Praktikum: Gesucht ist der Alleskönner

Praktikanten arbeiten für einen Hungerlohn und müssen liefern wie die Profis.

«Du willst die Texte nicht nur lesen, sondern selbst schreiben?» – So einladend beginnt eine leicht versteckte Textbox im Online-Pendlerblatt «20 Minuten». Man findet sie, wenn man sich die Mühe nimmt, den Online-Text «Darum ist Basel ein Hitzeloch» ganz zu lesen und nach unten zu scrollen. Damit scheint man schon ein wichtiges Kriterium für den Job erfüllt zu haben. Beharrlichkeit und Ausdauer. Wer das Bewerbungstool anklickt, findet nun den Titel

Was dich erwartet

«Du lieferst Storyinputs, recherchierst selbstständig und verfasst Artikel für die Print- und die Onlineausgabe von ’20 Minuten›. Zudem realisierst du eigene Videobeiträge und schneidest diese auch selbst. Bei Breaking News berichtest du vor Ort per Livestream und machst Videos und Fotos, die du per Smartphone übermittelst.»

Das tönt spannend. Gleichzeitig aber auch eher anspruchvoll. Denn von Lernen und Ausbildung ist nicht die Rede, sondern von liefern, realisieren, machen, übermitteln.

Das tönt wiederum nach billiger Arbeitskraft. Nach Ausnutzen und Akkordarbeit.

In der Regel um die 1500 Franken

Manche Redaktionen haben es zum Geschäftsmodell erkoren, das günstige Produzieren und ja – Abfüllen – mit vielen Praktikanten. Günstig bedeutet, dass Löhne zwischen null und 3500 Franken bezahlt werden.

Beteiligungen an Ausbildungskosten (MAZ, Ringier-Medienschule, Medienschule St. Gallen) sind eher im Sinken begriffen. Ähnlich wie in der Architektur scheint die Devise: «Du kannst doch froh sein, darfst Du überhaupt bei uns arbeiten. Und überhaupt: nach dem Praktikum bei uns hast Du ganz viele Arbeiten für Dein Portfolio und kommst eher irgendwo in Festanstellung unter.»

Die informative Plattform www.jjs.ch, betrieben von einem Netzwerk von Medienschaffende bis 30 Jahre, hat sich vor einiger Zeit die Mühe genommen, eine detaillierte Umfrage über Praktikumslöhne, Bedingungen und Erfahrungen zu starten. Hier die Resultate.

Das Fazit der Autoren ist klar: «Das Kapital des Qualitätsjournalismus von morgen sind gut ausgebildete Jungjournalisten. Anbieter von Praktika (…) stehen in der Pflicht, ihren Schützlingen einen Journalisten an die Seite zu stellen. (…). Redaktionen, die Praktikanten als billige Arbeitskräfte sehen, schaden der Branche.»

Hast Du spezielle Erfahrungen gemacht in einem Praktikum? Nutze unsere Kommentarspalte oder – anonym – die Anonymus Box oben rechts auf dieser Website.

 

 

Bla Bla Blattkritik

Die Sonntagspresse im Test. Wer ist top, wer Flop?

Zugegeben, es mag unfair sein, ausgerechnet den 2. August als Testgrundlage zu nehmen. Samstag 1. August, Sommerloch, Höchststrafe für die Redaktoren, die sich dennoch genügend Themen aus den Fingern saugen müssen.

Auf der anderen Seite verlangen die drei Sonntagsblätter ja nicht weniger Geld für weniger Inhalt. Da schwingt der «SonntagsBlick» (SoBli) obenaus. Für Fr. 4.90 gibt es 39 Seiten Politik, People und Vermischtes, 39 Seiten Sport und 35 Seiten Magazin. Allerdings im Tabloid-Format, also werden die auf 56,5 Seiten umgerechnet. Die Verlagsbeilage 20/20 mit einigen sehr interessanten Formen von Schleichwerbung läuft ausser Konkurrenz.

Es gibt keine Primeurs oder Skandale

Die «SonntagsZeitung» (SoZ) will Fr. 6.- für 60 Seiten, die NZZamSonntag (NZZaS) gar Fr. 6.50 für ganze 48 Seiten. Obwohl deren Magazin «Sommerpause macht» und sich erst Mitte August zurückmeldet. Alle drei Blätter sind erschreckend-angenehm inseratefrei.

Gut, das ist die quantitative Analyse, viel wichtiger ist natürlich der Inhalt. Zunächst fällt auf, was es nicht gibt. Primeurs, Skandale, Enthüllungen. Das war früher das Geschäft von SoBli und SoZ, selbst die NZZaS war sich nicht zu schade, mal für Gesprächsstoff zu sorgen. Alle drei Blätter profitieren davon, dass Samstag weitgehend gegendarstellungsfreier Raum ist. Da kann man ungeniert holzen und dazu schreiben: War für eine Stellungnahme nicht erreichbar.

Diesen Sonntag aber ist der SoBli eindeutig das staatstragende Organ; er macht mit einem Interview mit Aussenminister Ignazio Cassis auf. Inhalt? Unwichtig, Interview mit Bundesrat ist immer gut. Die SoZ will Mut machen und behauptet «Die Schweiz trotzt der Krise», die NZZaS verlangt «Ruhe!» in der Natur und beklagt, dass der Bund «Impftests verschläft».

Der SoBli sorgt für Aufreger

Für die einzigen Aufreger sorgt der SoBli; er zwirbelt die unterschiedlichen Auffassungen von Bund und Kantonen zum «Corona-Chaos» hoch. Dann hat er sich den ehemaligen Immobilien-Chef der SBB zur Brust genommen. «Filz nach Schweizer Art» schimpft er, denn der ehemalige Chef der zweitgrössten Immobilienfirma SBB sammelt nach seinem Ausscheiden fleissig VR-Mandate – logisch bei Baufirmen und anderen Unternehmen, die mit den SBB zu tun haben.

Obwohl die SoZ den grössten Umfang hat, muss man sich bei der Lektüre durch energisches Umblättern wachhalten. «Velofahrer ärgern sich über die SBB», «Feuer unterm Zeltdach», «Die erste Madam President», alles Artikel mit hohem Schnarchpotenzial. Einzig ein munteres, aber nicht ganz taufrisches Stück, «Wie Schweizer Mafiosi ihr Geld gewaschen haben», unterbricht die Monotonie. Allerdings traut sich der Autor nicht, die Namen der darin involvierten Banken zu nennen. Oder er hat sie nicht rausgekriegt.

Die NZZaS lässt einen Taliban sprechen

In der guten alten NZZ-Tradition, auch Mikronesien nicht auszulassen, wenn es dem zuständigen Redaktor beliebt, informiert sie den Leser auf einer Seite darüber, warum sich der afghanische Bauer Abdul Maruf den Taliban angeschlossen hat. Im «Hintergrund» glänzt Daniel Meier mit einem kenntnisreichen Stück über Kermit, den Frosch. Es ragt auch deswegen heraus, weil  Werweisen über die Frage, ob Trump freiwillig das Weisse Haus nach einer Wahlniederlage räumt und die Erinnerung an 75 Jahre Abwurf der Atombomben auf Japan zur Gattung gehören: Kann man machen, muss man nicht machen.

Sonst? Sagen wir so: Wirtschaft plätschert so vor sich hin, und dass der auch schon 75-jährige Bassist von Deep Purple im Aargau wohnt, ist an kulturellem Gehalt kaum zu überbieten. Bei der SoZ war früher einmal das grosse Interview als Auftakt des «Fokus»-Bundes ein Markenzeichen. Diesmal darf der neue Zoodirektor Lebensweisheiten unter die Leute streuen wie «Bei einem Tiger kommt man leider selten davon».

Dann der Notnagel, eine Doppelseite «Wie war denn der 1. August», auf Seite 19, neben den Leserbriefen ein bemerkenswertes Korrigendum über ZACKBUM.ch. Auch die Wirtschaftsredaktion der SoZ hat eigentlich nichts zu melden; eine interessante Abhandlung über die Entwicklung der Zinsen seit 1317 entpuppt sich als Zusammenschrieb aus einer wissenschaftlichen Untersuchung zum Thema.

Diese Seiten werden Ihnen präsentiert von …

Vom gleichen Autor, der schon mit der Mafia-Geldwäsche etwas für Unterhaltung sorgte, noch ein Stück über Schmiergeldzahlungen beim Bau der U-Bahn von Panama City. Nicht gerade überraschend, und auch nur ein Zusammenschrieb aus einem Bundesgerichtsurteil vom Mai. Dass Migros jetzt Schoggi von Coop verkauft, schafft es auch nur in der Saure-Gurken-Zeit zu fast einer Seite. Dass Frauen inzwischen offen dazu stehen, dass sie menstruieren; nun, das wollten wir Männer auch schon immer mal wissen.

Zur Abrundung entlässt einen die SoZ mit einer Seite redaktionelle Werbung für ein Töff und mit der Schmonzette, dass Bugatti eine Seifenkiste für Kinder auf edel getrimmt hat und für bis zu schlappen 60’000 Euro verkauft. Was darauf hinweist, dass der Artikel, wie viele andere auch, von der «Süddeutschen Zeitung» übernommen wurde und der bearbeitende Redaktor erschöpft war, nachdem er alle ß durch ss ersetzt hatte.

Dann folgen noch drei Seiten, die das Elend des Reisejournalismus bestens illustrieren. Lust auf Malta, eine Wandertour im Tirol oder patriotisch auf den Aletschgletscher? Die SoZ hat’s ausprobiert und findet’s grossartig. Super. Spitze, toll. Keinesfalls liegt das daran, dass bei allen drei Ganzseitern am Schluss verschämt steht «Die Reise wurde unterstützt durch …». Mit anderen Worten: bezahlte Werbung, die als redaktionelle Leistung daherkommt.

Eine überraschende Reihenfolge

Kassensturz am Schluss? Es fällt auf, dass die SoZ, aber auch zunehmend die NZZaS, mit übergrossen Fotos arbeiten. Der SoBli pflegte schon immer ein Boulevard-Layout mit hohem Bildanteil, knalligen Titeln, bunten Elementen. Bei der SoZ sind die bis zu halbseitigen Fotos, links und rechts von Textriemen umrandet, aber offensichtlich Platzhalter. Platzfüller.

Was erhält man also für insgesamt Fr. 17.40 (Einzelverkaufspreis)? 165 Seiten bedrucktes Papier. Natürlich rein subjektiv inhaltlich gewichtet: Die NZZaS hat mit dieser Ausgabe extrem enttäuscht. Kaum Lesenswertes, kaum Interessantes, kaum Hintergründiges, und das Magazin, kaum eingeführt, macht schon mal Pause.

Der SoBli zeigte sich interessanterweise staatstragend und sorgte mit dem Multi-VR für einen hübschen Aufreger. In der SoZ fielen nur zwei Stücke vom gleichen Autor über Gelwäsche und Schmiergelder positiv auf.

Es war also ein Kopf-an-Kopf-Rennen, aber zur eigenen Verblüffung ist die Rangordnung: 1. SoBli, 2. SoZ, 3. NZZaS.

 

 

Packungsbeilage: Der Autor war lange Jahre Auslandkorrespondent der NZZ, publiziert noch gelegentlich in der NZZ, hat aber in der NZZaS bislang ein einziges Mal einen Kommentar veröffentlicht.

Teure Lehrstunde für tsri.ch

Wie man Spendengelder rausballert.

Die Welt von heute ist beherrscht von skrupellosen Börsenspekulanten und finsteren Firmen, die vom Staat das Blut abzapfen und raffgierig ihr Geld bunkern oder unter ihresgleichen verteilen. Sie schwindeln Kurzarbeit vor, halten aber geizig an ihrer Dividenden-Ausschüttung fest.

Die ganze Welt? Nein, irgendwo in Zürich gibt es noch ein paar Journalisten, die gegen diese Abzocker ankämpfen. Dafür brauchen sie aber zuerst einmal Geld, und zwar ziemlich viel.

Tsri.ch ist ein seltsames Medium, dass zwischen Maturazeitung und Musenalp-Express oszilliert. Wer manche Titel nicht versteht, muss leider zugeben, dass er alt geworden ist: «Warum fehlen BIPoC in der Pride?».

In den Texten geht es um die Probleme der Kurden, die besten Velomechaniker, Lesbenprobleme oder die feinsten Milchkaffees in der Stadt Zürich. Wir wollen nicht harsch über tsri.ch schreiben. Wir kritisieren keine Kinder.

17’755 Franken-Recherche

Nur ein bisschen. Es geht nämlich um das erfolgreiche Crowdfunding von tsri.ch. 17’755 Franken haben die Jungen gesammelt. Das Geld sollte ihnen eine breit angelegte «Corona-Recherche» ermöglichen. Die jungen Macher stören sich nämlich daran, dass viele Firmen zwar Kurzarbeit beantragt haben, ihren Aktionären aber trotzdem eine Dividende auszahlen wollen oder dies schon gemacht haben.

tsri.ch sind nicht alleine in ihrer Empörung. Der Nationalrat und der Ständerat haben einer Motion zugestimmt, die eine Dividendenauszahlung bei Kurzarbeit verbieten will. Die Medien haben ausgiebig darüber berichtet. Das Thema ist – durch.

Yes. Ziel erreicht

Trotzdem sind also 17’000 Franken in das Konto von tsri.ch geflossen. «Yes. Ziel erreicht», jubelten die Journalisten. Mit dem vielen Geld könne man nun «einen Monat lang investigativ recherchieren», «einige Firmen genauer unter die Lupe nehmen», mit Rechtsexperten sprechen und sogar versuchen, «via Öffentlichkeitsgesetz vom Kanton Zürich an jene Firmennamen zu kommen, welche Kurzarbeit bewilligt bekommen haben. Diese überprüfen wir dann auf Dividendenzahlungen.»

Uff, ganz schön viele Ziele. Herausgekommen sind dann zehn Texte. Drei von ihnen erhalten von uns knapp das Prädikat «Recherche», bei den anderen gaben sich die Autoren immerhin Mühe. So gesehen sind 17’755 Franken ziemlich viel Geld. Darauf angesprochen reagiert der Chefredaktor Simon Jacoby natürlich pikiert: Einem Recherche-Ergebnis einen finanziellen Wert zuzuordnen, das sei nicht seriös. Sein Team habe einen super Job gemacht, die Leser und insbesondere auch die Teilnehmenden des Crowdfundings seien sehr zufrieden mit der Recherche gewesen.

Eine gute Investition

Von den vielen Versprechungen konnten einige nicht eingelöst werden. Interviews mit Rechtsexperten hätten zum Beispiel keinen Sinn gemacht, da die juristische Frage schnell beantwortet war: Dividenden sind trotz Kurzarbeit natürlich erlaubt. Sie beziehen sich ja auf das abgelaufene Geschäftsjahr. Pech hatte die motivierte Truppe auch mit ihrem Einsichtsgesuch. Da wurden sie von einer Stelle zur nächsten Stelle verwiesen, bis sie eine ablehnende Antwort erhielten. Immerhin: Ab Herbst soll wieder das Öffentlichkeitsgesetz bemüht werden. Tsri.ch will nämlich die abgerechneten Stunden der Zürcher Firmen veröffentlichen. Wie spannend ist das wohl?

17’755 Franken sind so gesehen eine gute Investition in angehende Journalisten. Die erste Lektion ist nämlich immer: Auf jede gute Idee kommen mindestens zwei Niederlagen. Und das lernt man nur im Alltag.

Roman Brodmann und die heiligste Kuh

Ein grosser Schweizer Journalist, ein Kämpfer, ein Freund.

Roman Brodmann wäre heuer 100 Jahre alt geworden.

Die Furie des Verschwindens ist ungerecht. In der jüngeren Schweizer Publizistik gibt es einige Namen, die fraglos in die Ahnengalerie von allen gehören sollten, die sich in den heutigen, harten Zeiten dem Journalismus verschrieben haben.

Einer davon ist Roman Brodmann, der vor 100 Jahren geboren wurde. Freier Mitarbeiter verschiedener Schweizer Zeitungen, Cabaret-Autor, Filmkritiker beim Schweizer Fernsehen, Chefredaktor der «Elle» und dann der «Zürcher Woche».

Ein eleganter Schreiber, umfangreich gebildet, ein blendender Unterhalter. Auch ein Lebemann, den schönen Dingen zugetan. Und das, was man damals sozialkritisch nannte. Dank ihm hatte ich meinen allerersten Auftritt in einer Zeitung. Nicht als Autor, sondern als Objekt einer Kolumne über meinen damaligen Lehrer an der Bezirksschule Aarau. Ein Militärkopf, der seine tiefe Unsicherheit hinter martialischem Auftreten und drakonischen Unterrichtsmethoden verbarg.

Entlarvende Sanftmut

Aus meinen Erzählungen machte Roman ein kurzes Essay, in seiner sanften Boshaftigkeit viel entlarvender als mein Geschimpfe über diesen Lehrer. Wie es sich damals gehörte, als der Befehl «Moskau einfach» in der Schweiz schnell erschallte, wenn ein «Nestbeschmutzer» sich kritisch über das Land äusserte, geriet Brodmann 1963 mit dem Schweizer Fernsehen über Kreuz und wechselte nach Deutschland.

Er hatte den Dokumentarfilm als neues Medium entdeckt; im grösseren Anwesen seiner damaligen Frau in der Nähe von Heidelberg schlug er sein neues Hauptquartier auf. Bei meinen Besuchen sah ich zum ersten Mal eine noch grössere Bibliothek als bei meinem Vater, von beiden lernte ich zudem so vieles über Lebensart, über Ästhetik, über die Macht der sanften Subversivität, über die Lust am Argumentieren, über die Neugier beim Entdecken der Realität.

Preisgekrönte Meisterwerke

Ich rauchte dann einige Zeit Craven A, die bevorzugte Marke von Roman, deren Rauch er nicht inhalierte, sondern geradezu in sich hineinfrass. Was ihn dann auch nach nur 70 Jahren ins Grab brachte.

Aber vorher zeichnete er sich mit preisgekrönten Meisterwerken des Dokumentarfilms aus. Nicht unparteiisch, aber ganz und gar nicht demagogisch, und ganz sicher nicht einem Gesinnungsjournalismus verhaftet. Sein Film über den Schah-Besuch von 1967, in dessen Umfeld der Student Benno Ohnesorg erschossen wurde, «Der Polizeistaatsbesuch», wurde wie einige andere seiner Werke mit dem deutschen Grimme-Preis ausgezeichnet.

1984 erschien «Moskau einfach», eine Sammlung seiner Zeitbetrachtungen von 1968 bis 1984. Eigentlich eine Pflichtlektüre für jeden angehenden Schweizer Journalisten, schon längst im Zytglogge-Verlag vergriffen. Genau wie «Der Unschweizer» über den Umgang der Schweiz mit Dissidenten wie Jean Ziegler. Genau wie «Schweiz ohne Waffen. 24 Stunden im Jahre X», 1973 bei Benteli erschienen.

Gab er die Idee für die Armeeabschaffungsinitiative?

War das die Keimzelle der «Gruppe für eine Schweiz ohne Waffen» (GSOA)? Haben sich die Basler Jusos davon inspirieren lassen? Lag es 1982 im Restaurant «Kreuz» in Solothurn auf dem Tisch, als die GSOA offiziell gegründet wurde und sich daran machte, ernsthaft eine Volksinitiative für die Abschaffung der Schweizer Armee zu lancieren? Damals ein ungeheuerlicher Tabubruch. Heute kaum mehr vorstellbar, aber Anfang 80er-Jahre war eine Karriere in vielen Berufen ohne eine Offizierslaufbahn in der Armee undenkbar.

Als es dem Initiativkomitee tatsächlich gelang, im Herbst 1986 über 100’000 gültige Unterschriften einzureichen, japste die Armeeführung, die Regierung, die gesamte konservative Schweiz hörbar nach Luft. War sich aber sicher, dass die Initiative krachend vom Volk abgelehnt würde.

1987 wurde der letzte grosse Dokumentarfilm Brodmanns ausgestrahlt, an dem er von 1982 an gearbeitet hatte: «Der Traum vom Schlachten der Heiligsten Kuh» (hier wenigstens sein Interview mit Max Frisch). Den dafür 1988 verliehenen Adolf-Grimme-Preis konnte er schon nicht mehr persönlich entgegennehmen. Aber er erlebte noch, wie Ende November 1989 ganze 35,6 Prozent für die Initiative stimmten, in Genf und im Jura wurde sie sogar angenommen.

Er wirkte und bewirkte

Gerade war die Berliner Mauer gefallen, der Ostblock befand sich in Auflösung, Gorbatschow versuchte verzweifelt und erfolglos, die UdSSR zu reformieren. In diesem Zeitgeist wurde die heilige Kuh Armee zwar nicht geschlachtet, aber das Resultat schickte Schockwellen durch die politische Schweiz und stiess grundlegende Reformprozesse an.

Am 1. Februar 1990 starb Roman Brodmann in Basel. Er habe sich nur noch bis zum Abstimmungsergebnis durchgeschleppt, sagte er mir in unserem letzten Telefonat, schon schwer gezeichnet vom Krebs. Besuche empfing er keine mehr; es wurde ein stiller Triumph für diesen engagierten Publizisten, dass er tatsächlich und messbar Wirkung erzielt hatte. Das ist nicht manchen vergönnt, für ihn ist’s wohlverdient.

Manchmal betrachte ich ein Schreibwerk, bilde mir ein, als aufgehörter Raucher den würzigen Duft der Craven A in der Luft zu spüren. Ich meine, sein gütiges, schnauzbärtiges Gesicht mit der hohen Stirne und den zwischen Melancholie und Schalk oszillierenden Augen vor mir zu sehen und hoffe auf ein zustimmendes Nicken von ihm.

Brodmann gehörte zu der langsam aussterbenden Gattung des Allrounders. Er konnte von Aperçus bis profunden Analysen alles schreiben. Er konnte über Lebensart oder über Politik schreiben. Er war nie verletzend, aber oft entlarvend. Er war ein Meister der sanften Ironie, er war der festen Überzeugung, dass man mit ruhigem Zureden eher etwas erreicht als mit krachender Polemik.

Als Dokumentarfilmer machte er etwas, was auch eher aus der Mode geraten ist: Er nahm sich selbst zurück, liess die Realität sprechen, beschränkte sich auf sparsame, aber punktgenaue Kommentare.

Verdichtete Realität, darum geht es in unserem Metier, darin war er ein Meister.

 

Dieser Artikel erschien leicht gekürzt in der NZZ vom 29. Juli 2020 (hinter der Bezahlschranke). Mit freundlicher Genehmigung.

Älteste Redaktorin der Schweiz ist tot

Leny Wyss-Steinmann (104) ist vor wenigen Tagen friedlich verstorben.

Die in Buchs bei Aarau aufgewachsene ehemalige AZ-Redaktorin verantwortete 1940 die Beilage «Die Welt der Frau» der damaligen «Neuen Aargauer Zeitung».

1916, also zwei Jahre vor Ausbruch der Spanischen Grippe, kommt Helena Steinmann in Aarau zur Welt. Zwei Jahre später hilft ihre Mutter Rosa Steinmann im Kampf gegen die grassierende Spanische Grippe als Freiwillige. Sie pflegt kranke Soldaten und begibt sich dadurch selber in Gefahr. Doch Mutter wie auch Tochter kommen davon, im Gegensatz zu etwa 25000 meist jungen Soldaten, , die allein in der Schweiz an jenem Grippevirus sterben.

Eigenheim für 30000 Franken

Die schon seit früher Kindheit «Leny» genannte Tochter wächst zusammen mit ihrem Bruder Erwin, heute 97-jährig, in Buchs bei Aarau auf. Vater Robert arbeitet fast sein ganzes Berufsleben als Kondukteur bei den SBB. Er trat dem Unternehmen 1908 bei, sechs Jahre nach der grossen Bahnenfusion. 1930 baut die junge Familie trotz kargem Lohn ein Eigenheim an der Jakob-Bächli-Strasse. Man ist so sparsam, dass man die 4500 Franken für die 900 Quadratmeter Land bar bezahlen kann. Der Quadratmeterpreis beträgt 1930 lediglich 5 Franken, das heute noch stehende Zweifamilienhaus kostete 30’000 Franken.

Handelsdiplom an der alten Kanti

Leny durchläuft ohne Mühe die Bezirksschule und macht das Handelsdiplom an der alten Kantonsschule Aarau. Das war damals für das weibliche Geschlecht eine grosse Ausnahme. Dann folgt der Master, wie man das heute bezeichnen würde, als Hauswirtschafterin. In den 1930er Jahren hiess das noch Hausbeamtin. Dank diesen vielschichtigen Kenntnissen kommt sie zu einem für jene Zeit höchst ungewöhnlichen Job: Redaktorin bei der «Neuen Aargauer Zeitung». Die wöchentliche Beilage nennt sich «Die Welt der Frau». Dabei sind nicht nur Kochrezepte und Haushaltipps die Inhalte. Im Gegenteil: Oft schneidet Leny Steinmann kontroverse Themen an: «In jede Schulpflege eine Mutter», «Debatte über das Frauenstimmrecht», «Reicht unsere Kraft als Frauen aus?», sowie «Die Frauenrechtlerin hat das Wort». Die Artikel zeigen, wie kämpferisch und selbstbewusst Leny Steinmann schon damals agierte.

Die Artikel lesen sich heute noch flüssig und spannend. Steht am Anfang im Impressum noch Frl. Leny Steinmann, heisst es später: Verantwortlich für die Seite: L. Steinmann. Das ist darum bemerkenswert, weil so das Geschlecht der Autorin nicht mehr erkennbar ist. Der Grund ist nicht mehr klar. Der eine oder andere bissige Kommentar gab’s sicher, etwa: «Auf so ein Frauenzimmer haben wir gerade erst gewartet» oder «das geht auch nur, weil alle Männer im Aktivdienst sind». Leny Wyss-Steinmann, wie die Redaktorin seit ihrer Heirat 1942 heisst, weiss lediglich noch, dass sie weit und breit die einzige Frau auf der Redaktion war. Weil sie wenige Wochen vor ihrem Tod noch ihren 104. Geburtstag feierte, war sie wohl die älteste noch lebende Redaktorin – zumindest in der Schweiz.

Die Liebe in Höngg gefunden

Dass Leny die Redaktorenstelle kündigte, hatte nichts mit dem Zweiten Weltkrieg zu tun. Bei einem Nebenjob in einem Restaurant in Zürich-Höngg lernte sie den jungen, attraktiven Maschineningenieur Franz Wyss aus Winterthur kennen. Die Liebe schlug sofort ein und 1942 wurde geheiratet.

Weil Peter – so wurde er umgänglich genannt – Wyss einen guten Job hatte und später die Betriebsleitung der Aluminiumwerke in Chippis im Wallis übernehmen konnte, zügelte man nach Sierre. Ganze 73 Jahre sollte Leny Wyss, wie sie nun hiess, in dieser Wohnung bleiben.

2014 näher zur Tochter

Zurück in den Journalismus war für Leny keine Option. Das damals übliche Familienmodell und eine überschaubare Medienlandschaft im Wallis waren Gründe dafür. Zudem war es damals so, dass es beim Staat und bei grösseren Firmen sogar verboten war, dass Ehefrauen einen eigenen Verdienst hatten. Diese Regeln galten bis etwa 1975.

Das Interesse für die Politik, die Kunst und Literatur blieb aber stets im Mittelpunkt. Nach dem Tod des Ehemanns vor 20 Jahren lebte Leny Wyss noch bis 2014 in Sierre. Erst vor sechs Jahren, als ein Augenleiden immer schlimmer wurde, zog sie nach Zürich ins Blindenwohnheim Mühlehalde, keinen Kilometer vom Wohnort ihrer Tochter Christine entfernt. Weil das Lesen immer mühsamer wurde, hörte Leny Wyss viel Radio. Besonders angetan hatte es ihr neben Hörbüchern das Echo der Zeit. Diese Sendung gibt es seit 1945. Schon fünf Jahre vorher war Leny Wyss bei der Aargauer Zeitung tätig. Jetzt ist ihre Stimme für immer verstummt.

Operation am offenen Herzen verpfuscht

Christoph Mörgeli auf dem Kriegspfad: Ein Indianer kennt keinen Schmerz. (Screenshot SRF)

Ins Amt schreiben geht nicht: Prof. Maisano ist’s los.

Der Titularprofessor und Vizepräsident der Europäischen Totentanz-Vereinigung weiss, wie es sich anfühlt, wenn man von einer Stelle als Institutsleiter entfernt wird. Vielleicht liegt darin der tiefere Grund, dass sich Christoph Mörgeli mit drei ausführlichen Artikeln in der «Weltwoche» für den zunächst beurlaubten, inzwischen seines Amtes enthobenen Leiter der Herzchirurgie am Unispital Zürich einsetzt.

«Tumult an der Herzklinik», «Zürcher Herzgeschichten» und aktuell gar «Den Falschen beurlaubt» lauten die Titel der ausführlichen Storys, denen man vieles vorwerfen kann, aber nicht das Fehlen eines klaren Standpunkts.

Wie man sich nicht instrumentalisieren lassen darf

Mit rund 28’000 Anschlägen zieht Mörgeli so ziemlich alle Register zur Verteidigung von Prof. Francesco Maisano, Chefarzt der Herzchirurgie am Unispital Zürich (USZ). Die Kampagne könnte von der PR-Agentur Farner, die Maisano zur Unterstützung beigezogen hat, nicht besser orchestriert worden sein. Man sollte sie als Lehrstück für angehende Journalisten anpreisen. Wie man sich als Journalist nicht instrumentalisieren lassen sollte.

Denn es handelt sich um eine dreistufige Rakete mit voller Feuerkraft und Rauchentwicklung. Die erste Stufe, die Ouvertüre, bestand darin, einerseits dem indirekten Vorgesetzten von Maisano, dem Kardiologie-Chef Frank Ruschitzka, die Beteiligung an einem «äusserst schwerwiegenden Publikationsskandal» nochmal aufs Brot zu schmieren. Der musste tatsächlich einen Bericht in einer angesehenen Medizinzeitschrift zurückziehen, weil die darin verwendeten Daten nicht belastbar waren.

Aber Ruschitzka werde mit Samthandschuhen angefasst, beklagt Mörgeli, während Maisano wegen «Verdächtigungen von ungleich geringerem Gesicht sofort beurlaubt wurde». In einem «vom Spitalrat (dem Aufsichtsorgan über das USZ, Red.) bestellten Bericht» werde die Schuld für Reibereien nur Maisano «in die Schuhe geschoben». Wieso wohl das? Nun, ob das wohl damit zu tun habe, dass der Spitalratspräsident Patient von Ruschitzka sei, fragt Mörgeli unschuldig.

Fataler noch, der deutsche Whistlebower, der die Untersuchung gegen Maisano ins Rollen brachte, sei «Mitbegründer und Mitverwaltungsrat» einer Firma; zusammen mit Ruschitzka. Zudem sei der Whistleblower vom Spital entlassen worden, das habe dann der Spitalrat «unter dem öffentlichen Trommelfeuer aus dem Hause Tamedia» zurückgenommen.

Mörgeli blickt furchtlos in einen Abgrund

Ein selten gelungener Blattschuss. Beziehungskorruption, zweierlei Ellen, Anschwärzung mit bestelltem Bericht, ein Whistleblower mit verborgener Agenda. Schwer, da etwas draufzulegen, aber das schafft Mörgeli locker mit Stufe zwei: die geschlagene Bresche erweitern. So rekapituliert Mörgeli eine Woche später seine Vorwürfe, erwähnt befriedigt, dass sie von den Medien aufgenommen wurden, beklagt nochmals die «butterweiche» Behandlung von Ruschitzka, während der «weltweit anerkannte Experte für Mitralklappen», der Beste von 29’000 Experten weltweit, eben der Prof. Maisano, beurlaubt wurde, obwohl doch die Untersuchung «keine Hinweise auf ein strafbares Verhalten» ergeben habe.

Aber der Präsident des Spitalrats, der die Beurlaubung anordnete, sei nicht nur Patient bei Ruschitzka, sondern auch Tauchkollege von Malcom Kohler. Was insofern von Belang sei, weil Kohler Bereichsleiter und damit auch Vorgesetzter von Maisano sei. Schlimmer noch, kehre Maisano nicht umgehend zurück, «dürfte die internationale Reputation des Herzzentrums Zürich leiden». Während der interimistische Leiter «in einer Blitzaktion ohne eigentliches akademisches Auswahlverfahren berufen» worden sei. Also ein Stümper anstelle einer Weltkoryphäe.

Einer geht noch

Geht da noch einer? Aber sicher, rechtzeitig zum Nationalfeiertag steigert sich Mörgeli zum feuerspeienden Höhepunkt: Der Whistleblower habe lediglich die «schon früher geäusserten Vorwürfe von Frank Ruschitzka gegen Francesco Maisano wiederholt», den «international anerkannten Pionier». Auch aufgrund eines von Maisano bei der Nobelkanzlei NKF bestellten Gutachtens «bleibe kein substanzielles Unrecht am Herzchirurgen hängen».

Dann werden noch Stimmen angeführt, die innerhalb und ausserhalb der Klinik die Beurlaubung kritisieren und die Rückkehr der weltweiten Nummer eins fordern. Es handelt sich um eine Rufmordkampagne gegen einen renommierten Arzt, angezettelt von einem Whistleblower, der finanziell mit einem neidischen Kollegen von Maisano verbandelt ist, und durchgeführt von einer Aufsichtbehörde, deren Präsident möglicherweise parteiisch ist. Eine Riesensauerei also.

Der unter dem Trommelfeuer der Tamedia nicht wankende Professor musste sich sogar Hilfe bei einer PR-Agentur holen und ein sicherlich schwindelerregend teures Gutachten besorgen, um seinen blütenweissen Arztkittel vor Dreckeleien, wie Mörgeli so etwas in eigener Sache damals nannte, zu beschützen. Unglaubliche Zustände.

Das Pech klebt an der «Weltwoche»

Nur, dieses Pech ereilt die «Weltwoche» gelegentlich. Als sie ein Loblied auf die UBS anstimmte, musste die Bank am Erscheinungstag um Staatshilfe betteln. Einen Tag, nachdem Mörgeli seine Trilogie mit der krönenden Folge «Den Falschen beurlaubt» abschloss, gab das USZ bekannt, dass es Maisano seines Amtes enthoben habe.

Damit habe er keinen Zugriff mehr auf das spitaleigene Intranet; neu wird ihm auch noch vorgeworfen, dass er während der laufenden Untersuchung auf Daten zugegriffen und sie verändert habe. Er bestreitet auch diesen Vorwurf; da es sich aber wohl nur um Operationsberichte handeln kann, wäre das tatsächlich ein schweres, strafbares Vorgehen.

Und die 132-seitige Rechtfertigungsschrift, die im Vorwurf gipfelt, es werde eine Hetzkampagne gegen ihn geführt, ist das Papier nicht wert, auf das sie gedruckt wurde. Alle Mitarbeiter der Herzklinik, die sich vor allem auf der Jobplattform Linkedin für ihn und gegen den interimistischen Leiter aussprachen, dürften die sehr bald für eigene Bedürfnisse brauchen.

Mitten im Lauf gestoppt

Dabei war man so gut unterwegs. Die NZZ setzte schon brav Fragezeichen hinter eine mögliche «Vorverurteilung». St. Gallen meldet volle Unterstützung für Maisano, Spitaldirektor und Chef Kardiologie verweigern die Zusammenarbeit mit dem Whistleblower, meldet das «Tagblatt». «Viele Ärzte wollen Maisano zurück», «Unispital verletzt Fürsorgepflicht», nur zwei Titel der Kampagne in «Medinside», einer Medizinerplattform. Selbst aus der fernen Türkei drückt ein Arzt sein Missfallen über die Behandlung von Maisano aus. Alles rausgeschmissenes Geld.

«Gebt mir eine Million, und ich mache einen Kartoffelsack zum Bundesrat», soll der PR-Pionier Rudolf Farner gesagt haben. Aber er ist schon lange tot, einen geschassten Klinikchef kann Farner Consulting nicht wieder ins Amt hebeln. Obwohl alle Register gezogen wurden und vor allem Mörgeli sein Bestes gab. Was leider nicht gut genug ist. So eloquent der Totentanz-Spezialist auch in Sachen Maisano ist, eingeladen zu einer Stellungnahme schweigt er schmallippig. Schade auch, dabei könnte er heute das August-Feuerwerk um «die ins Gesicht explodierende Rakete» erweitern.

Screenshot aus dem 1. August-Video

Ringier: Nicht Number One in Ghana

Schwarz auf weiss, das gilt auch in Ghana.

Am Bundesfeiertag sollte noch eine drängende Frage geklärt werden: Welches ist die beliebteste Online-Nachrichtenplattform in Ghana? Ringier meint: Pulse Ghana. Die Nachrichtenplattform sei die «wichtigste Quelle für Nachrichten und Informationen zu Musik, Filmen, Events, Sport und vielem mehr».

Dazu muss man wissen, dass Pulse Ghana zum Ringier-Konzern gehört. Die wichtigste Nachrichtenquelle Ghanas veröffentlichte kürzlich einen Artikel zum bevorstehenden Bundesfeiertag der Schweiz. Im Video hört man den Schweizer Botschafter Philipp Stalder darüber jammern, dass er dieses Jahr den 1. August nur virtuell feiern könne.

Wird man mit solchen News zur beliebtesten Online-Nachrichtenplattform Ghanas? Wohl kaum. Ein Gradmesser von Beliebtheit ist der Alexa Rank. Das Tochterunternehmen von Amazon sammelt die Daten über Seitenabrufe von Websites.

Ja wo ist denn die Webseite?

Vergebens sucht man die Ringierseite in den Top 50 von Ghana. Otto Normalghanaer ruft lieber andere Nachrichtenportale auf: ghanaweb.com, peacefmonline.com oder modernghana.com. Auch in vielen anderen Bewertungen (hier oder hier) taucht Ringier nicht unter die beliebtesten auf, mit dieser Ausnahme. Aber, Pech aber auch, das ist ein Dienstleister für Marketingmassnahmen.

Ringier sieht sich trotzdem an der Spitze. Auf Facebook und Instagram sei man führend, schreibt die Pressestelle. Aggregiert mit Videoaufrufen und Engagement im Markt sei Pulse Ghana «eine» führende Plattform.

Das hat man in Ghana wahrscheinlich noch nicht mitbekommen. Doch sollte ein Ghanese informationshungrig trotzdem auf Pulse Ghana gelandet sein, hier eine kleine Berichtigung: Den Bundesfeiertag feiert man in der Schweiz nicht wie angegeben seit 1891 am 1. August, sondern erst ab 1899. 1891 wurde er aber immerhin zum Bundesfeiertag erklärt. Und erst seit 1993 lassen die fleissigen Schweizer an diesem Tag überall die Werkzeuge fallen und beziehen einen Freitag.

 

 

Ringiers rassistische Kinderbücher

Als der Neger noch der Neger war.

Die Geschichte geht so: Ringgi, der Abenteurer, und Zofi, sein Hund, retten in Afrika einem Negerkind das Leben (eine Riesenschlange wollte es verzehren). Schon steht aber das nächste Problem an. Die beiden Abenteurer kommen bald in ein Negerdorf. Zofi hat Angst vor den Negern: «Wenn es nun Menschenfresser sind?» Zofi, aber vor allem Ringgi, haben Glück: Die Neger sind gerade satt und gelüsten nicht nach Menschenfleisch. Dafür bietet ihnen ein alter Neger ein schickes Eselfell feil. Ringgi ist scharf darauf. Der dumme Neger will dafür natürlich Bares. Ringgi kramt aus seinem Portemonnaie nicht etwa Geldscheine hervor, wir sind ja in Afrika, sondern zwei Schweizer Briefmarken. «Der Neger sieht sie und ist hell begeistert. Nach zehn Sekunden ist der Tausch vollbracht. Frohlockend trägt der Neger seine Briefmarken in die Hütte.»

Beliebte Kinderbücher aus dem Hause Ringier

Ältere Semester kennen die Geschichten von Ringgi und Zofi noch aus ihrer Kindheit. Der Ringier Verlag gab über Jahrzehnte die beliebten Kinderbücher heraus. Die oben beschriebene Episode stammt aus dem Band «Ringgi + Zofi – Abenteuer in aller Welt». Erstauflage war 1973. Im Buch wimmelt es von Ausdrücken wie «Negerkind», «Negerlein», «Negerdorf» oder «Negerpolizei». Mohrenkopf ist nichts dagegen. Doch nicht nur die Ausdrücke irritieren den Leser, sondern auch die Beschreibungen, die Comics und leider auch die Reimkünste:

Der Freund und Sudanneger gar
Tanzt wie ein wilder Jaguar.

Dieser Band stellt kein Einzelfall dar. Auch in den späteren Ringier-Büchern wimmelt es von rassistischen Beschreibungen. Das Thema Menschenfresser fasziniert Ringier auch in der Geschichte «Ringgi und Zofi am Amazonas». Diesmal sind es aber nicht gefährliche Neger, die die beiden Ringier-Angestellten kochen wollen, sondern Indianer:

Schon sitzen sie im Suppentopf
doch Ringgi wahrt den kühlen Kopf
Er sagt zum Häuptling: «Eine Schande
ist Gast zu sein wohl hierzulande!»

Heute ist der Verlag in Afrika dick im Geschäft. «Pulse Ghana» soll gemäss Ringier Ghanas beliebteste Online-Nachrichtenplattform sein. Elf weitere Seiten decken Länder wie Kenia oder Tansania ab.

Ringier hat mit seinen rassistischen Kinderbücher auch heute kein Problem. «Zur Zeit ihrer Erstellung galten sie keineswegs als diskriminierend», meint die Mediensprecherin. Als Vergleich zieht sie den Klassiker «Emil und die Detektive» herbei. Der Vergleich irritiert etwas. Erich Kästner schrieb seinen Emil im Jahre 1928. Zudem verzichtete Kästner in seiner Detektivgeschichte auf menschenfressende Neger oder Analogien zur Kolonisation. Auch die «Papa Moll»-Bände, die die Mediensprecherin als Vergleiche erwähnt, beinhalten keine rassistischen Zitate; höchstens bessere Reime.

Die eidgenössische Fachstelle für Rassismusbekämpfung FRB findet für die Aussagen im Kinderbuch von Ringier deutliche Worte: «Diese Aussagen sind  rassistisch.»

Keine Aufarbeitung, kein «sorry»

Auf eine Aufarbeitung will Ringier genauso verzichten wie auf eine Distanzierung. «Würden wir «Ringgi und Zofi» neu auflegen – was nicht geplant ist – würden Passagen, die heute diskriminierende Inhalte vermitteln würden, selbstverständlich korrigiert.» Der Verlag würde es «aufrecht bedauern», wenn «sich Menschen von Aussagen oder Abbildungen in «Ringgi und Zofi»-Büchern diskriminiert fühlen». Wenn ein Schwarzer also Ringiers Kinderbücher liest und sich dabei verletzt fühlt, hätte er Ringiers Ehrenwort, dass der Konzern seine Enttäuschung bedauert.

Die Verlegersgattin Ellen Ringier ist bekannt durch ihr Engagement gegen Rassismus und ihren Einsatz für Kinder. Eigentlich die perfekte Ansprechperson. Auf Anfrage von ZACKBUM.ch teilt sie aber mit: «Meine persönliche Einstellung zu Rassismus ist seit bald einem halben Jahrhundert bekannt, aber auch dieses langjährige Engagement gestattet es mir nicht, Ihnen im Namen des Verlags – übrigens: zu welchem Thema auch immer – zu antworten.»

Im Gespräch erwähnt die Mediensprecherin alte Globi-Bücher, die ebenfalls daneben hauten. Das stimmt, der Schweizerische Nationalfonds hat 2012 die alten Globi-Bücher analysiert und ist dabei auf die wenig überraschende Erkenntnis gestossen, dass «Globi’s Weltreise» aus dem Jahr 1935 rassistische Elemente aufweist. Die kritisierten Texte sind allerdings weniger deftig als die im Ringier-Buch, knapp 40 Jahre später.

Die Fake-Meisterschaft

Der Ball ist rund. Für die Gebrüder Schifferle und den Ringier-Konzern.

Corona-Alarm beim FC Zürich, bei Neuenburg Xamax und beim FC Basel. Trotzdem wird die Meisterschaft fortgesetzt. Auslaugende zwei bis drei Spiele pro Woche sorgen dafür, dass Teams mit Tempofussball wie der FC St. Gallen immer häufiger verlieren. Niemand hinterfragt, warum man dem Trauerspiel nicht einfach ein Ende setzt und die Saison abbricht. Es fehlt offensichtlich die Distanz, eigentlich ein Corona-Gebot der Stunde.

Doch im Schweizerischen Fussball ist das Gegenteil der Fall. Fast alle sind miteinander verbandelt und voneinander abhängig. Ringiersports.ch, das wie der «Blick» zum Ringier-Konzern gehört, vermarktet die Werberechte der Swiss Football League. Kein Wunder, will die Sportredaktion des «Blick» die ordentliche Meisterschaft durchpeitschen. Da spielt sogar der temperamentvolle Ancillo Canepa, der FCZ-Präsident, artig mit. Er lässt ein Nachwuchsteam antreten, um keinen Meisterschaftsabbruch zu riskieren. Und Thomas Schifferle, einflussreicher Sportredaktor bei der TX Group, schreibt als Bruder des umstrittenen Liga-Präsidenten Heinrich Schifferle oft über Fussball und Vereinsbelange. Und selten kritisch.

«Wohl nicht mehr über Fussballbelange schreiben»

A propos Schifferle. Blenden wir zurück. 20. November 2011: Heinrich Schifferle lädt zum Gespräch. Im «Hotel Banana City» in Winterthur, wie die «NZZ» damals vermeldete. Heinrich Schifferle, seit 1999 im Swiss Football League-Vorstand, will in einer Kampfwahl das Präsidium des damaligen Ligapräsidenten Thomas Grimm übernehmen. Und versichert gegenüber der NZZ: Künftig werde Thomas Schifferle, sein Bruder, wohl nicht mehr über Liga-Belange schreiben.

Heinrich Schifferle gewann die Wahl wenige Tage später. Hauptamtlich blieb der neue Präsident Geschäftsleiter der Immobilien-Holding Siska mit einem Immobilienbestand von gegen einer Milliarde Franken. Doch hinter den Kulissen rumorte es gewaltig.

«Unverfroren und selbstherrlich»

Juli 2020: Heinrich Schifferle ist immer noch Präsident der Swiss Football League und will es gemäss Interview mit Radio SRF bis 2021 auch bleiben. Aber er ist mittlerweile verurteilt wegen mehrfacher ungetreuer Geschäftsbesorgung. Bestraft wurde er mit einer bedingten Geldstrafe von 180 Tagessätzen à 800 Franken (was happige 144 000 Franken ausmacht). «Er agierte unverfroren und geradezu selbstherrlich», heisst es in der Urteilsbegründung. Schifferle war 2014 fristlos entlassen worden als Geschäftsführer der Siska. Siska, das ist das Familienunternehmen Heuberger aus Winterthur mit gut 2000 Wohnungen im Portfolio. Und der Aktienmehrheit von Radio und Tele Top. Die Anklagepunkte lassen auf eine gewisse kriminelle Energie von Heinrich Schifferle schliessen. Oder zumindest auf ein abgehobenes Weltbild à la Sepp Blatter. Einfach zwei Ligen tiefer. Schifferle hat private Fahrzeugversicherungen für seinen Aston Martin über die Firmenkasse abgerechnet. Zudem hat er «einen dubiosen Deal» (NZZ) mit seinem Zahnarzt abgeschlossen. Im Stil von: «Ich mach Dir die Buchhaltung, Du mir die Zähne». Dumm nur, dass Schifferle diese Arbeit von der Siska-Buchhaltung erledigen liess. Das erstinstanzliche Urteil hat Heinrich Schifferle nun ans Obergericht weitergezogen. Damit kommt es zu einem zweitinstanzlichen Prozess – frühestens nach den Sommerferien. Bis zu einem rechtsgültigen Urteil gilt die Unschuldsvermutung.

Reputationsschaden wegen Verurteilung?

Das Blätterrauschen zu diesem Gerichtsurteil vom Herbst 2019 war lau – verdächtig lau. Die NZZ stellte immerhin die Frage in den Raum, ob Heinrich Schifferle noch tragbar sei oder nicht in den Ausstand treten soll, bis das Verfahren beendet sei. Stichwort Reputationsschaden für den Schweizer Fussball. Derweil dozierte Redaktor Thomas Schifferle im Tagesanzeiger vom 30. April 2020 frischfröhlich darüber, ob Geisterspiele – also Meisterschaftsspiele ohne Zuschauer – sinnvoll seien. Sein Fazit: wegen der Finanzen (die vierte Finanztranche an die Clubs in der Höhe von 7,5 Millionen Franken) ist der Saisonabschluss nötig. Und das sollen keine Ligabelange sein?

Die Fussballmeisterschaft in der Schweiz gleicht seit Wochen einer Operettenliga, um das Lieblingswort von Sportjournalist Klaus Zaugg zu benutzen. Aber es hängt zu viel Geld am Meisterrennen. Die letzte Tranche à 7,5 Millionen Franken für die Übertragungsrechte bekommen die Clubs nur, wenn die Meisterschaft zu Ende gespielt wird. Kein Wunder, will sich auch von den Medien, zumindest von den Sportressorts, beim Thema Schweizer Fussball niemand die Finger verbrennen.

Globalisierter «Schweizer Journalist»

David Sieber hat auch ein Pech. Und dann kommt noch Ungeschick dazu

Eigentlich könnte David Sieber sich selbst als Beispiel nehmen. Für das Elend des aktuellen Bezahl-Journalismus. Denn nach immerhin sechs Jahren gab er angeblich auf eigenen Wunsch die Chefredaktion der Südostschweiz ab. Anschliessend gab er nach nur zwei Jahren nicht auf eigenen Wunsch die Chefredaktion der Basellandschaftlichen Zeitung ab.

Und dann als Nachfolger von Kurt W. Zimmermann in doch eher grössere Fussstapfen als neuer Chefredaktor des «Schweizer Journalist». Ach, der Vollständigkeit halber sei noch erwähnt, dass Sieber stolzer Besitzer der Texterei Sieber GmbH ist. Hier hat er «auf Mandatsbasis» dieses Blatt übernommen.

Nun wollte es das ungnädige Schicksal, dass auch am «Schweizer Journalist» die Pandemie nicht spurlos vorüberging. Als Sparmassnahme gab es eine sozusagen globalisierte Ausgabe für Deutschland, Österreich und die Schweiz insgesamt. Das war Pech.

Dr. Media hat sich entleibt

Ungeschickt war es aber, die gern gelesene Rubrik «Dr. Media» weiterzuführen. Die ist inzwischen gespült, in der neusten Ausgabe Nr. 3/2020 kommt sie nicht mehr vor. Dafür aber eine Berichtigung und Entschuldigung. «Dr. Media» muss einräumen, dass er trotz Dementi ein blödes Gerücht über die Gründe des Abgangs des stellvertretenden Chefredaktors der «Weltwoche» verbreitet habe.

Da das zudem «mutmasslich persönlichkeitsverletzend» sei, «entschuldigt sich Dr. Media in aller Form für die Falschmeldung». Offenbar hat sich der Medienkenner auch gleich noch selbst entleibt, weil er vielleicht mit dieser Schande nicht mehr weiterleben wollte.

Aber nach der Spar-Ausgabe 2 ist nun Nummer 3 wieder randvoll mit Schweizer Inhalt. Könnte man meinen. Bei genauerer Betrachtung sind aber von den 98 Seiten Heftumfang rund ein Dutzend über Schweizer Themen; das meiste in der billigsten journalistischen Form, dem Interview.

Medienlandschaft in Ostfriesland

Auf den übrigen Seiten bringen uns Journalisten aus Deutschland und Österreich fremde Gebräuche und Sitten bei; wir wollten im Schweizer Journalist zum Beispiel schon immer gerne etwas über die Medienlandschaft in Ostfriesland lesen.

Ach, dann gibt es noch fünf Seiten über Schweizer Tourismus. Sauber aufgeteilt in drei Seiten Interviews und eine Doppelseite «Entgeltliche Einschaltung». Also ein Inserat, das täuschend ähnlich wie redaktioneller Text daherkommt. Es ist auch eher selten, dass der gleiche Journalist, der auf dem Cover abgefeiert wird, dann auch noch selber einen Zweiseiter zum Blatt beiträgt.

Denn wenn dir gar nichts einfällt, dann mach eine Auswahlstrecke. 10 Journalisten ohne dritte Zähne. 20 Sportjournalisten, die überlebten. Oder eben: «30 unter 30, junge Talente 2020». Es sei schwierig gewesen, auszuwählen, behauptet Sieber, fast 100 seien zur Auswahl gestanden. Verzeihlich, dass auch einer reinrutschte, der die 30 schon überschritten hat. Oder zwei «Autodidakten», die ohne Rücksicht auf Verluste oder journalistische Standards eine Miniplattform für Hardcore-Linke herausgeben.

Aber um solche Details ging es natürlich nicht; es ging einfach darum, 9 Seiten abzufüllen. Ob allerdings der Schweizer Medieninteressierte weiterhin bereit ist, 15 Franken dafür auszugeben, dass ihm mediale Blickpunkte aus Deutschland oder Österreich nähergebracht werden, garniert mit ein paar Seiten Belangloses aus der Schweiz, muss bezweifelt werden.