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Rudern mit Wissenschaftlern an Bord

Totkranke sind diesen Monat schon dreimal vor vollen Intensivstationen gestorben. Nicht mitgekriegt?

Eigentlich hätte es Anfang November so sein sollen. Oder am 4 November. Oder am 13. November. Oder am 14. Oder dann halt nächste Woche.

Das sind nur schon die Alarmrufe der hochwissenschaftlichen Task Force für November. Sie versammelt die bedeutendsten Schweizer Forscher. Sie wurde extra für Corona ins Leben gerufen, um den Bundesrat mit allen nötigen Fachkenntnissen ausgestattet zu beraten.

Denn wie soll denn der Berufspolitiker und Gesundheitsminister Alain Berset sonst etwas Sinnvolles zu einer Pandemie sagen? Sinnvolle Massnahmen umsetzen? Geht doch nicht.

Bis an die Zähne mit Wissenschaft bewaffnet

Es gibt zwar schon ein ganzes Gitterwerk von Stäben, in den Kantonen, in den Departementen, für Pandemien und andere Katastrophen. Aber das war wohl gleichzeitig das Problem. Viele Stäbe, kein Durchblick. Also ein neuer Stab, und weil das Wort Stab schon irgendwie verbraucht war, nun also Eingreiftruppe. Lauter Navy-Seals, Special Forces, durchtrainiert und bis an die Zähne mit Wissen bewaffnet.

Da auch diese Eingreiftruppen normalerweise im Geheimen operieren, allenfalls erst nach erfolgreicher Mission sich öffentlich brüsten dürfen, beschloss der Bundesrat in weiser Voraussicht, dass sich alle Mitglieder der Task Force nur nach Rücksprache mit dem BAG öffentlich äussern sollen. Und im Wesentlichen über den Präsidenten, Prof. Markus Ackermann.

Beschliessen darf man ja, aber Task-Force-Mitglied Christian Althaus hat sicherlich nicht vor jedem seiner über 2000 Tweets dieses Jahr um Erlaubnis gefragt. Das BAG hätte es vielleicht nicht so gut gefunden, dass er ständig mit Kassandra-Rufen, Noten für die Regierenden und massiver Kritik an ihnen auffällt.

Allen steigt ihre Position zu Kopf

Auch Prof. Ackermann scheint seine Position zu Kopf gestiegen zu sein. Anstatt zu koordinieren und zu beraten, nimmt der huldvoll in der «Tagesschau» Stellung zu Beschlüssen des Bundesrats. Lobt und tadelt, leicht genervt, dass diese ungezogenen Politiker nie richtig auf ihn hören.

Bundesrat Berset sah sich schon zu der überfälligen Klarstellung veranlasst, dass er durchaus Wert auf die Meinung von Wissenschaftlern lege. Aber regieren, das täten immer noch der Bundesrat und die Kantonsregierungen. Die tragen auch die Verantwortung, im Gegensatz zur Task Force.

Vorauseilender Gehorsam in der Hoffnung auf Belohnung

Die meisten Medien in der Schweiz, also vor allem Tamedia und CH Media, überboten sich lange Zeit in Bravorufen für das Wirken der Task Force, überboten sich mit noch strengeren Forderungen nach Isolation, Lokdown, erneute Zusperrung von Gesellschaft und Wirtschaft.

In der wohl vergeblichen Hoffnung, dass das die Entscheider im Parlament milder stimme, wenn es darum geht, auch der verlumpenden Vierten Gewalt finanziell unter die Arme zu greifen.

Aber das funktioniert alles nicht. Die Medienkonzerne legen zusammen, schrumpfen ein und schmeissen raus. Die Task Force stösst in regelmässigen Abständen schrille Warnrufe aus und fordert drakonische Massnahmen. Sonst sind wir dann mal alle tot.

Spitäler voll, dringender neuer Lockdown

Offenbar etwas erschöpft von den ständigen falschen Warnungen, dass das Gesundheitssystem demnächst an seine Grenzen komme, schwenkte Prof. Ackermann auf sein zweites Lieblingsthema um. Lockdown, sofort. Nehmt Euch ein Beispiel an Österreich. Dieser Kunz hat wenigstens Eier in der Hose.

Gut, das sagte Prof. Ackermann natürlich nicht. Dafür forderte er am Samstag, dass man wieder Bars, Restaurants, aber auch Museen schliessen solle, Konzerte seien ebenfalls zu streichen. Sonst käme die Zahl der neuen Fälle niemals schnell genug wieder runter. Und was dann passiert, das weiss man ja …

Aber neben ständigem Aufheulen der Alarmsirene und anschliessendes Abschalten kann die Task Force noch mehr. Sie fängt an, sich gegenseitig zu kritisieren. Denn kaum hatte Ackermann diese Forderung nach Schliessung vom hohen Katheder verkündet, meldeten sich offenbar einige Task-Force-Mitglieder bei der SoZ, um mitzuteilen, dass das so im Fall intern nicht besprochen worden sei.

Interner Krach und eine genialische Formulierung

Echt wahr, der Präsident ändert eigenmächtig den Text? Aber nein, der Präsident weiss, wie man elegant zurückrudert. Das seien ja nur Forderungen unter der Voraussetzung gewesen, dass die Zahl der Neuinfizierten ungebrochen steigt. Falls das nicht der Fall sei, dann könne man darauf selbstverständlich auch verzichten.

Wenn das so eine schaumgummiartige Forderung gewesen sein soll, wieso hat er sie dann überhaupt aufgestellt? Vielleicht noch wichtiger: Wieso kündigt die Task Force ständig die demnächst eintreffende Überfüllung der Spitäler an?

Darauf hat Ackermann eine Antwort, mit der er sich für mich den Professorentitel definitiv verdient hat: diese Prognosen würden ja nur dazu dienen, dafür zu sorgen, dass sie nicht eintreffen.

Prognosen machen, damit sie nicht eintreffen

Also, ich warne Mal für Mal vor einem unmittelbar bevorstehenden Lawinenabgang. Der Mal für Mal nicht stattfindet. Werde ich dafür kritisiert, zeige ich völliges Unverständnis und fetze arrogant zurück: Was soll das, ich prognostiziere das doch nur, damit es nicht stattfindet, kann doch nicht zu schwer zum Kapieren sein. Oder braucht man da wirklich einen Professorentitel?

Richtigstellung von höchster Warte

Wissenschaftler regieren nicht die Schweiz. Das musste mal wieder gesagt werden.

Wenn Wissenschaftler populär werden wollen und Journalisten ihnen gerne eine Plattform geben – umso knalliger, desto besser –, dann entsteht eine ungeniessbare Mischung.

Wissenschaftler wie Christian Althaus wollen sich ihre 15 Minuten Ruhm erkämpfen, indem sie Zensuren erteilen, Forderungen aufstellen, Warnungen, falsche Prognosen und weitere Dummheiten auf Twitter veröffentlichen. Sicherlich der geeignete Kanal, um wissenschaftliche Erkenntnisse unters Volk zu bringen.

Das tut Althaus ungefragt und gegen die klare Anweisung des Bundesrats, dass sich Mitglieder der Covid-Task-Force nicht direkt an die Medien wenden und an die Öffentlichkeit nur nach Rücksprache mit dem BAG gelangen sollen.

Althaus entscheidet, mit wem er spricht

Darauf pfeift Althaus, der sich unbekümmert von seiner krachenden Fehlprognose im März, dass es bis zu 30’000 Tote in der Schweiz geben könnte, weiterhin für einen ganz wichtigen Ratgeber hält.

Ausser, er wird von der «Weltwoche» angefragt. Eigentlich könnte man von einem staatlich angestellten Immunologen an der Uni Bern erwarten, dass er etwas für sein Geld tut und für Antworten bereitsteht.

Aber doch nicht Althaus; der erwidert auf seiner offiziellen Uni-Mailadresse:

«Eher würde ich mich mit SARS-CoV2 infizieren, als zu Ihrem publizistischen Inhalt beizutragen.»

Das ist ungehörig, unanständig, geradezu pubertär und eines Wissenschaftlers unwürdig. Offensichtlich ist ihm diese Infektion erspart geblieben, aber die Diagnose liegt nahe: stattdessen hat’s ihm ins Hirn geregnet.

Die Bodentruppen rüpeln, der Chef gibt sein Placet

Während sozusagen die wissenschaftlichen Bodentruppen keilen, rüpeln und sich furchtbar wichtig nehmen, setzt der Leiter der Covid-Einsatzgruppe, die den Bundesrat beraten soll, gleich noch einen drauf. Mit der Attitüde des Königs der Schweiz beliebt es  Martin Ackermann, huldvoll in der «Tagesschau» zu salbadern: «Wir begrüssen die Entscheidungen des Bundesrats.» Brav gemacht, kopftätschel, aber: «Wir gehen davon aus, dass einzelne Kantone zusätzliche Massnahmen treffen müssen.»

Daraufhin lupfte es endlich dem Gesundheitsminister Alain Berset den Hut, und er stellte in der NZZ klar:

«Die Wissenschaftler sind sehr wichtig für uns, aber sie regieren nicht die Schweiz.» Da das der eine oder andere hyperventilierende Wissenschaftler vergessen zu haben scheint, unterstreicht Berset: «Die politischen Entscheide werden von anderen gefällt, vom Bundesrat und den Kantonsregierungen.»

Abgesehen davon, dass es beunruhigend ist, dass ein Bundesrat darauf hinweisen muss: Entscheiden tun tatsächlich die, die dafür gewählt wurden. Die Verantwortung tragen für ihre Entscheidungen. Der Unterschied zu aufgeregten Wissenschaftlern und Zensuren und Forderungen verstreuenden Journalisten ist auch, dass die Regierenden versuchen, in einer Abwägung aller Interessen, selbstverständlich auch der Wirtschaft, ihre Entscheidungen zu treffen.

Keine Verantwortung für dummes Gequatsche

Der wichtigste Unterschied ist aber, dass weder Althaus noch Ackermann, ebenso kein einziger Journalist Verantwortung für sein dummes Gequatsche übernehmen muss. Liegt er krachend daneben, erzählt er Unsinn, wird er widerlegt, nun ja, ein Schulterzucken, und weiter in der Forschung, weiter im Kommentarschreiben.

Das heisst natürlich nicht, dass Entscheidungen des Bundesrats oder der Kantonalregierungen nicht kritisiert werden dürften. Aber staatlich angestellte Wissenschaftler und Berater müssen keinesfalls öffentlich ihren Senf zu Regierungsentscheidungen geben.

Auch Professorenstellen sind nicht auf Lebenszeit

Vielleicht hilft der Hinweis, dass letztlich mit Steuergeldern bezahlte Professuren oder furchtbar wichtige Funktionen in Beratergremien keine Arbeitsplatzgarantie bis zur Pension beinhalten. Verhält sich ein solcher Angestellter daneben, wird er frech, wird er überheblich, hält er seinen Ratschlag für allem anderen übergeordnet, dann ist es vielleicht Zeit, ihm dafür in der freien Wildbahn Gelegenheit zu geben.

Denn wenn sein Ratschlag so unermesslich wichtig und teuer ist, findet er doch sicher ein Plätzchen, wo man das zu schätzen weiss und auch anständig bezahlt. Ich persönlich bezweifle das zwar, aber wünsche dennoch viel Glück.

Professoraler Unsinn

Zwei Skandale am Stück. Eine Falschaussage – und keiner schaut hin.

Martin Ackermann ist nicht irgendwer. Er ist Leiter der «National COVID-19 Science Task Force», Professor für Mikrobiologie.

In dieser Funktion ergriff er zu Bern an der offiziellen Corona-Medienorientierung, dem Vorläufer des heutigen Bundesratsentscheid zur zweiten Welle, das Wort. Was er sagte, ist so unglaublich, dass ich es anhand mehrerer Quellen verifizierte:

«Wir haben mehr Hospitalisierungen und Todesfälle als im März.»

Das sagt der höchstrangige Wissenschaftler der Schweiz, der Leiter einer Wissenschafts-Eingreiftruppe, die speziell geschaffen wurde, um den Bundesrat wissenschaftlich zu unterstützen. Also sicher einen nicht unwesentlichen Einfluss auf die Entscheidungen des fachfremden Gesundheitsministers Alain Berset hat.

Die Aussage ist falsch. Doppelt falsch

Aber: Diese Aussage ist nicht richtig. Sie ist falsch. Sie ist zweimal falsch. Es gibt zwar tatsächlich deutlich mehr positiv Getestete als im März. Aber ob das auch Infizierte sind, ob sie symptomlos bleiben oder erkranken, ob sie ansteckend werden oder nicht, das kann man bis heute noch nicht sagen.

Dabei wären das die wichtigen Angaben, statt die von der Anzahl Tests abhängige und absolut völlig aussageloser Zahl positiv Getesteter, die das Virus haben, bzw. hatten, denn auch auf Reste des vom Immunsystem besiegten Virus schlägt der Test an, der deswegen von seinem Erfinder ausdrücklich als nicht geeignet für Tests bezeichnet wurde.

Nach wie vor wird darauf verzichtet, die Anzahl der Genesenen aus den Fallzahlen herauszurechnen, ebenso, was den weiteren Verlauf der Infektion bei positiv Getesteten betrifft.

Grobe Irreführung der Öffentlichkeit

Aber das ist ein Nebenschauplatz im Vergleich zu dieser groben Irreführung der Öffentlichkeit. Kurz die aktuellen Statistiken:

Man sieht: Die Anzahl der Hospitalisierungen ist deutlich niedriger als im März dieses Jahres, die Zahl der Todesfälle ist sogar signifikant deutlich niedriger. Das ist keine Erfindung, das sind offizielle Statistiken, auch mehrfach verifiziert.

Wenn nun ebendiese Taskforce, im Chor mit anderen Wissenschaftlern, die sich auch kurz in der Wärme der öffentlichen Aufmerksamkeit sonnen wollen, drastische Massnahmen fordert und das auf solche Falschaussagen abstützt, dann wird’s wirklich bedenklich.

Zahlen für den nächsten Lockdown

Ackermann fuhr dann fort:

«Aber wir reagieren nicht gleich. Die Bewegungsdaten zeigen, dass wir unsere Mobilität nicht genug zurückfahren.»

Das ist nun professoral zurückhaltend formuliert, was andere Wissenschaftler viel direkter ansprechen: «Wir brauchen einen neuen Lockdown», schallt es aus Genf herüber. Brauchen wir den wirklich?

Ich bin kein Wissenschaftler, daher kann ich diese Frage nicht beantworten, diese Forderung auch nicht unterstützen. Aber ich kann Statistiken lesen. Wenn diese Forderung aufgrund solcher Behauptungen aufgestellt wird, ist das beunruhigend.

Es ist beunruhigend, dass damit der oberste Schweizer Wissenschaftler das Renommee, die Reputation, die Glaubwürdigkeit seiner Zunft, die sowieso schon nicht unbestritten ist, weiter beschädigt.

Was ist schlimmer als eine Falschaussage von höchster Warte?

Aber es ist noch schlimmer. Die geballte Fachkompetenz der Vierten Gewalt, der Qualitätsmedien, der Warner und Ratgeber aus den Leitmedien, aus dem Duopol Tamedia und CH Media, haben sicherlich die Alarmsirene erschallen lassen und auf diese grobe Falschaussage aufmerksam gemacht?

Nein, nichts, keine Reaktion, Sendepause. Ruhe im Land.

Während sich politisch eine Kakophonie abspielt, ist eine solche Falschaussage nicht zu überschätzen.

Denn: Aufgrund welcher Informationen, Statistiken, Prognosen treffen Kantons- und Bundesregierung ihre Entscheidungen? Welche Rolle spielen dabei wirtschaftliche Überlegungen, die jede Krankenkasse bei der Abwägung der Verhältnismässigkeit bei jeder Therapie machen muss, wozu selbstverständlich auch eine Kosten-Nutzen-Rechnung gehört?

Vorläufig noch kein Lockdown, aber …

Wenn aufgrund solcher Falschinformationen vom Bundesrat die ganze Wirtschaft und Gesellschaft betreffende, möglicherweise drakonische Massnahmen beschlossen werden, befinden wir uns dann nicht weiterhin im Blindflug, ohne Kompass, ohne verlässliche Kartographie?

Erschütternd ist, dass niemand, keiner, kein Einziger der unermüdlichen Kommentatoren, Ratgeber, selbsternannten Corona-Spezialisten, die sich sonst nicht scheuen, den in Regierungsverantwortung Stehenden grob an den Karren zu fahren, ihnen Zögerlichkeit, Fahrlässigkeit, ja Unfähigkeit vorwerfen, auf diesen Skandal nicht reagieren. Das legt die Vermutung nah: so sattelfest sind sie gar nicht in ihren Kenntnissen, deshalb haben sie diese Falschbehauptung klaglos geschluckt.

Immerhin hat der Bundesrat von einem neuerlichen künstlichen Koma von Gesellschaft und Wirtschaft abgesehen. Aber bei diesen Wissenschaftlern beschleicht einen das üble Gefühl: Das wird nicht gut enden.

Wes Brot ich ess …

Vom Saulus zum Paulus: So agieren domestizierte Medien-Wissenschaftler wie Marcel Salathé.

Die oberste Schweizer Gesundheitsbehörde liegt im Koma. Das BAG macht nur mit Pleiten, Pech und Pannen auf sich aufmerksam. Schön, dass es unabhängige Wissenschaftler gibt.

Bis zur Pandemie war Marcel Salathé ein nur Insidern bekannter Assistenzprofessor an der EPFL, der Eidgenössischen Technischen Hochschule Lausanne.

Sein Fachgebiet: Epidemiologie. Also die Untersuchung von der Verbreitung von Krankheiten, ihren Ursachen und Folgen. Etwas mehr als 100 Resultate zeitigt eine SMD-Suche seines Namens für das Jahr 2019.

Salathé auf allen Kanälen

Ab Januar 2020 bis heute explodiert die Zahl auf 2232 Erwähnungen. Ein typisches Phänomen des aktuellen Sparjournalismus. Denn mangels eigener Sachkompetenz und Sattelfestigkeit machten die Medien in der Schweiz bis zur Lockerung des Lockdowns im Wesentlichen zwei Dinge.

Sie bejubelten alle Entscheidungen des Bundesrats, ernannten den Gesundheitsminister Alain Berset zu einem Riesentyp und den Leiter der BAG-Abteilung «Übertragbare Krankheiten» zum «Mr. Corona». Aber dann braucht es zwecks Anreicherung der Berichterstattung noch das Interview mit dem Experten.

Am Anfang konkurrieren mehrere Interviewwillige miteinander, bis sich wie meist ein Sieger herauskristallisierte. Das ist in diesem Fall Marcel Salathé. Er vereinte dafür drei Eigenschaften. Er ist telegen, er kann verständliche Sätze bilden, und ihm ist der Zweihänder nicht fremd.

Erfrischende Warnrufe am Anfang

Denn häufig ist das Problem mit Wissenschaftlern, dass sie Fachchinesisch sprechen (Lieblingsaussage: «Das kann man nicht so einfach sagen») und begeisterte Anhänger des Konjunktivs sind («Falls das eintritt, wäre es nicht ausgeschlossen, dass»).

Erfrischend dagegen Salathé. Er rempelte das verschnarchte BAG an, erschreckte die Bevölkerung mit Horrorzahlen von möglichen Todesfällen und zeigte sich erschüttert, welcher Beamtenarschigkeit er in Bern nach der Ausrufung des Lockdowns begegnete. Drohend twitterte er, dass bei der politischen Aufarbeitung der Pandemie kein Stein auf dem anderen bleiben werde.

Während sich Mr. Corona fleissig darum kümmert, seine Bekanntheit als Mr. Corona ohne Rücksichten auf seinen Ruf zu versilbern, schwirrte Salathé in die Ferien ab. Und kam kürzlich geläutert zurück. Zur Enttäuschung des «Blick». Der hatte sich sicherlich schon auf ein paar knackige Zitate gefreut, als er Salathé zum Interview bat.

Inzwischen handzahm geworden

Zum Aufwärmen fragte die Boulevard-Zeitung, ob die Schweiz die Pandemie im Griff habe. «Im Moment habe ich das Gefühl ja», repliziert Salathé diplomatisch. Schluck; da dreht der «Blick» auf und will wenigstens eine Kritik daran, dass doch jeder Kanton sein eigenes Süppchen koche. Das sei auch richtig so, antwortet Salathé.

Die Interviewerin klappt den Unterkiefer wieder nach oben und erinnert Salathé daran, dass er doch zu den schärfsten Kritikern des Bundesrats gehört habe. Ach, Kritik, meint Salathé milde, das sei doch mehr eine «wissenschaftliche Richtigstellung» gewesen. Letzter Versuch, und das mit den Steinen? Aber auch dazu hat sich Salathé etwas überlegt. Das sei ganz falsch interpretiert worden: «Ich meinte, dass es wichtig sein werde, quasi unter jeden Stein zu schauen.»

Wagt er wenigstens wieder einen Blick in die Zukunft? «Prophet spielen wäre gefährlich.» Denn inzwischen ist Salathé zur wissenschaftlichen Erkenntnis gelangt: «Auch diese Krise wird vorbeigehen.» Da sieht man doch mal wieder, wie ein Biologiestudium einschenkt.

Was erklärt den Sinneswandel?

Aber woher denn dieser Sinneswandel? Gehirnwäsche, Zensur, oder einfach «kä Luscht» auf weitere Schlagzeilen? Aber nein. In der Schweiz läuft das anders. Denn zu den wild wuchernden Krisenstäben, die sich gegenseitig im Weg stehen, konstituierte sich im April noch die «Swiss National COVID-19 Science Task Force».

So umständlich wie der Name dieses Gremiums, das direkt den Bundesrat berät, ist auch sein Aufbau in «Adivsory Panels» und Expertengruppen. Vorsitz bei der Gruppe «Digital epidemiology» hat – Marcel Salathé. Aha, ist er also eingekauft worden und hat sich deshalb einen Schalldämpfer aufgeschnallt?

Auch Salathé will etwas werden

Aber nein, es geht um etwas ganz anderes. In dieser Task Force ist so ziemlich alles versammelt, was in der Schweiz in dieser Fachrichtung Rang, Namen und Einfluss hat. Dazu die Rektoren der Hochschulen, und so weiter. Wenn nun ein Assistenzprofessor mal gerne ordentlicher Professor werden möchte, an ausreichend Forschungsgelder herankommen will, auch internationale Vernetzung vorantreiben, wenn wieder Symposien überall auf der Welt stattfinden werden: was macht der dann?

Sagt er lautstark, dass Bundesrat, BAG, Krisen- und Expertenstäbe krachend versagt hätten, kritisiert er die bis heute lausige Arbeit des BAG? Nun, die Antwort überlassen wir dem Leser. Weil wir sicher sind, dass er diesen kleinen Intelligenztest mit Bravour besteht.