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Verein Netzcourage: Der Blickbuster von 2020

Der Verein Netzcourage von Jolanda Spiess-Hegglin wird vom Bund und Kanton finanziell unterstützt. Zahlen  will der Verein nicht offenlegen.

Im Oktober 2016 gründete Jolanda Spiess-Hegglin den Verein «Netzcourage». Der Verein kämpft für «Anstand und einen menschenwürdigen gegenseitigen Umgang», wie es auf seiner Homepage steht, und geht juristisch gegen Personen vor, die sich öffentlich abfällig über Spiess-Hegglin oder andere Menschen äussern.

Jolanda Spiess-Hegglin wird in der Schweizer Medienwelt angefasst wie eine heisse Kartoffel. Das hat natürlich mit der «Zuger Sexaffäre», aber vor allem mit der Nachgeschichte, zu tun. Bekanntheit verdankt sie der Berichterstattung über einen Vorfall, den sie zunächst als Sexualdelikt eines SVP-Parlamentskollegen darstellte. Kaum war die Sache aber zu dessen Gunsten erledigt, wechselte sie den Täter aus: Fortan galt sie als «Blick»-Opfer.

Zuerst wurde die Frau von den Medien kritisch beäugt. Dann aber geschah etwas sehr Schweizerisches. Spiess-Hegglin trat als Medien-Opfer auf und wehrte sich gegen die Berichterstattungen, vor allem des «Blicks» und der «Weltwoche». Heute schreibt sie im bajour.ch, Das SRF widmete ihr sogar einen «Medienclub».

Im September 2019 erschien in der Frauenzeitschrift «Brigitte» ein Porträt über Spiess-Hegglin. Ihre Finanzlage wurden kurz angesprochen. Mit ihrer Tätigkeit als Geschäftsleiterin des Vereins verdiene sie kaum Geld, «ihre Familie kommt mit dem Gehalt ihres Mannes gerade so über die Runden.» Der Verein finanziere sich «fast nur» über Spenden.

20’000 Franken vom Kanton Basel-Stadt

Ob das stimmt, ist eine ungeklärte Frage. Auf mehrmalige Nachfrage wollte weder Spiess-Hegglin noch die Präsidentin Irina Studhalter den Geschäfts- oder Jahresbericht herausrücken. Ein Insider sagte, dass der Verein nur schon von Stiftungen und Organisationen 50’000 Franken pro Jahr erhalte. Recherchen von ZACKBUM.ch zeigen, dass der Betrag wohl stimmt: Von der Fachstelle Diversität und Integration des Kantons Basel-Stadt erhielt der Verein im letzten Jahr 10’000 Franken. 2020 wurde der Betrag auf 20’000 Franken verdoppelt.  Von der Fachstelle für Rassismusbekämpfung des Bundes gab es 12’000 Franken, vom Kanton Zug 9000 Franken und auch die Ernst-Göhner-Stiftung schüttete einmal Geld aus, weigert sich aber, Details zu nennen. Gemäss einer Quelle handelt es sich um 5000 Franken. Unbekannt ist, wie viel die anderen Vereine und Organisationen spendeten.

Unklar ist auch, wie viele Mitglieder der Verein zählt. In einem SRF-Interview von Ende Dezember 2019 nannte Spiess-Hegglin die Zahl 500. Wenn diese Angabe korrekt und aktuell ist, fliessen nochmals etwa 50’000 Franken in den Verein, da «Normalverdiener» aufgefordert werden, 100 Franken im Jahr zu zahlen. Das macht zusammen 100’000 Franken. Gemäss Vereinsstatuten von Netzcourage kriegt Jolanda Spiess-Hegglin einen «branchenüblichen» Lohn, wenn Kapital vorhanden. Dass das vorhanden ist, davon darf man ausgehen.

Büttel Hollenstein bricht Sperrfrist

Ein «Leiter Publizistik» als Sprachrohr für eine verfolgende Unschuld.

Der Fall Jolanda Spiess-Hegglin ist im wahrsten Sinne des Wortes altbekannt. Aus einem Techtelmechtel in Zug entwickelte sich eine Story ohne Ende.

Immer wieder nahm der «Leiter Publizistik» von CH Media in Kommentaren Partei für Spiess-Hegglin, die sich vor allem durch die Ringier-Medien und durch die «Weltwoche» in ihrer Privatsphäre verletzt sieht.

Neben anderen Folgewirkungen führte das zu gerichtlichen Auseinandersetzungen mit verschiedenen Medienorganen, unter anderem der «Blick». In erster Instanz wurde in Zug festgehalten, dass die Boulevardzeitung mit der Frage, ob Spiess-Hegglin während einer feuchtfröhlichen Feier geschändet worden sei, in schwerwiegender Weise in deren Intimsphäre eingegriffen habe.

Urteil mit Sperrfrist

Beide Seiten zogen das Urteil ans Obergericht weiter. Das fällte letzte Woche sein Urteil. Die Urteilsverkündung wurde den Parteien mitgeteilt, aber mit einer Sperrfrist bis Montagmorgen, 9.00 Uhr belegt.

Das sollte dazu dienen, dass beide Beteiligten und natürlich auch die Medien sozusagen gleichlange Spiesse bei der Berichterstattung und Interpretation des Urteils haben, das ab diesem Zeitpunkt öffentlich vorliegt.

Aber wenn man schon Büttel in Sachen Spiess-Hegglin ist, und als «publizistischer Leiter» auch keine Reputation mehr zu verlieren hat, kümmert man sich um solche Anordnungen natürlich einen feuchten Kehricht.

Denn nur so konnte Pascal Hollenstein bereits am Sonntag trompeten: «Jolanda Spiess-Hegglin gewinnt gegen den «Blick»».

Wie tief kann man als publizistisches Vorbild sinken?

Abgesehen davon, dass das so nicht stimmt: Wie tief kann ein angebliches publizistisches Aushängeschild eines grossen Schweizer Medienkonzerns eigentlich sinken? Solche Sperrfristen, das weiss im anständigen Journalismus jeder, sind zu respektieren. Natürlich fände es jeder toll, wenn er sie bricht und daher eine News als Erster hätte. Aber das tut man nicht.

Ausser, man heisst Pascal Hollenstein. Dann stellt man einen Jubelartikel zuerst ins Netz, zitiert auch bereits Spiess-Hegglin, die natürlich ihrem Pressesprecher gegenüber sofort ein Statement abgibt, und dann zerrt man den Artikel wieder aus dem Netz heraus. Offenbar gibt es bei CH Media doch noch Instanzen, die wissen, was journalistische Benimmregeln sind.

Angekündigt, dann gelöscht – aber nicht überall

Allerdings: Wenn man so ungeschickt-triumphal wie Hollenstein ist, dann vergisst man natürlich, den Artikel auch aus der Mediendatenbank SMD zu löschen.

Man fragt sich schon, wie lange dieser Herr in dieser Funktion noch tragbar ist. Sein Verleger Peter Wanner füllte gerade am Samstag eine ganze Seite mit einem Kommentar, in dem er die wichtige Funktion seiner Qualitätsmedien als Service public betonte.

Was dieses Verhalten seines publizistischen Leiters mit Qualität oder Service public zu tun hat, ist schleierhaft. Wir werden hier selbstverständlich auf das Urteil des Zuger Obergerichts und die Hintergründe dazu eingehen. Morgen ab 9 Uhr, wie das der Anstand gebietet.