So sieht ein Versager aus
Kubas Präsident wirft sich in eine Fantasie-Uniform und fantasiert.
Kaum Essen, kaum Wasser, kein Strom, kein Transport, kaum Treibstoff. Schulen geschlossen, eigentlich alles geschlossen. Müllberge auf den Strassen. Schockierte Touristen, die in Hotels ohne Strom oder Lift ihre Koffer vom Zimmer runterschleppen und am stromlosen Flughafen José Martí stranden.
Aber Präsident Miguel Díaz-Canel weiss wenigstens, was daran schuld ist: die Handelsblockade der USA. Das wird auch von Kuba-Nostalgikern überall auf der Welt nachgeplappert. Sie existiert tatsächlich noch, ist aber löchriger als ein Schweizer Käse. Im Hafen von Havanna werden fleissig Reissäcke umgeschüttet. Denn wenn die Originalverpackung in die Läden käme, stünde darauf «Made in USA». Lebensmittel, wie so vieles andere, ist längst vom Handelsembargo ausgenommen.
Zudem steht es Kuba frei, überall auf der Welt jedes beliebige Produkt zu kaufen. Länder wie China, Russland oder Venezuela kümmern sich einen feuchten Dreck um amerikanische Embargos oder Drohungen. Bloss: wer Kuba kennt, verlangt Vorauskasse. Und da ist Ebbe.
Landwirtschaft und Nahrungsmittelversorgung ist ein ideales Beispiel, um das hausgemachte Versagen zu illustrieren. Bis 1959 war Kuba Nettoexporteur von so ziemlich allem, nicht nur Zucker. 65 Jahre Revolution haben dafür gesorgt, dass Kuba seit Jahren über 80 Prozent aller Lebensmittel importieren muss, ein Grossteil der landwirtschaftlichen Nutzfläche vom Dornengestrüpp Marabú überwachsen ist.
Dass der Strom in uralten sowjetischen Ölkraftwerken erzeugt wird, alle vor 1989 hergestellt und seither verlottert, ist auch kein Ergebnis der Handelsblockade, sondern eigener Unfähigkeit. Kuba wäre wie kein anderer Ort prädestiniert für Solar-, Wind- und Gezeitenenergie. Aber seit der gefährliche Versuch, einen Tschernobyl-Reaktor in der Nähe von Cienfuegos in Betrieb zu nehmen, glücklichweise durch den Zusammenbruch des sozialistischen Lagers gestoppt wurde, hat das unfähige Regime nichts unternommen, die prekäre Energieversorgung zu verbessern.
Schlimmer noch: 2015 posaunte das Regime heraus, dass Russland einen Kredit von 1,2 Milliarden Euro gewähre, um ein neues thermoelektrisches Kraftwerk zu bauen und dringend nötige Reparaturen an der verlotterten Infrastruktur der Stromerzeugung und -verteilung vorzunehmen. Im September 2022 räumte Kuba ein, dass der Kredit nicht gesprochen werden konnte, weil das Regime nicht in der Lage war, wie vereinbart seinen Teil von 120 Millionen Euro aufzubringen.
Zwischen 2006 und 2019 lieh Russland insgesamt 2,3 Milliarden US-Dollar zur Finanzierung von Projekten in den Bereichen Energie, Metallurgie und Transport. Rausgeschmissenes Geld; seit 2020 kann Kuba vereinbarte Rückzahlungen nicht mehr leisten; das russische Parlament stundete die Kredite bis 2027. Statt sie auf null abzuschreiben, was bei diesen Versagern das einzig Vernünftige wäre.
Selbstverständlich verfügen die Mitglieder der Cupola, der Kuppel aus höchsten Würdenträgern in Partei und Militär, über eigene Stromgeneratoren und tagen in wohlklimatisierten Sitzungsräumen. Sie leiden auch offenkundig nicht unter Nahrungsmittelknappheit, so fett wie die meisten sind. Was im heutigen Kuba obszön ist.
Die leidgeprüften Kubaner können mit stundenlangen Stromabschaltungen einigermassen umgehen. Aber nach drei Tagen ist Ende Gelände für Lebensmittel im Kühlschrank. Wie im Mittelalter werden auf den Strassen Havannas grosse Bottiche auf Steinblöcke gestellt und ein Holzfeuer drunter entzündet. Reingeschmissen wird alles noch vorhandene Essbare, damit es wenigstens nicht verdirbt.
Kubanischer Kochherd, Modell 2024.
Alle Aktivitäten sind bis Mittwoch suspendiert. In den Fabriken macht das nichts, sie sind sowieso weitgehend paralysiert. Aber selbst die US-Botschaft hat ihre Dienste eingestellt, vielleicht geht auch dort den Stromgeneratoren langsam der Saft aus.
Immer wieder scheitern Versuche, eine der maroden Stromerzeuger wieder anzuwerfen. Kurz flackert das Licht, dann ist wieder duster. Ein Symbol für den Zustand der Revolution. Und dann auch noch Hurrikan Oscar, der den Süden der Insel getroffen hat.
Die Parteizeitung «Granma» existiert nur noch im Internet und verbreitet düsteren Optimismus:
Wer noch Saft hat, um sie anzuschauen, sieht Nachrichten aus einem Paralleluniversum. «Kuba durchlebt eine aussergewöhnliche Situation», beschönigt die Schlagzeile. Daneben: «Maximaler Alarm vor dem Ansturm von Oscar», «Hurrikan Oscar: Vorausschau, Solidarität und Einigkeit vor jeglicher Eventualität», «Der Mangel an Treibstoff ist die Hauptursache für die Beeinträchtigung des nationalen Stromnetzes.»
Ist das so, handelt es sich um ein weiteres schockierendes Versagen des Regimes, denn den Pegel der Kraftstoffreserve zu messen, das schafft selbst ein kommunistischer Parteifunktionär. Aber bis zum Zusammenbruch des gesamten Stromnetzes wurden kaum Massnahmen ergriffen.
Und drunter auf der Front von «Granma» sitzt der Hauptverantwortliche in seiner Fantasieuniform, mit der er sich ein wenig Castro-Look verschaffen will, schaut streng und behauptet: «Unser Land wird alle Eventualitäten überwinden». Und was auch nie fehlen darf: «Von der internationalen Gemeinschaft gibt es Rückendeckung für Kuba». Der Aussenminister verdankt «die Unterstützung von Venezuela, Mexiko, Kolumbien, Russland und Barbados». Worin die allerdings besteht, ausser aus netten Worten, sagt er nicht. Und natürlich verurteile laut «Granma» die ganze Welt die grausame US-Handelsblockade.
Wirklich grausam ist aber die schreiende Unfähigkeit des Regimes, die fundamentalsten Bedürfnisse der Bevölkerung zu befriedigen. Strom, Wasser, Nahrung, medizinische Versorgung, Ausbildung, Transport, Müllabfuhr. Alles ist beeinträchtigt oder funktioniert nicht. Menschen, die auf Operationen oder gekühlte Medikamente angewiesen sind, sterben.
Die zweite Haupteinnahmequelle Kubas, neben den Überweisungen von Exilkubanern in Milliardenhöhe, ist der Tourismus. Bis heute hat er sich nicht von der Pandemie ganz erholt. Und da auch die meisten Touristenhotels nicht darauf eingerichtet sind, einen tagelangen Stromausfall zu überbrücken, wird das der Tourismusindustrie einen weiteren, tödlichen Schlag versetzen. Denn der Pauschaltourist ist schreckhaft und verwöhnt. Schwitzt er in seinem dunklen Hotelzimmer und sieht die Nahrungsmittelvorräte schwinden, gerät er in Panik. Die noch verstärkt wird, wenn er am zappendusteren Flughafen ankommt.
Aber der Tourist kommt wenigstens früher oder später wieder weg von der Insel. Das möchten immer mehr Kubaner auch, denn hier gibt es keine Hoffnung, keine Zukunft, keine Aussicht auf Besserung. Schon eine Million Kubaner sind in den letzten drei Jahren abgehauen. Im Überfluss gibt es nur ausgeleierte revolutionäre Durchhalteparolen, die ewige Entschuldigung «Handelsblockade» und völlige Hirnfinsternis, wie das Regime aus dieser Katastrophe herausfinden will.
Inzwischen herrscht reiner Zynismus. So fordert der Direktor der Unión Eléctrica de Cuba (UNE), der staatlichen Energieunion, die Bevölkerung auf, sich doch mit Solarpanels auszurüsten. Obwohl die kaum erhältlich sind auf der Insel, und wenn, dann zu Preisen, die für normale Kubaner völlig ausserhalb des Möglichen liegen.
Indem die korrupte Oberschicht mit ihrer Jeunesse dorée ihren Reichtum immer ungenierter zur Schau stellt, hat sie jeden Anspruch auf Vertrauen und moralische Führerschaft verloren. Die weitverzweigte Familie von Raúl Castro, dem noch lebenden Bruder von Fidel, ist exemplarisch, welche Abgründe Selbstbereicherung und Korruption erreicht hat. So bot eine Tochter Raúls eine auf Staatskosten renovierte Villa mit Pool, Bediensteten und Koch ungeniert auf Airbnb an – für 1000 Dollar am Tag, die sie selbst einsteckt.
¿Hasta donde?, bis wohin noch, ist ein Lieblingsspruch der Kubaner. Bis zum bitteren Ende, ist die Antwort des Regimes. Wie das allerdings aussehen wird, das steht in den Sternen.