WeWo neu als Fanzine
Jetzt kommen Köppel und Co. richtig ins Hyperventilieren.
Denn meine Güte, wo soll man den verliebten Blick hinwenden? Zum Friedensengel Viktor Orbán oder zum Helden mit «Mut und Würde im Angesichts des Todes?»
Dazu Gedanken machen sich Ed McMullen der Dickere, Urs Copycat Gehriger, Nigel Stehaufmännchen Farage, Roger FanFan Köppel und Fake News-Produzent Tom Kummer. Dazu noch «u.v.a.».
Kummer? Zu dem Burschen kommen wir noch. Aber zuerst muss Köppel mit religiös verklärtem Blick «Trumps Auferstehung» abfeiern, als habe es so etwas seit rund 2000 Jahren nicht mehr gegeben. Die beiden Ereignisse haben für ihn ungefähr den gleichen Stellenwert: «Der letzte Samstag veränderte die Welt.» Halleluja.
Wenn Köppel die Metaphern auszugehen drohen, wird er aufs Alter immer religiöser: «Das gottlose, heuchlerische Frömmlertum sah in Trump den Teufel und strahlte dieses Bild, sehr erfolgreich, in die Welt hinaus.» Gottlos? Der Mann sollte sich endlich zu den Zeugen Jehovas bekennen. Oder als Mormone outen. Oder einfach Deschners «Kriminalgeschichte des Christentums» lesen (der letzte Band reicht). Oder, noch besser, aufhören, so unerträglich frömmlerisch einen Mann anzubeten, der mindestens so viele Schatten- wie helle Seiten hat.
Bei allem Hosianna in Richtung Trump bleibt doch noch ein Platz im Herzen für den ungarischen Ministerpräsidenten: «Orbáns EU-Plan für den Frieden». Kleiner Schönheitsfehler: Das ist kein EU-Plan, und funktionieren wird er sowieso nicht. Aber Köppel weilte ja nicht nur an der Seite von Orbán, sondern auch in Moskau. Auch das ging nicht spurlos an ihm vorüber: «Moskau leuchtet», schwärmt er, «Russlands Hauptstadt erstrahlt im Sommerglanz. Paris, London, Berlin wirken im vergleich versifft.» Und dann erst die U-Bahn, die Väterchen Stalin den Moskauern schenkte; blitzblank, einfach super.
Zwischendurch schmeisst sich noch Farage an den Auferstandenen ran: «Mein Freund Donald». Was machte der nur ohne den Engländer, der ist in die USA geeilt, «um Schulter an Schulter mit Trump und den USA für die Demokratie einzutreten». Das ist lustig, an der Seite von einem Amok, der seine letzte Wahlniederlage nicht akzeptieren wollte, einen Sturm aufs Capitol befeuerte und bis heute behauptet, ihm sei der Wahlsieg gestohlen worden?
Ehemalige Botschafter haben furchtbar viel Zeit. Dazu gehört auch Ed McMullen, der nun einer der unendlich vielen «engen Berater» von Trump sein soll. Womöglich der neue Bannon. Oder wie all die verflossenen Berater hiessen. Als gewährt er Urs Gehriger ein Interview. Damit ergibt sich eine ideale Überleitung zu Tom Kummer.
Der ist endlich wieder in seinem Element. Er darf alternative Wahrheiten beschreiben. «Und wenn ihn die Kugel getroffen hätte? Eine Chronologie des Schreckens». Was Fiction hier zu suchen hat? Kummers Umdeutung: wäre Trump getötet worden, würden sich die USA Richtung Bürgerkrieg bewegen, während Donald Trump Junior «Fight, Fight, Fight» rufe. Ach herrje.
Natürlich muss auch Anabel Schunke, der lebende Beweis für alle Vorurteile gegenüber Blondinen, nachjapsen. Sie nimmt sich die geschmacklose Äusserung eines deutschen Komikers zur Brust, der in schnell gelöschten Posts bekannt gab, dass er es «absolut fantastisch» finde, «wenn Faschisten sterben». Dann behauptet Schunke: diese Aussage sei auch deswegen «traurig», weil man wisse, «dass es für seine Anstellung beim gebührenfinanzierten Rundfunk kaum Konsequenzen haben wird». Allerdings wurde der Komiker, noch während Schunke das keifte, fristlos rausgeschmissen. Künstlerpech.
Dann will ein angeblicher «Held, Vietnam- und Pentagon-Veteran» wissen: «Putin ist ein Mann von grosser Klugheit. Keiner, der irrationale Entscheidungen trifft». Bloss die, wie ein Volltrottel in die Falle des Westens zu trampeln und nun schon seit mehr als zwei Jahren eine verlustreiche «militärische Spezialoperation von wenigen Tagen» durchzuführen.
Aber, wo viel Schatten ist, ist auch Licht. Peter Jaeggi erinnert an eines der Kriegsverbrechen der USA, die im Vietnamkrieg wohl 46 Tonnen Herbizide («Agent Orange») und 300 Kilogramm Dioxin über Südvietnam versprühten. Hunderttausende fielen dem zum Opfer, bis heute werden noch Kinder mit Missbildungen geboren. Die USA zahlten nach langem Feilschen Entschädigungen – an US-Kriegsveteranen, die diesem Gift ausgesetzt waren. Vietnam hat bis heute keinen Cent bekommen.
Wo Licht ist, ist auch Schatten. Anschliessend wird im Feuilleton das gut abgehangene und schwer verstaubte Werk von Friedrich von Hayek «The Road to Serfdom» aus dem Koma geholt. Anlass? Kein Anlass, ausser, dass es vor 80 Jahren erschienen ist. Heute sind die über 300 Seiten Medizin für Schlaflose.
ZACKBUM hofft für die WeWo (und ihre Leser), dass Köppel bald einmal alle Facetten seiner Reisen abgearbeitet hat, einsieht, dass Orbán mindestens ein so guter Selbstvermarkter ist wie Trump, und dass der Amokgreis zwar die Wahlen im Sack hat, aber deswegen keineswegs zur Lichtgestalt verklärt werden sollte.