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Wer ist da der Neger?

Wie Tamedia einen selbst gebastelten Skandal zu Grabe trägt.

Am 19. April hatte der Tagi Fürchterliches zu vermelden: «Blackfacing am Sechseläuten: Zünfter lachen in geleaktem Video über Minderheiten». David Sarasin, Jan Bolliger und Corsin Zander waren ausser sich und wurden ganz bleich vor Erregung: «Wenn Zünfter rassistische und homophobe Scherze reissen, lässt sich das nicht als Entgleisung im privaten Raum abtun

In zittriger Rechtschreibung berichteten sie Unerhörtes: «Ein schwarz angemalter mit einem Knochen in der Hand reisst an einem Zunftball Witze auf der Bühne. Dies zeigt ein Video einer geschlossenen Veranstaltung vor dem Sechseläuten.»

Der für diesen privaten Anlass angemietete Videomann hatte sich nicht entblödet, diese Szenen dem Tagi zuzuspielen, damit der dann aus einer kleinen Geschmacklosigkeit einen internationalen Skandal hochzwirbeln konnte: «Das ist mehr als bloss ein misslungener Scherz. Damit schaden sie Zürich – das Sechseläuten hat noch immer eine Ausstrahlung weit über die Stadtgrenzen hinaus.»

Der Schaden, ausser am Nervenkostüm dreier Tagi-Redaktoren, hielt sich dann allerdings in engen Grenzen. Noch schlimmer, am Donnerstag musste Sarasin vermelden: «Skandal-Auftritt am Zunft-Ball: Blackfacing am Sechseläuten hat keine juristischen Konsequenzen». Dabei hatte der Tagi so darauf gehofft, dass es sich hier um einen Verstoss gegen die Rassismus-Strafnorm handeln könnte.

Die Staatsanwaltschaft hatte auch tatsächlich, sonst gibt’s ja nichts zu tun, Ermittlungen aufgenommen, sogar Anwesende einvernommen. Ausser der Person, die das Video an den Tagi weiterreichte, konnte sich aber niemand wirklich über diesen müden Sketch aufregen, auch nicht die Staatsanwaltschaft. Die beendete die Parodie einer Untersuchung mit einer Nichtanhandnahmeverfügung.

Das nimmt Sarasin zum Anlass, nochmals ausführlich über einen angeblichen Skandal zu berichten. Um seinen anhaltenden Unmut zum Ausdruck zu bringen, zitiert er aus der Verfügung: «Die Staatsanwaltschaft bestreitet nicht, dass der Sketch unangebracht gewesen war. «Die klischeehafte Darstellung eines Schwarzen scheint als verunglückt und dürfte kaum mehr zeitgemäss sein», heisst es in dem Bericht am Schluss. «Allerdings ist es nicht Sache der Strafjustiz, Verhaltensweisen moralisch oder ethisch zu bewerten.» »

Wieso die Staatsanwaltschaft da etwas bestreiten sollte, ist genauso unklar die die Antwort auf die Frage, wieso die Strafuntersuchungsbehörde den Sketch zuerst moralisch und ethisch wertet, um dann zu behaupten, dass sei nicht ihre Aufgabe.

Wie sensibel man heutzutage bei solchen Anlässen sein sollte, belegt diese absurde Abhandlung der Staatsanwaltschaft: «Dass an der Veranstaltung auch rund 30 Angestellte anwesend waren, die die Darbietung «als abstossend empfinden oder sich dadurch sogar verletzt fühlen» hätten können, wie die Staatsanwaltschaft schreibt, wertet diese «eher als Fahrlässigkeit» und nicht als vorsätzliche Handlung.»

In welcher Welt leben wir eigentlich?

Natürlich hatte zuvor schon die Eidgenössische Kommission gegen Rassismus den Sketch «verurteilt». Stadträtin Corine Mauch gab auch ihren Senf dazu; die Zünfter sollten sich nicht mehr so sinnlos besaufen. Nein, sie sollten sich mit Rassismus und Antisemitismus auseinandersetzen. Dass der Sketch auch noch antisemitisch gewesen sei, das behauptete aber nicht einmal der Tagi.

Was lernt der mündige und zahlende Leser einer Qualitätszeitung daraus?

1. Nimm dir für einen privaten Anlass in geschlossener Gesellschaft niemals einen nicht vertrauenswürdigen Kameramann.
2. Sei auf der Hut, dass du dich auch in deiner Privatsphäre völlig politisch korrekt verhältst. Wenn du ausrutschst, in den Morast fällst und dadurch ein schwarzes Gesicht bekommst, sofort abwischen.
3. Haben die Tagi-Redakteure wirklich nichts Besseres zu tun, als das leise Verwehen einer aufgeblasenen Furz-News auf 5528 A zu berichten?
4. Auch hier würde Oliver Zihlmann sagen: «Der Skandal, der keiner wurde

Below zero

Man kann’s nur noch auf Englisch sagen, was mit Tamedia passiert.

Jacqueline Büchi interviewt die «Anti-Rassimus-Trainerin», Pardon, die «Vermittlerin für Rassismuskritik» Tupoka Ogette. Vermittlerin für? Oder von? Wäre es schon rassistisch, Ogette mangelhafte Beherrschung der deutschen Sprache vorzuwerfen?

Da haben sich zwei getroffen. Büchi ist schon mehrfach unangenehm aufgefallen, indem sie wie Philipp Loser ungefragt Zensuren erteilt: «Die Gesamtregierung muss Haltung zeigen und den Brandstifter in die Schranken weisen. Sonst riskiert sie ihre eigene Glaubwürdigkeit – und den Frieden im Land.» Glücklicherweise ist die Schweiz damals knapp an einem Bürgerkrieg entlanggeschrammt – obwohl der Bundesrat den angeblichen «Brandstifter» Maurer nicht in die Schranken wies.

In jeder anständigen Zeitung hätte das eine Abmahnung und ein längeres Sensibilisierungstraining abgesetzt. Aber doch nicht bei Tamedia. Da darf Büchi sogar auf unterstem Niveau dem Schwesterblatt «SonntagsZeitung» und ihrer Kollegin Michèle Binswanger eine reinwürgen, ohne dass sie daran gehindert wird.

Ogette ihrerseits ist eine sehr geschäftstüchtige Vermarkterin des Themas Rassismus. Mit Büchern, Kursen, Webseite und der Tupokademie. Ein weiteres Beispiel eines Interviews, indem die «Journalistin» einfach unkritische Stichwortgeberin ist, damit die Gesprächspartnerin unwidersprochen das sagen kann, was sie sagen will. Inklusive banale Flachheiten: «Wir sind alle in einer Welt gross geworden, in der Rassismus Teil der Gesellschaft ist. … Wir alle haben in diesem Rassismus gebadet, haben ihn internalisiert. Auch ich als negativ Betroffene.»

Selbst Slapstickeinlagen werden heutzutage nicht mehr aus Interviews gekippt: «Kennen Sie das Zürcher Sechseläuten? – Nein.»

Macht ja nix, also erzählt Büchi den Vorfall mit den Zünftern in Baströckchen und holt sich die überraschende Antwort ab: «Gibt es einen Kontext, in dem ein solcher Auftritt akzeptabel wäre? – (lacht ungläubig) Nein! Punkt.»

Pardon, natürlich ist ein solcher Auftritt im Kontext eines privaten Zusammenseins unter Ausschluss der Öffentlichkeit akzeptabel. Oder soll nun selbst in diesem Bereich Zensur herrschen, bei der Typen wie Büchi oder Ogette bestimmen, was erlaubt ist und was nicht?

Dann wärmt Büchi die längst abgehandelte Story um Sascha Ruefers Off-the-record-Satz über den Captain der Nationalmannschaft auf. Obwohl sich sogar der Tagi darin einig war, dass es sich hier um eine in keinem Kontext als rassistisch zu qualifizierende Aussage handelt, tritt Büchi nach und gibt Ogette die Möglichkeit, nachzubrettern: «Einer, der in der Schweizer Nationalmannschaft ist und für das Land spielt, ist also kein Schweizer. Wer denn dann? Das ist klassisches «Othering». Hier sind wir, da die anderen.»

Statt diesen Unsinn zu hinterfragen, legt Büchi nach: «Ruefer wehrte sich, er habe den Satz nicht diskriminierend gemeint. Im Kontext sei die Aussage wie folgt zu verstehen: Xhaka funktioniere als Führungsfigur nicht typisch schweizerisch-zurückhaltend. Er sei forsch und setze sich hohe Ziele.»

Stichwort für Ogette: «Diese Klischees! Ist ein weisser Firmenchef, der führungsstark auftritt, also auch kein typischer Schweizer? Der zentrale Punkt ist: Bei Rassismus geht es nicht um die Intention, sondern um den Effekt. Ich kann auch rassistisch sein, ohne es zu wollen.»

Alleine in diesen Gesprächsausschnitten gäbe es genügend Gelegenheit für einen kritischen Journalisten, nachzuhaken, nachzufragen, was das denn heissen soll, man könne auch rassistisch sein, ohne es zu wollen zum Beispiel. Woher nimmt Ogette die Autorität, das selbstherrlich entscheiden zu können? Weil sie selbst schwarz ist? Bedeutet das denn, dass sie weder willentlich noch unwillentlich rassistisch sein kann? Aber sogar unwillentlich die Entscheidungshoheit darüber hat, was rassistisch sei?

Stattdessen macht Büchi sogar noch einen unterwürfigen Kotau:

«Finden Sie es anmassend, wenn ich als weisse Journalistin diese Fragen stelle?»

Die Interviewte konzediert gnädig: «Hm. (überlegt) Ich nehme an, das ist Teil Ihres Jobs.»

Spätestens hier müsste jeder Interviewer mit etwas Ehre oder journalistischem Anstand im Leib nachfragen, was dieser Ogette eigentlich einfalle, so herablassend, präpotent und überheblich zu antworten. Aber doch nicht Büchi. Die lässt sogar Ogette unwidersprochen behaupten, dass die Bücher über Pippi Langstrumpf umgeschrieben werden müssten. Nur im Tagi ist dann ein solcher Satz möglich: «Nicht nur, dass der Südseekönig im Original N****-König hiess.»

Der hiess und heisst Neger-König, liebe Frau Büchi, das darf und muss heute weiterhin gesagt werden.

Ein Interview, das war einmal ein spannender, verdichtete Dialog auf Augenhöhe eines vorbereiteten, kritischen Journalisten mit einer Person, die etwas zu sagen hat. Bei Tamedia ist das inzwischen zum Stichwortgeben für mässig interessante Menschen geworden, die ohne einer einzigen kritischen Frage ausgesetzt zu sein, ihre Message multiplizieren dürfen.

Wir wiederholen die gleiche Frage: wer soll denn dafür etwas bezahlen wollen?

 

Darf man über Zünfter lachen?

Wieso denn nicht. Genau wie über den Tagi.

Für Aussenstehende sind die Zürcher Zünfter und ihre Tradition, auf Pferden um einen Holzstoss zu reiten, auf dem zuoberst eine weisse (!) Figur steht, eher unverständlich.

Bevor das geschieht, treffen sie sich zu exklusiven Veranstaltungen, bei denen der Zutritt wichtiger ist als das Gebotene. Das ist meist auf bescheidenem Niveau, insbesondere die Show-Einlagen. Man ist unter sich, der Alkohol fliesst, es wird gelallt und gelacht.

Nun hat der «Tages-Anzeiger» Abgründe ans Tageslicht gezerrt: «Ein schwarz angemalter mit einem Knochen in der Hand reisst an einem Zunftball Witze auf der Bühne. Dies zeigt ein Video einer geschlossenen Veranstaltung vor dem Sechseläuten.» Dabei ist das Blatt so erregt, dass es sogar die deutsche Rechtschreibung über Bord wirft. Denn es ist Furchtbares passiert:

«Blackfacing am Sechseläuten: Zünfter lachen in geleaktem Video über Minderheiten». ZACKBUM bittet sein Publikum, nun weder über den Tagi, noch über die Zünfter zu lachen. Denn beides sind Minderheiten. Als ginge es um den Ablauf einer hochwichtigen Versammlung, hebt der Tagi grossspurig an:

«Dieser Zeitung liegen Bilder, Videos wie auch der Ablaufplan der Veranstaltung vor. Ebenso ist der Abend aus Gesprächen mit anwesenden Leuten teilweise rekonstruierbar. »

Nun wird’s ganz schlimm; empfindsame Leser werden gebeten, hier abzubrechen: «In der zweiten Hälfte des dreiviertelstündigen Showblocks betritt ein Mann die Bühne, dessen Gesicht schwarz angemalt ist. Er trägt eine schwarze Kraushaarperücke, einen Bastrock und hält einen grossen Knochen in den Händen.»

Falls jemandem die Widerwärtigkeit dieses Auftritts nicht klar sein sollte: «Das wird in der Fachsprache Blackfacing genannt. Die Kritik daran: Privilegierte Personen machen sich über eine Gruppe lustig, die in der Gesellschaft Diskriminierung erfahren hat.»

Gnadenlos fährt der Tagi in seiner Rekonstruktion fort: «Neben dem Geschminkten stehen ein als Frau verkleideter Mann mit blonder Perücke sowie eine Frau ganz in Schwarz und mit Federschmuck. Während des Gesprächs steckt sich der schwarz angemalte Mann den Knochen zwischen die Beine. Lacher im Publikum.»

Bevor wir hier uns alle in Grund und Boden schämen, bricht ZACKBUM die Darstellung dieser Schaustellung ab. Wir können natürlich dem ausser sich geratenden Tagi-Redaktor Corsin Zander nur zustimmen: «Wenn Zünfter rassistische und homophobe Scherze reissen, lässt sich das nicht als Entgleisung im privaten Raum abtun

Keinesfalls, denn: «Das ist mehr als bloss ein misslungener Scherz. Damit schaden sie Zürich – das Sechseläuten hat noch immer eine Ausstrahlung weit über die Stadtgrenzen hinaus.» Die Zünfter schaden Zürich, schlimm. Aber eigentlich tut das der Tagi, der sich nicht entblödet, sich über ein ihm zugespieltes (nicht etwa «geleaktes») Video furchtbar aufzuregen.

Über die Qualität dieser Scherze lässt sich sicherlich diskutieren. Über die moralinsaure, verkniffene, denunziatorische Schreibe vom Tagi sicher nicht. Zünfter verkleiden sich, machen sich lächerlich, bedienen Stereotype, weigern sich, den Korrektheitsdiktaten von Tagischreibern zu entsprechen: bravo.

Merke: wer Blackfacing macht, ist nicht wirklich lustig. Wer sich darüber erregt, ist wirklich lächerlich.