Mit Glied oder ohne Glied
Das macht den grossen Unterschied, meint Priska Amstutz.
Priska Amstutz, obwohl Sie sicher noch nicht viel von ihr gehört haben, ist Co-Chefredaktorin des «Tages-Anzeiger». Wer da was von Quotenfrau murmelt, muss zur Strafe in einen Sensibilisierungskurs und hundert Mal laut sagen: Ich bin ein Chauvinist.
Also, die Chefredaktorin des Tages-Anzeigers ist, das darf man wohl sagen, kein Backfisch mehr. Das muss man sogar sagen, denn wenn man ihre Schwärmerei «Dieses Vorbild ist dringend nötig» (hinter Bezahlschranke) liest, dann sieht man vor dem geistigen Auge einen giggelnden Teenager, wie der vor vielen Jahren einen «Bravo»-Starschnitt mit seiner Lieblingsfigur anschmachtete und seine Gedanken dem lieben Tagebuch anvertraute.
Das wurde dann zugeschlossen und zuunterst in der Schublade sicher verwahrt. Das ist heute alles anders. Wenn man Chefredaktorin ist, kann man auch öffentlich schmachten. Voraussetzung ist lediglich, dass man null Empfinden für Peinlichkeit hat.
Was wir alle dringend gebraucht haben
Welches dringend nötige Vorbild himmelt Amstutz denn an? Natürlich, Kamala Harris, die designierte Vizepräsidentin der USA. Während um das Geschlecht und die Hautfarbe des designierten Präsidenten kein Aufhebens gemacht, höchstens auf sein fortgeschrittenes Alter hingewiesen wird, ist das bei Harris anders.
Wir, also Amstutz, erleben mal wieder einen historischen Moment. Nein, mehr noch: «Frauen und Männer auf der ganzen Welt haben die Wahl einer Frau zur ersten Vizepräsidentin der USA dringend gebraucht», setzt Amstutz am Anfang die Tonhöhe. Mit Verlaub: Ich habe das nicht gebraucht, sorry. Amstutz könnte hingegen etwas Deutschunterricht brauchen; denn ein Mann könnte ja schlecht zur Vizepräsidentin gewählt werden, nicht wahr?
«Wir brauchen» aber noch viel mehr. Vorbilder wie Kamala Harris. Nicht nur wir, gleich auch noch «die kommenden Generationen», die noch gar nichts davon wissen. «Wir brauchen historische Momente und Frauen, die zu Ikonen werden.» Wunderlich, dass Amstutz davor zurückschreckt, den Ersatz der Helvetia durch Harris zu fordern. Dafür fehlt ihr vielleicht noch etwas Unterweisung, denn: «Harris kann während ihrer Amtszeit als Coach in Female Leadership dienen.»
Amstutz übergibt das Wort an Harris
Ausser übers Wasser wandeln und Brot in Kuchen verwandeln oder so, was kann Harris denn noch? Nun, sie wird natürlich «als Zeichen» gebraucht. Wofür? Na, «sodass Corona Frauen nicht um mehr Jahre zurückwerfen wird als Männer. Madam Vice President, Sie haben das Wort.»
Das Schönste an diesem Satz ist, dass damit Amstutz fertig hat. Wie führen wir sie nun vorsichtig wieder an die Realität heran? Das ist auch bei Teenagern nicht einfach; wie soll man ihnen beibringen, dass der abgöttisch geliebte Star Toupet und Gebiss trägt, ausserdem schon mehrfach wegen Drogenbesitz und Gewalt in der Ehe verurteilt wurde?
Das hat natürlich nichts mit Harris zu tun, aber: Die Dame ist gerade zur Vizepräsidentin gewählt worden. Sie hat noch keinen einzigen Handschlag in ihrem Amt getan. Ein Amt, das sich im Wesentlichen dadurch auszeichnet, dass der Inhaber einen Herzschlag von der Präsidentschaft entfernt ist. Und solange das andere Herz noch schlägt, meistens zustimmend nickend neben dem Präsidenten stehen darf. So wie das Joe Biden neben Obama tat. So wie das Mike Pence neben Trump tut.
Harris war, als sie noch selbst für die Präsidentschaft kandidierte, übrigens eine der schärfsten Kritikerinnen von Biden. Dass sie dann aufgab und sich für ihn aussprach, zeugt zumindest von einer gewissen Flexibilität.
Dumme Schwärmerei
Aber all das ist harmlos gegen die fundmentale Dummheit im Schwarmkommentar von Amstutz. In Orwells Animal Farm lernen die Tiere: Vier Beine gut, zwei Beine schlecht. Das ist so vereinfachend, wie Politiker nach ihrem Geschlecht zu beurteilen. Da wird Hillary Clinton, die in den USA nicht als Frau, sondern als Politikerin so verhasst war, dass viele Wähler lieber einen Schimpansen ins Weisse Haus geschickt hätten, zur enttäuschten Hoffnung der Frauen (und Männer). Harris jetzt zur erfüllten.
Sie soll sprechen, wir sollen zuhören. Sie trug ein weisses Kleid bei ihrer Wahlannahmerede, meiner Treu, welche strahlende Symbolkraft, welches Zeichen. Würde man ähnlich von der Krawattenwahl eines Joe Biden schwärmen? Und würde man dann nicht zu Recht in den Senkel gestellt, dass das nun wirklich völlig nebensächlich sei?
Zur Lichtgestalt hochgeschwärmt, bevor sie ihr Amt antritt
Aber schwärmen ist schon okay. Das war ja auch bei Barak Obama so, der grossen schwarzen Hoffnung im Weissen Haus. Der Friedensnobelpreisträger auf Vorrat, der eine wöchentliche Kill-List abzeichnete, von vermuteten Terroristen, die exekutiert werden durften. Auch wenn es als Kollateralschaden eine Hochzeitsgesellschaft traf.
Nun wird Harris zur Lichtgestalt hochgeschwärmt, obwohl sie ihr Amt noch gar nicht angetreten hat. Obwohl niemand weiss, ob sie es ordentlich, überragend oder unterdurchschnittlich ausfüllen wird.
Bei der amtierenden Chefredaktorin Amstutz weiss man allerdings spätestens nach diesem Kommentar, wie man ihre Fähigkeiten beurteilen muss.
Die schwurbelnde Priska Amstutz ist das eine. Das andere sind Lesende die bereit sind für so eine unausgegorene Schreibe auch noch bezahlen.
Das wirft ein ziemlich schräges Licht auf die Leserschaft der TX Journaille.
PS: Wo kann man für zackbum spenden?
Der Tages-Anzeiger hat unter anderem den herrischen De Weck, den harmlosen Hartmeier und den linken Strehle überlebt. Auch die arg überschätze Judith Wittwer. Nun ist ein Duo am Ruder. Männlein und Weiblein. Diversität über alles. Auch in Sachen intellektueller Flughöhe. Aber in jungen Jahren darf man ja schliesslich bewundern. Irgendwie herzig.
Sie dürfen das nicht so eng sehen. Frau Amstutz und Herr Stäuble beweisen dass es kein Profil braucht um eine Zeitung zu machen. Ausland wird eh von München aus betreut, Inland ist nicht mehr so wichtig. Dafür blüht Gesellschaft auf. Innert wenigen Tagen 3 Artikel zu Schuhen und deren Sohlen, in Zeiten wo keine Schuhwerbung ins Hause flattert ein echter Gewinn!
Priska Amstutz ist ein journalistischer, einfacher «Backfisch». Sie braucht Vorbilder, das ist ihre Sache, aber der ganzen Leserschaft Sucht nach Vorbildern unterstellen oder diktieren ist etwas gewagt. Scheinbar sind TA LeserInnen nach Amstutz einfach gestrickte Wesen die «Leuchttürme» brauchen. Mindestens sollten diese frei wählbar sein und nicht nach dem Diktat einer Mainstream-Chefredaktorin die so auch in der Beijing Rundschau kommentieren könnte.
Politische Kommentare schreiben sollte Frau Amstutz lassen, das ist nicht ihre Stärke. Kamala Harris zum Denkmal aufbauen bevor sie wirklich etwas geleistet hat ist fragwürdig. Als Attorney General in Kalifornien hatte sie nicht immer ein glückliche Hand und PoC haben sie auch als repressiv erlebt. Zudem kann sie in einer Regierung Biden nicht die Rolle spielen wie Amstutz hofft. Auch Barak Obama, PoC, wurde zuerst hochgejubelt und hat dann die hoch gesteckten Erwartungen nicht erfüllt und viele Enttäuschte hinterlassen. Aber das hat Frau Amstutz nicht mitbekommen, 2008 war sie bei der Annabelle, nicht gerade ein politisches Magazin und später in Flims, von Bergen und Entwicklungen abgeschirmt.
Glaubhafter ist Frau Amstutz im ZüriTipp heute, da schreibt sie: «Ich hab mit französischem Champagner, mit milchigem Schwarztee und dem tollen dänischen Mikkeller-Bier das zu Ende gehende Jahr gefeiert». Ob die seltsame Mixtur noch beim schreiben des Jubelartikel zu Kamala Harris gewirkt hat?
Chapeau, Herr Zeyer! Es gab mal Geistesgrössen in der TA-Chefredaktion. Diese Dame wäre bei Watson am richtigen Platz.