Sein Wunsch nach Weltfrieden wurde nicht erhört. Kritischen Nachfragen wollte er sich zunächst nicht stellen.
In einer ersten Schweigerunde verzichtete SP-Nationalrat Fabian Molina auf die Beantwortung zweier höflich formulierter Fragen, da wir bei ZACKBUM immer allen Gelegenheit zur Stellungnahme geben:
Sie fordern, dass die Schweiz «sofort 10’000 Geflüchteten aus Afghanistan Schutz gewähren» müsse.
Zudem müssten «die Taliban mit Anreizen und Sanktionen» dazu gebracht werden, «die Menschenrechte zu respektieren».
Dazu habe ich zwei Fragen:
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Wie sieht bei Ihnen persönlich die Hilfsbereitschaft aus? Wären Sie zum Beispiel bereit, ein, zwei Afghanen Schutz zu gewähren?
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Im Fall von Venezuela haben Sie sich vehement gegen Sanktionen ausgesprochen, obwohl dort auch die Menschenrechte nicht respektiert werden. Wie erklären Sie diesen Widerspruch?
Gar nicht erst ignorieren, sagte sich der Nationalrat. Unverdrossen schob ZACKBUM eine weitere Frage nach:
Inzwischen habe ich auf ZACKBUM den Hilferuf eines afghanischen Journalisten veröffentlicht, der seit drei Jahren ohne Asylantenstatus in der Schweiz lebt.
Halten Sie es für möglich, statt vollmundig Forderungen aufzustellen, sich konkret für diesen Menschen einzusetzen?
Ismael Shahamat ist ein Mensch, in erster Linie, erst danach Afghane, Flüchtling, Vater, Ehemann, Journalist. Er ist seit drei Jahren in der Mühle der Schweizer Asylgewährung und kann über die ewigen Politikerfloskeln der unbürokratischen Behandlung angesichts der Katastrophe in Afghanistan nur bitter lachen.
Gestern bekam er ein Schreiben des Bundesverwaltungsgerichts, wo sein Fall liegt. Und liegt. Und liegt:
Wenn der richterliche Amtsschimmel wiehert und labert.
Shahamat fürchtet nicht nur um das Leben seiner Frau und Töchter in Afghanistan. Er möchte auch gerne wissen, ob er in der Schweiz eine berufliche Perspektive bekommt, sich nach drei quälenden Jahren mit seiner Familie wiedervereinigten kann. Dazu meint das BVG zunächst einfühlsam:
«Den Wunsch nach einem baldigen Verfahrensabschluss haben wir zur Kenntnis genommen.»
«Verständnis, grosse Sorge um Ihre Familie, angesichts jüngster Entwicklungen, berufliche Perspektive», blabla.
Schnurstracks zur guten Nachricht: «Wir können Ihnen mitteilen, dass das Verfahren in Bearbeitung ist.» Breaking News, würde CNN oder BBC aus dieser Ankündigung machen. «Baldigen Abschluss, bemüht, viele Verfahren, seit längerer Zeit hängig.»
Aber: «Wir können Ihnen deshalb keine verbindlichen Angaben über die voraussichtliche Dauer bis zum Urteilszeitpunkt machen. Freundliche Grüsse, Instruktionsrichterin.»
Auf Deutsch: Ja, ja, schlimm das mit Afghanistan, dumme Sache mit Ihrer Familie und Ihrer Zukunft. Aber wissen Sie was: Das Verfahren dauert doch erst drei Jahre, zwar haben nun die Taliban wieder die Macht ergriffen, aber kein Grund zum Hyperventilieren. Wir tun halt mit peristaltischen Bewegungen, was wir können. Schliesslich liegt doch alles in Gottes, Pardon, Allahs Hand.
Zurück zum solidarischen, fordernden, aber leicht angepissten SP-Genossen. Den machte unsere absichtsvolle Ankündigung bei der zweiten Frage hellhörig: «Gerne werde ich über Ihre Reaktion berichten.»
Als junger, aber dennoch schon abgewetterter Poltiker befürchtete Molina einen möglichen Reputationsschaden, sollte er weiterhin verkniffen schweigen. Also raffte er sich zu einer Antwort auf, nicht ohne zunächst ein talibanartiges Verständnis von Pressefreiheit zu zeigen:
«In der Tat habe ich auch noch anderes zu tun, als auf Ihre unqualifizierten Gehässigkeiten zu reagieren.»
Obwohl ihn diese Gehässigkeiten daran hindern, die Welt, Afghanistan und die Schweiz zu retten, holte er immerhin drei Antworten aus dem Stehsatz. Und schloss mit der Bemerkung: «In der Hoffnung, dass Sie meine Ausführungen zur Kenntnis nehmen und in ihrem Blog entsprechend berücksichtigen.»
Mindestens so nett wie die Taliban: Fabian Molina.
Aber natürlich, Herr Nationalrat, machen wir gerne. Hier seine Originalantwort, ungekürzt und unzensiert. Packungsbeilage: der Leser möge Schäfchenzählen als Einschlafhilfe vergessen, das hier wirkt viel besser:
«1) Das Recht auf Asyl ist ein grundlegendes Menschenrecht, zu deren Gewährung alle Staaten auf Grund der Genfer Flüchtlingskonvention verpflichtet sind, wenn eine Person an Leib und Leben bedroht oder aufgrund einer persönlichen Eigenschaft verfolgt ist. Das Recht auf Asyl ist auch in der Europäischen Menschenrechtskonvention und der Bundesverfassung verankert. Menschenrechte sind Rechte gegenüber Staaten. Sie werden sicher festgestellt haben, dass ich kein Staat bin. Entsprechend kann ich auch niemandem Asyl und Schutz gewähren. Bereits letztes Jahr haben sich aber 16 Schweizer Städte bereit erklärt, mehr Geflüchtete aufzunehmen. Die Justizministerin hat diese humanitäre Geste bisher erfolgreich verunmöglicht. Kurz: Ihre Frage stellt sich nicht. Grundsätzlich bin ich der Auffassung, dass staatliche Verpflichtungen durch Staaten eingehalten werden sollten. Sollte die Schweiz nicht mehr in der Lage sein, ihre internationalen Verpflichtungen zu erfüllen, bin ich selbstverständlich bereit zu helfen, wie ich es bereits heute mit der finanziellen Unterstützung von Menschenrechts- und Asylorganisationen tue.
2) Gerne verweise ich Sie in diesem Zusammenhang auf diesen Beitrag. Ich bin und war nie grundsätzlich gegen Sanktionen im Falle Venezuelas. Sanktionen sind ein wichtiges Instrument zur Durchsetzung der internationalen Rechtsordnung. Ich setze mich deshalb für eine Rechtsgrundlage für eigenständige Smart Sanctions ein. Die aktuelle venezolanische Regierung hat ihre internationalen Verpflichtungen, insbesondere zum Schutz der Menschenrechte, zweifellos mehrfach verletzt, so wie es auch die Uno-Hochkommissarin für Menschenrechte festgestellt hat. 2018 habe ich mich gegen die neuen Schweizer Sanktionen ausgesprochen, weil sie den damals laufenden Verhandlungsprozess zwischen Regierung und Opposition sabotierten und einer eben verabschiedeten Resolution im Uno-Menschenrechtsrat widersprachen. Gegen gezielte Sanktionen gegen venezolanische Funktionäre, wie sie heute in Kraft sind, spricht aber nichts.
3) Der tragische Fall von Herrn Shahamat ist mir bekannt. Als Mitglied des Parlaments habe ich auf Grund der Gewaltenteilung keinen Einfluss auf Einzelfälle. Die SP fordert aber die unbürokratische Familienzusammenführung für alle Afghan:innen, die sich bereits in der Schweiz befinden. Auch haben wir uns stets für den grosszügigen Schutz von Afghan:innen in der Schweiz eingesetzt. Nach der heutigen Kommunikation des Bundesrats ist leider nach wie vor unklar, wie die Schweiz mit der Frage der Familienzusammenführungen umgeht. Ich stehe dazu aber in Kontakt mit dem SEM und werden gegebenenfalls entsprechend parlamentarisch aktiv werden.»