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Du siehst mich, du siehst mich nicht

„Finanz und Wirtschaft“-Story zu UBS und heiklen China-Deals ausradiert. Und wieder da.

Von Lukas Hässig*

Das Wirtschaftsblatt löschte letzte Woche langen Artikel über Grossbank-Connections in China nach 1 Stunde. Die Bank hatte interveniert.

Hat die UBS-Spitze der „Finanz und Wirtschaft“ (FuW) schwere Konsequenzen angemahnt? Die Spitze nicht, aber der oberste Schweizer Medienmann im Finanzkonzern respektive dessen Team.

Die griffen sofort zum Hörer, nachdem die bekannte Wirtschaftszeitung letzte Woche eine „heisse“ Story zu UBS-Connections in China ins Netz gestellt hatte.

Und dann nach nur einer Stunde wieder offline stellte. Bei Anklicken landet man jetzt auf der Homepage www.fuw.ch/. Dort stand heute früh ein Interview mit zwei Fondsmanagern.

UBS betreibt heikle Geschäfte mit sanktionierten Militärkonzernen in China“,

hatten die Redaktoren des Blatts, das zur Tamedia von Verleger Pietro Supino gehört, am späteren Freitag Nachmittag getitelt.

Die Bank zähle zusammen mit ihren „Joint Ventures“ zu „den grössten Investoren von chinesischen Rüstungskonzernen auf der US-Sanktionsliste“, stand in der Legende.

In der Zusammenfassung schrieb die FuW, dass die von Amerika belangten Firmen „unter anderem Militärgüter für Chinas Armee“ herstellen würden.

Dies wiederum würde bei „Fachleuten“ Alarmlampen zum Leuchten bringen; sie warnten „vor erheblichen Reputationsrisiken und möglichen Sekundärsanktionen für UBS“.

Die Bank wird wiedergegeben mit dem eigenen Standpunkt, wonach „die Investitionen (…) rechtmässig“ seien und die US-Vorschriften „erfüllen“ würden.

Die FuW-Story habe „mehrere grobe Schnitzer“ gehabt, sagt eine Quelle auf dem Bankenplatz. „Die Chefetage des Medienhauses hat dann von sich aus entscheiden, die Story im Online zu entfernen.“

Im Print erschien sie am Samstag ebenfalls nicht.

Ein Sprecher der UBS reagierte gestern Abend nicht auf eine Anfrage. Ein Email an den Chefredaktor der FuW ebenfalls von gestern Abend blieb bisher unbeantwortet.

Die UBS zählt zu den Banken, die in Asien einen starken zweiten Heimmarkt aufgebaut haben. In China schafften es die Schweizer mittels Joint Venture früh, eine Konzession zu erhalten.

Suche bringt Anriss weiterhin – doch Klick führt in Sackgasse (Google)

Das Gleiche hatte die CS erreicht. Vereinigt unter einem Dach ist die UBS zu einem Player im Reich der Mitte geworden.

Das könnte den USA ein Dorn im Auge sein. Warum der Artikel aber bei Ermotti und Co. für rote Köpfe gesorgt haben soll, ist nicht einleuchtend.

PS: und am Abend des 18. November war der Artikel dann plötzlich wieder da:


*Der Artikel von Lukas Hässig erschien zuerst auf dem Finanzblog «Inside Paradeplatz». Mit freundlicher Genehmigung.

Unpaid Nonsens in der NZZ

Normalerweise steht über so was wie Ermottis Märchenstunde «paid content».

In der NZZ gibt es viel Licht. Aber auch viel Schatten. Dunkelschwarz ist es, wenn Sergio Ermotti auf einer ganzen Seite schwurbeln darf. Er hat sich nicht mal die Mühe gemacht, dass seine Corporate Communication extra für die alte Tante in die Tasten griff. Sondern die NZZ fasst einfach ein Referat des Bankenlenkers zusammen.

Es ist für alle Kenner der Sachlage fast unerträglich, wie Ermotti die Ereignisse zusammenfasst, die am 19. März kumulierten. Hier fand ein einmaliger Kniefall der Schweizer Regierung vor der UBS statt. Ihr wurde die letzte Konkurrentin Credit Suisse zum Schnäppchenpreis von 3 Milliarden Franken weggegeben. Mit Notrecht wurden mal wieder alle demokratischen Prozesse ausgehebelt.

Für Leichen im Keller der CS wurde eine Staatsgarantie ausgesprochen. Insgesamt gab es Staatsgarantien von 255 Milliarden Franken. Damit sich die UBS noch bequemer ins gemachte Bettchen legen konnte, wurden ausstehende Kredite (AT 1 Bonds) im Nominalwert von 16 Milliarden Franken per amtlichen Federstrich auf null gesetzt. Inzwischen gibt es weltweit Hunderte von Klagen durch geprellte Anleger. Möglicherweise greift hier die Staatshaftung, also wird der Steuerzahler zur Kasse gebeten.

Die zuständige Bundesrätin Keller-Sutter zeigte sich völlig überfordert («this is not a bail-out»). Die schwierigste Aufgabe für den VR-Präsidenten der UBS war, zu all dem ein staatstragendes Gesicht zu machen und nicht laut herauszuprusten vor Lachen.

Durch diesen Notverkauf unter Wert ist eine Monsterbank entstanden, die zudem wettbewerbsrechtlich zu grössten Bedenken Anlass gibt. Aber wenn schon, denn schon. Auch mit Notrecht übersteuerte gerade die Bankenaufsicht FINMA die berechtigten Einwände der Wettbewerbskommission. Ein staatspolitisches Trauerspiel erster Güte, ein Abgrund von staatlicher Verantwortungslosigkeit.

Oder in den Worten von Ermotti: «Am Wochenende des 19. März 2023 zeigte die Schweiz Stärke und Mut. Die Regierung, die Aufsichtsbehörden und die UBS trugen durch ihr entschlossenes Handeln dazu bei, gravierende Folgen für die Finanzwelt und die Wirtschaft zu verhindern und den Ruf der Schweiz zu erhalten.»

Man fragt sich, in welcher Parallelwelt seine Redenschreiber leben. Allerdings haben sie gelegentlich Sternstunden einer diabolischen Umkehrlogik: «Aus dem Untergang der Credit Suisse sollte man nicht ableiten, dass die einzige verbleibende Grossbank den Preis für das Versagen anderer bezahlen und für ihre globale Bedeutung bestraft werden sollte.» Wer will denn die UBS bestrafen, welchen Preis für das Versagen anderer sollte sie bezahlen? Sie hat einen Sondergewinn von 25 Milliarden durch ein staatliches Geschenk gemacht; die Shareholder der CS haben bezahlt und wurden bestraft, der Schweizer Steuerzahler ging ins Risiko.

Und weiter im wilden Geholper: «Allein die UBS, die Credit Suisse und ihre Mitarbeitenden in der Schweiz zahlten in den vergangenen zehn Jahren rund 25 Milliarden Franken an Steuern. Im Jahr 2023 waren es 2,6 Milliarden.» Oder mit anderen Worten: ein Klacks ein einstelliger Prozentanteil an den gesamten Steuereinnahmen. Ausserdem zahlten sie erst wieder Steuern, nachdem sie die Verlustvorträge durch die Finanzkrise eins ausgeschöpft hatten.

Die ewige Leier, jetzt ist alles anders, besser, darf natürlich auch nicht fehlen: «Die UBS hat heute ein viel sichereres Risiko- und Geschäftsprofil als in der Vergangenheit.» In Wirklichkeit hat die UBS – im Vergleich zu ihrer potenziellen Gefahr für die Schweizer Volkswirtschaft und Stabilität – ein viel zu kleines Eigenkapital und wehrt sich mit Händen und Füssen gegen eine Erhöhung. Schlimmer aber: mangelndes Eigenkapital ist nie das Problem einer Bank in ernster Gefahr. Selbst Lehman Brothers hatte ein höheres Eigenkapitalpolster als die UBS vor dem damaligen Zusammenbruch, dem Startschuss zur Fast-Kernschmelze des internationalen Finanzsystems.

Das Problem einer Bank ist die Liquidität bei einem Bank Run, wenn sie kurzfristig langfristig angelegtes Geld anstürmenden Kunden auszahlen sollte. Wäre das bei der UBS der Fall, müsste die SNB als lender of the last ressort Gelder herbeiklicken, dass der Schweizerfranken seinen Ruf als sicherer Hafen auf Jahre verspielt hätte.

Schliesslich betritt Ermotti mit sicherem Schritt eine Wunderwelt wie Alice: «Wir sollten Bankbilanzen auch nicht mit denen von Industrieunternehmen vergleichenDas ist der feuchte Traum jedes Bankenlenkers. Ja nicht die grundsolide Eigenfinanzierung eines Industrieunternehmens, wo reale Werte geschaffen werden, mit dem Gebastel einer Bankbilanz vergleichen, wo alleine für die Definition des Eigenkapitals mehrere Seiten verwendet werden, bei denen nur Träger eines Black Belts in Accounting überhaupt noch durchsteigen. Vom Anteil von Bilanzposten, die mangels Markt gar nicht bewertet, sondern nur mit dem feuchten Finger in der Luft geschätzt werden können, ganz zu schweigen.

Schliesslich noch Schalmeientöne, was denn im natürlich furchtbar unwahrscheinlichen Fall einer Krise geschehen würde: «Am Montag würde die Bank mit einer gesunden Bilanz und ausreichendem Kapital wieder öffnen, Kunden und Gegenparteien wären beruhigt. Es ist höchst unwahrscheinlich, dass der Steuerzahler einen Franken verlieren würde, ebenso wenig wie Einleger und vorrangige Gläubiger der Bank.»

Falls es jemand immer noch nicht kapiert haben sollte, wird Ermotti am Schluss nochmal ganz deutlich: «Deshalb brauchen wir eine Regulierung mit Mass und ein Bankensystem, dessen Akteure höchste Integrität beweisen und nachhaltig wirtschaften.»

Ds ist die abgesoftete Version seines Vordenkers im VR Marcel Ospel selig, der vor dem Fast-Zusammenbruch der UBS noch getönt hatte: «Unsere Investmentbank soll die Nummer eins werden.» Auch er empfahl der Politik, sie solle sich aus Angelegenheiten raushalten, von denen sie keine Ahnung habe: «Die Wirtschaft muss dem Staat helfen, sich zu benehmen.» Hochmut kam dann vor dem Fall.

Und wie steht es um die «höchste Integrität?» Ist ein Gehalt von sagenhaften 14,4 Millionen Franken für 9 Monate Arbeit Ausdruck vermittelbarer Integrität? Gehört sich das für einen Bankenlenker, der respektiert und anerkannt werden will? Kann Ermotti wirklich jeden Arbeitstag so viel wert sein wie ein Jahres-Medianlohn in der Schweiz, nämlich rund 80’000 Franken?

Man kann diesen Kotau der NZZ vielleicht auch so sehen: Sie dokumentiert, was sich im Hirn eines Dinosauriers abspielt, dessen Fall die ganze Schweiz erbeben lassen würde. Das Denken von Führungspersonal wie Ermotti zerstört keinesfalls die Bedenken, dass das nicht passieren könnte.

Das unzähmbare Monster UBS

Die Behörden können die Grossbank im Fall einer Krise nicht abwickeln. Das Too-big-to-fail-Regime steht in der Kritik.

Von Urs Schnell*

Die Finanzmarktaufsicht Finma sagte am 19. Dezember, sie glaube eine schwer gefährdete global systemrelevante Bank abwickeln zu können, falls sie schärfere Eingriffsmöglichkeiten bekäme.

Den bisherigen Sanierungs- und Abwicklungsplänen, die das sogenannten Too-big-to-fail-Regelwerk vorsieht, hatte Finanzministerin Karin Keller-Sutter nicht vertraut. Sie setzte am 19. März auf die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS und ermöglichte dank Notrecht die Schaffung der neuen Superbank UBS.

Dieser Entscheid, als beste von mehreren schlechten Varianten dargestellt, war auch darauf zurückzuführen, dass die Securities and Exchange Commission SEC in den USA nicht bereit war, eine zeitgerechte Ausnahmebewilligung für die Umwandlung von Teilen des Pufferkapitalszu geben. Dieses Kapital besteht aus besonderen Anleihen, die die Behörden im Notfall in neues Bank-Eigenkapital wandeln können. Bei der Credit Suisse waren das 16 Milliarden Franken aus sogenannten AT1-Anleihen und 57 Milliarden Franken an Bail-in Bonds. Ein Teil dieser Bail-in Bonds werden von US-Investoren gehalten, sind also dem Zugriff der Finma entzogen, weil dieser Teil der Bail-in Bonds dem US-Recht unterstellt ist.

Die Finma bestätigte am 19. Dezember, dass keine Behörde der Welt eine solche Ausnahmebewilligung zum voraus, also ex ante, machen würde. Es ist deshalb höchst unwahrscheinlich, dass die Finma die Sanierungs- und Abwicklungspläne, die im Gesetz vorgesehen sind, auf die neue UBS wird anwenden können. Das Problem wird auch bei einer Verschärfung weiter bestehen. Anders gesagt, im Fall einer existenzgefährdenden Krise der UBS blieben nur zwei Varianten:

  • Die Varianten einer Verstaatlichung
  • Die Übernahme durch eine ausländische Bank.

Bewegte Vorweihnachtstage

Bankenpolitisch hat sich diese Woche einiges getan. Zuerst die grosse Credit-Suisse-Verteidigungsrede der Finma mit öffentlichen Äusserungen in nie gekannter Härte, dann erstaunliche Aussagen aus der Geschäftsleitung der UBS.

Während die neue Bank auf Imagepolieren macht und sich als beste Bank der Schweiz verkauft («A bank like Switzerland – cautious, conservative, rational»), setzen deren ambitionierte Chefs neue globale Ziele. Angefangen hatte es anfangs Dezember mit Iqbal Khan, dem Chef der UBS-Vermögensverwaltung: «In den nächsten drei Jahren wollen wir in den USA stark investieren und zu den führenden Anbietern aufschliessen.» Jetzt doppelt das risikoreiche Investmentbanking nach. «The world needs a European global champion and we just became the European global champion» sagte der Chef der UBS-Investmentbank, Rob Karofsky, gegenüber dem Wall Street Journal. Man wolle den Anschluss an die Big Five in den USA schaffen.

Zuhause wird CEO Ermotti in der NZZ gefragt, ob die Übernahme der Credit Suisse denn die bessere Lösung als eine Abwicklung gewesen sei: «Was für eine Frage!» meint Ermotti. «Eine Grossbank zu liquidieren, obwohl eine private Lösung zur Verfügung steht, nur um zu beweisen, dass ‹too big to fail› funktioniert. Das wäre doch reiner Masochismus gewesen.»

Dass auch die UBS in eine Schieflage geraten könnte, ist für Ermotti kein Thema. Dafür hat die Schweiz bekanntlich ein Bankengesetz. Und darin festverankert ist das Too-big-to-fail-Regelwerk, welches der Finanzmarktaufsichtsbehörde Finma die Abwicklung einer global systemrelevanten Bank erlaubt – möglichst ohne dass der Staat und die Steuerzahlenden gross Schaden nehmen.

Doch reichen einige Nachbesserungen dieses Regelwerks, um die UBS im Ernstfall abwickeln zu können?

Das TBTF-Regelwerk

Seit Jahren läuft in der Wissenschaft eine äusserst kontroverse Debatte, ob das TBTF-Regime das Systemrisiko einer Bank vermindern könne. Die Diskussion wird sich auch in der Politik intensivieren. Im April 2024 will der Bundesrat seinen grossen komplexen Bericht zu den global systemrelevanten Banken vorlegen.

Der Zielgedanke hinter jeder TBTF-Regulierung ist es, eine strauchelnde Bank möglichst ohne umfassende staatliche Mittel zu stabilisieren, zu sanieren oder – im schlimmsten Fall – abzuwickeln. Der Schaden soll also primär durch Aktionäre und Gläubiger getragen werden und nicht durch die öffentliche Hand. Der Gedanke entspricht der Logik des marktliberalen Wirtschaftssystems. Das TBTF-Regelwerk will Kampfsprüche wie «Die fetten Boni den Bankern, die Verluste dem Staat» hinfällig machen. Wer erinnert sich nicht an die Vehemenz von Bundesrätin Karin Keller-Sutter, als sie an der historischen Medienkonferenz vom 19. März den privatwirtschaftlichen Aspekt der Credit-Suisse-Rettung betonte. Nicht der Staat rette, sondern die UBS übernehme: «This is not a bail-in.»

Im Fall der Credit Suisse kam die im Gesetz vorgesehene Abwicklung nach dem Too-big-to-fail-Regime nicht zur Anwendung. Nur Tage später sagte die Finanzministerin in der NZZ:

«Persönlich bin ich in den letzten Wochen zur Erkenntnis gelangt, dass eine global tätige systemrelevante Bank nicht ohne weiteres gemäss dem ‹Too big to fail›-Plan abgewickelt werden kann. Rechtlich wäre das zwar möglich. In der Praxis wären die volkswirtschaftlichen Schäden aber beträchtlich. Die Schweiz wäre das erste Land gewesen, das eine global systemrelevante Bank abgewickelt hätte. Es war aber klar nicht der Moment für Experimente.»

Internationale Vorgaben

Während Jahren hatten hochrangige Vertreter von Zentralbanken, grossen Aufsichtsbehörden und wichtigen Finanzministerien der G-20 daran gearbeitet, die Staaten aus der Haftung zu nehmen. Das sogenannte Financial Stability Board FSB erarbeitete dafür globale TBTF-Leitlinien. Diese wurden von der Schweiz weitgehend übernommen. Zwischen 2010 und 2014 entstand daraus ein angepasstes neues Bankengesetz.

Das schweizerische TBTF-Regelwerk besteht aus drei Säulen:

  1. Eigenkapitalanforderungen
  2. Liquiditätsanforderungen
  3. Die sogenannte Resolution.

Aufsichtsbehörde ist die weitgehend unabhängige Finma. Sie kann im Notfall verfügen, dass eine Bank abgewickelt wird.

Gestützt auf die dritte Säule, der Resolution, bereitete die Finma in den turbulenten Monaten vor dem Untergang der Credit Suisse einen Sanierungs- und Abwicklungsplan vor. Es war jener Plan, den Frau Keller-Sutter im entscheidenden Moment als zu experimentell betrachtete.

Hans Gersbach – gewichtige Stimme gegen TBTF-Regime

Die Finanzministerin war nicht die einzige, die gegenüber dem TBTF-Regime schwerwiegende Vorbehalte äusserte. Am 27. März sprach Hans Gersbach, Professor für Makroökonomie an der ETH Zürich, Klartext. «Die Notfallpläne der TBTF-Bestimmungen können von der Finma nicht ohne grössere Verwerfungen an den internationalen Finanzmärkten umgesetzt werden.» Gersbach nannte drei Gründe:

«Erstens betreffen sie die Jurisdiktionen verschiedener Länder und das «Single Point of Entry»-Verfahren ist politisch nicht akzeptiert. Zweitens können die Notfallpläne die Ansteckungsdynamik einer in Schieflage geratenen Bank nicht sicher eindämmen. Drittens sind sie praktisch nur schwer umsetzbar

Professor Gersbach ist an der ETH auch Direktor des Center of Economic Research und Ko-Direktor der Konjunkturforschungstelle KOF, dazu Fellow am paneuropäischen Center of Economic Policy Research CEPR in London. Im weitern sitzt er im Wissenschaftlichen Beirat des deutschen Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie in Berlin.

Expertengruppe Bankenstabilität: Minimalkonsens

Neben seinen vielen Tätigkeiten war Gersbach auch Mitglied der sogenannten Expertengruppe Bankenstabilität. Das Finanzdepartement hatte in dieser Gruppe am 17. Mai 2023 acht Expertinnen und Experten eingesetzt, um «eine umfassende Evaluierung des Too-big-to-fail-Regimes» vornehmen zu lassen. Das Ziel der Evaluierung: eine «Grundlage» zu erarbeiten für den «Bericht zu den systemrelevanten Banken», den der Bundesrat im April 2024 dem Parlament vorlegen will.

Der Ausgang der kommenden parlamentarischen Debatten wird entscheiden, in welcher Grösse und in welcher Form die UBS in der Schweiz in Zukunft geschäften kann.

Der Bericht der Expertengruppe erschien am 1. September. Sein Fazit: Damit eine mögliche UBS-Krise nicht eskaliere, solle das behördliche Krisenmanagement nachgebessert, die Liquiditätsversorgung ausgebaut und mehr Transparenz über die Qualität der Eigenmittel hergestellt werden. Das TBTF-Regime habe «wichtige Fortschritte» erzielt.

Unverständnis und harsche Kritik

Die vielen Unschärfen und die vagen Empfehlungen im Bericht lösten teils harsche Kritik aus. Am weitesten ging Ökonom Adriel Jost vom Institut für Schweizer Wirtschaftspolitik IWP in Luzern. «Diesen Expertenbericht hätte auch die Bankiervereinigung schreiben können, das wäre für den Steuerzahler günstiger gekommen.» Jost kritisiert, dass der Expertenbericht weder die Anreize zur Risikonahme auf Staatskosten minimieren wolle noch die extrem hohe Verschuldung der Banken ins Visier nehme: «Man erhöht die Subventionen der Banken und versucht Retuschen im Too-big-to-fail-Regime, obwohl sich gezeigt hat, dass dieses Regime nicht funktioniert.»

Welche Position vertrat Professor Gersbach in der Expertengruppe? Er will sich auf Anfrage nicht äussern. Doch noch zwei Wochen, bevor die Experten ihre Arbeit aufnahmen, hatte er seine Zweifel an den Sanierungs- und Notfallplänen des TBTF-Regimes öffentlich wiederholt («Unmöglichkeit der Umsetzung») und dafür mehr Banken-Eigenkapital gefordert – eine Massnahme, die die Finanzinstitute ablehnen. Sergio Ermotti meinte am Donnerstag in der NZZ: «Es braucht nicht noch mehr teures Eigenkapital. Das zu behaupten ist reiner Populismus. Mehr Kapital käme die ganze Wirtschaft teuer zu stehen.»

Übersetzt heisst das: Lasst die Banken weiterhin mit minimalem Kernkapital und minimalen Kapitalpuffern geschäften. Nur so lassen sich fette Boni erhalten. Gerät eine Bank ins Schwanken, sollen SNB und der Staat genügend Liquidität bereitstellen, so, wie dies das TBTF-Regime vorsieht. Was bei der Credit Suisse noch mit Notrecht umgesetzt wurde, nämlich staatliche Hilfe in Form eines Public Liquidity Backstopp, soll das Parlament bitte im Gesetz nachbessern.

Nach uns die Sintflut

Was geschieht, falls die neue «Monsterbank» UBS doch einmal ins Taumeln gerät? Zum Beispiel in einer Post-Ermotti-Zeit? Sollte man dann verstaatlichen? Vom Tessiner Bankenchef kein Wort dazu. Dafür diese Antwort: «Der Begriff Monsterbank wurde von Journalisten kreiert, die auf viele Klicks aus sind.» Mit dem, was die UBS als Bank sei und für die Schweiz bedeute, so Ermotti, habe das nichts zu tun. «Kennen Sie ‹Iron Giant›, den Film von dem Eisenmann aus dem All? Wenn wir ein fremdartiges Wesen sind, dann sind wir der Iron Giant. Ein Geschöpf, das in dem Film zuerst als Bedrohung empfunden wird, bis man versteht, dass es doch eine positive Kraft ist

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Es folgt ein zweiter Teil:

Die Macht des Auslands – warum Schweizer Notfall- und Sanierungspläne für global systemrelevante Banken scheitern werden. 

*Mit freundlicher Genehmigung des Autors. Der Artikel erschien zuerst auf der Plattform «Infosperber».
Es ist verblüffend, dass der Dokumentarfilmer Schnell zu Einsichten und Schlussfolgerungen kommt, zu denen die gesammelte Schweizer Wirtschaftsjournalisten nicht in der Lage waren.

Trauerspiel Credit Suisse

Die Leiche lebt noch.

Ende dieses Monats wird die UBS zwei Dinge bekannt geben. Welchen Reibach sie mit der Übernahme der Credit Suisse zum Schnäppchenpreis gemacht hat. Und wie brutal der Kahlschlag unter CS-Mitarbeitern weltweit und in der Schweiz ausfallen wird. Höchstwahrscheinlich werden Tausende von Bankern früher oder später dem RAV, also der Arbeitslosenversicherung und letztlich dem Steuerzahler zur Last fallen.

Während Verpeilte wie Markus Somm in der SoZ das Loblied auf die umsichtige Bewältigung der Krise durch Sergio Ermotti und Bundesrätin Karin Keller-Sutter singen, reibt Arthur Rutishauser in einer vierteiligen Serie den Versagern ganz oben bei der CS ihre Marotten und Fehler unter die Nase. Und stellt die Frage in den Raum, ob es analog zu Vincenz/Raiffeisen hier nicht auch um ungetreue Geschäftsbesorgung, also einen Straftatbestand, gehen könnte.

Indem Ermotti sich aller staatlichen Zusagen (ausser der Liquidität durch die SNB) entledigte, machte er einen geschickten Move, um vor der Beerdigung der CS gut Wetter zu machen. Ob diese Prognose allerdings besser eintrifft als Temperaturvorhersagen von SRF Meteo?

Denn die Leiche CS ist noch nicht wirklich tot. Vor allem auf zwei Gebieten gibt es Riesengebrüll. Oder seriöser formuliert: weltweite Klagen, Klagen in der Schweiz.

Zum einen geht es um die sogenannten AT1-Bonds. Das ist ein von den Behörden erfundenes Gebastel, mit dem das notorisch zu dünne Eigenkapital der Banken vermehrt werden sollte, ohne dass sie die Aktien verwässern mussten. Sie tragen auch den hübschen Übernamen Todesspiralen-Anlagen, da sie bei gewissen Triggern nicht länger Obligationen sind, sondern in Aktien zwangsgewandelt werden. Oder auf null abgeschrieben.

Genau das tat nicht etwa die CS, sondern die Bankenaufsicht Finma im Todeskampf der CS. Obwohl diese Entscheidung auf der Webseite der CS stand, machte zuerst die «Financial Times» darauf aufmerksam, dass der Abschreiber von sagenhaften 16 Milliarden Franken bei den geprellten Anlegern, darunter Riesenapparate wie BlackRock und US-Pensionskassen, heftige Gegenwehr auslöst. Seither wird aus allen Rohren gefeuert, Klagen in den USA, in Japan, in der Schweiz. Aussichten durchaus intakt.

Eine zweite Klage haben rund 1000 Kleinaktionäre und ehemalige CS-Mitarbeiter in der Pipeline. Obwohl es in der Schweiz das Instrument der Sammelklage nicht gibt, will der «Schweizerische Anlegerschutzverein» so etwas Ähnliches einreichen, um die Kosten für jeden Kläger zu senken.

Hintergrund: durch die Fusionsbedingungen rutschte der Wert einer CS-Aktie auf läppische 76 Rappen. Zwei Tage zuvor lag er noch bei 1.86. Dieser Umtauschpreis zur UBS-Aktie sei willkürlich festgelegt worden, monieren die Kläger, er habe zudem in keiner Weise dem noch vorhandenen Wert der CS entsprochen.

Tatsächlich kontrastiert der Schnäppchenpreis von 3 Milliarden Franken scharf mit dem damaligen Börsen- und dem Buchwert der Bank, der mindestens doppelt so hoch war. Allerdings ist es bei so komplizierten Konstrukten wie einer modernen Bank äusserst schwierig, ihren tatsächlichen Wert zu einem bestimmten Zeitpunkt festzulegen.

Zu kreativ ist die Buchhaltung, zu verschlungen sind die seitenlangen Bilanzen mit Sonderposten und allen erdenklichen buchhalterischen Tricks und Ösen. Selbst ausgewiesene Fachleute verzweifeln vor der einfachen Frage: und was ist das Teil nun wirklich wert?

Auf jeden Fall sind alle Lobeshymnen, wie gut doch Politik und Bankführung diese Krise bewältigt hätten, fehl am Platz. Die Prozesse werden sich über Jahre hinstrecken, aber am Ende wird sehr sicher ein Vergleich stehen, bei dem die Eidgenossenschaft, also der Steuerzahler, garantiert nicht ungeschoren davonkommen wird.

Scherzfragen

Obwohl: eigentlich ist die Lage ernst. Und hoffnungslos …

Was ist der Unterschied zwischen der Credit Suisse und der «Republik»? Die CS hat einen Verwaltungsrat, und die Geschäftsleitung arbeitet gratis.

Was ist der Unterschied zwischen dem «Tages-Anzeiger» und randalierenden Idioten? Diese werfen mit Steinen, jene mit Buchstaben.

Was ist der Unterschied zwischen Patrizia Laeri und Sanija Ameti? Die eine drängt mit einer erfundenen Belästigung in die Medien, die andere mit erfundenen Hassmails.

Was ist der Unterschied zwischen Christian Dorer und Arthur Rutishauser? Beide sind degradiert und durch Frauen ersetzt worden. Aber der eine muss noch arbeiten.

Was ist der Unterschied zwischen dem Coninx-Clan und dem Wanner-Clan? Es gibt keinen. Ausser: ein Clan arbeitet inkognito.

Was ist der Unterschied zwischen Karin Keller-Sutter und Alain Berset? Eine von beiden färbt die Haare.

Was ist der Unterschied zwischen Axel Lehmann und Ulrich Körner? Einer bekommt Gehalt, der andere nicht. Aber die Leistung von Plisch und Plum ist gleich wertlos.

Was ist der Unterschied zwischen Ralph Hamers und Sergio Ermotti? Strubelfrisur ohne Krawatte, exakt gezogener Scheitel mit Krawatte.

Was ist der Unterschied zwischen der CS- und der UBS-Aktionärsversammlung? Colm Kelleher.

Was ist der Unterschied zwischen Eric Gujer und Raphaela Birrer? Da schweigt des Sängers Höflichkeit.

Neuer Knaller bei der CS/UBS

Die frisch geborene Monsterbank kommt nicht zur Ruhe.

Gerade wurde der UBS-CEO Ralph Hamers mit einem Goldenen Fallschirm vom Chefsessel geschupst. An seine Stelle wurde der Dressman und Italo-Schweizer Sergio Ermotti gehievt. Nach der Devise: «play it again, Serge».

Ermotti kassierte 2020, seinem vorläufig letzten Jahr bei der UBS, alles in allem rund 11 Millionen Franken. Sein Nachfolger und Vorgänger Hamers sogar 11,5 Millionen. Also hätte Ermotti angesichts einer deutlich grösseren UBS und seiner Herkules-Aufgabe, den aus allen Löchern tropfenden Kahn CS ins Trockendock zu bugsieren, sicher noch mehr verdient.

Hätte, denn wie die «Financial Times» vor fünf Minuten mal wieder weltexklusiv meldete: Auch Ermotti ist bereits wieder Geschichte und hat sein gerade bezogenes Chefbüro schon wieder geräumt. Dabei hatte er seine wenigen Mitbringsel – Kamm, Kleiderbürste, Schuh-Polish, Ersatzkrawatte und zweiter Satz Manschettenknöpfe – gar noch nicht richtig ausgepackt. Nun mussten dem Vernehmen nach diverse Termine beim Schneider zum Massnehmen und die bereits beauftragte Installation eines Solariums wieder abgeblasen werden.

Denn der UBS-Big-Boss Colm Kelleher hat sich schon wieder umbesonnen. Er will offenbar keine feste Bindung eingehen, obwohl sein irischer Name Céileachar wörtlich «ehepartnerliebend» bedeutet.

Aber das interessiert hier natürlich weniger. Auch der neuste CEO der CS/UBS ist ein alter Bekannter. Er erfüllt noch besser als Ermotti die Voraussetzung, beide Banken zu kennen. Denn Oswald Grübel ist der einzige Banker, der sowohl bei der CS wie bei der UBS CEO war.

«He’s the guy, an excellent choice», lobt sich Kelleher in einem kurzen Statement. «I can do that», ergänzt Grübel in seiner gewohnt trockenen Art. Als wollte er Kritiken an seinem fortgeschrittenen Alter von 79 zuvorkommen, fügte er noch hinzu: «The US-President is one year older and only in his first term.»

Ermotti soll in einer der Banker-Tränken beim Paradeplatz gesichtet worden sein, wo er zusammen mit Hamers einen Black Russian nach dem anderen runterkippte.

Wieder einmal ist es der «Financial Times» gelungen, die gesamte Schweizer Wirtschaftspresse abzutrocknen. Und ZACKBUM erweist sich des heutigen Datums würdig …

Wer hat welchen Beruf verfehlt?

In der aktuellen Groteske kann man nur mit Humor überleben.

Als das Fernsehen noch schwarzweiss und deutlich besser war, gab es die Sendung «Was bin ich?», das heitere Beruferaten mit Robert Lembke.

In dieser Tradition will sich ZACKBUM der Frage widmen, wer welchen Beruf verpasst hat. Zum Beispiel Alain Berset wäre sicherlich als Schauspieler auf den Spuren von Yul Brynner erfolgreicher als im Bundesrat gewesen. Von dem Applaus weiblicher Fans ganz zu schweigen.

Urs Rohner, der Versagerrat der Credit Suisse mit weisser Weste, hätte sich viel besser als Lehrer für Moral und Ethik an einer katholischen Hochschule bewährt. Wer da einwendet, dass ihm doch dafür sämtliche Voraussetzungen fehlen: na und, das ist doch auch bei seiner Tätigkeit als Legal Counsel oder als VR-Präsident so gewesen. Aber der strenge Blick durch die schwarzumrahmte Brille, der hätte für einen Lehrer wenigstens gepasst.

Bei Sergio Ermotti kann nur empfohlen werden, als Model für Golden Ager massig Geld zu schaufeln. Gut, das tut er als Stehaufmännchen bei der UBS auch. Aber vom schnurgeraden Seitenscheitel über die graumelierten Haare, den leicht gebräunten Teint, die auf Körper geschnittenen Anzüge und die edel manikürten Hände, plus dieses Flair des Südländers, dazu die glutvoll-dunklen Augen: wird James Bond in seiner Wiederauferstehung nicht mit einem Schwarzen besetzt, würde in dieser Rolle Ermotti ein Zeichen für ältere, aber immer noch dynamische Männer setzen. Schliesslich waren auch schon Roger Moore und Pierce Brosnan lediglich Dressmen.

Bevor ZACKBUM Männerlastigkeit vorgeworfen wird: Karin Keller-Sutter wäre ideal als Gouvernante. Sie bringt dafür den strengen Blick, gute Umgangsformen und den verkniffenen Mundausdruck mit, den es bei erzieherischen Aufgaben dringend braucht. Besonders geeignet wäre sie als ausgebildete Dolmetscherin in mehrsprachigen Haushalten, wo sie für Erziehung, Disziplin und einen Schuss Multikulti sorgen könnte.

Axel P. Lehmann, der bald arbeitslose CS-VR-Präsident, Markenzeichen randlose Brille und leicht verschreckter Gesichtsausdruck, könnte problemlos die Lücke ausfüllen, die Paul Spahn hinterlassen hat. Ältere Semester erinnern sich; Spahn war die seriöse Ausgabe von Leon Huber als Tagesschau-Sprecher. Wenn sich Spahn am Ende der Ausgabe die Brille von den Ohren häkelte und leicht melancholisch in die Kamera blickte, ob all des Leids, das er wieder mal verkünden musste, dann wusste der Zuschauer, dass er der amtlichen Verlesung der korrekten News beigewohnt hatte. Auch wenn Lehmann dieser Eindruck bei der CS nicht gelang, an dieser Stelle würde er aufblühen und zur Vertrauensfigur einer ganzen Nation emporwachsen.

Cédric Wermuth, auch darin unstreitig begabter als sein Nachahmer Fabio Molina, könnte sogar internationale Bedeutung erlangen. Als eines der gefragtesten Bart-Models der Welt. Auch das übrige Styling passt bereits; immer das gleiche schwarze Jacket, weises Hemd mit oder ohne Pullover, perfekt, es zählt der Wiedererkennungswert. Aus diesem Grund entschied sich Wermuth, sein zuerst bartloses, dann unrasiertes Gesicht mit einem auf Kante geschnittenen Vollbart zu verzieren. Die Wangen sauber ausrasiert, der Kinnsteg zur Unterlippe, der nahtlose Übergang vom dichten Haupthaar zur feingetrimmten Bartkotelette, das zeugt von Hingabe, Pflege und Eitelkeit. Ein weiterer Vorteil für viele wäre, dass man als Bart-Model nicht viel sagen muss.

Sanija Ameti, Pardon, Patrizia Laeri, nein, das hier soll ja eine ernsthafte Satire sein, Christian Dorer, der beurlaubte «Blick»-Oberchefredaktor, überlegt sich garantiert auch, ob er nicht besser Buschauffeur geblieben wäre. Aber auch dieser Beruf würde ihn nicht vollständig ausfüllen; Dorer eignete sich ideal als Anpreiser für Dauerwerbesendungen. Mit diesem vertrautenerweckend-unschuldigen Gesicht, dazu seiner Sprachfertigkeit, seinem Durchhaltevermögen würde er es spielend schaffen, Fitnessgeräte, Abmagerungsdiäten, glitzernde Uhren und Schmuck, sogar Gemüseraffeln und Wisch-und-Weg-Putzmittel so an den Mann und die Frau zu bringen, dass er sich damit eine ganze Mannschaft von jungen Matrosen mieten könnte, um mit ihnen in den Sonnenuntergang zu schippern.

Es darf gelacht werden: ´tschuldigung von Tamedia!

Der Nebel bleibt grau, aber in dieser neuen Rubrik lacht nicht nur die Sonne. Denn ohne Lächerlichkeit kommt man schlecht durchs Leben.

 

Was Mutti Merkel kann, sollte Papi Supino auch können. Fehler passieren; aber man muss dazu stehen.

Zudem geht das heutzutage ganz einfach, tut nicht weh, der Aufwand hält sich auch in überschaubaren Grenzen. Ein beauftragter Tagi-Dödel ruft «spontan» zu einer Twitter-Aktion auf. Hashtag «’tschuldigung von Herzen».

Jeder, der lustig ist drauf und/oder Arbeitsplatzsicherung betreiben will, nimmt einen Pappkarton (aber bitte mit deutlich sichtbarem Rezyklier-Stempel). Darauf malt er (auch Damen sind herzlich eingeladen) «#’tschuldigung von Herzen». Darunter gilt freie Wahl.

«An alle mutigen Tamedia-Frauen.» – «An alle gendergequälten Leser.» – «An meine Vorgesetzten, weil ich so faul bin.» – «An die Klomitbenutzer; ich habe mal wieder die Brille hochgeklappt.» – «An meine Nachbarn. Nach dem Inhalieren verbotener Substanzen wurde es etwas laut.» – «An alle Opfer meiner Verleumdungsartikel.» – «An die von mir gewerbsmässig vergewaltigte deutsche Sprache.» – «An meine Frau, ich kann einfach nicht treu sein.» – «An alle zu Unrecht als Schweine verdächtigten Männer.» – «An meine Mutter, sie hatte es nicht leicht mit mir.» – «An Pietro Supino und alle Aktionäre; ich werde mir mehr Mühe geben.»

Warum ein gutes Werk nicht mit einem zweiten verbinden?

Man sieht, an Themen mangelt es nicht. Verzierungen mit Herzchen, Blümchen, anderen dekorativen Elementen sind sehr willkommen. Man kann die Gelegenheit auch benützen, um für milde Spenden zu bitten. Für den Unterstützungsfonds für klitorisbeschnittene Frauen. Für die Erforschung dieser uralten Tradition, der mit Respekt und ohne kulturelle Arroganz zu begegnen ist. Für das Recht der Frau, sich so zu kleiden, wie sie möchte.

Oder, man will einheimisches Schaffen fördern. Da drängen sich «netzpigcock.ch» oder «SägsWiesisch.ch» auf. Natürlich gibt es auch genügend Plattformen und Anlaufstellen für Männer, die endlich das Schwein in sich abmurksen wollen. Muslimische und jüdische Gläubige haben es einfacher; die nehmen so was nicht mal in den Mund.

Aber zurück zu Ta’tschuldigung. Ein ganz wichtiges Thema muss auch die Inklusion sein. Falls es wirklich noch jemanden geben sollte, der dieses Wort nicht kennt: ja, das wurde ursprünglich in der Mengenlehre und der Mineralogie verwendet. Dann sagte man «soziale Inklusion» und meint heute ohne sozial, dass Menschen jeglicher Art, vor allem auch beeinträchtigte oder behinderte, nicht an der Teilhabe ausgeschlossen werden sollen.

Nein, damit wird natürlich nicht gesagt, dass Frauen beeinträchtigt oder behindert seien. Und Teilhabe bedeutet, dass auch Einbeinige bei Wettbewerben im Arschtreten teilnehmen dürfen, dass auch Blinde bei Modefarben mitentscheiden können.

Denn die Ausgrenzung wird immer mehr als Grundübel unserer modernen Gesellschaft erkannt. Knapp gefolgt von Menschenrechten für Tiere. Das Problem ist, dass jeder Mensch einzigartig ist wie eine Schneeflocke. Im Gegensatz zur Schneeflocke sollte er sich dessen auch bewusst werden. Sich also nicht mehr durch Gemeinsamkeiten identifizieren, durch Zugehörigkeit, durch Interessensgleichheit.

Ausgrenzungen als Opfer sind identitätsstiftend

Das ist ganz old school, dunkle Vergangenheit, als ein Arbeitnehmer, ob schwul, schwarz, Frau, Analphabet oder Wissenschaftler, sich als Mitglied einer Gruppe sah und von Arbeitgebern abgrenzte, aufgrund unterschiedlicher Interessenlage. Heute gilt es für jeden, sich durch multiple Abgrenzungen zu vereinzeln und dadurch seine Identität zu finden.

Sinn der Sache? Na, logisch: umso einzigartiger, desto häufiger Opfer von Ausgrenzung, Diskriminierung, alleine schon durch Nicht-Erwähnung. So viele Gender-Sternchen gibt’s im Firmament nicht, wie eigentlich nötig wären, um jegliche Verletzung durch Ignorieren zu vermeiden.

Wem also sonst nichts einfällt bei dieser Aktion, der kann um den Hashtag #’tschuldigung den ganzen freien Platz mit Sternchen ausfüllen. Aber dicht an dicht bitte. Die Gegelegenheit für Chefredaktion und Geschäftsleitung, ihrer eigene Betroffenheit nicht nur durch eine simple Teilnahme Ausdruck zu verleihen. Sondern indem sie einen Wettbewerb auslobt, wer am meisten Ausgrenzungen aufzählen kann.

Alleine die Genderlatte (pardon für den Ausdruck) liegt schon bei rund 165. Damit sind lediglich sexuelle Orientierungen ausdifferenziert. Da kommt also noch eine ganze Latte (schon wieder Pardon) obendrauf.

Und Hand aufs Herz, ist doch einfacher und harmloser als die vollbescheuerte Ice-bucket-Challenge, oder nicht? Und bei der hat doch auch fast jeder Depp mitgemacht. Letzter lustiger Einfall: da wir ja im Zeitalter der Verurteilung via Mob und Masse angekommen sind: alle Teilnehmer dürfen voten, wer diese ehrenhafte Aufgabe am schlechtesten erledigt hat. Vielleicht sogar durch einen völlig unangemessenen blöden Spruch auffiel.

Ja, das ist der Ex-CEO der grossen UBS.

Die ersten 10 müssen dann das mit dem Eiskübel wiederholen. Aber vor Zeugen und so. Beifang, wie der moderne Manager sagt: völlig ausgelastet durch diesen Schwachsinn füllt Tamedia seine Blätter ausschliesslich mit Agenturmeldungen und Berichten aus Münchner Biergärten. Weiterer Beifang: dadurch geht die Zahl der Neuabonnenten durch die Decke.