Züritipp mit Bart
Der neue Züritipp überrascht mit lahmen Texten
Priska Amstutz irrt sich. Die Co-Chefredaktorin des Tagi schreibt im Editorial zum neuen «Züritipp»: «Wir wollen mit dem neuen Züritipp in dieser Zeit Mut machen.» Im Grundkonzept des Veranstaltungshinweiser sollten aber spannende Tipps und lockere Texte vorkommen, keine lieben Botschaften.
Den Artikeln in der ersten Ausgabe sieht man an, dass sie sechs Monate lang in den Redaktionsräumen lagen. Sie haben ziemlich Bart bekommen:
«Die Idee, eine Informations- und Netzwerkplattform für einen ganzheitlichen Start in den Tag zu entwickeln, sei schon letztes Jahres entstanden (…)»
«Diese Reduktion auf das Wesentliche sieht Frei vor allem in der aktuellen Corona-Situation auch als Chance (…)»
Michèle Roten konnte als Kolumnistin gewonnen werden. Ihr erster Text ist eine Enttäuschung. Früher, im «Magazin», schrieb sie freche Texte. Jetzt ist sie halt auch älter, weiser und überlegter geworden:
«Mein wichtigster Tipp: Begeben Sie sich in Umstände, in denen Sie mit anderen Menschen gemeinsam etwas tun.»
Wir blättern weiter und informieren uns über Tipps zu billigem Essen (Pommes, Pizza, Dessert). Die Veranstaltungshinweise sind okay, aber auch nicht überraschend: Rigiblick, Plattenbörse, Sophie Hunger»
Gefreut haben mich die Rubriken «Die Karte» (inspiriert vom Magazin der «Zeit») und «Stil & Shopping» (inspiriert vom Magazin der «Süddeutschen»). Nun, ich hoffe, dass die nächste Ausgabe (in zwei Wochen) etwas frischer und mutiger auftritt.
P.S. Der Züri-Tipp war heute früh im Digital-Abo nicht abrufbar. Komisch.
Priska Amstutz schreibt: «Die grössten Neuerungen neben dem frischen Kleid:…». Das frische Kleid ist etwas zwischen Gassenblättern aus den 60iger und 70iger und Schülerzeitungen, aber immerhin die Redaktionsleiterin ist mit PhotoShop zu einem Beauty-Girl mutiert mit schönen roten Lippen. Da sie nicht soviel wirklich Interessantes zu berichten weiss, ausser dass der Züri-Tipp weiterhin nur alle 2 Wochen beigelegt wird bei selbstverständlich gleichen Preisen. Dann der mehrseitige Artikel «Neustart, Sprung ins Ungewisse…». Kleine Texte, von 6 RedaktorenInnen, gute Leistung. Grosse Bilder, wenig Text, 8 Leute aus der Szene werden porträtiert. Dass auch Junge, Frauen und Männer, VerkäuferInnen, StudentenInnen und andere einen Neustart nach Corona machen müssen kein Test wert, Normalos sind halt zuwenig wert. Claudia Schmid: Pizza ist das neue Streetfood, ist doch nicht neu und schon lange so. Peinlich auch der Hilferufartikel von Frau Roten, neu in der Stadt und sucht offene Menschen. Persönliche Unfähigkeit ist eine ganze Seite wert. Besser sie hätte ihren Hilferuf an die «Die dargebotene Hand» gerichtet. Der neue «Züri-Tipp» ist eine typische TA-Leistung, schlechter aber als Erfolg verkauft. Grosse Redaktion, grosse Bilder, bescheidene Informationen. Ausser wie gehabt, Kino, Ausstelllungen, aber da ist altes fast 1:1 übernommen. Die Talfahrt des TA und seiner Beilagen geht ungebremst weiter!
Die Michèle Roten ist wohl «gefestigter» (landesüblicher Begriff) geworden. Freut mich aber, dass sie entgegen allen anderen Interviewten sehr gerne «down to earth» in der «Silberkugel» isst. Es stand vor wenigen Tagen im Tages-Anzeiger.
Erinnere mich noch gerne an ihren Beitrag im «Magazin» vom 1. August 2009 unter dem Titel «Heiliger Wahnsinn», einem Portrait über die indische Stadt Varanasi am Ganges-Fluss.
Ihr Beitrag begann folgendermassen: «Varanasi ist der schrecklichste Ort der Welt. Es ist viel zu heiss. Es ist laut. Es stinkt. Hier sind viel zu viele Menschen. Hier werden öffentlich Tote verbrannt. Überall ist Scheisse. Hundescheisse, Kuhscheisse, Ziegenscheisse, Affenscheisse, Menschenscheisse. Und Abfall. Und Dreck. (…) Und trotzdem ist es so schön, dass man sich freut, schlafen zu gehen, weil es bedeutet, hier wieder aufwachen zu können. – Vielleicht hat es ja doch mit Spiritualität zu tun».
Vielleicht wird sie sich daran erinnern und im Züritipp den spirituellen Zunder betätigen?
Wirklich?
Sie möchten diese Fäkalsprache im renovierten Züritipp einführen?
Was heisst hier Fäkalsprache? Es sind Wörter, die alle im Duden zu finden sind. Und die Sprache heiss: Deutsche Sprache.