Gesinnungs-Journalismus
Was ist nur aus Nick Lüthi geworden?
Der war früher mal ein unabhängiger Journalist, der die «Medienwoche» herausgab. Sie wurde dann ein weiteres Opfer der aussterbenden Spezies Medienkritik.
Seither verdingt er sich auf persoenlich.com als Redaktor. Hier wird meistens mit Wattebäuschen geworfen. Hier aber nicht. Der leicht unrasierte Herr mit gebleckten Zähnen ist «Martin Steiger, Anwalt und Medienrechtler». Also im Prinzip eine valable Figur, um etwas zum Zuger Skandal-Urteil zu sagen, dass Jolanda Spiess-Hegglin für 4 ehrverletzende Artikel eine Gewinnherausgabe von über 300’000 Franken zusprach.
Der Mann sagt für einen Juristen erstaunliche Dinge. Wieso sei Ringier mit seiner Argumentation nicht durchgekommen?
«Das lag aber auch daran, dass das Gericht auf dem Bundesgerichtsurteil zur Gewinnherausgabe in Sachen Willy Schnyder, dem Vater der Tennisspielerin Patty Schnyder, von 2006 aufbaute und auf die rechtliche Lehre verweisen konnte.»
Damit wäre er bei der Anwaltsprüfung durchgerasselt. Das Bundesgericht hat lediglich den grundsätzlichen Anspruch – im Gegensatz zur Vorinstanz – bestätigt. Es wurde damals, hinter die Ohren schreiben, keine Gewinnberechnung durchgeführt, weil man sich in einem Vergleich einigte.
Dann sollte der Jurist vielleicht die Finger von Finanzrechnungen lassen, denn er hat eine Meinung, aber keine Ahnung:
«Mir erscheint mit Blick auf den begründeten Entscheid plausibel, dass Jolanda Spiess mit ihren finanziellen Forderungen deutlich näher an der Wahrheit lag als Ringier.»
Und was ist mit der abschreckenden Wirkung dieses Fehlurteils? «Nein, ich teile diese Befürchtung nicht.» Dass Verlage damit bedroht sind, dass aufgrund von aberwitzigen Berechnungen Zahlungen in der Region Hunderttausende fällig werden könnten und kritische Berichterstattung unter diesem Damoklesschwert eingeschränkt wäre – nichts Abschreckendes. Da lachen selbst juristisch nicht ausgebildete Hühner.
Aber der Anwalt kann noch mehr, auch inhaltslose Sätze: «Die Medienfreiheit ist kein Freipass für Persönlichkeitsverletzungen.» Hat auch niemand behauptet …
Und dann noch zwei Brüller zum Schluss: «Das Kantonsgericht Zug hat mit seinem Entscheid erst einmal ein bemerkenswertes und lange erwartetes medienrechtliches Präjudiz geschaffen.» Es hat tatsächlich ein Präjudiz geschaffen, das aber so schnell wie möglich korrigiert werden muss, da es auf Luftberechnungen ruht.
Und: «Wenn es alles in allem bei dieser Rechtsprechung bleibt, wird jener Journalismus in der Schweiz, der auf Qualität setzt, erheblich gestärkt.»
Nach diesem juristischen Geplapper kommt allerdings noch eine Fussnote, die genau das Gegenteil beweist. Zum einen, dass Lüthi nicht auf Qualität, sondern auf Gesinnung setzt. Zum zweiten, dass es völlig unter jeder Kanone ist, jemanden als Fachmann zu präsentieren, der mit einer der beiden Parteien verbandelt ist. Es gäbe nun wahrlich genügend Medienanwälte in der Schweiz, die zumindest eine nur fachlich motivierte Meinung abgeben könnten. Aber so?
«Martin Steiger sitzt im Beirat von #NetzCourage, einer Organisation, die Jolanda Spiess-Hegglin gegründet hatte.» Als die Hassleaks nachwiesen, auf welch üble Art JSH gegen ihre Feindin Michèle Binswanger vorging («Drecksarbeit», die Autorin so fertigmachen, dass sie am besten «auswandern» sollte), gingen die tapferen Beiräte auf Tauchstation.
Die NZZ schrieb damals: «Die zitierten Chat-Wortmeldungen sind teilweise krass und lassen sich mitnichten mit Spiess-Hegglins Ansinnen vereinbaren, Hass im Netz zu bekämpfen.»
Nur Steiger verstieg sich auf Anfrage zur Antwort: «Als Beiratsmitglied stehe ich dem Vorstand von #NetzCourage weiterhin mit meinem Fachwissen zur Verfügung: Der Vorstand fragt, ich gebe Rat. Meine Beiratstätigkeit erfolgt ausschliesslich gegenüber dem Vorstand und nicht gegenüber der Öffentlichkeit.»
Nun geht er aber an die Öffentlichkeit, und wie …