

Am 13. Oktober 2022 durften sich die Leser der SZ gemessene 9 Minuten lang langweilen und sich fragen, womit sie das verdient hatten. Aber immerhin, Steudtner ist Deutscher (und Österreicher), wuchs in Nürnberg auf und kann somit zu dem weiteren Einzugsbereich Bayerns gezählt werden.

Lässt sich mit dieser längst vergangenen Welle noch etwas anstellen? Aber sicher, sagt sich Tamedia, hier können wir den guten Satz, dass man niemals in die gleiche Welle nochmals steigen kann, Lügen strafen.

Denn feinsäuberlich hinter der Bezahlschranke verborgen, lässt es Tamedia am 5. November 2022, immerhin diesmal mehr als drei Wochen nach der Erstveröffentlichung, nochmals plätschern:

Was ist in all den Tagen geschehen? Nun, es wurden brecherhohe Veränderungen am Inhalt durchgeführt. Was sofort auffällt: aus «größere Wellen» wurden «hohe Wellen». Womit elegant das Problem des ß umsurft wurde.

Dann heisst es statt «Reden wir über Geld» als Spitzmarke «Interview mit Extremsportler». Damit war aber die Sport-Redaktion von Tamedia, offenbar alle ungedopt, erschöpft; der Lead wurde eins zu eins übernommen, nach der Einleitung folgt auch bei Tamedia: «Ein Gespräch über zähe Jahre ohne Sponsoren, Entwicklungsarbeit im Windkanal und seine Suche nach noch gewaltigeren Brechern.»

Tamedia wiederholt sich, jedes Mal schlimmer. ZACKBUM wiederholt sich: Dafür Geld zu verlangen, ist eine Frechheit. Ein Trauerspiel des Journalismus. Eine Leserverarschung. Eine Aufforderung an die wenigen verbliebenen Abonnenten: verpisst euch – oder lest doch einfach die Süddeutsche, dann wisst ihr schon vorher, was bei Tamedia erscheinen wird.

Interview mit einer sprechenden Uhr

ZACKBUM liest keinen Sportteil. Manchmal ein Fehler.

Erst auf Umwegen erfuhr ZACKBUM daher vom skandalösen Interview mit dem Fussballer Reling Haaland in der jüngsten Ausgabe des «SonntagsBlick». Aufmacher im Sportteil, ausgewalzt auf sechs Seiten.

Wie man persoenlich.com entnehmen kann, war das Zustandekommen des Interviews, sein Inhalt und seine Verknüpfung mit einer Uhrenmarke von A bis Z unappetitlich. Immerhin stellt sich Sportchefin Steffi Buchli kritischen Fragen – und gibt gewollt oder ungewollt Einblicke in Abgründe.

Sie räumt ein, dass das Gespräch «anlässlich der neuen Partnerschaft mit einer Uhrenmarke zustande» gekommen sei. Es sei aber nicht als «Paid Post» also als bezahlte Werbung deklariert worden, weil kein Geld geflossen sei.

Buchli räumt auch ein, dass das Gefälligkeitsinterview mit Weichspüler geführt wurde: «Mir wurden vom Management einige Fragen gestrichen.» Zudem sei es Bedingung fürs Interview gewesen, diese Partnerschaft zu thematisieren.

Erschreckend auch, wie solche Interview überhaupt zustande kommen: «Das Medium, also wir als Blick, geben ein drei- bis fünfseitiges Slide-Deck mit unseren Kennzahlen zu Leserschaft und Markt ab und gehen so ins Rennen um ein solches Interview.»

Selbst die Behauptung, es sei ein «Exklusiv-Interview», stimmt nur bedingt, da auch andere Zeitschriften in diesem Rennen berücksichtigt wurden. Exklusiv bedeutet hier laut Buchli: «Zwei britische Lifestyle-Medien haben noch mit ihm gesprochen. In der Schweiz niemand.»

ZACKBUM fasst zusammen: Eine Uhrenmarke kauft sich das Sponsoring durch einen Tschütteler. Um diese welterschütternde sportliche Nachricht unter die Leute zu bringen, lässt sie Medien darum pitchen, wer das «exklusiv» vermelden darf. Damit das nicht zu sehr nach reiner PR und Werbung riecht, dürfen auch noch andere Fragen gestellt werden. Aber bitte keine kritischen. Und damit das die PR-Abteilung der Uhrenmarke auch im Griff behält, findet das Interview schriftlich statt.

Womit sich zusätzlich die Frage stellt, ob der Tschütteler überhaupt eine Frage selbst gesehen, bzw. beantwortet hat. Und all das wird mit zur Verfügung gestellten Fotos garniert, auf denen zufällig eine Uhr zu sehen ist.

Zudem wird es nicht als bezahlte Werbung deklariert, weil kein Geld geflossen sei. Was es nicht besser macht, denn eigentlich hätte der SoBli für diese Gratiswerbung eine Stange Geld verlangen sollen.

Oder mindestens statt «Exklusiv» oder «Paid Post» die einzig richtige Gefässbezeichnung drüberstellen:

Leserverarschung.

Entschlackt – verkackt

Tamedia überrascht: noch weniger Inhalt, gleicher Preis.

Man weiss, dass der Banker nicht unbedingt eine Relation zwischen seiner Leistung und seinem Einkommen sieht. Ob Gewinn oder Verlust, Hauptsache, der Bonus stimmt.

Man weiss, dass der Verlagsmanager nicht unbedingt eine Relation zwischen seiner Leistung und seinem Einkommen sieht. Der Banker bemüht sich aber immerhin, seine Kunden mit Produkten zu bedienen, von denen die sogar manchmal profitieren.

Der Verlagsmanager hingegen hat trotz scharfem Nachdenken bis heute nur ein Rezept gefunden, um wegbrechenden Inserateeinnahmen, wegbröckelnden Abonnenten und Gratis-Angeboten im Internet zu begegnen. Es ist keine erfolgversprechende Strategie. Denn sie lautet: weniger Angebot für gleich viel Geld.

Besonders wild treibt es Tamedia. Geschrumpfte Umfänge, Zusammenlegungen, Einheitsbrei, abgefüllt in Zürich und auch in Bern oder Basel ausgegossen, grössere Teile des mageren Contents werden aus München zugeliefert. Immer weniger Redaktoren stellen immer weniger Recherchen an, füllen klickgetrieben per copy/paste ab, schnitzen Meldungen der Nachrichtenagentur SDA zurecht und dürfen sich zum Frustabbau mit Meinungen und Kommentaren austoben.

Jedes Mal, wenn etwas passiert, was zuvor mit heiligen Eiden als ausgeschlossen beschworen wurde, fliegen die gleichen Worthülsen. Als «Der Bund» und die «Berner Zeitung» («keine solchen Pläne») dann doch zusammengelegt wurden, sosste man das mit Synergie, Schlagkraft, verstärkte Lokalredaktion und Blabla zu.

Was früher eigene Zeitungsbünde waren, schrumpft auf eine Seite; wenn es nicht gerade gestohlene Geschäftsunterlagen auszuschlachten gilt, legt das «Recherchedesk» die Hände in den Schoss oder versucht sich an dümmlichen Kommentaren.

Geht da noch einer? Aber immer. Wie Ringier erfreut sich Tamedia an einem superprofitablen Geschäftsjahr, hat über 800 Millionen Franken Gewinn gemacht. Das muss gefeiert werden; sicherlich mit einer Investition in Qualitätsjournalismus. Nicht ganz, es wird mit einer Sonderdividende für die Aktionäre gefeiert. Während das Angebot für den zahlenden Leser weiter geschrumpft wird.

Pardon, das sieht so aus und heisst dann auch ganz anders:

Auf Tom Cruise fliegt der BaZ-Leser.

Kunterbunt treibt’s die «Berner Zeitung».

Diese Karikatur wäre auch als Einspalter nicht wirklich lustig.

 

Wer da etwas von Einheitsbrei sagt: man beachte, dass die drei Titelseiten doch drei verschiedene Inhalte haben. Drei verschiedene Bilder. Das ist doch wahre Pluralität von freien Qualitätsmedien, so etwas kennt Nordkorea nicht. Der Talk, mit dem das verkauft wird, könnte allerdings aus der Propagandaabteilung einer der letzten überlebenden kommunistischen Parteien stammen. Ausserdem, Zeichen und Wunder, gibt es einen Ausreisser:

Alles so schön bund hier? Oder einfach nicht mitgekriegt?

Aber der Leser kann beruhigt sein: drinnen gibt’s die gleiche Einheitssosse. Und das Aufmacherbild ist auch nicht gerade klein. In diesem Sinne folgt auch «Der Bund» den übrigen Tamedia-Kopfblättern.

Denn Realität ist: statt Inhalt und Buchstaben gibt es nun einfach Riesenbilder. Sei das eine mittelmässige Karikatur, sei das ein Uralt-Foto von Tom Cruise oder sei das eine Kletterhalle.

Corporate Communication schwitzte währenddessen über einem Schönfärbtext und kam damit zu Potte:

«Wir haben testweise die Zahl der Anrisse reduziert, den Aufmachertext neu strukturiert und dem Hauptbild mehr Gewicht gegeben. Damit erhält die Frontseite ein entschlacktes Layout und eine übersichtliche Gliederung.»

Das darf bei der BZ der sogenannte Chefredaktor unterzeichnen, beim Tagi und der BaZ ist’s von der «red.». Der Schönsprech übersetzt auf Deutsch bedeutet: «testweise» – wenn’s zu viel Gebrüll beim Leser gibt, machen wir’s sofort wieder rückgängig.

«Zahl reduziert» – gibt beim runtergesparten Layout weniger Aufwand.

«Aufmachertext neu strukturiert» – gibt nur noch einmal Extra-Arbeit auf der Front.

«Hauptbild mehr Gewicht»: Früher achtete man noch auf über oder unter dem Falz. Heute ist nur noch wichtig: umso grösser das Bild, desto weniger Text braucht’s.

«Entschlacktes Layout»: Inhalt ist Schlacke, weniger Inhalt ist, nun ja, Kacke.

Wir hatten schon das Beispiel, dass die Qualitätsmedien das machen, was auf den Detailhandel übertragen bedeuten würde: neu gibt’s einen halben Liter Milch statt einem ganzen, der Preis bleibt aber. Neu verzichten wir auch noch auf grosse Teile der Beschriftung; «Milch» reicht doch auch. Preis bleibt natürlich gleich.

Kann man alles probieren. Wenn man aber einen weiteren Abbau als «entschlackt» verkaufen will, dann läuft man Gefahr, dass sich der Leser nicht nur als verkauft, sondern auch als verarscht empfindet. Und darauf reagiert der Konsument normalerweise eher unfreundlich – mit Konsumverzicht.

Qualität à la Berner Zeitung

Synergie, Verstärkung, Qualität. Das ist die «Berner Zeitung».

Als zahlender Leser darf man von seiner Qualitätszeitung einiges erwarten. Besonders im Lokalen. Also dort, wo nicht der Einheitsbrei aus der Zentralredaktion in Zürich von Tamedia abgefüllt wird.

Hier kann auch heute noch eine Zeitung ihre Muskeln spielen lassen, gut recherchierte eigene Artikelperlen vor die Leser werfen. Zum Beispiel:

Der Artikel ist zudem gut bebildert:

Allerdings wird hier der aufmerksame, zahlende Leser etwas stutzig: Das Foto ist zvg. So heisst nicht etwa das Kürzel des Fotografen, sondern das steht für «zur Verfügung gestellt». Also gratis.

Nun gut, aber dafür ist der Inhalt des Artikels sicher das Produkt einer tiefschürfenden Reportage und Recherche. Nicht ganz:

Der geneigte Leser fragt sich, ob er dafür wirklich 539 Franken für das «Classic Jahresabo» ausgeben sollte. Damit ihm Gratis-Behördenartikel mit Gratis-Fotos serviert werden? Wirklich?

Nicht ohne Ironie steht dann noch dieser Button unter dem Artikel. Zu melden wäre: das Ganze hier ist ein Fehler.