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Spiel, Satz und Sieg

Wie man einen VR-Präsidenten (links) aus dem Amt ballert.

Niemand weint dem ehemaligen Boss der Credit Suisse eine Träne nach. Ausser vielleicht die Mannschaft des Privatjets, mit dem er durch die Welt glühte. Ist schliesslich spannender, als in Kloten stand-by zu spielen.

Faszinierend ist allerdings die Methode, mit der António Horta-Osarío von einer scheinbar unangefochtenen Position den Abflug machen musste.

Seit 8 Monaten im Amt, mit den üblichen grossen Worten angetreten, Lobhudelei im «Blick», allerdings musste man schon damals sagen: wer sich so fotografieren lässt und der Publikation des Bildes auch noch zustimmt, hat nicht wirklich gute PR-Berater.

Magenprobleme? Bildzitat aus dem SoBli.

Aber gut, kleiner Unfall, abgesehen davon, dass sich der VRP und der CEO der zweitgrössten Bank der Schweiz wirklich nicht in einem Boulevardblatt interviewen lassen sollten. Vielleicht brachten sie damit den oder die Heckenschützen auf den Geschmack.

Denn es ist sonnenklar, dass jemand aus der Bank heraus den «Blick» mit internen Informationen versorgte. Die Reisebewegungen des VRP sind zwar kein Staatsgeheimnis, aber seinen genauen Flugplan kennen, alleine schon aus Sicherheitsgründen, nur eine sehr beschränkte Anzahl von Personen.

Selbst wenn allgemeiner bekannt ist, wo sich Horta-Osório jeweils aufhielt; die genauen Flugdaten sind dann nochmal etwas anderes. Sein Fall (mit sparsamem Fallschirm) ist mal wieder ein Beleg, wie wirkmächtig die Medien weiterhin sind.

Ähnlichkeiten wären rein zufällig und nicht beabsichtigt.
Wenn doch: Plum ist schon mal weg …

Und wie fatal eine amateurhafte Verteidigungsstrategie ist. Wer immer beim VRP dafür verantwortlich war, ist eine Schande für seinen Beruf. In dieser Position ist es völlig klar, dass der braungebrannte Scheitelträger eine interne Crew in seinen Diensten hatte, zudem sicherlich auch externe Berater mit beeindruckenden Tagessätzen – die ihn allesamt weiter ins Elend berieten.

Blitz aus heiterem Himmel

Aber die Initialzündung war die aus heiterem Himmel angefütterte Story, dass er bei einem Abstecher nach London gegen Quarantäneregeln verstossen habe. Wie meistens in solchen Fällen unterschätzten er und seine Berater die Brisanz der Enthüllung gewaltig.

Tschakata. Der erste Schuss, und Horta-Osório war schon waidwund.

Vernütigen, welch ein schönes schweizerdeutsches Wort, das ist immer die falsche Strategie, die meistens angewendet wird. Ist sich nicht bewusst gewesen, könnte sein, ist aber wirklich kein Ding bei einem internationalen Grossbanker, der überall auf der Welt die Geschicke einer internationalen Bank bestimmen muss.

Dann gibt es immer in solchen Fällen das Zwischenhoch. Also das trügerische Gefühl, dass das nicht so schön war, aber dafür ausgestanden, und man weiss ja, wie schnell die Medien die Lust an einem Thema verlieren. Noch ein paar Kommentare mit gerunzelter Stirn und fuchtelndem Zeigefinger, das war’s dann.

Die Gegner hatten eine clevere Strategie

Aber im Gegensatz zu den Wasserträgern des VRP hatte sein Gegner eine Strategie. Genau im richtigen Moment lancierte er saftige Details wie dass ein ehemals bedeutender FDP-Nationalrat und Gesundheitspolitiker höchstpersönlich im Auftrag von Horta-Osório für eine Ausnahmebewilligung weibelte.

Das war nun schon fast der tödliche Blattschuss.

Banker, Privatjet, abgehoben, arrogant, will Extrawurst, was meint der denn.

Endlich bemerkte auch seine Entourage, dass nun gewaltig Feuer im Dach ist. Abkehr von «war mir nicht bewusst», Kehrtwende zu «mea culpa, Entschuldigung, bereue, sehe ein, klage mich selber an». Das Problem war nur: zu spät.

Dann der übliche «interne Untersuchungsbericht» zum Verwedeln. Einer der Hauptaktionäre ergreift öffentlich das Wort und stellt klar, dass man das als Peanuts sehe, Horta-Osório solle den Turnaround liefern, darum gehe es.

Nun noch der Klassiker, der Gnadenschuss

Allgemeines Aufatmen im Lager des VRP. Aber der Heckenschütze hatte natürlich noch nicht alle Munition verballert. Nun kam der Klassiker beim Abschuss: Es gab noch ein weiteres Mal. Denn einmal ist keinmal, kann passieren, ist blöd, aber ‘tschuldigung, und weiter im Text.

Der letzte Blattschuss hatte allerdings eine längere Zündschnur. Abfeuert, in der Öffentlichkeit explodiert – und nichts geschah. Der «Blick» spekulierte zwar, ob der VRP schon Ende 2021 zurücktrete nach dem zweiten Mal Quarantäneverstoss, aber nichts geschah.

Nochmaliges und letztes Aufatmen, zunächst ein Rüffel im VR, aber zumindest gegen aussen der Anschein: wir haben drüber geredet, er bereut, hat sich entschuldigt, also bitte, es gibt Wichtigeres im Leben.

Offenbar brannte intern die Lunte weiter, bis es dann ziemlich genau 35 Tage nach Beginn der Intrige soweit war: Rücktritt. Da der VR zumindest mehrheitlich an Horta-Osório festhalten wollte, müssen die Grossaktionäre ihre Meinung geändert haben.

Mögliche Erklärung: Der Heckenschütze liess durchsickern, dass er durchaus noch Munition habe.

Heckenschütze: Bei der CS war’s kein Spiel.

Fazit: Schneller Abschuss eines Gegners via Medien. Offenbar ist es Horta-Osório nicht gelungen, die Quelle für all diese Durchstechereien ausfindig zu machen und abzustellen. Fehler Nummer eins. Seine mediale Reaktion war unterirdisch schlecht, Fehler Nummer zwei. Er kam nie aus der reaktiven Haltung heraus, konnte nicht das Heft in die Hand nehmen, das Narrativ bestimmen. Fehler drei.

Hinter den Kulissen tobte der Bär

Er konnte die grossen Shareholder nicht länger davon überzeugen, dass weiter mit ihm besser sei als weiter ohne ihn. Das Ganze sollte als Lehrbeispiel in die Geschichtsbücher eingehen, wie man mit wenig Aufwand einen vorher sicher im Sattel sitzenden Häuptling abschiesst.

Wer war’s? Wenn Horta-Osório Racheglüste hat, werden wir das wohl erfahren. Bislang gibt es nur Verdachtsmomente, da die normalerweise gut informierte «Financial Times» am Anfang des Gemetzels kolportierte, dass der VRP mit der Leistung seines CEO nicht wirklich zufrieden sei. Sagte sich da Thomas Gottstein: ich mit dir auch nicht? Wir sind gespannt auf des Rätsels Lösung.

So sieht kein Sieger aus: Horta-Osório.

PS: Natürlich ist es auch Gelegenheit zur Selbstkritik. Als der Skandal aufpoppte, schrieb ZACKBUM am 10. Dezember 2021: «Bis am Wochenende wird sich entscheiden, ob Horta-Osório die Affäre überlebt, sie also aussitzt – oder nicht.»

Aber der 12. Dezember kam und ging – Horta blieb im Sattel. Das Schicksal kennt jeder Banker: Fehlprognose.

 

Jetsetter Horta-Osório

Woran merkt man, dass einen nicht alle lieben?

António Horta-Osório ist seit April zuständig für die Strategie, die Richtung und überhaupt alles Grundsätzliche bei der Credit Suisse. Da tut er das Übliche, was auch schon sein Vorgänger tat. Nichts Zählbares. Oder doch; der Aktienkurs liegt seit seinem Amtsantritt um mehr als 10 Prozent tiefer.

Während er so tieferlegt, strebt er selbst nach Höherem. Denn über den Wolken, da muss die Freiheit grenzenlos sein, weiss auch Horta-Osório. Schön, dass die CS noch das Kleingeld hat, um das Kerosin des Firmenjets zu bezahlen. Denn als wichtiger Bankenlenker ist selbst First nicht standesgemäss. Ausserdem gibt es immer mehr Airlines, die gar keine erste Klasse mehr führen.

Also jettet der Beau durch die Welt der Schönen und Reichen und ganz schön Reichen. Wimbledon in London, New York, aber auch mal die Malediven, wie der Finanzblog «Inside Paradeplatz» meldete. Man gönnt sich ja sonst nichts, und etwas Erholung muss schon sein, bei diesem Jetset-Leben.

Aber niemand kann in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt. Offensichtlich mag zumindest ein CS-Mitarbeiter, höchstwahrscheinlich nicht in untergeordneter Stellung, seinen Verwaltungsratspräsidenten nicht wirklich.

Deshalb stach er dem «Blick» durch, dass sich der Welten- und Bankenlenker einen Dreck um Quarantäneregeln schert. Nachdem der Holmerbringmer Felix Gutzwiller weder auf kantonaler noch auf Bundesebene eine Ausnahmebewilligung für seinen Mandanten herausschlagen konnte, setzte sich der einfach unter Bruch der Quarantäne in den Firmenjet. Portugal, New York, ich komme.

Den entsprechenden Shitstorm überlebte er, auch wenn ihn das diverse geknirschte Entschuldigungen kostete. Na warte, dachte offenbar der Whistleblower, und schob die Story des Maledivenurlaubs nach. Mal schauen, was er noch in der Munitionskiste hat.

Endlich! «Blick» lebt

Ob Plisch und Plum nochmal so beknackt zusammensitzen werden?

CS-Manager mit Verdauungsproblemen? Gottstein und Horta-Osório im «Blick»-Interview.

Enteiert, ohne Busen, Blut und fast ohne Büsis: man musste sich ernsthaft Sorgen um den «Blick» machen. Denn der sollte Boulevard mit grossen Buchstaben ohne Boulevard und mit kleinen Aufregern machen.

Ähnlichkeiten sind rein zufällig und von Wilhelm Busch keinesfalls beabsichtigt.

Das geht natürlich nicht, auch wenn da noch so viel von Resilienz geschwurbelt wird. Und gesalbte Worte gesäuselt werden, dass man Frauen nicht mehr als Sexobjekt behandeln wolle, überhaupt das Thema Sex für Ratgeber auch Tabu sei.

Geradezu subversiv wurden dann doch Storys über Trash-Shows ins Blatt geschmuggelt, wo ein Prekariatsmitglied mit einem ohne Glied zugange ist, und das wiederum zu in diesen Kreisen üblichen Verkrampfungen und Geschimpfe führt.

So blubberte der «Blick» vor sich hin; das Regenrohr im Logo wurde mehr und mehr zum Symbol des Niedergangs. Alles «down the drain», wie man auf Englisch so schön sagt, alles im Abfluss.

Aus dem Koma plötzlich aufgewacht

Aber, Zeichen und Wunder in vorweihnachtlicher Zeit, mit einer Schlagzeile ist das Blatt wieder da:

Wunderbare Story, in der alles drin ist, was auf dem Boulevard Spass macht. Die da oben mit ihren Privilegien (Privatjet!), meinen, über dem Gesetz zu stehen, pfeifen auf Quarantäne-Regeln, fühlen sich zu wichtig dafür.

Frontseite, ausführlicher Erklärtext auf Seite 2 (7300 A, episch für «Blick»-Verhältnisse). Dann natürlich noch nachtreten, die «Corporate Governance»-Expertin Monika Roth waltet ihres Amtes und sagt das, was der «Blick» gerne hören möchte:

«Die Tage von António Horta-Osório an der Spitze der CS sind gezählt, Horta-Osório muss zurücktreten.»

Wahrscheinlich hätte der Noch-«Blick»-Wirtschaftschef Guido Schlätti den Skandal gerne als Einstandsgeschenk für seine neue Position als NZZaS-Wirtschaftschef mitgebracht. Aber man muss Geschenke auspacken, wenn man sie kriegt.

Vom Einzel- zum Dauerfeuer: so macht man das.

Denn ein Geschenk ist die Story natürlich. Offenbar hat der braungebrannte Sunnyboy Horta-Osório einige Feinde in der Credit Suisse. Denn alle saftigen Details wurden dem «Blick» zugehalten.

Abflug am 28. November mit dem Privatjet von London nach Zürich. Sein Pech: einen Tag vor Abflug setzt die Schweiz Grossbritannien auf die Liste von Hochrisikoländern. Das bedeutet: zehn Tage Quarantäne nach Einreise.

«Foda-se tudo»

Im Prinzip ja, denkt Horta-Osório, und begibt sich in seine Wohnung im steuergünstigen Wollerau. Aber bereits am 1. Dezember besteigt er den nächsten Privatjet. Westwärts, dann weiter nach New York, wie’s sich für einen furchtbar wichtigen Bankenlenker gehört, ohne den sich die Welt nicht weiterdrehen würde.

Das wäre schon genug für eine richtig saftige Story. Aber «Blick» kann noch eins drauflegen. Während er in Wollerau an den Fingernägeln knabberte, liess der VR-Präsident der zweitgrössten Bank der Schweiz offenbar abklären, ob es für ihn keine Ausnahmebewilligung geben könne. Felix Gutzwiller, der früher bekannte Gesundheitspolitiker und vernetzte ehemalige FDP-Nationalrat, ist laut «Blick» gerne zu Diensten und fühlt vor.

Aber zum grossen Frust des portugiesischen Granden geht so etwas in der republikanischen Schweiz nicht. Ausnahme? Für einen wichtigen Wichtigtuer? Nein, sagt der Kanton Zürich, nein sagt der Bund. So sorry, sagt wohl Gutzwiller, wird aber für seine Umtriebe sicherlich dennoch entlöhnt.

Scheiss drauf, sagt Horta-Osório, oder wohl «foda-se tudo», was wir lieber nicht übersetzen wollen. Und schon hat er ein Scheissproblem an der Backe. Denn, weiterer Glücksfall für den «Blick», nun tut die Corporate Communication der Bank das, was sie am besten kann. Wenn sie nicht «kein Kommentar» sagen darf, setzt sie die Sache noch mehr in den Sand.

Der mit einem Beraterheer bis zur Hilfe bei der Auswahl der richtigen Krawatte umgebene VRP habe nicht gewusst, dass Quarantäne auch den Verzicht auf Auslandreisen beinhalte. Damit sorgt ein Sprecher der Bank für den nächsten Brüller.

Asche aufs Haupt, Schläge aufs eigene Haupt 

Horta-Osório selbst versucht es mit der alten Nummer, mit gesenktem Haupt zu Kreuze zu kriechen und sich wortreich zu entschuldigen. «Wichtig, Vorschriften einhalten, sorgfältig getan, unbeabsichtigt, bedauere aufrichtig, entschuldige mich, nicht wieder vorkommt», Blabla.

Geht da noch einer? Aber bei der CS immer:

«Herr Antonio Horta-Osório hat Selbstanzeige wegen möglicher Übertretung gemäss Epidemiegesetz Art. 83 eingereicht»,

schleimen seine Anwälte beim «Blick». Der VRP streut also nicht nur Asche auf sein Haupt, er haut auch drauf.

Alles andere ist ein Selbstläufer. Kann so einer Vorbild sein, gerade in dieser kritischen Lage der CS, «Hoffnungsträger», «Führen durch Vorbild», die Unternehmensspitze müsse «Werte wie Integrität vorleben, sagte er kürzlich in einem Interview mit dem «SonntagsBlick»».

Natürlich ist man in der CS «entsetzt», kratzt sich am Kopf, will vielleicht seinen auf dem Silbertablett serviert bekommen.

Kannst mir doch nicht erzählen, denkt sich Horta-Osório (links).

Der fliegende Banker versucht zurzeit sicher herauszufinden: wer war das? Als ob das noch etwas nützen würde. Bislang ein sauberer Blattschuss vom Boulevard, grosses Kino, alte Schule. Man könnte höchstens einwenden: schon ziemlich viel am Anfang verballert; für eine Kampagne muss man nachlegen können.

Die klassischen Nachzüge.

Bis am Wochenende wird sich entscheiden, ob Horta-Osório die Affäre überlebt, sie also aussitzt – oder nicht.

Den Leser am Portemonnaie packen …

ZACKBUM begrüsst den «Blick» wieder auf dem Spielfeld ernsthafter Boulevard.