Federlesens

Der Balljunge hört auf.

Um die Ukraine von Platz eins zu stossen, dafür hat’s nicht gereicht. In den letzten zwei Tagen ergibt das Wort Ukraine 1850 Treffer in der Mediendatenbank SMD. Roger Federer bringt es immerhin auf 640.

Dabei erfährt er höchste Weihen. kath.ch fragt: «Ist Roger Federer ein Tennis-Gott?» Antworten tut ausgerechnet Abt Urban – Achtung, Brüller – Federer. Antwort: «Wenn jemand so gut ist wie Roger Federer, suchen wir beim Sprechen nach Superlativen. Auch wenn ich ihn nicht so nennen würde, gefällt mir, dass «Gott» für das Grösste im Leben steht.»

«Traum-Karriere in Zahlen», betet watson.ch ehrfürchtig runter. «Vom Problemfall und Hitzkopf mit Heimweh zur Sportikone und Milliardenmarke», so fasst CH Media seine Karriere zusammen. «Grosse Siege, Reifeprüfungen und ein Eklat», himmelt ihn die NZZ an, «Roger Federer: Zu gross für die Schweiz», legt sie noch nach.

«Tennis ist seine grosse Liebe», verrät die «Schweizer Illustrierte» ein wohlgehütetes Geheimnis von Federer. «Roger Federer: der Maestro der Moneten», so stabreimt die «Handelszeitung». «Warum Roger Federers Exit auch eine Erlösung ist», so begibt sich srf.ch in himmlische Höhen. Tamedia macht gleich eine ganze Rubrik auf; dort «erzählen Tennisexperten ihre Highlights mit Federer». Das Blöd-Blatt blickt ganz nah hin: «Tränen bei Mama Lynette: Emotionen pur während Federer Rücktrittsverkündung». Eine Verkündung ist eigentlich auch etwas Religiöses …

Natürlich kramt nun jeder, an dem einmal ein von Federer geschlagener Filzball vorbeiflog, seine Erinnerungen aus. Im «Bote der Urschweiz» erinnern sich «Schwyzer Sportlerinnen an Treffen mit Federer». «So hat Blick-Reporterin Cécile Klotzbach Roger Federer erlebt», «Hingis war bei Federers letzten Trainings dabei».

Auch eine schöne Gelegenheit, mal wieder auf seinem Rivalen rumzuhacken: «Djokovics Schweigen zu Federer-Rücktritt fällt auf», raunt «watson». Aber «20 Minuten» kann dann Entwarnung geben: ««Eine Ehre, dich zu kennen» – jetzt meldet sich Djokovic zum Federer-Beben».

Federer-Beben? Ein alternder Tennisstar, zunehmend von Verletzungen geplagt und erfolglos, zieht endlich die Konsequenzen. Mit 41 Jahren hat er schliesslich noch genug Zeit, seine Millionen zu streicheln und über ein Leben nachzudenken, dass nicht mehr darin besteht, einen gelben Ball so über ein störend aufgespanntes Netz zu dreschen, dass er auf der anderen Seite rechtzeitig wieder runterkommt und nicht korrekt zurückgedroschen werden kann.

 

4 Kommentare
  1. Oskar
    Oskar sagte:

    Wie Fererers Marketing-Fuzzis die einfach gestrickten Sport-Journalisten um den Finger gewickelt haben, ist schon bemerkenswert. Es gibt wohl kein einziges Interview, in dem der «Rodscher» irgend etwas Interessantes, Überraschendes, geschweige denn Unerwartetes gesagt hat – der Traum jedes Werbemenschen, ein Langweiler ohne Ecken und Kanten. Leider wurde das mittlerweilen zum Industriestandard in der Branche. Ausser nichtssagenden Worthülsen bekommt man von den Superstars des Sports nichts Schlaues mehr zu hören. Schade, das war mal ganz anders.

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    • René Küng
      René Küng sagte:

      Genau darum hören wir nix mehr,
      weil die, die noch denken, dürfen schon gar nicht mehr mitspielen.
      Wunderbar geschrieben Oskar, MERCI.

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  2. Ruedi Winkler
    Ruedi Winkler sagte:

    Das reine Titanensterben diese Woche. Der Zeitpunkt irritiert mich noch immer: Zähle Federer eigentlich zum Adel, er hätte ruhig noch bis nach dem Staatsbegräbnis warten können… Womöglich mochte er das der Königin einfach nicht antun in ihrem hohen Alter! Anyway. Amüsant ist doch, wie jetzt jeder Sportjournalist daraus eine Geschicht über sich selbst macht. Bei Heinz Günthardt habe ich Verständnis. Aber im Tagi hatte es auch gleich zwei „Tennis-Experten“, die Roger offenbar Jahre begleitet haben, ich aber noch nie etwas gehört habe. Dabei brtont Zeyer immer deren Spardiktat, aber das leistet man sich am Stauffacher offenbar, auch wenn kein Mensch den Tagi wegen Sport liest. Aber irgendwo muss ja das Geld aus den saftigen Abo-Preisen hin…

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  3. Niklaus Fehr
    Niklaus Fehr sagte:

    Ich habe das nie verstanden, dass jemand der einfach gut Tennis spielen kann zu einer so wichtigen Person hochstilisiert wird. Tennis ist ja keine Arbeit die irgendeinen Nutzen bringt, ausser dass ein kleiner Kreis viel Geld damit verdient. Es ist ein Freizeitvergnügen wie jede andere Sportart. Man kann sich zwar seinen Lebensunterhalt damit verdienen und wenn man gut ist auch in Luxus schwelgen, aber viel lernt man dabei nicht. Einen Nutzen für die Allgemeinheit hat man nicht erbracht. Ausser für diejenigen die ein Defizit an Lebensinhalten haben und dankbar sind für ein Idol dass sie anhimmeln können.

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