Reporter in Lebensgefahr

Wenn man nur zwei Schlachtfelder für Reporter erwähnt, wirkt das Diskriminierungs-Gejammer in der Schweiz noch lächerlicher.

Das Sinaloa-Kartell beherrscht ganze Landstriche in Mexiko. Die Staatsgewalt hat weitgehend abgedankt, wo die Drogen-Organisationen ungestört ihrem Geschäft nachgehen wollen. Mit dem Schmuggel in die USA Milliarden zu verdienen, mit denen alle Vertreter der Staatsmacht geschmiert werden – oder umgebracht.

Wer starke Nerven hat, lese die fiktionalisierte, aber auf wahren Begebenheiten beruhende Drogenkriegs-Trilogie von Don Winslow, die er 2019 abschloss. Immerhin: er lebt noch.

Javier Valdez Cárdenas war der unerschrockene Berichterstatter über die Drogengangster. Er wurde 2017 auf dem Weg zur Redaktion aus seinem Auto gezerrt und mit 12 Kugeln hingerichtet. Als einer von mehreren Dutzend Journalisten in Mexiko, die ihren Beruf mit dem Leben bezahlten.

Nach dem Lesen seiner Reportagen wollte ich ihn porträtieren. Es wurde ein Nachruf.

 

Nicht die Wahrheit, aber die Wiedergabe der Realität stirbt zuerst

Immer, wenn ein Regime ums Überleben kämpft, will es Berichterstattung sterben lassen. Zurzeit in Burma. Dort klammert sich die Militärjunta an die Macht, aus Angst vor Verlust putschte es sich wieder direkt an die Spitze, weil es in Wahlen eine vernichtende Niederlage erlitten hatte. Was bei den völlig von der burmesischen Realität abgekapselten Militärführern als Unverschämtheit der Bevölkerung ankam, die wieder eine harte Hand braucht.

Aber zur grossen Überraschung der Militärs formierte sich Widerstand, und der lässt sich bis heute nicht brechen, auch mit bewaffnetem Durchgreifen nicht. Wenn Menschen erschossen werden, wenn die Staatsorgane brutal vorgehen, gibt das für die Herrschenden unangenehme Bilder, Videos und Berichte.

Während man das früher auch mit der Ausweisung ausländischer Berichterstatter zumindest eindämmen konnte, gibt es in Burma sogenannte «Citizen Journalists». Diese Bürgerreporter sind in nichts vergleichbar mit dem sogenannten «Leserreporter» in der Schweiz. Der soll einfach Ereignisse melden, die von den ausgehungerten Redaktionen nicht mehr selbst berichtet werden können.

Der Bürgerjournalist wie in Burma versucht, mit authentischem Material die Propaganda des Regimes mit der Wirklichkeit zu widerlegen. Die «New York Times» – fast wäre man versucht zu sagen: who else – widmet diesen Bürgerreportern eine beeindruckende Reportage.

Rund 60 Journalisten verhaftet, es wird scharf geschossen

Seitdem rund 60 Journalisten verhaftet wurden, berichten nun Freiwillige und riskieren dafür ihr Leben. Das Regime reagiert darauf, indem es auch auf so identifizierte Journalisten scharf schiesst – und indem es versucht, den Zugang zu Kommunikationsmitteln zu verhindern. Handynetz, Internet, alle Formen der Daten- und Nachrichtenübermittlung werden unterbrochen, eingestellt, zensuriert.

Aber da heute selbst ein auf Isolation getrimmtes Regime wie das von Burma nicht auf diese Kommunikationskanäle verzichten kann, finden doch immer wieder Bilder und News den Weg ins Ausland, an die Weltöffentlichkeit. Der aber dieser ungleiche Kampf der Bevölkerung gegen ein hochgerüstetes Militär weitgehend egal ist. Solange Russland und vor allem China das Regime unterstützen, wird sich die Militärjunta wohl an der Macht halten können, so wie Kim der Dickere in Nordkorea.

Das ist ein Skandal. Dort, in Mexiko und an so vielen unwirtlichen Orten der Welt riskieren Journalisten täglich ihr Leben. Hier in der Schweiz betreiben Journalisten zunehmend Nabelschau und klopfen sich täglich ab, welche Phantomschmerzen noch unentdeckt blieben und welche Leiden noch nicht wortreich bejammert wurden.

Es ist reiner Hass

Schon immer wurden unbotmässige Proteste von Jugendlichen verurteilt. Aber meistens von unbelehrbaren, alten Säcken.

Die aktuell tätigen Kindersoldaten im Journalismus haben keine Ahnung, was die 68er-Bewegung war. Sie haben auch keine Ahnung, was Anfang der 80er-Jahre als Jugendbewegung in die Annalen der Schweizer Geschichte einging.

Damals ging es um etwas, zum Beispiel ein Jugendhaus.

Sie haben null Ahnung, dass man damals seinen Lehrauftrag verlieren konnte, wenn man die Thesen der Eidgenössischen Kommission für Jugendfragen im Unterricht behandeln wollte. Sie haben eigentlich überhaupt keine Ahnung, aber immer eine sichere Meinung.

Wenn der bekennende Tagi-Amok Marc Brupacher nicht den Bundesrat für verrückt erklärt oder den Stab über BR Berset bricht, tobt er gegen randalierende Jugendliche. Nicht, ohne zunächst zu beklagen, was den meisten anderen als segensreich erscheint: nach dermassen vielen Fehlprognosen und kakophonischen Äusserungen tritt die Taskforce to the Bundesrat etwas leiser auf. Das alarmiert aber sofort Brupacher:

Zwei Verlierer jammern.

Nach dieser Dummheit muss er seine intellektuelle Überlegenheit anders beweisen:

Wer ist hier «ziemlich dumm»?

Wo es gilt, masslos und dumm aufzuschäumen, ist natürlich Réda el Arbi, vulgo Réda Stocker, nicht weit:

Der Darmpfeifen-Spieler.


Diese Frage kann el Arbi in seinem Fall klar beantworten: nein.

Auch ein Martin Söhnlein möchte sich als Chorsänger unsterblich machen:

Söhnlein aus dem Darknet des Denkens.

Wieso er allerdings ein Bild von van Gogh als Avatar wählt, bleibt unerfindlich. Der hatte sich bekanntlich nur ein Ohr abgeschnitten; Söhnlein muss da viel radikaler vorgegangen sein.

Endlich die Analyse von Tamedia gesammelter Denkkraft

Es dauerte ein wenig, aber he, es ist Ostern. Aber nun ergreift der Leiter der Bundeshausredaktion von Tamedia das Wort und versucht sich an einer «Analyse zu St. Gallen». Fabian Renz wählt, das ist er seinem Amt schuldig, gemessenere Worte als sein Amok-Kollege Brupacher. Bei ihm heisst es deswegen gelahrt: «Das Narrativ, das Junge zu den Hauptopfern der Pandemie erklärt, ist falsch.»

Nehmt das, ihr Krawallbrüder, ihr seid gar keine Hauptopfer. Vielleicht Nebenopfer, Kleinopfer, Öpferchen. Das ist nun aber noch lange kein Grund, einfach Radau zu machen: «Zunächst einmal sind die Krawallbrüder von St. Gallen nicht als «die Jugend» anzusehen, als Megafone ihrer Generation. Dasselbe gilt für Aktivisten wie die nahe am Verschwörungsmilieu operierende Gruppierung «Mass voll!», die namens der Jugend neuerdings überall Proteste organisiert.»

Nein, donnert Renz vom Katheder der überlegenen Rechthaberei:

«Reisst Euch am Riemen, liebe Junge.»

Und haltet ein, denn wenn schon seid ihr Opfer einer «nahe am Verschwörungsmillieu operierenden Gruppierung». Behauptet Renz so beleg- wie beweisfrei. Wir wünschen das dem Karrieristen Renz nicht, aber es könnte natürlich sein, dass solche «Krawallbrüder« Renz mal zeigen könnten, was sie von seinen Ratschlägen und Abqualifizierungen halten.

Wir hingegen geben der heutigen Jugend, ob randalierend, friedlich oder schlichtweg leidend, mit auf den Weg: Werdet ja nicht so wie Renz. Nehmt Euch vor, jede Anwandlung eines Renz in Euch zu bekämpfen. Dann kommt’s sicher gut mit Eurem Leben.

Was sagt denn das St. Galler «Tagblatt»?

Endlich mal eine Gelegenheit für den Westentaschenchefredaktor der einstmals stolzen Zeitung, seinen Kommentar zu etwas abzugeben, das auch ausserhalb von St. Gallen aufmerksam beobachtet wird. Nun ist aber Stefan Schmid auf das Wohlwollen der St. Galler Behörden angewiesen. Also entscheidet er sich für einen klassischen Zickzack. Damit startet er schon im Titel:

«Gut, hat die Polizei durchgegriffen – doch jetzt brauchen die Jungen eine Perspektive»

So mäandert er sich dann durch eine Spitzenklöppelei. Durchgreifen gegen die «Krawallbrüder» war richtig. 500 Wegweisungen, das runzelt er bedenklich die Stirne. Aber jeder Kommentar, jede Analyse muss doch einen Ratschlag enthalten, was jetzt passieren müsse. Voilà: «Die Schweiz braucht jetzt mehr denn je ein Ausstiegsszenario.» Genau, die Schweiz braucht auch viel Sonnenschein, ich brauche mehr Geld, die Jugendlichen brauchen eine Alternative zum Krawallmachen, die Welt braucht mehr Frieden, das Klima braucht Abkühlung.

Gibt es noch Ergänzungen zu dieser Twitter-Geisterbahn?

Fehlt noch jemand in diesem Panoptikum, in diesem Horrorkabinett, in dieser Geisterbahn, wenn das Licht der Vernunft erloschen ist? Daniel Binswanger? Richtig, aber der scheint Ostereier zu suchen. Wer dann? Wieder richtig, da kann es nur eine geben:

Zweitbester Platz im Denunziations-Büro.

Welch neuerlicher Ausdruck von schwesterlichem Humanismus, von Toleranz, Menschenfreundlichkeit. Halt so, wie die Denunzierungsmaschine netzpigcock.ch. Spätestens seit dieser gefährlichen Geschmacklosigkeit gibt es für niemanden mehr eine Entschuldigung, der auch nur im Umfeld von Jolanda Spiess-Hegglin auftaucht. Von den Protest-Frauen bei Tamedia ganz zu schweigen. Bis heute traut sich keine einzige, sich von der Weitergabe des Protestscheibens an Spiess-Hegglin zu distanzieren.

Obwohl die, als Ausdruck geschwisterlicher Solidarität und weiblichem Anstands, das Schreiben sofort an die Öffentlichkeit raushaute. Ohne sich die Mühe zu machen, alle Unterzeichner um ihr Einverständnis zu bitten. Was ansonsten von allen Protest-Frauen als Ausdruck typisch männlicher Arroganz und Diskriminierung denunziert würde.

Der geheime Aufschrei der Ringier-Frauen

Vergeblich versuchten die Bosse, dieses Dokument zu unterdrücken. Aber nach Tamedia melden sich nun Ringier-Frauen zum Protest.

Die ganze Branche wunderte sich. Im Streichelzoo Tamedia beschweren sich Dutzende von Mitarbeiterinnen über «strukturellen Sexismus», legen Zeugnis ab von unerträglichen Arbeitsbedingungen, von Unterdrückung, Missachtung, Übergriffen, Diskriminierung.

Aber bei Ringier, wo immer noch der Boulevard-Journalismus zu Hause ist? Lautstark erzählte Zoten, Blondinen- und andere Herrenwitze, anzügliche Blicke, Gesten, dumme Sprüche wie «der Rock könnte kürzer sein, aber der Artikel länger» oder gar «willst du mal mit was anderem als einem Bleistift spielen», das ist doch weiter an der Tagesordnung.

Zudem wird die Atmosphäre täglich durch Crime- und Sex-Storys aufgeheizt, über unvorstellbare Perversionen und als Ratgeber verkleidet über hemmungsloses Ausleben der Sexualität geschrieben. Doch mehr als drei Wochen nach dem Protestbrief aus dem Hause Tamedia herrschte an der Dufourstrasse (und an den anderen Standorten des Konzerns) Grabesstille unter den Frauen.

Werden bei Ringier die Frauen wirklich besser behandelt als bei Tamedia?

Könnte es wirklich sein, dass an der Werdstrasse ein testosteronbefeuerter Sündenpfuhl herrscht, während bei Ringier Frauen ausschliesslich mit Respekt, Anstand und Höflichkeit begegnet wird? Frauen zudem die gleichen Aufstiegschancen wie Männer bekommen? Als Gender-Vorbild gilt hier Ladina Heimgartner.

Raketengleich ihr Aufstieg. 2020 an Bord gekommen, als Leiterin Corporate Services. Kaum hatte sie die Kommandobrücke betreten, wurde sie schon nach oben weiterbefördert, CEO der Blick-Gruppe. Dann auch noch «Head of Global Media und Mitglied des Group Executive Board von Ringier». Davon könnten sich die protestierenden Tagi-Frauen eine Scheibe abschneiden.

Umso irritierender, was ZACKBUM hier enthüllt. Es gibt nämlich das Pendant zur Protestnote bei Tamedia. Wie es zum Stil des Hauses passt, ist das Schreiben der Ringier-Frauen durchaus knalliger abgefasst. Hier der Ausriss des Anfangs.

Der Anfang des Protestschreibens bei Ringier. Es folgt eine weitere Seite.

Die Vorwürfe gleichen sich wie ein Ei dem anderen. Sexistische Sprüche, Machogehabe, Gelächter und Naserümpfen bei sogenannten Frauenthemen, unsägliche Abqualifizierungen wie «geh doch menstruieren, du hysterische Kampflesbe» oder «deine einzige Chance hier wäre, dich hochzuschlafen. Aber dafür bist du viel zu hässlich». Oder: «Dein Artikel liest sich, als hätte ihn ein Hamster geschrieben. Dreht sich und dreht sich, kommt aber nicht voran.»

Laut Briefkopf ist das Schreiben am 8. März verfasst worden, also passend zum internationalen «Tag der Frau». Aber wieso ist es bis heute nicht in Umlauf oder an die Öffentlichkeit gekommen? Auch da offenbaren sich Unterschiede zu Tamedia. Denn bei Ringier gibt es keine Liste von Unterzeichneten. Nur eine einzige Frau wagt es, sich hinzustellen; sie unterzeichnet mit «Im Namen der Mehrheit der Ringier-Mitarbeiterinnen». Und Ihr Name ist –Ladina Heimgartner.

Mutige Frau: Ladina Heimgartner (Foto: Ringier) 

Wir konnten ein kurzes Gespräch mit ihr führen, um mehr über die Hintergründe zu erfahren.

ZACKBUM: Sie haben im Namen von weiteren Frauen bei Ringier unterzeichnet. Wie viele sind es?

Heimgartner: Wie ich schreibe, es ist die Mehrheit der weiblichen Ringier-Angestellten. Die Zahl können Sie aus dem Geschäftsbericht entnehmen.

Befürchten Sie keine Repressionen, keinen Unterbruch Ihrer beeindruckenden Karriere?

Kurz geantwortet: nein. Die längere Version: Natürlich habe ich es mir lange und sorgfältig überlegt, ob ich mich so exponieren will. Aber: wenn nicht ich, wer dann? Ich bin ja sozusagen die ranghöchste Frau im Haus, mal abgesehen von Ellen Ringier natürlich.

Sind denn die Zustände bei Ringier so schlimm?

Sie sind noch schlimmer. Ich wollte es längere Zeit gar nicht glauben, da ich mir vom SRF her einen ganz anderen Umgang gewohnt war. Aber nachdem hier im Hause immer mehr Mitarbeiterinnen Vertrauen fassten und mir unfassbare Geschichten erzählten, teilweise mit identischen Inhalt und mit den gleichen Tätern, musste ich umdenken.

Beschreiben Sie, nennen Sie doch Namen.

Auf keinen Fall. Ich finde es sehr bedauerlich, dass dieses Schreiben nun auch den Weg in die Öffentlichkeit gefunden hat. Denn es ist völlig klar: ein solcher Protest ist am wirkungsvollsten, wenn er intern erfolgt. So muss niemand das Gesicht verlieren, man kann sich ernsthaft zusammensetzen, um Lösungen zu suchen.

Die Vorwürfe sind deutlich massiver als bei den Kollegen von Tamedia.

Das mag daran liegen, dass wir hier im Hause vielleicht eine andere Art von Journalismus betreiben. Vielleicht sind wir direkter, schneller unterwegs zum Ziel, müssen angesichts der Textlängen möglichst ohne Umwege zum Kern vorstossen. Das beeinflusst sicherlich das verbale Klima.

Reden wir noch über die Forderungen. Was erwarten Sie von der Geschäftsleitung, von der Besitzerfamilie?

Unser Ansprechpartner ist Marc Walder, CEO, Mitbesitzer und Vertrauter der Familie Ringier. Wir können es gut miteinander, er hat sofort Hand zum Dialog geboten.

Leider war es aus Zeitgründen nicht möglich, dieses Interview von Heimgartner autorisieren zu lassen. Aber wir sind uns sicher, dass sie damit einverstanden ist.

 

 

Nachhilfe für Ta*medIa***

Die Beherrschung der Sprache ist die Grundvoraussetzung für Journalismus. Einverstanden?

«Der Löwe, das Pferd, die Schlange.» Mit diesem einfachen Beispiel versuchte der deutsche Sprachpapst Wolf Schneider auch Uneinsichtigen oder Unfähigen zu erklären, dass menschliches Geschlecht und grammatikalisches Genus nichts, aber auch überhaupt nichts miteinander zu tun haben.

Es gibt Sprachen, die überhaupt kein Genus kennen, wie zum Beispiel Türkisch. Nach der Absurdlogik der Genderpseudowissenschaft müssten also Türkinnen weitgehend frei von Unterdrückung, Sexismus oder Belästigungen sein.

Einfacher Umkehrschluss, wenn die angeblich so entscheidend wichtige «inklusive» Sprache irgendeine Bedeutung oder Auswirkung hätte.

Die gute Nachricht ist feminin und daher hier verkündet: das ist für eine ganze Weile der letzte Versuch (masc.), hyperventilierende vor allem weibliche Journalisten an einen korrekten Gebrauch der deutschen Sprache heranzuführen.

Wer Sprache einer Ideologie oder Fanatismus unterordnet, scheitert

Das ist bekanntlich die Grundlage des Handwerks, die Beherrschung des Werkzeugs, das Vermeiden von Sprachverbrechen. Persönliche Gefühle oder Eindrücke oder jede Art von Aberglaube ist fehl am Platz. Wer eine Leiter baut, kann ja auch nicht sagen, weil er abergläubisch sei, lasse er jeweils die 13. Stufe aus.

Der sogenannten Sache der Frau wird damit kein Dienst erwiesen, denn welche Verbesserung ihrer Situation sollte durch die Vergewaltigung der deutschen Sprache bewirkt werden? Ganz abgesehen davon, dass gerade im deutschen Sprachraum Säuberungen, Anpassungen, kurz die Unterordnung der Sprache unter eine Ideologie, in unguter Erinnerung ist.

Schliesslich: Wenn sich fast jeder Journalist als Virologe, Epidemiologe, als Diagnostiker, Therapeut und Besserwisser aufspielen will, wohlan. Dass aber fachfremde und unqualifizierte Personen an der Sprache herumdoktern wollen, ist ungefähr so sinnvoll, wie wenn die Krankenschwester in den Operationssaal stürmt, den für den Eingriff vorgesehenen Chirurgen beiseite stösst und sagt: Weg da, das ist eine Patientin, die kann nur von einer Frau operiert werden.

Ohne Wissen und Beherrschung des Handwerks wird’s schnell peinlich

Womit wir schon bei Aleksandra Hiltmann wären. Sie hat Politik- und Medienwissenschaften studiert, ein paar Praktika absolviert und schreibt nun für Tamedia. Damit soll nicht gesagt sein, dass nur doktorierte Germanisten (wie ich) Überlegungen zur deutschen Sprache anstellen dürfen. Aber eben, ohne Beherrschung des Handwerks wird’s schnell peinlich.

Denn irgendwann in grauer Vorgeschichte muss ein Volltrottel auf die Idee gekommen sein, das Genus auf Deutsch zu übersetzen. Gattung erschien ihm offensichtlich zwar korrekt, aber nicht richtig fassbar. Also setzte er auf Geschlecht. Seither haben wir den Salat. Den richtet Hiltmann nochmal an und hin. Sie behauptet, zu helfen und will «einen Überblick über die gängigen Formen für inklusive Sprache» geben.

Das ist noch einigermassen witzig, denn mit «gängig» rudert sie um das Problem herum, dass in ihrem Salat nicht nur ungeniessbare Blätter taumeln, sondern auch schlichtweg falsche, verbotene, schädliche. Gängig ist zudem überhaupt nichts davon. Oder wie antwortete der wohl grösste lebende Schweizer Germanist, Peter von Matt, auf die Frage, was er vom Genderstern halte und ob er ihn verwende: «Nein.»

Mehr ist eigentlich auch nicht zu sagen, aber man muss leider. Es gebe viele Arten, hebt Hiltmann an, «wie Sie gendergerecht schreiben, sprechen, formulieren können». Das mag so sein, aber ihre Beispiele belegen das nicht, sondern sind Mumpitz.

Paarformen verwenden, ist ihr erster Ratschlag. Als Vollform: Bauarbeiterinnen und Bauarbeiter. Als Kurzform: Bauarbeiter/-in oder BauarbeiterIn. Das mit dem generischen Maskulin erklären wir nicht nochmal, genauso wenig, dass die meisten Zuweisungen des Genus nicht nach Geschlecht, sondern aus einer Vielzahl von Gründen erfolgten. Eben der Löwe, das Pferd, die Schlange.

Personen bezeichnen, aber nicht deren Geschlecht, nächster Fehlschlag. Statt Lehrer könne man Lehrperson sagen. Das sei ein «geschlechtsabstrakter Begriff». Da lacht das Huhn und auch die Hühner, selbst die Hähne und Hennen. Die Lehrperson (fem.) sei geschlechtsabstrakt? Toll, also kann ich mich als Mann in «die Person» inkludiert fühlen, aber eine Frau bei «der Mensch» nicht?

Schlimmer geht’s immer

Aus einem Partizip eine Personenbezeichnung machen: «die Dozierenden, die Studierenden, die Teilnehmenden». Hier verlässt Hiltmann nun völlig die korrekte Verwendung der deutschen Sprache und des Partizips Präsens. Wie dessen Name schon andeutet, wird es ausschliesslich für eine in dem Augenblick der Anwendung ausgeführte Aktion verwendet. Das eher selten, so nebenbei. Aber es ist erlaubt: sie ist schlafend. Absurd wäre hingegen, das in die Schlafende zu verwandeln. Denn das ist keine stetige Eigenschaft dieser Frau. Hoffentlich. Genauso, wie die Studierenden keine mehr sind, wenn sie heimfahren, essen, schlafen. Aber Studenten sind sie alleweil noch.

Jetzt wird’s ganz grauenhaft, fehlerhaft, übelkeitserregend nicht nur gegen Sprachregeln verstossend (!), sondern auch gegen die Grundidee jeder Kommunikation: so leichtverständlich wie möglich zu sein. Nicht so verschwurbelt, verdreht, zerquält wie möglich.

Darunter läuft

Polizist*in, Busfahrer:in, Professor_in oder gar Studierx, Professx.

Nein, beim Teutates, das erfinde ich nicht.

Auch alles Weitere an Ratschlägen hat zwei Gemeinsamkeiten: es findet jeweils im best case eine Bedeutungsverschiebung statt, im worst case kommt noch ein Sprachverbrechen hinzu.

Ein Bravo für die tapferen Leser

Ich frage die tapferen Leser (Gattungsbegriff, Leserinnen, non-binäre, Transmenschen und «keine Ahnung, was für ein Geschlecht ich habe» inbegriffen), die bis hierher durchgehalten haben: Will wirklich jemand ernsthaft behaupten, dieser ganzer Mumpitz mache irgend einen Sinn? Glaubt wirklich jemand, diese krampfhaften Spitzenklöppeleien und Untergriffe in abgehobenen Sprachebenen interessiere irgend jemand? Ausserhalb der Gesinnungsblase? Schliesslich: will jemand sagen, dass eine Befolgung dieser Quatsch-Regeln irgend eine segensreiche Auswirkung auf die Verbesserung der Stellung der Frau habe? Sie sich dann weniger ausgegrenzt, mehr angesprochen, weniger diskriminiert, mehr geschätzt fühlen würde?

Wir befürchten, nein, sind überzeugt: Dieser Mumpitz schadet der Sache der Frau ungemein; erstickt durch Lächerlichkeit im Grunde sinnvolle und diskussionswürdige Debatten über geeignete Massnahmen zur Emanzipation der Frau, wo sie ungerechtfertigt diskriminiert wird. Gut gemeint ist hier dramatisch schlecht gemacht.

Nebulöser «Nebelspalter»

Seine Werbekampagne läuft weiter, als wäre nichts geschehen. Stimmt eigentlich.

Der «Nebelspalter» spaltet den Nebel. Trivial, aber durchaus brauchbar als Werbespruch. Allerdings: in guten Werbeslogans ist auch eine Spur Wahrheit drin.

Das Nebelspalten findet weiterhin nur nach dem Zücken einer Kreditkarte statt. Ausser im Bewegtbild, wo man nun auch Dominik Feusi mit Fliege und Pochettli als «Feusi Fédéral» erleben darf. Eine halbe Stunde beschwingtes Plaudern, begleitet von einem einem Flascherl Gaja aus dem Piemont. Ein Wunsch von Mitte-Präsident Gerhard Pfister.

Ob’s wohl ein Costa Russi Barbaresco 2016 gewesen ist? Kostet unter Brüdern immerhin 80 Stutz, im Lokal leicht das Dreifache. Ach der Inhalt des Gesprächs? Mittelmässig.

Wir hätten da auch ein paar Fragen, aber ohne Fliege

Aber Geld, der Unterbau, die Basis, der Maschinenraum des «Nebelspalter», das sind doch interessante Fragen. Wie heisst es in der Selbstdarstellung so schön:

«Wir hassen den Nebel und das Nebulöse.»

Das nehmen wir gerne beim Wort. Also stellte ZACKBUM dem Meister des Maschinenraums beim Online-Nebelspalter eine Reihe von klärenden Fragen. Es handelt sich hier um den multitasking-fähigen Christian Fehrlin.

Er bekam 12 sicherlich alle Nebelhasser interessierende Fragen, mitsamt ausreichender Antwortfrist. Die lief um 17 Uhr anderthalb Tage später ab. Um 18 Uhr geruhte Fehrlin zu antworten:

«Herrlichen Dank für Ihre «Journalistischen» Fragen. Ich habe dazu keinen Kommentar abzugeben.»

Trägt nur Somm eine Narrenkappe? (Zeichnung: Nebelspalter)

Die korrekt als Fragen im Rahmen einer journalistischen Recherche etikettierten Auskunftsbegehren lauteten:

  1. Deep Impact ist der Technologie-Partner der neuen Webseite des «Nebelspalter». Auf Ihrer Webseite schreiben Sie, dass Sie in 6 Monaten eine Webseite zumindest als MVP auf den Markt brächten. Würden Sie die aktuelle Webseite des «Nebelspalter» als minimal funktionsfähig bezeichnen?
  2. Wir bringen Webseiten, zum Beispiel diese hier, normalerweise in einer Woche online, und nicht als MVP. Ohne mich mit Ihrer Expertise vergleichen zu wollen: Was sagen Sie zum Unterschied? Unser CMS erfüllt durchaus die gleichen Ansprüche wie Ihres.
  3. Sehe ich das richtig, dass das für den «Nebelspalter» verwendete CMS Spectra Editor eine Eigenentwicklung von Ihnen ist?
  4. Kennen Sie andere mittelgrosse Unternehmen, die heute noch eine Insellösung verwenden?
  5. Sie verwenden als Werbespruch: «Wir entwickeln neue Marktpotenziale». Halten Sie den Neustart einer Medienwebseite mit absoluter Bezahlschranke (mit wenigen Ausnahmen) für die richtige Strategie?
  6. «Nebelspalter» hat ebenfalls Präsenz auf den sozialen Netzwerken. Sollte die nicht etwas besser gepflegt (oder fallengelassen) werden, um Peinlichkeiten wie wenige Likes und noch weniger Kommentare zu vermeiden, wie bspw. auf Facebook?
  7. Wer hat die Werbekampagne für den neuen «Nebelspalter» konzipiert und zu verantworten?
  8. Sie sind CEO und Gründer von «Deep Impact». Gleichzeitig sind Sie interimistischer Geschäftsführer des «Nebelspalter», dazu noch für den «Verkauf» zuständig und auch Ansprechpartner für Werbewillige. Wie bewältigen Sie diese Ämterkumulation?
  9. «You never get a second chance …» Nicht nur am Starttag (Link auf Pornoseite), sondern kontinuierlich (Textblock im NL vergessen, erst nach 5 Stunden gemerkt) begleiten doch etwas viel Pech und Pannen die Neulancierung. Haben Sie Probleme mit dem Qualitätsmanagement?
  10. Können Sie eine Hausnummer angeben, welches Preisschild an der Erstellung der Webseite bis zum MVP hing? Und wie es mit den jährlichen Unterhaltskosten steht?
  11. In Prozenten ausgedrückt, wie verteilt sich Ihre Arbeitszeit auf Deep Impact und den «Nebelspalter»?
  12. Wann werden Sie erste Zahlen zur neuen Webseite bekannt geben?

Hat sich da jemand gelangweilt? Kann jemand sagen, dass keine dieser Fragen eine Antwort verdienen würde? Kann man diese Reaktion als transparent, offen, hartnäckiges Recherchieren honorierend bezeichnen?

Ob Schweigen dem Chefredaktor gefällt?

Schon wieder Fragen ohne Antworten. Aber wenn der Doppel-CEO, Verkäufer und Werbekontakt Fehrlin schon nicht zu antworten geruht, können wir ihm die Mühe mindestens teilweise abnehmen.

Frage 7 war ein Test mit bereits bekannter Antwort:

Ungefähr so gekonnt ist die Werbung; inzwischen zwei Monate alte Selbstbeweihräucherung.

Es deutet vieles darauf hin, dass Fehrlin die Unkenntnis von Chefredaktor und Verwaltungsrat bezüglich Webseite und Internet brutal ausgenützt hat. Wenn es zutrifft, dass das vom Nebi benützte CMS (Content Management System, zur gemeinsamen Erstellung und Darstellung digitaler Inhalte) eine Eigenkonstruktion von Fehrlin ist, handelt es sich schon hier um einen Kunstfehler gröberer Art.

Pech und Pannen, aber bislang keine Pleiten

Open source oder Bezahlprogramme haben schon längst solche Insellösungen abgelöst. Weil mittelfristig kein KMU in der Lage ist, ein eigenes CMS ständig up to date zu halten und alle Neuentwicklungen im Web einzupflegen. Das führt dann früher oder später zu einer (sackteuren und komplexen) Migration auf ein nachhaltiges CMS.

Der Start, das Qualitätsmanagement, die harte Bezahlschranke, die Werbekampagne, der resonanzfreie Auftritt auf den Social Media, die schwerfällige und nutzerunfreundliche Navigation auf der Webseite, der Aufbau der matchentscheidenden Homepage, die Mehrfach-Funktion des CEO der Klarsicht AG, alles mehr als nebulös.

Dass er nicht antwortet, ist ein weiteres Indiz dafür, dass diese magere, aber sicherlich nicht billige Performance von Deep Impact intern ein Thema ist. Ganz abgesehen davon, dass diese Ämterkumulation Grundprinzipien von Corporate Governance widerspricht.

Der Besitzer einer Firma verkauft einer anderen Firma sein Produkt – wo er Geschäftsführer ist

Der CEO und Gründer des wichtigsten IT-Lieferanten eines Mediums ist gleichzeitig Geschäftsführer bei diesem Organ? Würden die leider bislang überhaupt nicht hartnäckig recherchierenden Mitarbeiter des Online-«Nebelspalter» auf solche Zustände bei der Analyse einer Firma stossen, könnten sie für einmal zu Recht ihrer Meinung dazu freien Lauf lassen.

Da steht Corporate Governance Kopf.

Vorwürfe wegen Rassismus gegen den Nebi sind natürlich absoluter Quatsch. Ernst zu nehmen ist die Kritik, dass er bis jetzt Altbekanntes serviert, gemixt mit viel Meinung und wenig Fakten, dazu viel zu lang. Nichts Überraschendes, Anregendes, Aufregendes.

Was sich in Sachen Qualitätskontrolle, Checks and Balances und auf rein handwerklicher IT-Ebene abspielt, ist – nebulös? Nein, das ist aschgrau.

Jeder Medienkonzern, der die gleichen Fragen gestellt bekäme, würde vielleicht nebulös, aber garantiert antworten. Weil er das auch durch seine Mitarbeiter bei anderen verlangt. Weil sich das einfach gehört. Aber lächelnde, schweigende Arroganz ist immer ein ganz, ganz schlechtes Zeichen. Das spaltet den Nebel tatsächlich, aber dahinter enthüllt sich kein schöner Anblick.

Bilder von Antidemokraten

In Liestal versammelten sich rund 10’000 Demonstranten gegen die Corona-Massnahmen.

Unter ihnen nahmen sicherlich auch Verschwörungstheoretiker, Halb- und Vollirre ihr demokratisches Recht in Anspruch. Aber wohl mehrheitlich besorgte, beunruhigte, zweifelnde Staatsbürger.

So nicht, sagt da der Twitter-Mob, und weil es einfach ist, nichts kostet und man mal wieder so richtig ein Zeichen setzen kann, knuddeln sich die üblichen Verdächtigen mit anderen zusammen.

Früher unterstellte man Demonstranten, dass sie Revolution machen wollen und am besten Moskau einfach lösen sollten. Gehört verboten. Heute unterstellt man Demonstranten, dass sie das Virus verbreiten wollen und am besten einfach verschwinden sollten. Gehört verboten.

Früher gab es zwei Arten von Demonstrationen. Bewilligte, so wie die in Liestal, und illegale, so wie die Besetzung des Bundeshausplatzes. Zu beiden Formen konnte man zwischen zwei Positionen wählen. Man nahm teil, oder man nahm nicht teil. Wenn man darauf lustig war und einem jemand zuhören wollte, konnte man auch zum Ausdruck bringen, dass man mit den Zielsetzungen einverstanden oder nicht einverstanden ist.

Neu hingegen ist, dass Antidemokraten sich im Nachhinein gegen eine legale, stattgefundene Demonstration wenden und das für furchtbar gut und richtig halten.

20 zufällig ausgewählte Exemplare von Demonstrationsgegnern sagen mehr als 20’000 Worte. Wer möchte sich von denen Demokratie lehren lassen? Wer möchte, dass die mehr Macht als Gefuchtel und Geschimpfe hätten?

Endlich: der Schuldige ist enttarnt.

Auch ein Menschenverächter …

Ein einziger, witziger Tweet …

Immer einen idiotischen Spruch auf den Lippen.

Meisterin der Binsenwahrheiten.

Und wer denkt an die verhungernden Kinder?

Das sagen sich Ameisen auch immer.

Hoffentlich sind die Vernünftigen mehr. Aber wo sind sie nur?

Wo ist hier? Wie Verantwortung übernehmen? Wer will Anarchie?

Wer ist denn ein «Pandemietreiber»?

Öhm. Mit gezeichneter Maske; echt jetzt?

Dumme Fragen stellen kann jeder.

Keine Blondinenwitze hier, bitte.

Wie steht es mit der medikamentösen Versorgung?

Flatten the curve? Wie machen «wir» das genau?

Meinungsfreiheit, das ist: meine Meinung.

Ist der das Gegenteil eines asozialen Idioten?

Fakt: Wer so etwas Dämliches tweetet, ist selber eine.

So sieht ein menschenfreundlich besorgter Bürger aus.

Wirklich? Ein PhD? Von welcher Uni denn?

Alle haben auf den gewartet; man erkennt ihn an der Locke!

Geht Netflix für News-Medien?

Wenn man intelligente Überlegungen zur Medienmisere lesen will, braucht man die «Financial Times».

Wenn ein Ansatz und eine Idee einfach schlagend interessant sind, dann darf’s auch mal einfach eine Zusammenfassung sein. Vor allem, da ein Abonnement der FT in den zum Skelett niedergesparten Journalistenghettos in den Zentralredaktionen so selten ist wie Wasser auf dem Mars.

FT-Mitarbeiter Alex Barker geht von einer einfachen Frage aus. Was würde Reed Hastings tun, wenn er einen News-Verlag statt Netflix leiten würde? Die Überlegung liegt nahe, denn der Streaming-Ambieter Netflix ist das wohl erfolgreichste Internet-Portal der letzten Jahre. Börsenwert 195 Milliarden Dollar (mehr als Walt Disney) und über 200 Millionen zahlende Abonnenten weltweit.

Denkstoff für Medienverlage.

Hastings würde wohl drei Dinge tun: Die Web-Technologie verbessern, werbefrei arbeiten, keine Sidelines wie Veranstaltungen oder E-Commerce. Sondern Konzentration aufs Kerngeschäft: Newsherstellung.

Die erste Serienkrone für Netflix: The Crown.

Aber nun kommt’s: er würde am Abopreis schrauben. Nach unten. Ein einfacher Vergleich: mit 27 Dollar hat man in den USA vollen Zugang zu Netflix und kann Disney+ und Spotify mit seinen 70 Millionen Songs mieten. Mit 27 Dollar kann man ein Abo der New York Times, der Los Angeles Times, der Londoner Times für einen Monat abschliessen. Für eine dieser Zeitungen.

Netflix gibt mehr für Content aus als alle US-Newsverlage zusammen

Netflix plant, 2021 die Summe von 17 Milliarden Dollar für Content auszugeben. Also für Lizenzen und Eigenproduktionen. Das würde ausreichen, um alle Newsrooms in den USA zu finanzieren. Mehrfach. Laut einer Studie von PwC generieren alle News-Verlage in den USA zusammen dieses Jahr Einkünfte von 22 Milliarden Dollar.Aber nur ein Bruchteil davon wird ins Kerngeschäft, Journalismus, investiert.

Das ist in der Schweiz natürlich nicht anders. Oberste Priorität hüben wie drüben liegt auf Kostenreduktion als Gegenwehr bei sinkenden Inserateeinnahmen und Printauflagen. Inzwischen sind rund 10 Jahre vergangen, seit die ersten Bezahlschranken hochgezogen wurden. Nur eine Handvoll Publikationen haben es geschafft, mehr als eine Million zahlende Leser an sich zu binden.

Eine davon. Mehr als 1 Million zahlende Abonnenten. 75 Prozent digital.

Netflix über 200 Millionen. Über den Preis und ein riesiges Angebot für wenig Geld. Natürlich sind Newsproduktion und ein Streaming-Dienst mit immer grösserer Eigenproduktion von Filmen, Serien und Dokumentarstreifen nur bedingt vergleichbar.

Aber letztlich kämpfen beide um das gleiche Gut. Barker zitiert Rasmus Kleis Nielsen, Direktor des Reuters Institute der Universität Oxford. Er spricht von einem Kampf ums Überleben «im wettbewerbsstärksten Kampf um Aufmerksamkeit, den wir in der Geschichte der Menschheit gesehen haben». Während sich das Journalistengeschäft gerne als voll von hartgesottenen Realisten ausgibt, bezweifelte er, dass die Verlage «das Ausmass dieser Herausforderung wirklich begriffen haben».

Immer mehr hochklassige Documentals auf Netflix.

Im Vergleich zu den (wenigen) überlebenden US-Riesen oder in einer eigenen Liga spielenden Medien wie FT oder «Wall Street Journal» sind alle Schweizer Medienkonzerne Zwerge, die kleine Randgruppen bedienen.

Die Überlebensstrategien der Schweizer Verlage

Die verbliebenen Vier (lassen wir Lebruments Alpenimperium auf der Seite) haben vier verschiedene Strategien zum Überleben. Ringier setzt auf Diversifizierung und Digitalisierung und ganze Wertschöpfungsketten der Vermarktung. Also zum Beispiel Konzerte und Events, deren auftretende Künstler hochgejubelt werden, ein E-Shop verkauft Fanartikel, Content Publisher schreiben Biografien, Lobesstorys und Fanbücher.

CH Media setzt auf das Joint-Venture mit den verbleibenden Lokalzeitungen der NZZ, ein Multi-Kopfblatt-System und eine Multichannel-Strategie mit dem Aufkauf aller Privat Radio- und TV-Stationen, die nicht bei drei auf den Bäumen sind. Plus einen rein internetbasierten Versuch namens «watson», der aber bislang ein Millionengrab ist.

Tamedia setzt auf strikt separierte Profitcenter. Ohne Rücksicht darauf, dass die Standbeine aller Print-Titel – Stellen-, Immobilien- und Automarkt – ins Internet abgeschwirrt sind. Trotzdem sollen die so entkleideten News-Titel ebenfalls harschen Gewinnvorgaben entsprechen. Was eine mission impossible ist, die selbst mit weiteren drakonischen Sparrunden nicht erfüllt werden kann. Denn eine weitere Verdünnung des Contents würden die Leser irgendwann schlichtweg nicht mehr mitmachen.

Die NZZ setzt auf journalistischen Content und digitale Expansion nach Deutschland mit seinem zehnmal grösseren Publikum. Nicht ohne Erfolg, aber durch die Einbettung in den Zürcher FDP-Filz machte die schreibende Bank gewaltige Verluste beim Grounding der fliegenden Bank, trennte sich zudem ohne Not von ihrem hochmodernen Druckzentrum. Schliesslich bewies sie eine sehr unglückliche Hand bei der Wahl des CEO und des Internet-Verantwortlichen.

Wer fleissig FT liest, hat die Nase vorn

Beide grosse Schwätzer vor dem Herrn, aber in der Wirklichkeit gescheitert. Tendenziell hat, unter Anwendung der Netflix-Prinzipien, die NZZ die grössten Überlebenschancen. Mit ihrem Angebot in Deutschland, voller Zugriff auf das Digitalangebot für 100 Euro im Jahr ist sie zudem auch preislich auf dem richtigen Weg. Was sie allerdings in der Schweiz verlangt, das rechtfertigt nicht einmal die Hochpreisinsel Schweiz.

Mit deutlich mehr Investitionen in den Content, Einstellung von überflüssigen Extensions und massiven Preissenkungen könnte sie es schaffen. Wenn man in der Chefetage fleissig die FT und andere englischsprachige Qualitätstitel liest.

 

 

 

Grundkurs für Denunzianten

Wie wird man Denunziant? Wie denunziert man richtig? Was gilt es zu beachten? Ein kostenfreier Ratgeber für Anfänger und Fortgeschrittene.

Sicher, der Begriff hat keinen hohen Sympathiewert. Schliesslich ist ein Denunziant (lat. denuntio, Anzeige erstatten) ein Mensch, der aus niedrigen und persönlichen Beweggründen einen anderen Menschen oder eine Institution anschwärzt, verleumdet, negativ darstellt.

Gerne anonym, nicht selten auch zur Erlangung eines persönlichen Vorteils. Als Erster hat wohl Max Kegel (Denunzianten: bitte googeln) diese üble Gattung in einem Lied charakterisiert:

«Verpestet ist ein ganzes Land,

Wo schleicht herum der Denunziant.»

Hoffmann von Fallersleben soll ihn als den «grössten Lumpen im ganzen Land» beschimpft haben. In jeder Diktatur, in jedem Gewaltregime treibt er sein Unwesen, ist Helferhelfer der Herrschenden und am Unglück vieler Mitmenschen, nicht selten auch an deren Tod schuld.

Als Denunziant muss man abgehärtet sein

Aber wer gerne Denunziant werden möchte, muss da drüberstehen. Viele Denunzianten in der Geschichte redeten sich auch ein, dass ihre Tätigkeit nur dem Guten und Besseren diene, indem es die Feinde der Entwicklung dahin demaskiere und ausschalte.

Ein Denunziant, Lektion eins, muss also eine Mission haben. Von der Richtigkeit seines Tuns überzeugt sein. Das hilft ihm dabei, die gesellschaftliche Ächtung seines Tuns zu ertragen. Da Denunziationen meistens anonym erfolgen, muss er auch keine persönlichen Konsequenzen befürchten. Ausser, er wird enttarnt, aber das ist natürlich ein Kunstfehler, den der angehende Denunziant unbedingt vermeiden muss.

Wie kann er das? Da kommt ihm die moderne Technologie zustatten. Ganz früher musste sich der Denunziant im Schutze der Nacht irgendwo hinschleichen, um seine Denunziation loszuwerden. Entdeckungsrisiko nicht klein.

Auf und ab mit der Entwicklung der Wissenschaft

Später konnte er das auf schriftlichem Weg erledigen. Mit fortschreitender Technik wurde das aber immer schwieriger. Fingerabdrücke, Aufgabestelle (wenn es nicht besondere Briefkästen für Denunziationsschreiben gab), später dann sogar Speicheltest, wenn jemand so blöd war, das anonyme Schreiben in ein nicht selbstklebendes Couvert zu stecken.

Heutzutage ist es sogar so, dass die meisten Drucker eine nicht sichtbare Signatur hinterlassen, mit der ihre Seriennummer identifiziert werden kann. Üble Sache. Aber, Internet sei Dank, hier kann der Denunziant sich wieder austoben.

Blöd nur, wenn er das von seinem heimischen Computer aus macht, denn da nützt ihm der Absender einerderesgutmeint@gmail.com nicht unbedingt. Da Denunzianten nicht nur Charakterlumpen sind, sondern auch häufig beim IQ nicht ganz vorne dabei, muss man ihnen erklären, dass es so etwas wie eine IP-Adresse gibt. Die Benutzung eines Internet-Cafés oder eines Gratis-WLAN mit einem nur für diesen Zweck verwendeten Smartphone empfehlen sich sehr.

Nun, Lektion drei, muss der hoffnungsfrohe Denunziant nur noch eine letzte Hürde überwinden. Er will ja Wirkung erzielen. Eine anoyme Denunziation, so breit gestreut sie auch sein mag, hat keine guten Karten, ernstgenommen oder publik oder wirksam zu werden.

Wie kann der Denunziant Wirkung erzielen?

Aber auch hier gibt es Abhilfe. Denn dem Redakteur ist nichts zu schwör. Das geht zum Beispiel so. Er bekommt eine anonyme Denunziation zugesteckt. Die möchte er eigentlich sofort löschen, dann fällt ihm auf: he, die könnte ich doch gut für eine Kampagne brauchen, die ich gerade fahre. Und wozu gibt es eigentlich den Quellenschutz?

Er weiss natürlich auch, dass «wie mir ein anonymer Denunziant steckte» keine gute Formulierung ist. Also schreibt er: «Gespräche mit verschiedenen Quellen, die aus Gründen der Sicherheit anonym bleiben wollen, haben übereinstimmend ergeben: hier stinkt’s gewaltig.»

Der seriösere Journalist unterscheidet sich vom ganz unseriösen noch dadurch, dass er mindestens den Versuch unternimmt, die Identität eines oder gar mehrerer Denunzianten zu eruieren.

Ist ein Whistleblower etwas anderes?

Was unterscheidet nun einen Denunzianten von einem Whistleblower, letzte Lektion? Ein Whistleblower möchte auf einen Missstand aufmerksam machen, den er für unerträglich hält. Nachdem er vergeblich alle internen Stellen darüber informiert hat. Als letztes Mittel sieht er den Weg an die Öffentlichkeit, normalerweise vertraut er seinen Namen und nicht selten auch Dokumente einem Journalisten an.

Besonders widerlich, das müssen diese Denunzianten aushalten, sind Anschwärzer, die nicht verifizierbare, weil anonymisierte Anschuldigungen erheben. Seien das die 78 Unterzeichnerinnen eines Protestschreibens, seien das Redaktionen wie die «Republik», die diese Methode immer häufiger anwenden.

Aber leider greift sie immer mehr um sich. In den USA nennt man das ganz offen die Zerstörung eines Charakters. Kann man seinem Feind, seinem Gegner nichts anderes vorwerfen, dann greift man seinen Charakter an. «Illoyal», «unfähig», «nicht teamfähig», «vierte Wahl», «Besserwisser», «hätte gar nicht als Bewerber berücksichtig werden sollen». Also kurz: ein unfähiger Charakterlump.

La réalité dépasse la fiction

Hoppla, alle diese Anschuldigungen werden gegen Jonas Projer erhoben, den ehemaligen Leiter von «Blick»-TV und neuen Chefredaktor der NZZaS. Allesamt natürlich anonym, versteht sich. Anonyme Mitarbeiter, anonyme Redaktoren, anonyme Headhunter, anonyme wilde Behauptungen wie die, dass Projer erst angefragt wurde, als alle auf der A-Liste abgewinkt hatten.

Wie nennt man solchen Journalismus, denn wenigstens der Autor ist (meistens) nicht anonym? Genau, das nennt man Kampagnen- oder Fertigmacherjournalismus. Aus eigenen, niederen Beweggründen oder ferngesteuert. Und was kann man zum Charakter dieser Journalisten sagen? Leider nichts, was keine möglichen strafrechtlichen Konsequenzen hätte. Allerdings, he, wie wäre es mit einer anonymen Denunziation? Wäre doch kein Problem; etwas Fantasie, dazu die bewährten Quellen unter Quellenschutz, der verbirgt, dass sie gar nicht existieren, oder zumindest nicht im Plural. Dann die üblichen, nicht verifizierbaren Beschuldigungen (unerträglich, konfliktiv, unfähig, Kontrollfreak, führt ein Terrorregime), et voilà.

Reicht noch nicht? Ach, Bonus-Lektion: dann muss man halt noch nachlegen. Wie? Na, Dummerchen, mit dieser Frage wirst du nie ein guter Denunziant. Was bleibt noch nach dem Beruflichen? Richtig, das Private. Wieder ein weites Feld. Als Quellen dienen hier «aus der Nachbarschaft», «ehemalige Weggefährten», gerne auch «abgelegte Lebensgefährtinnen».

Dazu noch ein paar Spritzer aus offen als «Gerüchte» bezeichneten Schlammkübeln («es wird hinter vorgehaltener Hand gemunkelt»): Drogenkonsum? Bisexuell? Vorliebe für minderjährige Stricher? Benimmt sich genauso cholerisch  zu Hause? Nachbarn wollen Schmerzensschreie gehört haben? Weggefährten erinnern sich, seine Frau öfter mit einer grossen, dunklen Sonnenbrille gesehen zu haben, die sie partout nicht ausziehen wollte?

Und, immer bewährt als Atombombe, Väter sind Täter: Aus Kreisen von Betreuerinnen heisst es, dass seine Kinder Verhaltensauffälligkeiten zeigen, die normalerweise nur, aber wir wollen ja nichts gesagt haben.

Fertig ist der Rufmord, die Vernichtungskampagne. Allerdings leidet unter solchen Schweinereien immer auch der Ruf der Journalisten, die sie verbreiten. Künstlerpech.

Ganz neue Möglichkeiten für Denunzianten, Pardon, Opfer

Ganz andere, neue Wege geht übrigens die Verteilerin des Protestbriefs der Tamedia-Frauen. Sie ist via «netzcourage» nicht nur bei einem allgemeinen Denunzier-Quickie dabei, sondern sie hat neu einen «Anzeigengenerator» gebastelt.

Das wäre dann etwas für die Meisterklasse, hier nur: schon der Name ist geschmackvoll gewählt: netzpigcock.ch. Wer des Englischen nicht so mächtig ist wie Spiess-Hegglin auch, sonst hätte sie «net» geschrieben: das heisst Netzschweineschwanz. Gemeint sind natürlich nicht die Borstentiere mit ihren niedlichen Ringelschwänzchen. Sondern Männer als Schweine.

Kampf den Schweineschwänzen im Netz.

Was tun die? «Hast du ungefragt ein Penisfoto erhalten?» Schluck, anstatt darauf gar nicht oder mit dem Satz «ich lach ja gar nicht, weil er so klein und hässlich ist» zu reagieren, wird man auf dieser Webseite in einfachen Schritten zum Erstellen einer Strafanzeige geführt, «sogar das Porto übernehmen wir per Vorfrankierung».

Ich bin da leider draussen. Mir hat noch keiner, erst recht nicht ungefragt, ein Foto seines Gemächts geschickt. Ich selber habe das auch nicht getan, ich bin doch nicht der ehemalige Stadtammann von Baden.

 

 

 

Endlich: der Denunzier-Quickie!

Sie wollen Denunziant* werden, wissen aber nicht, wie? Hier wird Ihnen geholfen.

Wir nehmen gerne den etwas verqueren Namen einer neuen Plattform beim Wort: «sägsWiesisch». Beziehungsweise «#SägsWiesisch». Gerne: mieser wurde noch selten zur Denunziation aufgefordert.

Mit einer klaren Ansage:

«Hier sammeln wir Medienartikel, die unsensibel über Gewalt, Sexismus, Rassismus, Trans- und Homophobie berichten oder diese reproduzieren.»

Reproduzieren? Soll das heissen, «unsensible» Medienartikel wiederholen Gewalt, Sexismus und so weiter? Und wer ist «wir»? Wie es sich fürs Denunziantentum gehört: «wir» bleibt anonym. Impressum, Datenschutzhinweise, eine rechtsgültige Adresse? Ach was, das sind zwar obligatorische, aber vernachlässigbare Kleinigkeiten beim bösen Kampf ums Gute.

Die üblichen Verdächtigen sind Partner

Immerhin, die «Partner» outen sich. Überraschungsfrei sind das «Netzcourage» von Jolanda Spiess-Hegglin, «Fairmedia» von Beat Jans, Guy Krneta und Co., sowie «Campax» von Andreas Freimüller & Co. Nun widmen sich bereits «Netzcourage» und «Fairmedia» dem Thema, echte und vermeintliche gewaltverherrlichende, sexistische oder rassistische Flecken im Internet aufzuspüren.

Wieso dann noch eine neue Plattform dafür? Ganz einfach, hier gilt: denunzieren – leicht gemacht. Wie das geht, zeigen erst mal drei von anonymen Denunzianten ausgewählte Beispiele. Aus «Blick», «Thurgauer Zeitung» und, schluck, auch der NZZ:

Brutale Vorgabe für Attacken der anonymen Denunzianten.

Alles da, was es für Sektierer braucht. Erregte Sprache, inquisitorischer Ansatz «solch kolonialistische und rassistische Sprache tolerieren wir nicht mehr!» Für Nicht-Sektierer: Anonymus erregt sich über die Verwendung des Wortes «indianisch». Das ist ungefähr die Liga, die Verwendung des Begriffs «Zigeunerschnitzel» unter Quarantäne zu stellen, wie das die rundum von Belästigungen umstellte Aleksandra Hiltmann schon tat.

Schnell denunziert: zwei Klicks reichen

Falls der Hobby-Denunziant diese Meinung teilt, was kann er tun? Ganz einfach, er ist von der Denunziation nur zwei Klicks entfernt. Entweder kann er seiner Empörung per E-Mail Ausdruck verleihen. Oder per Twitter. Auch für Denk- und Schreibschwache bestens geeignet: der Protest-Text ist bereits vorformuliert.

Hat man aufs Angebot geklickt und kehrt zur Seite zurück, wird man gelobt und gefragt, ob man’s nochmal tun wolle. Oder lieber ein eigenes Fundstück einreichen. Auch hier hält sich der Aufwand in Grenzen; einmal klick, und im E-Mail-Programm erscheint dieser vorformulierte Text:

«Hallo

Ich habe eine problematische Berichterstattung über Gewalt, Sexismus, Rassismus, Trans- oder Homophobie entdeckt:

[Name der Zeitung/Webseite]

Der Link: [Bitte Link einfügen]

Herzlichen Dank und freundliche Grüsse»

An «action@» voradressiert. Zwei Platzhalter ausfüllen, abschicken, fertig. Darauf haben wir gewartet. Endlich kann jeder Halbanalphabet, jeder Fanatiker, jede Schneeflocke angeblich Volkes Stimme erschallen lassen und pfannenfertig vorformuliert alle beliebige Medien in den Senkel stellen.

Oder es zumindest versuchen. Der Denunzianten-Quickie. Fixfertig anonym angeliefert, anonym weiterzuleiten (vorausgesetzt, der Denunziant ist in der Lage, sich eine fiktive Hotmail-Adresse zuzulegen). Das ist wirklich ein Fortschritt in Richtung eines humaneren, brüderlichen (auch schwesterlichen) Umgangs der Menschen.

Königlicher Ratschlag: Rübe runter!

Immanuel Kant (Liebhaber dieser Denunzier-Plattform: einfach googeln und dann nicht aufgeben) hätte seine helle Freude daran. Ein Versuch, eine Anstalt zur Beförderung der Moralität zu errichten. Nun wird alles gut. Ich gestehe, ich fühlte mich versucht, diese Plattform bei sich selbst zu denunzieren, aber ich befürchte, zu so viel Einsicht und Selbstironie sind die anonymen Macher nicht fähig.

Daher eine öffentliche Frage: seid Ihr eigentlich völlig schamfrei, ohne jeglichen Anstand, als bewusste Helfershelfer für eine der übelsten Angewohnheiten: anonyme Denunziation?

U.A.w.g., aber nicht erwartet.

 

*Oben haben zwei grosse Künstler zusammengearbeitet. Der Merkspruch ist von August Heinrich Hoffmann von Fallersleben, die Zeichnung von Andreas Paul Weber, der allerdings zwischen Nationabolschewismus, Antisemitismus und Antifaschismus herumeierte. Weber erhielt vom deutschen SPD-Bundespräsidenten Gustav Heinemann das Grosse Bundesverdienstkreuz. Wem das alles als Hobby-Denunziant zu kompliziert ist: kein Problem, hindert nicht am Denunzieren.

 

 

Ein Tweet und seine Geschichte

Zweite Lieferung einer neuen Rubrik. Hier werden Fundstücke obduziert, um ihre Todesursache zu finden. Heute die «NZZamSonntag».

Manchmal sagt ein Bild wirklich mehr als tausend Worte:

Wenn Sie es nur öfter täten …

Ladies, Gentlemen and everyone beyond, wie da die «Republik» sagen würde: Wer versteht das? «Weihnachtskakteen, die auch ohne Wasser blühen»? Was Aline Wanner da geraucht hat? Oder ist sie einfach verknallt? Die Erwähnung eines eher einfältigen Liebeslieds von Amy McDonald spricht dafür. Unglücklich verknallt? Denn im Lied will sie etwas mehr, während er nur ein Freund von ihr sein will.

Also reimt sich für Frauen doch Herz auf Schmerz; und Salome Müller hat das retweetet. Verstehen wir da die Kampfansage richtig?

No women, no NZZaS?

Oder ist es eher «no woman no cry»? Da spenden wir mit Bob Marley, obwohl das ein Mann war, Trost: «Everything’s gonna be all right.»

Allerdings, wir haben halt auch nur die männliche Perspektive drauf, «no women no news» scheint uns doch ein etwas, Pardon, dämlicher Slogan. Denn wer soll denn dann über Frauenstreiks berichten?

Weil der Bundesrat nicht eingreift, geht schon wieder eine Frau

Geht da noch was? Aber sicher. Was braucht es noch? Genau, staatliche Aufsicht, Kontrolle und Eingriffe. Daher wendet sich Aline Trede, grüne Nationalrätin, mit der Frage an den Bundesrat, ob der die erschütternden Zustände bei Tamedia zur Kenntnis genommen habe und wie er handeln werde. Ob er nicht zum Beispiel in die Presseförderung ethische und Diversity-Aspekte beachten wolle.

Was antwortet der Macho-Bundesrat? Logo, er verurteile natürlich alle solchen Vorkommnisse, aber solche Kriterien seien in den gesetzlichen Grundlagen nicht vorgesehen, «ihre Überprüfung wäre wegen der hohen Komplexität und Sensibilität des Themas kaum möglich». Typisch, da verlangt eine weiblich solidarische Grüne mehr Schutz für die Natur, äh, die Frauen, inklusive Kontrolle von und Sanktionen gegen Sexismus, und dann will der Männerclub nicht.

Geht noch ein Kleiner? Immer. Laura Frommberg, stellvertretende Wirtschaftschefin bei Tamedia, hat gekündigt. Nachdem auch sie den Protestbrief unterzeichnete. Ein erstes Opfer des darauf einsetzenden, verstärkten männlichen Mobbings? Da gibt sie persoenlich.com eine richtig weibliche Antwort: «Ja und nein», halt typisch Frau. «Ich gehöre zu den Absenderinnen des Schreibens, das heisst, auch ich habe die Arbeitsatmosphäre teilweise als hinderlich erlebt.» Aber – das geht offenbar neben dem Job als Wirtschaft-Stv. – sie sei gleichzeitig auch immer für das von ihr mitbegründete Portal aerotelegraph.com tätig gewesen, und dem wolle sie sich nun voll widmen.

Ein grosser Verlust für Tamedia. Denn Frommberg veröffentlichte in den vergangenen 12 Monaten rund 40 Artikel.*

 

*Korrektur: Ursprünglich hiess es, Frommberg habe 12 Artikel in den letzten 12 Monaten veröffentlicht. Tamedia legt Wert auf die entsprechende Richtigstellung. Zudem habe Frommberg nicht «ausschliesslich» über Fragen des Flugverkehrs publiziert, sondern nur die Hälfte ihrer Artikel befassten sich damit. Wir bitten um Entschuldigung.