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Kollektive Dummheit

Raumschiff Redaktion Tamedia: völlig losgelöst von der Erde …

Besteht die Redaktion des ehemaligen Qualitätsblatts «Tages-Anzeiger» ausschliesslich aus kleinen Major Toms? Wohl schon deswegen nicht, weil nicht einmal die sogenannte Kulturredaktion David Bowie noch kennt.

Aber Schmerz beiseite: wie bescheuert kann man denn sein? Bevor sich da jemand auf die Hinterbeine stellt und in typischer Realitätsblindheit fragt, wie ZACKBUM denn auf eine so beleidigende Frage käme: dagegen setzen wir zwei Zahlen.

78’107 und 213’738. Das ist nicht die Entwicklung des Gehalts der Chefredaktion zwischen 2008 und heute. Das war damals schon höher. Das ist die Entwicklung der Printauflage des «Tages-Anzeiger». In zeitlich umgekehrter Reihenfolge. Denn würden die Beteiligten gute Arbeit abliefern, wäre die Auflage heute höher als 2008.

Jetzt lassen wir mal alles Gedöns von Internet, Inserate, Arglist der Zeiten, allgemeine Krise, Leseunlust, Social Media, neue Informationskanäle und so weiter weg.

Ein Absturz der Auflage um 135’631 Exemplare – und lassen wir grosszügig die an Flughäfen und anderswo verteilten Gratisexemplare weg – ist ein Desaster. Eine Katastrophe. Seit 2007 ist Pietro Supino VR-Präsident von Tamedia, dann von TX. Seither heisst er vornehm «Executive Chairman».

Supino war auch von 2016 bis 2022 Präsident des Verbands Schweizer Medien. Obwohl er höchstselbst zum Griffel griff und in einem Kommentar (so viel zur strikten Trennung von Redaktion und Verlag) die Vergabe von einer Milliarde Steuergelder an reiche Medienclans befürwortete, schiffte das Vorhaben an der Urne ab. Dafür hatte nicht zuletzt die Ausschüttung einer Sonderdividende an den geldgierigen Coninx-Clan gesorgt.

Der Mann fällt auch immer wieder durch ruppige Eingriffe in die redaktionelle Freiheit auf, was auch nicht gerade zur Steigerung der Glaubwürdigkeit seiner Organe beiträgt.

Er schaut dem Wirken und Wüten einer oberhalb ihrer Liga spielenden Damenriege in der Führungsetage von Tamedia tatenlos zu. Was Jessica Peppel-Schulz, Raphaela Birrer und die publizistische Leiter nach unten Simon Bärtschi hier anstellen, ist bodenlos. Visuell wird das durch das völlig verunglückte Redesign des Online-Auftritts sichtbar gemacht, nachdem sich der verantwortliche AD Knall auf Fall wieder nach Berlin abseilte.

Inhaltlich ist das Errichten von Paketverteilungsstationen, eine fürs Digitale, eine für Print, das wohl unsinnigste Newsverarbeitungssystem, das einem einfallen kann.

Inhaltlich sorgt diese Mitteilung für Lachsalven unter den verbleibenden Lesern:

«In eigener Sache. Die Trennung von Berichterstattung und Kommentierung gehört zu den Kernprinzipien unserer Redaktion.»

Ob das all die Losers, Toblers, Reichens, all die Genderstern-Apologeten, Trump-Hasser, Putingegner, also fast alle Journalisten, die die Zeilen füllen, von nah und von ferne aus München, auch mitgekriegt haben?

Wenn das zu den «Kernprinzipien» (was sind eigentlich die anderen?) gehören soll, dann ist diese Redaktion prinzipienlos.

Aber das alles erklärt restlos, wieso die Printauflage auf genau 36,54 Prozent der ehemalige Höhe abgesackt ist. Es erklärt aber nicht, wieso dieses Katastrophe keine ernsthaften Konsequenzen hatte.

Gut, Supino als Mitglied des Coninx-Clans ist unkaputtbar. Daran ändert auch seine Personalpolitik leider nichts. Einen Schwätzer wie Mathias Müller von Blumencron, diesen Digital Native, zum interimistischen Leiter Publizistik zu machen, wo er unter anderem die Totgeburt eines «Verkehrsmonitor» (abgekupferte Idee vom Berliner «Tagesspiegel») zu verantworten hatte, abenteuerlich. Eine Frau zum CEO vom schlingernden und lecken Schiff Tamedia zu machen, die bislang bei einem Lifestyle-Kleinverlag kurz Karriere machte, bis sie sich wieder in ein Sabbatical verabschiedete, abenteuerlich.

Zuschauen, wie die ein Jahr lang schweigt oder einen Avatar für sich sprechen lässt, um dann die wohl unsinnigste Neuordnung eines Medienkonzerns zu verkünden, mitsamt 90, ähm 55, ohalätz, 17, eigentlich 21 Kündigungen, absurd.

Den begabten Oberchefredaktor Arthur Rutishauser wegen des hysterischen Protests von 78 erregten Tamedia-Redaktorinnen und ihren unbewiesenen Behauptungen abzusägen und zum Chefredaktor ohne Redaktion zu machen, bescheuert.

Jeden Egotrip, jede Bauchnabelschau, jede strenge Zurechtweisung der Welt durch frustrierte und leichtbemittelte Schreiber (generisches Maskulin) zuzulassen, während alle, die können, das Weite suchen – tödlich.

Rücksichtslos das Grundprinzip des erfolgreichen Journalismus über Bord werfen «beim Schreiben an den Leser denken», das lässt den Begräbniszug Fahrt Richtung Grab aufnehmen.

Oder in einem Bild: Der Tanker leckt und tropft aus allen Löchern, die Passagiere springen wie Lemminge von Bord, im Maschinenraum tasten sich die Arbeiter nach Wehwehchen ab, statt zu heizen. Auf der Kommandobrücke herrscht wildes Durcheinander, der Kapitän hat sich zum Geldzählen in seine Kajüte zurückgezogen. Wer an Bord bleibt, wird für immer mieseren Service mit immer höheren Preisen abgezockt.

Dagegen war die Titanic eine zweckrational gesteuerte Veranstaltung, bei der der Kapitän immerhin mutig mitunterging. Das wird bei Tamedia nicht der Fall sein. Auch bei TX nicht.

Aber wenn dann beim Begräbnis Krokodilstränen vergossen werden, alle Verantwortlichen beteuern, dass sie alles versucht hätten, nichts dafür könnten, die Umstände, die Zeit, die Welt, der Klimawandel daran schuld seien, dann soll fürs Protokoll hier festgehalten werden:

Alles gelogen. Das Desaster ist hausgemacht. Es sind nicht die Umstände, es ist das krachende Versagen der Führung. begleitet von einem dissonanten Redaktionsorchester, wo jeder erste Ego-Geige spielen will und Publikumswünsche konsequent ignoriert werden.

Fauler Zahlenzauber

Wie viele Entlassungen gibt es nun bei Tamedia?

Es ist sicherlich der heikelste und sensibelste Aspekt der verunglückten neuen Strategie, die eine sichtlich überforderte CEO Jessica Peppel-Schulz zusammen mt der publizistischen Leiter nach unten Simon Bärtschi ausgeheckt hat.

Überforderung zeigt sich häufig in Ruppigkeit. So erfuhren die Redaktoren des «Züritipp» zeitgleich mit der Öffentlichkeit, dass ihr Magazin – entgegen anderslautenden Behauptungen – eingestellt wird.

Während inzwischen mehr als 300 Kommentarschreiber gegen das verunglückte Redesign toben (form follows function, schrieb einer ironisch, Weissraum steht für Inhaltsleere), hat es keiner der Entscheidungsträger bislang über sich gebracht, dazu etwas zu sagen. Offensichtlich gilt das Prinzip von Supino abwärts: Augen zu und durch, die regen sich dann schon wieder ab.

Abr zum wahren Tollhaus wird die Übung durch den Zahlensalat, wie viele Kündigungen es denn nun gibt – und wer über die Klinge springen muss. Letzteres ist immer noch nicht bekannt, also darf jeder Redaktor weiter an den Fingernägeln knabbern.

Zunächst war die Rede von 90 mal Rausschmiss, ein gewaltiger Aderlass, ein wahres Massaker. Bedauerlich, aber unvermeidlich. Dann, Wunder gibt es immer wieder, sei nur 55 mal Feuern nötig. Sozusagen eine gute Nachricht, in Wirklichkeit eine Bankrotterklärung.

Aber die geht noch weiter. 55? Ach was, April, April im Oktober, es seien dann nur ganze 17 Vollzeitstellen. Das sind noch rund 16 Prozent der ursprünglichen Zahl. Ein Desaster.

Nun muss auch diese Zahl korrigiert werden: «Wie sich auf Nachfrage der WOZ nun herausstellt, ist dies nicht korrekt. Tatsächlich streicht Tamedia 17 Vollzeitstellen, die Anzahl der Kündigungen ist mit 25 deutlich höher.»

Zudem fährt das Blatt fort: «Offenkundig sehen viele Journalist:innen auf den Redaktionen von Tamedia – darunter gerade hochqualifizierte, wie mehrere Quellen unabhängig voneinander bestätigen – keine erträgliche Perspektive mehr im Unternehmen. Die Unsicherheit in der Belegschaft sei riesig. Die Geschäftsleitung will das nicht wahrhaben.»

Besonders bemängelt wird der schnoddrige Umgangston, eine zynische Begriffswahl und völlig abgehobene Aussagen der CEO wie: «Das Interesse am angebotenen Freiwilligenprogramm und die Solidarität haben uns überwältigt.»

In Wirklichkeit, wie auch ZACKBUM aus verschiedenen Quellen weiss, teilt sich die Redaktion schlichtweg in zwei Gruppen. Die eine, die noch Chancen auf dem freien Markt sieht und nix wie weg will. Und die andere, die sich keine Hoffnung macht und unbedingt auf ihrem Stuhl sitzenbleiben will. Beide Gruppen sind völlig demotiviert und versuchen, mit Dienst nach Vorschrift über die Runden zu kommen. Und ja nicht aufzufallen.

So traut sich auch intern keiner, das verunglückte Redesign, gegen das der Leser Sturm läuft, auch nur leise zu kritisieren. Dabei ist es offenkundig, dass es unbrauchbarer Schrott ist. Eine misslungene Kopie der NZZ, hergestellt von Inkompetenten, umgesetzt von Programmierern, die einfach Anordnungen ausführen – und begleitet von so vielen Chefs und Häuptlingen und ahnungslosen Wichtigtuern, dass kein strukturiertes Arbeiten möglich war.

Fast 40 Nasen sollen an diesem Absturz beteiligt gewesen sein. Das bedeutet: keiner ist schuld, keiner fühlt sich verantwortlich, für jeden gilt: SOS, save your own ass.

Dementsprechend ist auch das Dargebotene im Kopfblättersalat. Tragisch dabei, dass Tamedia immer noch mehr als eine Million Leser damit quält. Oder wie heisst es so schön im Slogan: «Tamedia. Mehr als die nächste Schlagzeile.» Das ist leider wahr.

 

Protestchen

Kläglich, ist das alles kläglich.

Die Redaktion von Tamedia greift zum Äussersten. Sie streikt? Ach was. Sie demonstriert? I wo. Sie besprayt das Glashaus mit Parolen gegen Supino? Niemals. Sie lässt leere Seiten erscheinen? Chasch dänke. Sie verklebt die Türen der Chefs? Hu, hu.

Nein, der «Protest der Tamedia-Redaktionen» ist mindestens so kläglich wie die Performance der Chefetage. Pietro Supino: Tauchstation. VR? Tauchstation. CEO Jessica Peppel-Schulz? Tauchstation. Publizistische Leiter nach unten Simon Bärtschi? Tauchstation. Chefredaktorin Raphaela Birrer? Tauchstation.

Die Leser toben und schimpfen über das verunglückte Redesign des Internet-Auftritts? Tauchstation, keiner antwortet, keiner erklärt, es wird nur kommentarlos vieles gar nicht publiziert.

Kläglich.

Und die Redaktion? Ballt die Faust im Sack und hat sich einen grossartigen Protest einfallen lassen. Da alle ihre tapferen Reaktoren zu feige sind, selber zu protestieren, wollen sie Prominente das erledigen lassen. Ein kleines Video mit Protestnoten wird zusammengeschnipselt.

Protesthämmerchen bei Tamedia.

Nur: ganze 20 Nasen konnten dazu motiviert werden, mehr oder minder gelinde Kritisches zu sagen. Mit wenigen Ausnahmen alles B-, C- und Überhaupt-nicht-Promis. Neben den usual suspects, die überall die Birne reinhalten, wenn eine Kamera läuft. Also Gerhard Pfister, Vinzenz Wyss, Daniel Leupi oder Mario Fehr oder Mattea Meyer. Badran? Aber sicher.

Auch eine «ZSC-Legende». Oder Lara Stoll. Lara who? Oder Michael Hermann. Seitdem der keine Kolumne bei Tamedia mehr hat, traut er sich was.

Aber sonst? Irgend ein Opinion Leader? Ein Schwergewicht? Jemand, bei dem man sagen müsste: aber hallo, wenn der auch protestiert, ist aber Feuer im Dach.

Nichts, nix, nada.

Kläglich.

Das – und ein pflaumenweiches Protestschreiben – ist alles, was die tapfere, meinungsstarke, nie um Ratschläge für andere verlegene Redaktion zustande kriegt. Muss sich da die Chefetage fürchten? Ja, aber höchstens davor, sich bei einem Lachanfall zu verschlucken. Oder davor, bei einer staatstragenden Antwort («verstehen gut, nachvollziehbar, aber eben, was muss, das muss») nicht laut herauszuprusten.

Neuer Rekordversuch auf der Bärtschi-Peinlichkeitsskala. Soll eine Gesamtnote für alle Redaktoren vergeben werden, ist das eine glatte 100. Milde gemessen.

 

Aussen und innen

Seltener Einblick in die Führungsstruktur von Tamedia und TX.

2,4 Millionen Franken kassiert der Verwaltungsrat von TX im Jahr; alleine Pietro Supino räumt 1,71 Millionen ab. Fachkompetenz von Pascale Bruderer und Co.: null. Darunter die «Gruppenleitung». Mit Ursula Nötzli und Co. Mediale Kompetenz: null.

Oder nehmen wir Jessica Peppel-Schulz, Geschäftsführerin von Tamedia. Hat das Betriebsergebnis (Ebit) mal kurz halbiert. Zwischen ihren «Sabbaticals» war sie CEO bei Condé Nast. Umsatz schlappe 50 Millionen im Jahr. Zuvor arbeitete sie bei einer Digitalagentur, die Umsätze im niedrigen zweistelligen Bereich machte, bevor sie aufgekauft wurde. Beste Voraussetzungen, in einem Milliardenkonzern erfolgreich die Weichen zu stellen.

Oder nehmen wir Simon Bärtschi oder Raphaela Birrer. Strategische Fähigkeiten: null.

Andere Nullen kamen und gingen. So wie wie Digital-Crack Müller. Pardon, Müller von Blumencron. Der war bislang der grösste Windmacher im Bereich Digitalstrategie. Zog unter Hinterlassung eines Müllerbergs von Managersprachhülsen von dannen. Seine grossartige Idee «Verkehrsmonitor», die er in Berlin abgekupfert hatte und die mit grossem Gedöns angekündigt worden war, überlebte nicht mal das erste Jahr.

Was all diese Nullen im stillen Kämmerlein machen, ausser wichtige Reden schwingen und auf den Lunch warten, das weiss man nicht. Aber an ihren Taten sollt ihr sie erkennen (1. Johannes 2,1-6).

Wenn ZACKBUM hier die Bärtschi-Peinlichkeitsskala anwenden sollte, dann wäre das so, wie wenn man ein Thermometer in kochendes Wasser steckt. Es lupft den Deckel, und die Säule spritzt oben raus. Jeder Einzelne hier übertrifft die stabile 10, die Bärtschi selber hinlegt. Alle zusammen, au weia.

Bei TX läuft’s soweit rund, der weitverzweigte Coninx-Clan kann sich über Dividenden und Extradividenden freuen. Nur bei einem Profitcenter in der Holding hapert es: bei Tamedia. Kein Wunder, «20 Minuten» wurde ausgegliedert, zu erfolgreich. Die Einnahmebringer Plattformen für Stellen, Miete, Autos und Kleinanzeigen wurden ausgegliedert, obwohl sie durch den Tagi gross geworden waren. Seither fehlen ihre Einnahmen schmerzlich.

Was übrigbleibt, ist ein trauriger Haufen von zusammengekauften Zeitungen. Die rausgehauene runde Milliarde dafür ist eine grandiose Fehlinvestition. Was tun?

Da wäre nun tatsächlich Führungsqualität gefragt. Denn es kann ja nicht sein, dass es für den Kopfsalat von Tamedia-Titeln keine Nachfrage gäbe. Tagi, BaZ, Berner Zeitung, Bund, das sind alte, traditionelle Titel, die eigentlich das Informationsbedürfnis von genügend Lesern befriedigen könnten, die auch bereit wären, dafür etwas zu zahlen.

Was aber Tamedia macht, muss man übertragen, um den Wahnsinn sichtbar zu machen. Das ist, wie wenn ein Grossverteiler werben würde mit:

Wir müssen sparen, Sie nicht. Daher Milch, neu. Halber Liter zum Preis von einem. Hässlichere Verpackung, und die Milch ist grün. Schmeckt aber qualitativ viel besser.

Käme dort jemand auf diese hirnrissige Idee, würde er vorsichtig weggeführt in einen gepolsterten Raum, wo die Türe innen keine Klinke hat.

Aber genau das haben all die Cracks bei TX, von Supino abwärts und abwärts, mit Tamedia angestellt. Als ob sie mit Anlauf und absichtlich das Teil gegen die Wand fahren wollten. Wie betont man die Wichtigkeit von Print? Indem man die Druckerei schliesst und 200 Drucker rausschmeisst. Wie demotiviert man eine Redaktion? Indem man das grosse Rausschmeissen ankündigt, einen Monat keine Namen nennt, aber die Zahl verkleinert und verkleinert und am Schluss bei 17 landet.

Wie macht man den Werbekunden und den Leser gleichzeitig sauer? Indem sein Inserat blöd in den redaktionellen Teil reinlappt.

Wie macht man den Leser sauer? Indem man ein unnötiges und verunglücktes Redesign macht, als habe man noch nie von Responsive Design gehört und als ob viel Leere online ein Asset wäre. Oder wie formuliert das ein Kommentator so sarkastisch wie richtig: «Form follows function, oder Weissraum betont Inhaltsleere».

Um sich das Ausmass des Problems klar zu machen: über all diese Kopfschüsse haben sich monatelang wichtige Gremien gebeugt. Es wurden unzählige PPP vorbereitet, wichtige Sitzungen abgehalten, Tickets gezogen, Entscheidungsbäume gemalt. Reisli unternommen, Berater hinzugezogen, Cracks angemietet. Feuchte Finger in die Luft gestreckt. um Leserreaktionen zu antizipieren.

Und dann wurden zwei Paketverteilungsstationen eingerichtet. Eine fürs Digitale, eine für Print. Eine Fehlgeburt von Anfang an. Als nächster Streich wurde die Verpackung verändert. Katastrophe.

Ach, und der Inhalt, Pardon, der Content? Bauchbespiegelung, inkompetentes Gewäsch, deutsche Perspektive aus München in Schweizer Zeitungen, Meinungsjournalismus, Kulturbanausen titeln «Bertold Brecht» und niemand merkt’s in diesem Qualitätsorgan. Die würden nicht mal merken, wenn es «Dages-Anzeiker» hiesse.

Wird das Konsequenzen in der Chefetage haben? Niemals.

Und was kommt raus? Sagen wir es mit Thomas Mann (wer das ist, erklären wir der Kulturredaktion ein andermal). Der schilderte die Schreibwerkstatt von Lion Feuchtwanger (wer das ist, erklären wir Nora Zukker …, but it’s hopeless): wie wunderbar sei die organisiert. Sekretärinnen übertragen die überarbeiteten Fassungen auf verschiedenfarbige Papiere, gespitzte Bleistifte und Buntstifte liegen bereit, der grosse Meister diktiert und korrigiert, beeindruckend.

Im kleinen Kreis fuhr Mann fort: Und was kommt dabei heraus? Nur Scheisse.

 

Ri-hi-hi-design

Vernichtende Leserreaktion auf das verunglückte Redesign bei Tamedia.

Sicher ist der Leser ein Gewohnheitstier und steht allem Neuen misstrauisch gegenüber. Aber eine dermassen einhellige Ablehnung, ein Verriss einer neuen Online-Gestaltung ist dann doch beeindruckend. Die Kommentare schwellen an, und abgesehen von zwei, drei positiven Rückmeldungen ist der Grundtenor glasklar: so ein Scheiss.

Auch hier zeigt Tamedia, was Amateurliga beim Moderieren ist:

Also ein erster Kommentar wurde spurlos gespült. Aber der nächste, der darauf hinweist, wird publiziert. Grossartig.

So verschenkt Tamedia den wertvollen Platz ganz oben.

Beim Tagi hat Oberchefredaktorin Raphaela Birrer ihr tiefes Schweigen unterbrochen und das neue Design angepriesen. Vielleicht hätte sie aber den Leser nicht um seine Meinung fragen sollen, denn die ist eindeutig. Natürlich wurde das neue Design für alle Kopfsalatblätter übernommen. Aber bei der BaZ verzichtet man schlichtweg darauf, dem Leser etwas Hilfestellung zu geben. Nimm’s oder lass es, scheint hier die Devise zu sein.

In der «Berner Zeitung» übernimmt Wolf Röcken die Ankündigung «Willkommen bei der neuen «Berner Zeitung»». Der Berner ist bekanntlich langsamer als der Zürcher. Während hier der Kommentar-Bär tobt, haben sich nur eine Handvoll Kommentatoren auf die BZ verirrt. Auch hier ist die Meinung, mit einer einzigen Ausnahme, klar: «mehr Übersicht? Sie belieben zu Scherzen Herr Röcken! Werde wohl mein Digital-Abo nicht mehr verlängern.»

Allerdings hat Tamedia die Gelegenheit benutzt, am gleichen Tag noch eine andere Meldung zu platzieren, die noch skandalöser als das neue Design ist. Es würden nun lediglich 17 Redaktoren entlassen; neun in der Deutschschweiz, acht in der Romandie.

Wieso Skandal, das ist doch eine gute Nachricht, oder? Für die Nicht-Entlassenen sicher, sonst nein. Da wird ein Jahr lang über einer neuen Strategie gebrütet, dann wird ein faules Ei gelegt. Die publizistische Leiter nach unten Simon Bärtschi bezieht kräftig Prügel, weil er die Ankündigung von 90 Entlassungen (plus 200 Drucker, wohlgemerkt) mit der Behauptung verbindet, das sei eine Weichenstellung für mehr Qualität.

Man könnte annehmen, dass Jessica Peppel-Schulz lange hat rechnen lassen, bis es unausweichlich klar schien, dass 90 Nasen entlassen werden müssen. Dann aber schon mal Entwarnung; ach, 55 Rausschmisse reichen auch. Und nun, nachdem man die Redaktion über einen Monat auf kleinem Feuer röstete, die völlige Entwarnung: sind dann bloss 17.

Wer dermassen fahrlässig mit den Zahlen in einem so sensiblen Bereich jongliert, wie kompetent ist der dann überhaupt bei Zahlen? Und bei allem anderen?

Die stetige Schrumpfung der Zahl der Entlassungen sei unter anderem auch der Tatsache zu verdanken, dass es zahlreiche «freiwillige Abgänge» gegeben habe. Mit anderen Worten: seitdem das Tandem Peppel-Schulz und Bärtschi die völlig verunglückte «strategische Weichenstellung» verkündete, hat jeder, der auf dem freien Markt noch eine Chance sieht, das Weite gesucht. Also nicht die Schlechtesten. Und der Exodus ist noch lange nicht zu Ende. ZACKBUM weiss mehr, sagt es aber nicht.

Wenn man insgesamt so fachkundig wie bei dem Gaga-Redesign ist, das ja visueller Ausdruck der «strategischen Neuausrichtung» sein soll, dann gute Nacht.

Normalerweise geht einer solchen visuellen Veränderung ein ausführliches Testing voraus. Zielgruppenorientierte Umfragen, plus jede Menge A/B-Tests. Wenn die durchgeführt wurden, wie kann es dann sein, dass die Leserschaft, repräsentiert durch tobende Kommentatoren, den Neuauftritt so massiv ablehnt?

Das führt zum düsteren Verdacht, dass eine solche Markforschung gar nicht stattfand. Sondern das Design aus Deutschland, die Programmierung aus Belgrad und das Reinreden der Ober-Chefredaktion genügte sich selbst.

Dabei hätte man nur einen Blick auf die Webseite der NZZ werfen müssen. Die hat nämlich all die Probleme, unter denen der Neuauftritt von Tamedia leidet, längst gelöst. Nur wäre ein copy/paste natürlich zu peinlich gewesen. Aber immer noch besser als gewollt, aber nicht gekonnt:

Eigentlich ist es typisch Journalismus. Dass das Gericht dem Gast und nicht dem Koch schmecken muss, das hat sich hier noch nicht herumgesprochen. Jeder Anbieter eines Produkts macht umfangreiche Markttests, wenn er daran etwas verändern will. Angefangen bei der Frage, ob das überhaupt nötig ist. Dann wird getestet, ob die neue Verpackung auf Zustimmung oder Ablehnung stösst. Kein zurechnungsfähiger Verkäufer würde sagen, wenn die Ablehnung einhellig ist: pah, gewöhnt euch dran, oder lasst’s halt, ist mir doch egal.

Publizistische Spitzenkräfte sagen das aber. Das hat mehrere Gründe. Kein Mitglied der Chefetage auf Zeitungsebene bei Tamedia hat auch nur die geringste Ahnung von Marketing oder Verkaufe. Der Redaktor noch viel weniger, der will dem Leser einfach seine Meinung und Weltsicht aufs Auge drücken. Und CEO Peppel-Schulz hat auch noch nie in dieser Liga gespielt.

Aber da gäbe es noch einen weiter oben, der eine Notbremsung hätte vornehmen sollen. Aber Pietro Supinos Problem ist: er muss von schwachen Figuren umgeben sein. Nur so fällt weniger auf, wie inkompetent er selbst ist. Oder aber, das wäre ihm zuzutrauen, seine Absicht ist eine ganz andere.

Indem er Tamedia inhaltlich verludern lässt, zusieht, wie der einzige kompetente Chefredaktor seiner Redaktion beraubt wird, dieses Krüppel-Redesign durchwinkt, beschleunigt er den Niedergang dieses Profitcenters innerhalb von TX, das nur minimalen Gewinn erwirtschaftet. Je schneller es bergab geht, desto schneller kann Supino mit dem Ausdruck höchsten Bedauerns verkünden, dass TX leider nicht mehr in der Lage sei, seine gesellschaftlich bedeutende Funktion als Vierte Gewalt weiter auszuüben.

Das täte nun wirklich weh, aber alles hat ein Ende, nur die Wurst hat zwei. Also Ende Gelände für Tagi & Co., so sorry. Dann wischt er sich ein paar Krokodilstränen ab, lässt sich in seine Villa kutschieren und öffnet eine Flasche Krug. Oder zwei.

Heisse Luft dreschen

Die neue Paradedisziplin bei Tamedia.

Simon Bärtschi bekommt ernsthafte Konkurrenz, bleibt aber Taktgeber für die Bärtschi-Peinlichkeitsskala. ZACKBUM vergibt hierfür eine glatte 15:

Riesige Freude, Startschuss, gemeinsam, innovativ. Kein Manager-Bullshit-Buzzword darf hier fehlen, wenn der «Chief Revenue Officer & Member of the Executive Board at Tamedia» Marc Isler in die Tasten greift. Nicht einfach Board, you know, but Executive Board, you know. Nur, worum ging es eigentlich?

«Unsere CEO Jessica Peppel-Schulz, zusammen mit Simon Bärtschi, Leiter Publizistik, und Philipp H. Mankowski, zukünftiger Tamedia Advertising CEO, haben erläutert, wie wir das grösste privat finanzierte Redaktionsnetzwerk der Schweiz in die digitale Zukunft führen wollen.» Samt Beweisfoto:

Ist das nicht wunderbar? Das der New York Times abgekupferte T. Daneben der Name einer CEO, die ein Jahr lang über der wohl peinlichsten Neustrategie des an Peinlichkeiten nicht armen Konzerns brütete. Leider hat sich kein Frechdachs getraut, ihren Namen zu Plapper-Schulz, wie sie intern genannt wird, zu verklaren.

Aber, der Höhepunkt, es sieht ganz danach aus, als ob Klapper-, Pardon, Peppel-Schulz höchstpersönlich auf der Bühne stand und nicht etwa einen Avatar vorweggeschickt hatte.

Ach, und dieser Sympathieträger war auch da:

Simon Bärtschi, der wandelnde Peinlichkeitsfaktor 10.

Aber lassen wir diese Äusserlichkeiten, kommen wir zum Inhalt. Wie wollen diese kompetenten Fachkräfte denn «das grösste privat finanzierte Redaktionsnetzwerk der Schweiz», das allerdings ständig zwecks Qualitätssteigerung schrumpft, «in die digitale Zukunft führen»?

«Dabei haben sie einen ersten Ausblick gegeben, wie Tamedia Advertising neben klassischen Werbeformaten und Performance-Modellen kreative Lösungen konzipieren will, um die Zielgruppen in der gesamten Schweiz zu begeistern.»

Aha, gibt es diese heisse Luft noch konkreter?

«Philipp Mankowski: “Unser Ziel ist es mit unserer neuen Aufstellung und der Nähe zu unseren Produkten, unsere Partner zu begeistern, mit uns neue Wege zu gehen und ihre Werbebotschaften noch effizienter in einem hochwertigen, attraktiven Umfeld zu platzieren.»

ZACKBUM wiederholt ermattet die Frage …

Aber vielleicht hilft da die Webseite von advertising.tamedia; dort wird hoffentlich erklärt, wie weit die Beine gespreizt werden:

Nehmen wir mal den «Case: Berner Zeitung». Was gibbs da?

«Stellen Sie sich vor: Sie können in einem hochwertigen Umfeld die Reichweite Ihrer Social Media Kampagne verlängern und dabei eine beeindruckende Wirkung erzielen.
Wir bieten Ihnen die Möglichkeit, Ihre Social Media Story nahtlos auf einem speziell dafür angedachten Halfpage Ad in unseren reichweitenstarken News-Medien zu platzieren.
Dabei können Sie nicht nur Ihren ursprünglichen Social Post verlinken, sondern auch weitere Ziel-URLs einbinden, um die Performance Ihrer Kampagne optimal zu steigern.
Auf allen digitalen Plattformen der Tamedia buchbar

Mit anderen Worten: wir rücken Ihre Werbebotschaft so nahe an den redaktionellen Content wie das die Weko noch knapp schluckt.

Und wie sind die begeisterten Reaktionen des Publikums auf LinkedIn? Zwei Schleimer, die sich zukünftige Geschäfte versprechen:

«Danke Tamedia, dass wir Euch unterstützen durften!» Oder: «Die Firma Tamedia, oder TX Group, vor allem das grösste privat finanzierte Redaktionsnetzwerk der Schweiz verdient viel Gratulation.»

Aber einer, der nicht von Tamedia abhängig ist, bringt’s auf den Punkt: «Aucun avenir. Du vent.» Offensichtlich ist Tamedia seit dem neusten Zusammenholzen in der Romandie zweck Gewinn-, Pardon, Qualitätssteigerung nicht sonderlich beliebt.

Kurt Tucholsky hat mal ein wunderschönes Stück geschrieben, wie ein kleines Kind mit der wiederholten Frage nervt, wie denn die Löcher in den Käse kommen. Die Erwachsenen versuchen sich in gewichtigen Erklärungen, bis sie aufgeben und das quengelnde Kind ins Bett schicken.

Bei diesem Heissluftfön-Event fragt sich der erwachsene Betrachter allerdings auch vergeblich: WIE soll nun Tamedia, T oder «Tages-Anzeiger» (man weiss ja nie, wie das Ding gerade heisst) in die Zukunft geführt werden? In der Schlussszene von «Touch of Evil» fordert Orson Welles die als Wahrsagerin verkleidete Marlene Dietrich auf, sie solle für ihn Karten legen und seine Zukunft vorhersagen.

Dietrich nimmt einen tiefen Zug aus der Zigarette, blickt ihn unnachahmlich an und sagt: «Du hast keine.»

Statt all der Wichtigtuerei und dem inhaltsleeren Gequatsche hätte man im Kunsthaus besser diesen grossartigen Film gezeigt. Er hat auch nichts mit der Zukunft von T zu tun. Unterhält aber ungemein.

Betrachtung einer Ruine

Rauchzeichen aus der Trümmerlandschaft Tamedia.

Es mag sein, dass es eine wirtschaftliche Notwendigkeit dafür gibt, Dutzende von Mitarbeitern zu entlassen. So ist das im Kapitalismus. Wenn ein Angebot nicht mehr auf genügend Nachfrage trifft, wenn sich aus technologischen oder anderen Gründen die Einkommensquellen verändern, dann muss das Businessmodell angepasst werden.

Das ist der Lauf der Dinge.

Das ist bei Tamedia anders. Hier ist den Newsmedien willkürlich ihre Haupteinnahmequelle weggenommen worden, während ihnen gleichzeitig absurde Renditeziele vorgegeben wurden. Hier hat ein unbegabter, aber unkaputtbarer Boss wie weiland die Swissair Schrottairlines Zeitungen ohne Sinn und Verstand zusammengekauft. Der Investition von einer runden Milliarde steht ein lächerlicher Ertrag gegenüber.

Der Versuch, lokal verankerte Zeitungen in Bern, Basel und Zürich aus einem Eintopf zu bedienen, ist kläglich gescheitert. Versprechen wie das, die «Berner Zeitung» und den «Bund» niemals nicht zu fusionieren, wurden kaltlächelnd gebrochen.

Hier durfte Simon Bärtschi sein Gesellenstück abliefern, wie man so etwas kaltblütig durchzieht.

Wenn aufgrund solcher krachender Fehlentscheidungen und einer selten blöden Personalpolitik schmerzliches Rausschmeissen angesagt ist, wird das Können der Führungsfiguren auf die Probe gestellt. Schönwetterkapitäne haben’s leicht. Aber wenn Leichtmatrosen und Schwachmate in einer Krise am Steuer sind, dann sinkt die Stimmung in der Mannschaft auf den Nullpunkt.

Pietro Supino lässt sich am besten nicht blicken. Jessica Peppel-Schulz hat angeblich ein Jahr lang nachgedacht – selten ist etwas so Lächerliches und Verpeiltes und Unverständliches als neue Strategie präsentiert worden. Den Zuschauern wurde es schwindlig vor Kopfschütteln. Der als Terminator vorgesehene Simon Bärtschi zeigte sich inkompetent, uninformiert, reihte Flop an Flop. Die Redaktion des «Züri Tipp» erfuhr zeitgleich mit Öffentlichkeit und so nebenbei, dass sie über die Klinge springen muss. Nur so als Beispiel. Unglaublich.

Mit seiner «Weichenstellung für Qualitätsjournalismus» schuf Bärtschi einen Lachschlager, der ihn für Positionen ausserhalb von Tamedia untauglich macht. Denn wer möchte so einen in leitender Stelle beschäftigen.

Die vier Nasen in der Chefredaktion fallen durch Unauffälligkeit oder ärgerliche Kapriolen auf. Die Oberchefredaktorin, ihre beiden Beisitzer, die «Digital Storytelling»-Nulpe Kerstin Hasse, neben aller Verunsicherung durch die angekündigte Massenentlassung muss die Mannschaft auch noch solche Leitfiguren aushalten.

Wer für rund 120 Indianer rund 50 Häuptlinge beschäftigt (wenn man alles bis hinunter zum stellvertretenden Irgendwas als Kopfschmuckträger zählt), macht sowieso etwas falsch. Hier könnten ganze Hierarchiestufen, ganze Abteilungen eingespart werden. Das wird aber nicht geschehen.

Alleine die Existenz eines Chefredaktors ohne Redaktion ist ein Witz, ein Hohn für Arthur Rutishauser, der gerade die SoZ wieder flottmachte und als Dank aufs Abstellgleis geschoben wurde. Nicht zuletzt, weil seine Leistung die anderen Pfeifen noch schlechter aussehen liess.

Es trennt sich die Spreu vom Weizen. Wer kann, verlässt das sinkende Schiff. Wer nicht kann, tritt von leitenden Positionen zurück, weil er die Exekution weiterer Entlassungen nicht mehr erträgt. Oder er opfert sich selbst wie der ehrenhafte Nik Walter.

Wer nicht kann, weil zu alt, zu spezialisiert, zu unbeweglich, macht sich schwer Sorgen um seine Zukunft. Es muss ein widerlicher Anblick sein, wie die mit der Lizenz zum Töten, die oberen Entscheidungsträger mit zusammengeklemmten Arschbacken durch die Redaktion huschen, damit ihnen nicht ständig jemand hinten reinkriecht.

Dann gibt es noch die unvermeidlichen Karrieristen, denen Mehrbegabte in der Sonne standen, die jetzt aber ihre grosse Chance wittern, das Leiterchen hochzuklettern, weil rückgratlose Opportunisten und Schönschwätzer des Elends gefragt sind.

Oder in einem Satz: Fäulnis ist der unter Sauerstoffmangel ablaufende Prozess der Zersetzung von Stoffen durch Mikroorganismen. Tamedia in der Kurzfassung.

Zwergenaufstand

Was fällt den Kälbern von Tamedia als Protest gegen ihre Metzger ein?

Mit einer lachhaften Begründung wurde bei Tamedia zuerst die Einsparung von 90, dann von rund 55 Stellen verkündet. Warum gerade so viele, was Arthur Rutishauser als Chefredaktor ohne Redaktion so tut, wie damit die Qualität gesteigert werden soll – von Pietro Supino, Jessica Peppel-(Plapper)-Schulz (oder ihrem Avatar), von Simon Bärtschi oder von Raphaela Birrer gab es dazu keine Auskünfte. Birrer schweigt überhaupt seither verkniffen; so sieht die Führungsqualität einer Chefredaktorin aus.

Nun haben diese Versager in der Chefetage sich immerhin ein ziemliches fieses Stück ausgedacht. Sie verkünden zwar das grosse Rausschmeissen, lassen aber die Indianer im Maschinenraum im Unklaren, wie viele genau und vor allem wen es trifft.

Das sorgt ungemein für Stimmung in der Reaktion; wenn ZACKBUM die Frage stellen würde, ob sich Schwulstschwätzer Bärtschi noch ohne Bodyguards im Glashaus bewegen kann, kriegten wir sicher wieder ein Schreiben des Hausanwalts, dass das als Aufforderung zur Gewalt verstanden werden könnte. Also schreiben wir es nicht.

Nun könnte man meinen, dass die meinungsstarken und tapferen und unbeugsamen Mannen und Frauen (und auch Flinta) bei Tamedia nach erster Schockstarre massive Proteste auf den Weg gebracht haben.

Nun ja, in der Romandie gab es einen Bonsai-Streik von geschätzten 4 Minuten. An der Türe des Glashauses in Zürich wurden handgekritzelte Protestkartons aufgestellt (sowohl inhaltlich wie von Layout her erbärmlich). Und sonst? Alle Rotationsmaschinen stehen still, wenn Dein starker Arm es will?

Ach was. Bei Tamedia wird das Rückgrat an der Garderobe abgegeben; keiner will den Unmut der Leitung auf sich lenken, niemand wagt zu fragen, was die Chefredaktion, was Birrer, was Kerstin Hasse (ausser Gaga-Podcasts) eigentlich so treiben.

Aber nun hat einer «watson» eine grossartig-subversive Form des Protests durchgestochen. Offenbar fanden das alle anderen Medien zu gaga, um darüber zu berichten.

Es handle sich um einen «Hosentelefon-Aufstand». Besser gesagt um einen Höseler-Aufstand. «Die Redaktionen in der Deutschschweiz nehmen den massiven Stellenabbau nicht kampflos hin», weiss Klaus Zaugg von  «watson». Wahnsinn, welche Kampfmassnahmen sind denn in Vorbereitung? Werden Barrikaden gebaut, Sandsäcke aufeinander gestapelt? Wird die Türe zur Chefetage zugeklebt? Wenigstens gesprayt? Flattern anonyme Flugblätter durch die Gänge? Werden Puppen verbrannt?

Ach was. Das hier wird gemacht: «Die modernen Telefone, die wir in der Hand- oder eben der Hosentasche versorgen können, eignen sich auch vorzüglich für qualitativ gute Videoaufnahmen. Also sind nun die Chronistinnen und Chronisten in diesen Tagen unterwegs, um bei Prominenten aus Politik, Kultur, Wirtschaft und Sport Video-Protestbotschaften aufzunehmen. In Videos von 15 bis 20 Sekunden sagen Prominente, wie sehr sie den Abbau des Print-Qualitätsjournalismus bedauern.»

Die mutigen Betroffenen wollen Promis für sich sprechen lassen, so nach der Devise: sorry, ich selbst bin zu feig dafür, also sag› mal was Kritisches, aber nur ganz kurz. Und sprich mich ja nicht mit meinem Namen an.

Und was soll dann mit dieser rabiaten, wilden, die Chefetage ins Zittern bringenden, flammenden Protestaktion geschehen? «Die gesammelten Statements – geplant sind zwischen 30 und 50 «Hosentelefon-Protestbotschaften» – sollen zusammengeschnitten in einem Dokument der Chefetage übergeben werden.»

Wie sagt doch einer aus dem «Kreis der betroffenen Tagi-Medienschaffenden» so mutig wie anonym wie bescheuert: «Es geht darum, dass wir ein Zeichen setzen

Ein Zeichen setzen? Slapstick, reiner Slapstick.

Ausserdem könnte es noch bei der Übergabe des «Hosentelefon»-Zwergenaufstands ein Problem geben. Daran könnte es noch scheitern: wer übergibt dieses Dokument des Widerstands? Wer traut sich? Trägt der Überbringer vielleicht eine Tüte über dem Kopf? Einen Ganzkörperpräservativ, damit er nicht erkannt werden kann? Spricht er in einen Sprachverzerrer? Oder nein, ZACKBUM hat  – wie immer – die Lösung. Da kann es nur einen geben. Ignaz Staub. Unbedingt. Der kann das. Der traut sich. Der hat nix mehr zu verlieren.

ZACKBUM gibt dieser Aktion auf der Bärtschiskala der Peinlichkeit flotte 9 Punkte.

Ist das alles erbärmlich, Oder sagten wir das schon?

Braucht Bärtschi Polizeischutz?

Oder ist er einfach dümmer als die Polizei erlaubt?

Die Augen zu Schlitzen verengt, Dreitagebart, schwarze Intellellenbrille, offener Hemdkragen, blaues Jacket, energisch zusammengekniffener Mund. So sieht sich Simon Bärtschi sicherlich selbst. Ein Macher halt, ein Manager, ein Führer mit Vision. Er sei «der Architekt der neuen Tamedia-Strategie», sülzt persoenlich.com, wo Nick Lüthi, früher mal medienkritischer Journalist, mit Bärtschi ein Gefälligkeitsinterview führt.

Obwohl es kaum kritische Nachfragen gibt, ist das Interview dennoch entlarvend. Denn Bärtschi führt sich als blutleerer, ideenloser Bürokrat der Macht vor, der mit wie Kieselsteine rundgeschliffenen Worthülsen um sich wirft. Und bei jedem, der ihm untertan ist, blankes Entsetzen auslöst: von dem ist meine berufliche Zukunft abhängig? Au weia.

Wenn man sein Geschwurbel etwas verdichtet, kommt ein solider Brocken Grau heraus, grau wie aschgrau.

«setzen künftig auf mehr publizistische Kraft … zielgerichteter für die digitalen Kanäle … nahtlose Abläufe auf der Redaktion … kann diesen Verlust nachvollziehen … Teil der neuen Strategie … sehe Potenzial … auf rund 55 Vollzeitstellen reduzieren können … ist und bleibt auch weiterhin eine ganz wichtige Aufgabe … für die Herausforderungen der Zukunft gut aufzustellen … die weniger zur Verfügung stehenden Ressourcen zielgerichteter … geplanten Personalmassnahmen in den Redaktionen sollten in einem gesunden Verhältnis zur Wirtschaftlichkeit … gute Geschichten sollen dort ausgespielt werden, wo sie ihr Publikum finden … jede Sparrunde ist schmerzhaft … haben uns intensiv mit einem zukunftsfähigen Zielbild für unseren Journalismus auseinandergesetzt … den Blick auch wieder nach vorne … schmerzhafter Prozess … macht niemandem Freude, diesen Weg gehen zu müssen … glauben an den Qualitätsjournalismus … kann nicht darum gehen, mit weniger mehr zu machen … mir als langjähriger Journalist … versuche transparent und direkt mit den Leuten zu sprechen … radikal und von Grund auf neu aufstellen … es wird nie langweilig

ZACKBUM würde verstehen, wenn Leser das als menschenrechtswidrige Folter empfänden und Klage führten. Aber wir mussten da schliesslich auch durch, und das Duschen danach dauerte besonders lang.

Nun versetzen wir uns kurz in einen Mitarbeiter von Tamedia, der seit mehr als drei Wochen nicht weiss, ob er aufs RAV muss oder nicht. Der überlegt sich einerseits, dass ein Rausschmiss eine Erlösung wäre. Dann muss er sich diesen Stuss nicht länger anhören und muss auch kein freundliches Gesicht machen, wenn Bärtschi an ihm vorbeihuscht. Auf der anderen Seite ist es menschlich verständlich, wenn der eine oder andere geschundene Newsroom-Knecht sich inbrünstig sagen muss: Gewalt ist auch keine Lösung.

Man kann Massenentlassungen, das Eingeständnis, dass auch die x-te Strategie gescheitert ist und durch die nächste zum Scheitern verurteilte ersetzt wird, auch einigermassen sozialverträglich rüberbringen. Man kann Empathie zumindest heucheln. Geschäftsleitung, Chefredaktion könnten wenigstens Mitgefühl versprühen, statt mit versteinerten Gesichtern jedem Dialog auszuweichen. Aber wer nach dem sensibel öffentlich verkündeten Todesurteil für den Züritipp, der noch kurz zuvor als überlebensfähig angepriesen wurde, lediglich sagt «kann diesen Verlust nachvollziehen», der ist ein eiskalter Zyniker.

Und ein Usurpator hinzu. Denn eigentlich soll doch diese Abwrack-Strategie auf dem Misthaufen von Jessica Peppel-Schulz gewachsen sein. Aber jetzt reklamiert Bärtschi die Vaterschaft für diese Missgeburt. Wieso nimmt sich Tamedia, TX, nicht ein Beispiel an Meyer Burger? Die bauen nicht nur Stellen ab, sondern wechseln auch die Führung aus.

Aber weil bei TX der Fisch definitiv vom Kopf her stinkt, wird das nicht passieren. Denn der Bigboss kann nur einigermassen das Gesicht wahren, wenn seine direkten Untergebenen noch grössere Versager sind. Bei Bärtschi weiss man allerdings nicht, ob er sich auch schon nach Polizeischutz erkundigt hat.

Folter à la Tamedia

Wer wird gefeuert, wer nicht? Der Stimmungskiller im Glashaus.

Am 27. August wurden die «Weichen für Qualitätsjournalismus» im Hause Tamedia gestellt. Dazu gehört, dass 200 Drucker und 90 Journalisten gefeuert werden sollten.

Nun schreiben wir den 18. September, es sind seither mehr als drei Wochen vergangen. Aber die Namen der rauszuschmeissenden Journalisten sind immer noch nicht bekannt gegeben worden.

Das gibt Raum für einige Überlegungen.

  1. Die kompetente CEO Jessica Peppel-Schulz hat einfach mal eine Zahl in den Raum gefeuert. 90 hört sich irgendwie gut an. 100 wäre zu gross, 89 zu wenig, 90 ist einfach zu merken. Können aber auch nur 55 sein. Oder so. Die Zahl mit Inhalt zu füllen, das überlässt sie dann anderen.
  2. Wie wurden denn die zu Feuernden ausgewählt? Namensroulette? Mit Pfeilen auf ein Poster mit allen Mitarbeitern geworfen? Oder Unbotmässige, Frechdachse («der hat sich doch über meinen letzten Kommentar lustig gemacht», «der wurde dabei beobachtet, wie er ZACKBUM las und dabei schmunzelte», «der hat doch gefragt, was Hasse, ausser Selfies, eigentlich macht») mit einem Kreuz versehen?
  3. Natürlich wissen die Häuptlinge inzwischen, wen’s trifft. Also laufen Raphaela Birrer und die anderen Verantwortungsträger durch die Grossraumbüros an der Werdstrasse, nicken dem und der freundlich zu, hören sich Pläne zu zukünftigen Artikeln geneigt an, merken an, dass man wegen der Gehaltserhöhung oder der Ferienplanung dann mal sprechen werde – und wissen gleichzeitig, dass sie mit lebenden Redaktionsleichen sprechen. Was für ein Gemüt muss man haben, um das ohne Psychopharmaka auszuhalten?
  4. Während sich die publizistische Leiter Simon Bärtschi unsterblich lächerlich und unbeliebt macht, hört man von der Chefredaktion kein Wort. Tauchstation, Schweigen, Führungsverantwortung, was ist das.
  5. Gleichzeitig fragt sich jeder, aber wirklich jeder Journalist seit drei Wochen unablässig, ob es ihn trifft oder nicht. Zu alt, zu teuer, zu widerspenstig, nicht genügend Leserzuspruch, zu wenig woke, zu wenig feministisch, zu kritisch, zu wenig Speichellecker, das Gesprächsangebot von Bärtschi ignoriert? Mit einem Kollegen beim Feierabendbier über die Chefetage abgelästert, und ob der dichthält?
  6. Oder gleich Durchmarsch; freiwillige Meldung bei HR, wie es denn mit einer Frühpensionierung so stehe. Ob die Umschulung zum Taxifahrer bezahlt werde. Ob bei Editorial Services noch ein Pöstchen frei sei. Ob man nicht als Moderator der Leserkommentare noch ein kleines Zubrot zur Sozialhilfe verdienen könne.
  7. Oder gar Aufruhr und Widerstand? Schliesslich rufen die Journalisten doch unablässig zu Zivilcourage auf, gegen Diskriminierung, Ausgrenzung, gegen raffgierige Besitzer und Unternehmer. Immerhin, in der Romandie gab es ein Streikchen. Einen Bonsai-Streik. Von einer Stunde. Aber wie wäre es, wenn eine Mehrheit der Redaktion eine ganze Ausgabe lang streiken würde? Die wenigen opportunistischen Streikbrecher mit Verachtung straften? Protestschreiben online stellen würden? Das Recht auf Meinungspluralismus einfordern? Die bittere Wahrheit ist: all diese Maulhelden in fremden Sachen sind in der eigenen viel zu feige.
  8. Es gibt sinnvolle Vorschläge, auch von ZACKBUM, wie man mit gezielten Sparmassnahmen in den Häuptlingshorden, von VR, Geschäftsleitung und Redaktionsleitung abwärts, zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen könnte. Die Massenentlassung würde überflüssig, weil man damit mindestens so viel Geld spart. Und wenn hier gefeuert würde, wäre das tatsächlich eine Weichenstellung für mehr Qualität. Denn wer braucht schon eine Peppel-Schulz, einen Bärtschi, eine Birrer? Um nur ein paar Namen zu nennen. Würde jemand (ausser ihnen selbst) ernsthaft behaupten, mit deren Einsparung würde die Qualität bei Tamedia spürbar sinken?
  9. Will wirklich, ausser Bärtschi natürlich, jemand ernsthaft behaupten, nach einer Massenentlassung sei der Inhalt des Kopfblattsalats von Tamedia gleich viel Geld wert wie vorher? Wird dann endlich der Abopreis auch mal gesenkt, anstatt ständig erhöht?
  10. Inzwischen wurde ein Stück der Katze aus dem Sack gelassen. Es gibt nur noch vier Redaktionen für alle Tages- und Sonntagstitel. In Zürich verschwinden die eigenständigen Rumpfredaktionen von «Landbote», «Zürichsee-Zeitung», «Zürcher Unterländer » und «SonntagsZeitung». Arthur Rutishauser bleibe Chefredaktor der SoZ. Chefredaktor wovon genau? Er bleibe «Kopf der SonntagsZeitung, wichtiger Inputgeber für die ganze Redaktion», säuselt die Medienstelle.
  11. Der «Züritipp» wird eingestellt, womit schon mal ein paar Stelleneinsparungen klar sind. Statt 90 Stellen sollen nun auf einmal nur 55 wegfallen. Soll das befriedende Salamitaktik sein? Und zeugt es von überlegener Menschenführung, wenn die Mitarbeiter des «Züritipp» zusammen mit allen anderen erfahren, dass sie überflüssig sind? Während man ohne zuvor noch Hoffnungen machte, dass das Magazin erhalten bleibe?
  12. Das hier wird sicherlich die Stimmung ungemein verbessern: «Tamedia ist sich der Schwere dieser Massnahmen bewusst. Es kommen Sozialpläne inklusive Möglichkeit von Frühpensionierungen zur Anwendung. Neben persönlicher Begleitung und Beratung bietet Tamedia den betroffenen Mitarbeitenden finanzielle Unterstützung für Weiterentwicklungs- und Umschulungsprogramme an.» So eine «Weichenstellung für Qualitätsjournalismus» geht halt nicht ohne schmerzliche Verluste.
  13. Eine solche Massenentlassung ist der Beleg für ein krachendes Versagen der Verlagsetage. Ein Beweis für die schreiende und anhaltende Inkompetenz der wohlbezahlten Manager. Das ist schon schlimm genug. Aber eine solche Massenentlassung über Wochen hinweg zur Folterkammer der potenziell Betroffenen machen, das ist nicht mehr bloss Unfähigkeit. Das ist schon Sadismus.