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Das Private und das Öffentliche, Teil drei

Es bleiben nur Opfer zurück. Mit einer Ausnahme.

Hier geht’s zu Teil eins und Teil zwei.

Ein zum Helfer von Jolanda Spiess-Hegglin gereifter Boulevard-Journalist will auf abenteuerlichen Wegen ausgerechnet haben, dass «Blick» alleine online über eine Million Franken an seiner Berichterstattung über Spiess-Hegglin verdient habe. Lassen wir die Frage beiseite, wieso derselbe Helfer aus seiner Erfindung «watson» ein Millionengrab machte, wenn man dermassen einfach Geld im Internet scheffeln kann.

Eine Nebenfront als Bedrohung der Pressefreiheit

An einer Nebenfront ist es Spiess-Hegglin auch gelungen, eine superprovisorische Massnahme einstweilen durchzusetzen, die einer Journalistin präventiv verbietet, diverse Themenkomplexe um diese Landammannfeier publizistisch abzuhandeln. Das ist der wohl massivste Angriff auf die Schweizer Pressefreiheit seit dem Zweiten Weltkrieg.

Anstatt dieser Bedrohung für jeden investigativen Journalisten entgegenzutreten, wird dieses Urteil sogar bis in leitende Positionen von Medienkonzernen, zum Beispiel bei CH Media, begrüsst. Obwohl es bedeuten würde, dass jeder Journalist, der sich schon einmal über eine Person oder eine Firma kritisch geäussert hat, befürchten muss, dass er aufgrund eines Fragenkatalogs an dieses Objekt seiner Berichterstattung sofort mit einer Superprovisorischen überzogen werden kann. Was aus Angst um die Folgekosten die Lähmung der investigativen Tätigkeit bedeuten würde.

Das unschuldige Opfer ist allen Besorgten egal

Fast sechs Jahre nach dieser Feier bleiben eigentlich nur Verlierer und Opfer zurück. Zunächst P.K.*, der sich nichts zuschulden kommen liess, im wahrsten Sinne des Wortes unschuldig war und ist. Vielleicht könnte man sein Verhalten moralisch verurteilen, aber dass er gewaltige Kosten hatte, seine politische Karriere beenden musste, Ruf und soziales Ansehen verlor, das hat er sicherlich nicht verdient.

Es gehört zu den Perversionen dieses Falls, dass das völlig unschuldige Opfer allen Anhängern der Verteidigung von unschuldig in die Klauen der Sensationspresse geratenen Menschen schlichtweg schnurzegal ist.

Es gibt noch viel mehr Opfer

Ein weiteres Opfer ist das Ansehen der Zuger Justiz. Schon vorher nicht wirklich hoch, hat sie sich mit der hemdsärmeligen Auslegung des Umfangs der Privatsphäre einer öffentlichen Person an einer öffentlichen Feier nicht mit Ruhm bekleckert. Noch viel weniger mit dem Betreten von rechtlichem Neuland in Form einer präventiven und putativen Zensur von noch gar nicht Geschriebenem. Das ist die zum Leben erwachte Gedankenpolizei Orwells, die Umsetzung des Science-Fiction-Knallers «Minority Report».

Dann natürlich alle als Mitbeschuldigte oder Zeugen in diese Affäre geratenen Gäste, die doch eigentlich nur vor Weihnachten etwas ausgelassen feiern wollten. Dann die Angehörigen der beiden Hauptbeteiligten, die Kinder der Protagonistin, die Familie des unschuldig Beschuldigten.

Nach der Entschuldigung geht’s nur ums Geld

Alleine bei einer Beteiligten fällt es schwer, sie auch und ausschliesslich als Opfer zu sehen. Nachdem sie die von ihr selbst als moralisch wichtigstes Ziel bezeichnete öffentliche Entschuldigung von Ringier bekommen hat, und nun nur noch um Geld streitet, ist sie doch zumindest Opfer und Täterin. Indem sie ihr wohlgesinnte Journalisten exklusiv mit Informationen und Dokumenten anfüttert, wird ihre Behauptung, dass sie eigentlich nur in Ruhe gelassen werden möchte, sehr fragwürdig.

Hansi Voigt rechnet unlängst einen möglichen Gewinn von über einer Million Franken beim «Blick» aus, der mit Artikeln über Spiess-Hegglin erzielt worden sei. In seinem ausführlichen Interview mit Spiess-Hegglins Ehemann, das er im Juli 2017 auf «watson» veröffentlichte, ging er noch von «einem Bruttoumsatz der 19 Top-5-Geschichten von 80- bis 100’000 Franken» aus. Wie er von dieser Zahl inzwischen auf einen siebenstelligen Gewinn kommen will, ist schleierhaft. Aber Faktentreue, die Bestätigung von Aussagen, die er selbst gerade erfunden hat, Widerspruchsfreiheit, das war noch nie seine Stärke.

Luftnummern und realistische Einschätzungen

Nimmt man dagegen eine realistische Schätzung, begründet in Werbeeinnahmen und Erfahrungswerten, kommen Online-Marketingspezialisten auf einen denkbaren Gewinn von – alle erschienenen Artikel berücksichtigt und mit den jeweils obersten Annahmen – maximal 25’000 Franken. Diese Zahl würde auch mit dem damals von Voigt angenommen Bruttoumsatz von lediglich 19 Artikeln über Spiess-Hegglin korrelieren.

Faktenschwäche gilt auch für die von ihm damals vertretene Theorie, dass alle Indizien für die Anwendung von K.-o.-Tropfen bei Spiess-Hegglin, eventuell bei beiden Beteiligten, sprächen. Sie ist völlig aus der Luft gegriffen und widerspricht diametral dem extra erstellten «Plausibilitätsgutachten» eines ausgewiesenen Fachmanns.

Die absurde Logik eines negativen Verdachts

Da angeblich niemand weiss, was sich genau hinter verschlossenen Türen im Restaurant Schiff vor beinahe sechs Jahren abspielte, weil die Beteiligten einen Filmriss geltend machen, weil man hingegen weiss, dass es zu keinerlei strafbaren Handlungen dabei kam, verdichtet sich der unappetitliche Verdacht, dass hier jemand aus einem Filmriss ein Geschäftsmodell gemacht hat.

Denn es ist mit aller Rabulistik nicht möglich, einen sozusagen negativen Verdacht zu behaupten. Also eine Opferrolle mit der Behauptung zu konstituieren, dass es zwar keinen beweisbaren sexuellen Übergriff gegeben habe. Aber damit ja nicht erstellt sei, dass keiner stattgefunden hätte.

Das ist absurde Logik, nach dem Schema: Keine Katze hat zwei Schwänze. Eine Katze hat einen Schwanz mehr als keine Katze. Daher haben alle Katzen drei Schwänze.

*alle Namen der Redaktion bekannt.

Das Private und das Öffentliche, Teil zwei

Wie eine verfolgende Unschuld ein Geschäftsmodell entdeckt.

Hier geht’s zum Teil eins.

Hier beginnt die Geschichte nochmal. Denn Spiess-Hegglin wehrte sich gegen diesen von ihr so empfundenen Übergriff in ihre Privat- und Intimsphäre. Und begann einen juristischen und publizistischen Feldzug gegen alle, die sie, wenn schon nicht als Schändungsopfer, dann doch als Medienopfer skandalisieren und lüsterne Leser mit Details aus ihrem Privatleben verköstigen wollten.

Spiess-Hegglin führte und führt bis heute als verfolgende Unschuld einen Kampf darum, dass man sie endlich in Ruhe lasse und ihre Privatsphäre respektiere. Damit bleibt beides dem öffentlichen Interesse ausgesetzt. Das Medienarchiv SMD verzeichnet über 3000 Treffer, wenn man den Suchbegriff Spiess-Hegglin eingibt.

Es entwickelte sich ein weltanschaulicher Grabenkampf

Verschärft wird diese Auseinandersetzung dadurch, dass sich aus Rechtsstreitigkeiten mit einer Zeitung und einigen Journalisten ein weltanschaulicher Grabenkampf entwickelt hat. Hier die angeblich aufs Sexuelle reduzierte Frau, auf deren Kosten sich Skandalblätter einen schönen Tag machen, ein Opfer, das sich weigert, Opfer zu sein und, unterstützt von einigen Hilfstruppen, unermüdlich den Feldzug gegen unerträgliche Übergriffe in ihr Privatleben fortführt.

Dort die scheinbar übermächtige Phalanx von Grossverlagen, die eine einzelne Widerstandskämpferin fertigmachen wollen. So lautet das Narrativ, das Spiess-Hegglin unermüdlich verbreitet. Auf allen Kanälen, mit einem eigenen Verein, mit Crowdfunding für Prozessfinanzierung.

Das Obergericht Zug schmetterte die Berufung von Spiess-Hegglin ab

Nachdem auch die zweite Instanz in Zug festgehalten hat, dass es tatsächlich zu einer Persönlichkeitsverletzung durch eine nicht mit öffentlichem Interesse begründbare Berichterstattung kam, verlieren Spiess-Hegglin und ihre Unterstützerschar etwas den Kontakt mit der Realität und feiern das als weiteren triumphalen Sieg über das Boulevardblatt «Blick». Dabei ist ihrer Aufmerksamkeit offenbar entgangen, dass das Obergericht die von Spiess-Hegglin gegen das erstinstanzliche Urteil eingereichte Berufung vollumfänglich abgeschmettert hat. Hingegen der ebenfalls von Ringier eingelegten Berufung weitgehend entsprach, zum Beispiel mit einer weiteren Reduktion der ursprünglich geforderten Genugtuung von 25’000 Franken auf nur noch 10’000.

Auch mit ihrer Forderung, dass sich der Ringier-Verlag bei ihr entschuldigen müsse, kam sie vor Gericht nicht durch. Ihr Medienbüttel veröffentlichte flugs, dass sie das sehr bedaure. Um dieses Bedauern und das Urteil exklusiv melden zu können, brach er sogar die gerichtlich angeordnete Informations-Sperrfrist. Peinlich dann, dass sich der CEO von Ringier nach Ablauf der Sperrfrist freiwillig «aufrichtig und in aller Form» entschuldigte.

Entschuldigung ist nicht gleich Entschuldigung

Nach einem kurzen Moment der Sprachlosigkeit machte Spiess-Hegglin sich dann über diese Entschuldigung bei ihrer Twittergemeinde lustig, die sei doch gar nicht ernst gemeint. Aber zu ihrem Bedauern ist damit natürlich eine Kernforderung ihres Feldzugs weggefallen.

Obwohl Spiess-Hegglin sich mit ihrem Verein «Netzcourage» gegen «Hassrede im Internet» stellen will, gelegentlich auch schon mal anbietet, eine Strafanzeige zurückzuziehen, wenn dafür eine Spende gemacht werde, teilt sie selbst auch weit unter der Gürtellinie aus. So ernennt sie einen ihr missliebigen Journalisten zum Favoriten des «Wettbewerbs um das Arschloch des Monats», einen anderen rempelt sie an, ob der in der Schule überhaupt lesen gelernt habe. Wer ihren Twitterverlauf verfolgt, der sieht sich mit einer unter Luftabschluss verfaulenden Gesinnungsblase konfrontiert, mit einer Art Veitstanz, in dem sich Spiess-Hegglin und weitere Teilnehmer immer mehr gegenseitig aufschaukeln.

Geht sie einmal für zu viele zu weit, dann fängt sie das mit einer larmoyanten Entschuldigung wieder ein, wie im Fall des Favoriten in ihrem Arschloch-Wettbewerb. Das wird dann von ihrer Ingroup auf Twitter mit stehenden Ovationen bedacht, während die Entschuldigung des CEO von Ringier verlacht wurde.

Erforschung der Grenzen der Gewinnherausgabe

Was bleibt, sind ihre Forderungen nach Gewinnherausgabe. Damit ist gemeint, dass Opfer einer Medienberichterstattung verlangen können, dass der mit ihnen erzielte Gewinn, gemessen an höherer Auflage usw., herausgegeben werden muss. Damit betritt Spiess-Hegglin allerdings juristisches Neuland.

 

Fortsetzung folgt.

Das Private und das Öffentliche

Wie aus einem Filmriss ein Geschäftsmodell entsteht.

Was während der Landammannfeier am 20. Dezember 2014 in Zug geschah, hat nichts Skandalöses, es wurden keine Straftaten verübt. Es wurde geschwatzt, getrunken, geknutscht. Was halt alles an einem nicht gerade für Antialkoholiker gedachten Fest so im Verlauf einer Nacht stattfindet.

Das änderte sich erst am Montag, 22. Dezember 2014, um 12.05 Uhr. Zu diesem Zeitpunkt meldete die gynäkologische Abteilung des Zuger Kantonsspitals der Einsatzzentrale der Zuger Polizei, «dass am Wochenende eine Patientin mit Verdacht auf K.o.-Tropfen eingegangen sei».

Es sei das «Sexualkit gemacht» worden, zudem Haarproben entnommen. «Erst mit dieser Meldung war klar, dass das Kantonsspital eine Vergewaltigung meldete.» Daraus entstand die Geschäfts-Nr. 20141222.0030. Daraus entstand die Strafanzeige «Schändung (Verdacht)». Als möglicher Tatort wurde das Restaurant Schiff angegeben, «vermutlich in der Captains-Lounge». Die Tatzeit liege «zwischen Samstag, 20. Dezember 2014, 23.50 Uhr bis Sonntag, 21. Dezember 2014, 02.15 Uhr.» Es gab eine Geschädigte und zwei Verdächtige.

Zeugenaussagen und ein Plausibilitätsgutachten

Was gibt es noch zu berichten, ohne die Privatsphäre der Beteiligten zu verletzen? Eine Zeugin* sagte aus, dass sie die beiden, also den mutmasslichen Schänder P.K.* und Jolanda Spiess-Hegglin, an diesem Abend dabei beobachtet habe, wie sie sich küssten. «Sie habe interveniert und gesagt, das gehe doch nicht.» Daraufhin sei Spiess-Hegglin einen Stock weiter nach oben gerannt, P.K. hinterher. Auch die Zeugin sei den beiden gefolgt und habe ihnen «eine Moralpredigt gehalten».

Ein Plausibilitätsgutachten, das beim Institut für Rechtsmedizin St. Gallen in Auftrag gegeben wurde, sollte klären, ob das von Spiess-Hegglin und Zeugen beschriebene Verhalten zu einer «allfälligen Applikation von GHB», als K.-o.-Tropfen bekannt, passe. Der Gutachter kam zum Schluss, dass alle Beschreibungen «nicht dem typischen Wirkungsprofil von GHB entsprechen». Zudem sei es «aufgrund des bitterlichen Geschmacks von GHB nicht ohne Weiteres vorstellbar, «dass eine wirksame Menge davon im Rotwein durch Jolanda Spiess gänzlich unbemerkt aufgenommen werden konnte».

Verheerende vorläufige Schadenbilanz

Spiess-Hegglin in ihrer Eigenschaft als Privatklägerin forderte dann die Erstellung eines neuen toxikologischen Gutachtens, weil nur nach GHB gesucht worden sei. Nach Rücksprache mit dem Institut für Rechtsmedizin wurde dieser Antrag zurückgewiesen; es seien bereits alle Substanzen ergebnislos getestet worden.

Vorläufige Schadensbilanz: Ruf und Reputation von P.K. zerstört, von einem zweiten Beschuldigten* zumindest angeknackst. P.K. machte geltend, dass er mit rund 95’000 Franken für seine Verteidigungs- und Kommunikationskosten zu entschädigen sei, als die Strafuntersuchung gegen ihn eingestellt wurde. Das stutzte die Staatsanwaltschaft auf 21’500 Franken zusammen. Zudem erhielt er Fr. 500 für den Polizeiverhaft und eine Genugtuung von 5000 Franken «infolge der schweren Beeinträchtigung seines persönlichen, beruflichen und auch politischen Ansehens».

Das Thema des Abends fand den Weg in die Medien

Der Steuerzahler beteiligte sich mit weiteren 21’300 Franken am Verfahren, diese Kosten wurden ebenfalls auf die Staatskasse genommen. Wir haben also einen P.K., schwer beschädigt, zudem blieb er auf 68’000 Franken Schulden sitzen, die er dafür ausgab, um wieder so unschuldig wie zuvor zu sein. Theoretisch. Seither hat er sich völlig aus der Öffentlichkeit zurückgezogen, seine politische Karriere ist beendet.

Allerdings war das Verhalten der beiden offenbar Gesprächsthema an diesem Abend, einer der anfänglich Beschuldigten ist Journalist, also fand die Story sehr schnell ihren Weg in die Medien. Zuerst zu zentralplus.ch, und dann legte der «Blick» nach, der offenbar Wind von der Verhaftung von P.K. bekommen hatte. Also brachte er unter der Schlagzeile «Hat er sie geschändet?» die beiden Beteiligten mit Foto und voller Namensnennung. Was er gemäss Kantons- und Obergericht Zug nicht hätte tun dürfen.

*Namen der Redaktion bekannt.

Fortsetzung folgt.

Der nachtragende Heuchler, Teil drei

Hansi Voigt kann auch anders Schaden anrichten.

Hier geht’s zu den Teilen eins und zwei.

Die Entscheidung, immerhin 150’000 und eine Entschuldigung abzulehnen, dürfte Spiess-Hegglin noch schwer bereuen, aber dann kann Voigt natürlich nichts dafür, dass ein unverständiges Gericht seinen Berechnungen nicht folgte. Auf jeden Fall beziffert die Anwältin von Spiess-Hegglin den Streitwert ihrer neuen Klage auf ein paar 100’000 Franken; genauer könne man das erst sagen, wenn die genaue Gewinnsumme feststehe.

Nun wird es schon wieder ein Momentchen kompliziert, denn es gibt auch den Verein «Fairmedia». Der hat sich zur Aufgabe gemacht, all denen zu helfen, «die von unfairer Medienberichterstattung betroffen sind», mehr noch, er «prangert an, wenn sich ein Medium nicht an journalistische Standards hält».

Ilustre Schar der Ewiggleichen

Auch hier hat sich im Vorstand eine illustre Schar der Ewiggleichen versammelt. Als Präsident amtet der SP-Nationalrat Beat Jans, unterstützt von seinem Kollegen Jon Pult. Ebenfalls an Bord ist die «Kampagnenspezialistin» Jessica King – und natürlich Guy Krneta als Vizepräsident.

King amtete auch schon als Geschäftsführerin, als das ursprüngliche Duo das Weite suchte, inzwischen ist sie seit Kurzem durch Jeremias Schulthess ersetzt. Ausserdem schmückt sich «Fairmedia» mit einem parteiübergreifenden «Patronatskomitee».

Nun muss man wissen, dass «Fairmedia» Spiess-Hegglin bei deren Crowdfunding-Aktion unterstützte, mit der sie locker über 70’000 Franken für Prozessfinanzierung einsammelte. Auch Hansi Voigt rühmt sich, ihr dabei unter die Arme gegriffen zu haben. Man darf sich aber fragen, was «Fairmedia» eigentlich unternimmt, wenn es selbst gegen einige juristische Standards verstösst.

Wenn Unfairmedia gegen seine eigenen Prinzipien verstösst

Dass «Fairmedia» seine unverbrüchliche Unterstützung für Spiess-Hegglin erklärt, nun gut. Selbst deren Anwältin warnt in ihrer neusten Klage davor, dass sich «Medienschaffende von ihrer Quelle nicht instrumentalisieren lassen dürfen», weil die Gefahr bestünde, von ihr «manipuliert zu werden».

Es wäre interessant, was der Vorstand oder das Patronatskomitee zu dieser Einlassung von «Unfairmedia» sagen würden. Zunächst bejubelt der Verein, dass Spiess-Hegglin vor Gericht «erneut Recht bekommen» habe. Aber wenn schon Voigt nicht versteht, was eine vollumfängliche Ablehnung aller Anträge bedeutet, wieso soll das «Fairmedia» kapieren. Vielleicht empfiehlt sich eine Konsultation bei sich selbst, denn es preist sich auch als «Kompetenzzentrum in Medienrecht und Medienethik» an. Okay, darunter fällt Zivilprozessrecht vielleicht nur am Rande.

Aber «Fairmedia» ist auch so fair, in die Zukunft zu blicken. Denn der Verein stellt die überraschende Frage: «Was das Blick-Urteil mit Michèle Binswanger zu tun hat.» Die kurzgefasste Antwort wäre: rein gar nichts.

Es geht gegen Michèle Binswanger

Aber das wäre ja für eine unfaire, parteiische und zudem falsche Berichterstattung etwas wenig. Bekanntlich hat die durchaus merkwürdige Zuger Justiz tatsächlich eine superprovisorische Verfügung gegen ein noch gar nicht geschriebenes, nur geplantes Buch von Binswanger erlassen.

Da wusste Voigt schon schnell:

«Binswanger auf dem U-Turn der Unschuldsvermutung fussendem Buchprojekt. Das Edgar Schuler in Auftrag gab und von dem sich Supino und Rutishauser distanzieren.»

Wir ahnen es schon, diese Realitätsverweigerung ist nur möglich, wenn man niemanden angefragt hat. Schon wieder hellseherisch den Inhalt eines Buchprojekts kennt, das noch gar nicht geschrieben ist.

Ein einigermassen ernst zu nehmender Journalist hätte Edgar Schuler Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Und zumindest sein Dementi erwähnt. Denn Schuler sagt auf Anfrage von ZACKBUM.ch zweimal «nein». Nicht gefragt worden, nicht beauftragt. Auch die angebliche Distanzierung von Supino und Rutishauser ist frei erfunden. Natürlich wurden auch sie nicht angefragt, deshalb ergreift Arthur Rutishauser hier gerne die Gelegenheit, auch diesen Unsinn richtig zu stellen:

«Ich habe mich nie von der Recherche distanziert. Ein Buch zu schreiben war nie der Auftrag, recherchieren und Artikel zu schreiben jedoch schon. Dafür sind wir bei der Tamedia ja angestellt. Den Entscheid von Michèle, in Ihrer Freizeit daraus ein Buch zu machen, habe ich unterstützt, auch wenn das ein privates Projekt ist.»

Faire Berichterstattung? I wo

Inzwischen fällte das Kantonsgericht das ungeheuerliche Urteil, die Superprovisorische aufrecht zu erhalten. Aber zurück zu Unfairmedia. Die nehmen das damit in keinem Zusammenhang stehende «Blick»-Urteil zum Anlass, sich hämisch zu fragen, worüber Binswanger denn noch schreiben könne. Vielleicht «über das Wetter am Abend, über die Farbe der Eingangstüre oder über das Menü, das serviert wurde».

Das nennt man wohl alles eine vorbildliche, faire Berichterstattung. Aber die ist Fairmedia, Voigt und auch Pascal Hollenstein, der sich als Leiter Publizistik bei CH Media mit Voigt in die Rolle des Mediensprechers für Spiess-Hegglin teilt, völlig egal.

Bei diesem Personal wird das kein gutes Ende nehmen. Ach ja, Peter Wanner sollte sich wirklich fragen, ob es so einen vorbildlichen publizistischen Leiter verträgt. Gisela Oeri sollte sich fragen, ob sie wirklich wieder drei Millionen verrösten will. Zumindest das Patronat von Unfairmedia sollte sich fragen, ob diese Parteilichkeit wirklich mit den Vereinszielen vereinbar ist. Die Antworten liegen auf der Hand.

 

Hansi Voigt bekam einen umfangreichen Fragenkatalog und üppig Zeit, dazu Stellung zu nehmen. Aber wie Angstbeisser teilt er gerne aus, steht aber nicht seinen Mann. Die wiederholte Anfrage blieb unbeantwortet.

Gang ans Obergericht verursacht bei Spiess-Hegglin ein Minus von 20’000 Franken

Die einzigen Gewinner sind die Anwälte.

Ein jüdischer Klassiker, etwas abgeändert: Jossele Moskowitsch ist die Flucht in die Schweiz gelungen. Jetzt steht er zum ersten Mal vor einer Selecta-Maschine. Jossele wirft sein ganzes Vermögen in die Maschine und drückt jedes Mal auf den Knopf für den Schwangerschaftstest maybe-baby. Seine Frau ruft entsetzt: «Jossele, was machst du für einen Stuss. Unser ganzes Geld!» Ihr Mann antwortet: «Schrei doch nicht so. Siehst du nicht, dass ich immer gewinne?»

Jolanda Spiess Hegglin hat auch gewonnen, so betrachtet sie das zumindest. Und so schreiben das auch ihr gleichgesinnte Journalisten. Es geht um das Urteil des Obergerichts Zug, I. Zivilabteilung, vom 18. August 2020 in Sachen Jolanda Spiess-Hegglin gegen Ringier AG betreffend Schutz der Persönlichkeit.

Ob sie wirklich richtig steht, sieht man, wenn das Licht angeht. Werfen wir darum den Scheinwerfer auf das Wichtigste, auf das Geld. Analysiert man das Obergerichtsurteil, sieht es schlecht aus für Spiess-Hegglin. Das Obergericht hiess nämlich die Berufung der Ringier AG teilweise gut und reduzierte die Höhe der Genugtuung von 20‘000 auf 10’000 Franken. Wegen den jährlich anfallenden Zinseszinsen (5%) seit dem 24.12. 2014 ist der Verlust sogar noch höher.

Weiterzug ans Bundesgericht noch offen

Das Obergericht auferlegte neu Spiess-Hegglin 1200 Franken an die Verfahrenskosten der 1. Instanz (Kantonsgericht). Auch die damalige Parteienentschädigung wurde von 21‘190 auf 12‘715 Franken gekürzt.

Das Berufungsverfahren bürdete Spiess-Hegglin aber neue Kosten auf: Die gerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens von 10‘000 Franken werden zu einem Fünftel (= 2‘000 Franken) Spiess-Hegglin auferlegt. Von Ringier erhält sie eine reduzierte Parteientschädigung von 7‘980 Franken.

Fassen wir zusammen: Das Urteil des Obergerichts führt bei Spiess-Hegglin Mindereinnahmen von 19’675 Franken: geringere Genugtuung, geringere Parteientschädigung, teilweise Kostenübernahme bei den Verfahrenskosten. Für die beiden langwierigen Prozesse kriegt Jolanda Spiess-Hegglin unter dem Strich: 27‘495 Franken. Man muss davon ausgehen, dass das nicht einmal die Anwaltskosten deckt.

Der Gang zum Bundesgericht steht beiden Parteien allerdings noch offen.

Mit zugehaltener Nase zu lesen

Mir wurde geraten, die Tweets von Jolanda Spiess-Hegglin anzuschauen. Das hätte ich nicht tun sollen.

Nach den ersten drei, vier Duftmarken wollte ich eigentlich einen resümierenden Kommentar schreiben. Aber dann wurde es mir übel; daher lasse ich es bei einer kommentarlosen, repräsentativen Zusammenstellung bewenden. Mitsamt den «usual suspects», die Spiess-Hegglin gerne retweetet.

So sieht also die Respektierung von Menschenwürde und Privatsphäre aus. Diese selbstgerechte Heuchelei verfault in der Gesinnungsblase unter Luftabschluss:

Anschlag auf die Pressefreiheit

Will Spiess-Hegglin eine Fanfare erschallen lassen, ist Pascal Hollenstein immer zur Stelle.

Man sollte natürlich die dritte und vierte Gewalt im Staate respektieren. Ausser, die Justiz greift die Pressefreiheit an, und ein publizistischer Leiter findet das toll.

Worum geht’s? Wie am Freitag bekannt gemacht wurde, hat das Zuger Kantonsgericht den Inhalt einer superprovisorischen Verfügung gegen die Tamedia-Journalistin Michèle Binswanger bestätigt.

In dieser Verfügung wurde Binswanger untersagt, das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen, daher im Wortlaut:

«Ein Buch, einen Artikel oder eine andersartige Veröffentlichung zu publizieren, zu verkaufen oder zu vertreiben (lassen), in dem bzw. in der Handlungen der Gesuchstellerin anlässlich der Zuger Landammann-Feier vom 20. Dezember 2014

a) in Bezug auf M. H. (in der Verfügung ist sein voller Name erwähnt, Anm. R.Z.),

b) in Bezug auf andere an der Feier anwesenden Männer,

c) in Bezug auf das Mass des Alkoholkonsums der Gesuchstellerin und

d) in Bezug auf das Sexualverhalten der Gesuchstellerin thematisiert werden oder Spekulationen diesbezüglich geäussert werden.»

Aber hallo, da gibt es doch sicher schon einen Raubdruck dieses Werks? Und was stehen da für saftige Details in Bezug auf M. H., andere Männer, den Alkoholspiegel von Spiess-Hegglin oder ihr Sexualverhalten drin? Lechz, hechel.

Ein Geisterurteil gegen Nicht-Existentes

Aber nein, Entwarnung, es handelt sich hierbei um ein Projekt. Also etwas, das noch gar nicht geschrieben ist, weder dem Gericht noch sonst jemandem vorliegt. Eine superprovisorische Verfügung wird ohne Anhörung der Gegenseite erlassen. Wenn nur so ein unmittelbar drohender, schwerer Nachteil abgewendet werden kann.

Das war schon ein kühner Schritt in juristisches Neuland. Nun aber erhebt das Kantonsgericht diesen Schlag mitten in die Fresse der Pressefreiheit zum Urteil. Eigentlich unvorstellbar. Ein «Geisterurteil» nannte Kurt. W. Zimmermann schon die Superprovisorische. Nun wurde sie vom Kantonsgericht bestätigt.

Eine weitere Perversion des Rechts. Die Wiedereinführung der inquisitorischen Gedankenpolizei, die bereits mögliche zukünftige Rechtsbrüche ahndet, bevor sie geschehen. Als wäre der Science-Fiction-Knaller «Minority Report» Wirklichkeit geworden.

Hört man allenthalben Protestgeschrei?

Dagegen erhebt sich sicherlich lauter Protest in allen Medien, die unabhängig von ihrer Einstellung gegenüber Binswanger oder Spiess-Hegglin im Kampf gegen diesen präventiven Übergriff auf die Pressefreiheit eine Einheitsfront bilden?

Weil dieses Urteil im Klartext bedeutet: Wir buchten Sie mal für fünf Jahre ein. Denn wir haben Anlass zur Befürchtung, dass Sie einen Banküberfall planen könnten. Darüber haben Sie ja schon mal nachgedacht. Wer würde da nicht auf die Barrikaden gehen?

Nun, schon mal alle Medien nicht, die nicht einmal das letzte Urteil im Fall Spiess-Hegglin richtig lesen konnten. Und von einem «Sieg» für die Dame schwafelten, obwohl das Zuger Obergericht auch für Laien verständlich urteilte: «Das Obergericht weist die Berufung von Jolanda Spiess-Hegglin vollumfänglich ab.» Das ist eine vollumfängliche Niederlage, kein Sieg. Aber eben, lesen sollte man können.

Was sagt denn Tamedia dazu?

«Das Urteil des Zuger Kantonsgerichts verbietet einer Journalistin von Vornherein über ein Thema zu schreiben, das breit in der Öffentlichkeit diskutiert wurde und zu dem weit über 1’000 Artikel veröffentlicht wurden. Eine derart weitgehende Einschränkung der Medienfreiheit ist höchst bedenklich. Tamedia wird das Urteil anfechten.»

Pascal Hollenstein reitet mal wieder

Überraschungsfrei reagiert der publizistische Leiter in der Akklamationsberichterstattung, Spiess-Hegglins Büttel Pascal Hollenstein. Er begrüsst das Urteil, das ihm – von wem wohl – zugesteckt wurde: «Es sei, so das Gericht, «glaubhaft erstellt, dass Spiess-Hegglin eine ungerechtfertigte, potenziell besonders schwere Verletzung ihrer Persönlichkeitsrechte fürchtet und ihr aus dieser drohenden Verletzung ein nicht leicht wieder gutzumachender Nachteil droht.»»

Seinen Bericht schmückt Hollenstein mit einer für Binswanger unvorteilhaften Illustration als «Tagi-Postergirl» aus, während Spiess-Hegglin exklusiv flöten darf: «Die Verteidigung meiner Rechte in dieser Sache hat mich die letzten Monate enorm absorbiert. Nun bin ich erleichtert.» Hollenstein zeigt schon im Titel wieder mal, dass er von Juristerei schlichtweg keine Ahnung hat: «Gericht verbietet «Tages-Anzeiger»-Journalistin Buch-Publikation», behauptet er forsch.

Werden schon ungeschriebene Bücher verboten?

Das hätten seine Quelle und er wohl gerne, aber das ist natürlich Quatsch. Es sind Binswanger vorläufig die vier Themenbereiche verboten, die in der superprovisorischen Verfügung eingefordert wurden. Was nun passiert: Die Anwältin von Spiess-Hegglin darf eine neue Honorarnote schreiben und muss für die Hauptverhandlung begründen, wieso diese Massnahme richtig sei. Tut sie das in einer engen Frist nicht, entfällt nämlich die Superprovisorische. Aber was interessieren solche Details einen einäugigen und parteiischen publizistischen Leiter.

Dann wird noch lobend erwähnt, dass im Verein «#NetzCourage» diverse wichtige Projekte anstünden, «mit denen wir nachhaltig sehr Gutes für die Gesellschaft tun werden», schaut Spiess-Hegglin in Zukunft. Während Binswanger, die sich als «Jeanne d’Arc der Pressefreiheit» bezeichne, das Urteil anfechten werde.

Die eine tut nachhaltig Gutes, die andere will weiter streiten. So die Message von Hollenstein. Dabei ist es so: Wenn dieses Geisterurteil Bestand haben sollte, ist einer Vermutungsjustiz Tür und Tor geöffnet, kann jedes Medienorgan, jeder Journalist damit eingeschüchtert werden, dass durch einen auch nur geplanten oder angedachten Artikel ganz sicher ein schwerer Nachteil für jemanden entstehen könne und der daher präventiv zu verbieten sei.

Hält das Urteil, ist das nichts weniger als das Ende der Pressefreiheit

Für ein solches Verbot würde schon ausreichen, dass der Journalist sich mit Fragen an das potenzielle Objekt oder dessen Umfeld seiner Berichterstattung wendet, dabei eine Recherche erwähnt und sich vielleicht schon früher mal kritisch über diese Person oder Firma geäussert hat.

Das wäre das Ende der Pressefreiheit, wie wir sie bislang in der Schweiz kennen. Dass Spiess-Hegglin das egal ist, sei dahingestellt. Dass ein publizistischer Leiter des wichtigsten Konzerns im Bereich Tageszeitungen das toll findet, ist so ungeheuerlich wie das Urteil selbst.

Wie lange duldet Verleger Wanner das noch?

Sein publizistischer Leiter ist schwer neben der Spur.

«Es gehört zu einem der wichtigsten Gebote des Journalismus, dass sich Medienschaffende von ihren Quellen nicht instrumentalisieren lassen dürfen, weil sie ansonsten Gefahr laufen, manipuliert zu werden.»

Das schreibt die Anwältin von Jolanda Spiess-Hegglin in ihrem 63-seitigen Wälzer, mit dem sie die Forderung nach Gewinnherausgabe begründet. Dieser Aussage kann man nur zustimmen. Allerdings: Pascal Hollenstein sieht das offenbar anders.

Seit er sich selbst bei Spiess-Hegglin für allfällige Fehlleistungen entschuldigte, lässt er sich als Sprachrohr missbrauchen. So ignorierte er sogar eine gerichtlich angeordnete Sperrfrist, um als Erster die Kommentare von Spiess-Hegglin zum jüngsten Urteil in ihrem Feldzug gegen Ringier publizieren zu können.

Nun geht’s ums Geld

Inzwischen ist bekannt geworden, dass Spiess-Hegglin schon vor dem Urteil des Zuger Obergerichts eine weitere Klage gegen Ringier eingereicht hatte. Diesmal geht es um Gewinnherausgabe. Hier ist die Reaktion von Spiess-Hegglin und Hollenstein auf meine diesbezügliche Anfrage am Donnerstag sehr befremdlich.

Wie es sich im seriösen Journalismus gehört, wurde ihnen genügend Zeit für Antworten eingeräumt. Aber von meinen Fragen aufgeschreckt, veröffentlichte Hollenstein noch am Donnerstagabend einen Artikel, der offenbar bereits abschussfertig vorlag.

Schon wieder liess er sich instrumentalisieren, um exklusiv und als Erster über die weitere Klage von Spiess-Hegglin zu berichten: «Jolanda Spiess-Hegglin fordert von Ringier Herausgabe des Gewinns.»

Beziehungskorruption vom Feinsten

«Wie jetzt bekannt wird», flunkert Hollenstein, habe sie «gegen Ringier bereits Mitte August eine weitere, umfassende Klage beim Zuger Kantonsgericht eingereicht.» Das «wird» nicht bekannt; er macht’s bekannt. Dann übernimmt er die Begründung seiner Quelle; es dürfe «sich schlicht nicht lohnen, auf dem Buckel von Medienopfern mit Klicks Geld zu verdienen», habe ihm Spiess-Hegglin anvertraut.

Das sieht Jeremias Schulthess, Geschäftsführer der medienkritischen Organisation Fairmedia, auch so: «Wenn die Klage erfolgreich ist, verbessert das Situation der Betroffenen von Medienberichten in der Zukunft massiv», zitiert ihn Hollenstein; in der Eile der vorgezogenen Publikation nicht ganz frei von Rumplern. Fairmedia twitterte bereits 2019 erwartungsfroh: «Hansi Voigt kommt auf weit mehr als eine Million Franken, die Ringier mit der publizistischen Ausbeutung von Spiess-Hegglin verdient habe.»

Beziehungskorruption vom Feinsten. Im Vorstand von Fairmedia sitzt Guy Krneta als Vizepräsident. Krneta machte von sich reden als Initiator der Aktion «Rettet Basel». Die Stadt sollte vor Christoph Blocher gerettet werden; genauer vor dessen Übernahme der «Basler Zeitung». Dagegen wurde mit den Millionen einer Pharma-Erbin das Projekt «TagesWoche» in Stellung gebracht.

Weitere Millionen sind abrufbereit

Der Zwitter zwischen Online-Magazin und Printausgabe verröchelte trotz vielen Millionen sang- und klanglos. Aber wo das Geld herkam, gibt es noch mehr. Jährlich eine Million Franken will die «Stiftung für Medienvielfalt» für ein Nachfolgeprojekt der gescheiterten «TagesWoche» aufwerfen. Da ist Krneta natürlich zur Stelle. Genauso wie Hansi Voigt, der mal wieder ein Konzept erstellte. Damit ist eigentlich nur eins sicher: Auch dieses Projekt wird die jährliche Million locker ausgeben – und irgendwann verröcheln.

Daher hat Voigt offenbar vorausschauend im Dienste von Spiess-Hegglin auf abenteuerliche Weise einen Gewinn von über einer Million Franken durch Artikel über sie bei Ringier herbeifantasiert. Was überraschungsfrei Fairmedia toll findet. Und was Hollenstein seinen Lesern serviert, ohne natürlich auf diese Verbandelungen aufmerksam zu machen.

Auch von Juristerei versteht Hollenstein wenig

Fairmedia will nun die verfolgende Unschuld Spiess-Hegglin «bei ihrem Kampf für Gerechtigkeit weiterhin tatkräftig unterstützen». Krneta, Voigt und Hollenstein: Da bekommt man fast Mitleid mit Spiess-Hegglin. Denn wie schreibt Ringier in seiner ersten Stellungnahme nach der Entschuldigung seines CEO: Es sei zu befürchten, dass «die Vorstellung der Klägerseite über den erzielten Gewinn und die ökonomische Realität des Mediengeschäfts enorm weit auseinander liegen.»

Nicht nur das, in seiner Eile, seinen Primeur so schnell wie möglich herauszuhauen, zeigt Hollenstein, dass er von Juristerei wenig versteht. «Im Juristendeutsch handelt es sich um eine sogenannte Stufenklage», schreibt er mit Kennermiene. Die erste Stufe habe Spiess-Hegglin mit der Verurteilung des Ringier-Verlags wegen Persönlichkeitsverletzung erklommen, «jetzt zündet sie die nächste».

Auf Journalistendeutsch ist das Quatsch. Unsinn. Hollenstein wäre gut beraten, sich von der Anwältin von Spiess-Hegglin mal einen Grundkurs «wie verstehe ich Juristendeutsch» geben zu lassen. Wenn man ins Jufeln gerät, weil man unbedingt die Nase bei der Publikation einer weiteren Stufenklage vorn haben will, passieren natürlich solche Flops.

Alle unterwegs im Neuland

Spiess-Hegglin betrete hier Neuland, schreibt Hollenstein bewundernd. Es ist allerdings zu befürchten, dass dieses Neuland nicht tragfähig ist; zumindest nicht in der Grössenordnung von Hunderttausenden von Franken, die sich offenbar das Opfer, ihre Anwältin, Fairmedia und wohl auch Hollenstein erträumen.

Allerdings, wenn Spiess-Hegglin mehrstufig auf Gewinnherausgabe klagt: Hollenstein hat sich bekanntlich auch schon für fehlerhafte Berichterstattung in seinen Blättern entschuldigt. Auf Juristendeutsch wäre das doch ein Schuldeingeständnis. Hansi Voigt, übernehmen Sie! Was CH Media, also die früheren Lokalzeitungen der NZZ, an Spiess-Hegglin verdient haben, das muss doch auch zurückgefordert werden.

Wenn wir schon dabei sind, weitere Einnahmequellen aufzutun: Hansi Voigt selbst hat sich ebenfalls schon entschuldigt. Für die Berichterstattung in «20Minuten». Da könnte er doch in eigener Sache sozusagen ausrechnen, welche Gewinnherausgabe Spiess-Hegglin zusteht. Schliesslich ist «20Minuten» mindestens so klickstark wie der «Blick». Auch hier kann Voigt locker auf eine weitere Million kommen.

Haltet den Dieb!

Schliesslich schimpft Voigt auf Twitter, in der Hoffnung auf das mangelhafte Kurzzeitgedächtnis der Journalisten: «Blick soll die Beute aus der illegalen «Journalismus»-Orgie herausrücken. Was bei jedem Kaufhausdieb selbstverständlich ist, wird dank Jolanda Spiess bald auch in der Medienbranche gelten.» Allerdings neigen Kaufhausdiebe auch dazu, «haltet den Dieb» zu rufen, um vom eigenen Diebstahl oder der eigenen Orgie abzulenken. Zum Lernen: An dieser «Orgie» war nichts illegal, lieber Herr Dummschwätzer.  Weder in «20 Minuten», noch im «Blick». Vielleicht erklärt Ihnen mal ein geduldiger Mensch, was der Unterschied zwischen einem Zivil- und einem Strafprozess ist.

Oder aber, das Beispiel von Carmen Epp macht Schule. Die entschuldigte sich im Juni 2019 nicht nur öffentlich, sondern kündigte an, dass sie das Honorar, das sie für Ihre Kolumne in der «Medienwoche» gekriegt habe, spende. Davon könnten sich doch Hollenstein, Voigt und alle Entschuldiger eine dicke Scheibe abschneiden! Wir sammeln gerne die Spendenbelege und veröffentlichen sie dann unzensiert.

Geld oder Entschuldigung? Beides!

Seit Jahren verfolgt Jolanda Spiess-Hegglin Medien, die sich ihrer Meinung nach auf Kosten von Opfern bereichern.

Um sich an ihnen zu bereichern?

Schon längst ist sie zur verfolgenden Unschuld geworden. Mit dem Verein «Netzcourage» setzt sie sich nicht nur in eigener Sache ein. Droht nicht nur mit Anzeigen, sondern tut es auch.

Eines ihrer Opfer bittet um Verzeihung und darum, die Klage wegen Ehrverletzung gegen ihn fallenzulassen. Da bleibt Spiess-Hegglin unerbittlich: «Ihre Entschuldigung kann ich leider nicht so ernst nehmen», erwidert sie kühl. Allerdings, vielleicht gebe es doch eine Möglichkeit, nicht bis zu 1500 Franken an den Staat abdrücken zu müssen, «den Strafbefehl und den Registereintrag zu umgehen.» Nämlich mit einer Spende von 1000 Franken an den Verein «The Voice of Thousands».

Rücknahme einer Strafanzeige gegen Spende?

Das war 2016, und Spiess-Hegglin betrat damit mindestens eine Grauzone, um es höflich zu formulieren. Der Verein, der sich der Flüchtlingshilfe widmete, hat Ende Juli dieses Jahres übrigens seine Auflösung bekannt gegeben.

Aber in erster Linie kümmert sich Spiess-Hegglin um ihren eigenen Fall: «Ich möchte einfach, dass meine Ehre und mein Ruf wiederhergestellt werden, die durch Lügen stigmatisiert worden sind. Meine Absicht ist, dass ein weiterer Schreibtischtäter zur Verantwortung gezogen wird.» So begründete sie in «zentralplus» 2017 ihre Klage gegen den damaligen stellvertretenden Chefredaktor der «Weltwoche».

Hollenstein entschuldigt sich

Besonderen Wert legt Spiess-Hegglin darauf, dass sich Medienorgane bei ihr entschuldigen. Das tat schon damals der Publizistische Leiter der «Luzerner Zeitung» Pascal Hollenstein ausführlich: «Jenseits dieser juristischen Auseinandersetzungen kann man festhalten, dass sich einige Medien zu Vorverurteilungen, Ungenauigkeiten und zur Verbreitung zum Teil ungenügend verifizierter Informationen zu Ungunsten von Jolanda Spiess-Hegglin hinreissen lassen haben. Auch dieser Zeitung sind Fehler unterlaufen. Dafür möchten wir uns entschuldigen.»

Allerdings ist Spiess-Hegglin wählerisch, wessen Entschuldigung sie annimmt und von wem nicht. Hollenstein ist inzwischen zu ihrem Sprachrohr denaturiert, das exklusive Meinungshäppchen von Spiess-Hegglin veröffentlicht. Damit das auch richtig klappt, sogar unter Brechung einer gerichtlich angeordneten Sperrfrist für die Berichterstattung über ein neues Urteil in Sachen Spiess-Hegglin.

Spiess-Hegglin hat laut eigenen Aussagen schon mehrere Dutzend Anzeigen eingereicht; in eigener und in fremder Sache. Oftmals würden die dann mit einem Vergleich erledigt; gerne auch mit Spende an ihren oder an andere Vereine ihrer Wahl.

Persönlichkeitsverletzung durch den «Blick»

Besonderer Verfolgung durch Spiess-Hegglin ist der «Blick» ausgesetzt. Der nahm eine Meldung der «zentralschweiz» auf und brachte zur Weihnachtszeit 2014 das sexuelle Rencontre bei einer weinseligen Feier mit den Namen und Fotos der Beteiligten an die Öffentlichkeit. Mit der Frage: Wurde sie geschändet? Denn bei der Fortsetzung des Techtelmechtels in einem Separée könnten k.o.-Tropfen im Spiel gewesen sein.

Daran schlossen sich eine längere Reihe von weiteren Artikeln an, nicht nur im «Blick». Gegen diesen ersten Artikel im «Blick» strengte Spiess-Hegglin eine Klage an. Es handle sich um eine Persönlichkeitsverletzung. Dafür sei ihr eine Genugtuung in der Höhe von 25’000 Franken zu zahlen, zudem solle sich das Boulevardblatt in Form eines vorformulierten Textes auf der Frontseite bei ihr entschuldigen.

Weitere Forderungen auf Gewinnherausgabe behielt sich Spiess-Hegglin vor. Kürzlich entschied das Zuger Obergericht in zweiter Instanz in diesem Zivilprozess. Es bestätigte eine Persönlichkeitsverletzung. Unabhängig von der Richtigkeit der Darstellung im «Blick» gehörten die Ereignisse zur Privatsphäre der Klägerin, zudem habe es kein öffentliches Interesse an der Beschreibung dieses Vorfalls gegeben.

Keine Entschuldigung und gekürzte Genugtuung

Mit der Forderung nach einer Entschuldigung scheiterte die Klägerin allerdings; auch die Genugtuungssumme wurde nochmals gekürzt, auf noch 10’000 Franken. Zudem wurde die Klägerin an den Gerichtskosten beteiligt.

Als dieses Urteil vom Büttel von Spiess-Hegglin bereits 24 Stunden vor Ablauf der Sperrfrist verkündet wurde, liess sie sich so zitieren: «Wir haben nun eine perfekte Grundlage für alles, was noch kommen wird.»

Zunächst kam aber, nach Ablauf der Sperrfrist, eine «aufrichtige Entschuldigung» vom Ringier-CEO Marc Walder. Spiess-Hegglin sei durch die Berichterstattung verletzt worden, und das tue ihm leid. Zuvor hatte sich Spiess-Hegglin noch darüber beschwert, dass es nicht mal eine freiwillige Entschuldigung gebe.

Nun also Gewinnherausgabe

Was wird denn noch kommen? Spiess-Hegglin liess sich vom mehrfach gescheiterten Internet-Guru Hansi Voigt ausrechnen, wie viel Ringier angeblich an seiner Berichterstattung über sie verdient habe. Mit komplizierten Berechnungen, mit denen Voigt absolutes Neuland betrat, kam er auf die beeindruckende Summe von rund einer Million Franken. Zuvor hatte auch er sich bei Spiess-Hegglin entschuldigt, weil Voigt damals bei «20Minuten» natürlich auch an der Erregungsbewirtschaftung dieses Falls mitgemacht hatte. Aber inzwischen ist er offenbar vom Saulus zum Paulus und Frauenversteher gereift.

Das würde also bedeuten, dass Spiess-Hegglin eine Gewinnherausgabe in sechs- oder gar siebenstelliger Höhe fordern könnte. Walder schrieb in seiner freiwilligen Entschuldigung hellsichtig: «Jolanda Spiess-Hegglin wird die Klagen gegen Ringier weiterführen und aufgrund dieser Zeilen nicht fallen lassen.»

Zunächst macht sie sich über die Entschuldigung von Ringier lustig

Was meint Spiess-Hegglin denn zu seiner Entschuldigung, die sie von Anfang an gefordert hatte? Auf Twitter widmet sie Walder einen alten Song der «Toten Hosen». Darin macht sich die deutsche Politband über falsche Entschuldigungen lustig. Persifliert angebliche Entschuldigungen der Polizei und singt selber eine Entschuldigungsarie. Die Botschaft ist klar: Wie schon in der Vergangenheit in anderen Fällen nimmt Spiess-Hegglin dem Ringier-Verlag seine Entschuldigung nicht ab, macht sich sogar lustig darüber.

Während es bei ihren anderen Anzeigen jeweils nur um Kleckerbeträge geht, würde die Gewinnherausgabe im Fall Ringier hoffnungsfroh gewaltig einschenken. Deshalb hat Spiess-Hegglin bereits präventiv, bevor das Urteil des Zuger Obergerichts bekannt war, eine entsprechende Klage eingereicht.

Schon vor dem Urteil des Zuger Obergerichts weitere Klage eingereicht

Um welche Summen geht es da? Nun, um einen Streitwert von «mehreren CHF 100’000». Dabei wird nur die Gewinnherausgabe von 5 «Blick»-Artikeln gefordert, allerdings weitere «Schadenersatz- und Genugtuungssummen» ausdrücklich vorbehalten.

Auf entsprechende Anfragen reagiert ihr Büttel Hollenstein öffentlich. Statt dass Spiess-Hegglin oder er meine Fragen beantworten, publizierte er am Donnerstagabend einen sicherlich schon längst geschriebenen Artikel: Seine Schutzbefohlene «fordert von Ringier die Herausgabe des Gewinns». Angesichts dieser Klage wird auch klar, wieso Spiess-Hegglin versuchen will, die von ihr immer eingeforderte und inzwischen erfolgte Entschuldigung ins Lächerliche zu ziehen. Denn damit fällt eine Flanke ihres Feldzugs gegen Ringier in sich zusammen. Es bleibt nur noch das Finanzielle.

Wie soll die Ebbe in der Kasse behoben werden?

Nun ist durch dieses Urteil zur Persönlichkeitsverletzung, «das nicht eindeutiger sein könnte», wie es sich Spiess-Hegglin schönredet, ein Problem sogar verschärft worden. Spiess-Hegglin bekommt viel weniger Genugtuung als gefordert, auch die Entschädigung für ihre Anwältin fällt magerer aus, und die von ihr per Crowdfunding gesammelten 70’000 Franken sind auch schon längst aufgebraucht.

Selbst wenn Spiess-Hegglin da alles zusammenkratzt, dürfte sie weiterhin auf unbezahlten Rechnungen ihrer für eine forsche Honorarpolitik bekannten Anwältin in der Höhe von sicherlich mindestens 100’000 Franken sitzen.

Also sind sowohl Anwältin wie Mandantin sehr daran interessiert, mittels Gewinnherausgabe die Ebbe in der Kasse zu beheben. Aber auch das ist tricky. Um eine solche Summe wurde in der Schweiz noch nie gestritten. Und ob ein Gericht die abenteuerlichen Berechnungen von Voigt akzeptiert, ist eine weitere Frage.

Geht es ihr einfach nur um Geld?

Die verfolgende Unschuld Spiess-Hegglin ist in einer rechten Bredouille. Die Öffentlichkeit reagiert immer matter auf Neuigkeiten in dieser Affäre ohne Ende. Die Feststellung einer Persönlichkeitsverletzung hat finanziell nicht eingeschenkt. Die verlangte und freiwillig gemachte Entschuldigung von Ringier muss zuerst desavouiert und als unglaubwürdig ins Lächerliche gezogen werden.

Fordert Spiess-Hegglin nun eine enorme Geldsumme, läuft sie Gefahr, dass auch in ihrer Unterstützer-Filterblase der naheliegende Verdacht geäussert wird: Geht es ihr letztlich nicht doch einfach um Geld?

Oh happy Day

Gratis telefonieren, leicht gemacht.

Der 7. Mai 2020 war ein glücklicher Tag im Leben von Jolanda Spiess-Hegglin. Die Swisscom, schrieb sie auf Facebook, habe ihr gerade mitgeteilt, dass ihr Verein «Netzcourage» ein Jahr lang nix für Telefon und Internet bezahlen müsse. Ausserdem habe sie eine schöne Telefonnummer gratis bekommen. «Noch nie», jubelt Spiess-Hegglin, «hat mir die Arbeit eine solche Freude gemacht. Noch nie!»

Auf Nachfrage bestätigte der bundesnahe Betrieb Spiess-Hegglins Angaben. Auf die Frage hin, was das alles für einen Wert hat, schreibt Swisscom: «Das Engagement ist in einem überschaubaren Rahmen.» Was genau abgebucht wurde, weiss wahrscheinlich nicht einmal die Swisscom: «Wir weisen solche Kleinst-Sponsorings und Partnerschaften nicht separat aus.»

Dann wird aber doch noch eine Zahl herausgerückt: «Swisscom hat den Verein Netzcourage lediglich mit Sachleistungen im Wert von ein paar Hundert Franken unterstützt.»

Ein paar Hundert Franken? Zählen wir nach: Die geschenkte Telefonnummer hat gemäss Swisscom einen Wert von 200 Franken, das günstigste Kombiangebot für KMUs (1-5 Mitarbeitende) kostet im Monat 100 Franken. Die Tausendergrenze ist also überschritten. Darauf angesprochen, schlägt Swisscom vor: «Sie können sonst schreiben: «in geringer Höhe.» Vielleicht ist das etwas passender.»