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Wumms: Aline Wanner

Eigentlich wollten wir nicht mehr. Aber wir müssen.

Ist jetzt auch offene Schleichwerbung in der NZZ erlaubt? Zumindest in der «NZZamSonntag» scheint das möglich zu sein. Hier missbraucht Wanner ihre zweiwöchentliche Medienkolumne für ein Loblied auf «die Finanzplattform ElleXX».

Zunächst eine Minikritik als Feigenblatt:

«Ihr Ziel: Close the gap, die Lücke schliessen. Sprich: Geld gerechter zwischen den Geschlechtern verteilen. Mit dieser Vision geht ein kleines ­journalistisches Problem einher: Sie ist relativ aktivistisch

Aber das ist ja ein sanfter Nasenstüber, bevor ungebremst gejubelt und gelobt wird: «Denn gerade im – gratis angebotenen – journalistischen Bereich finden sich bei ElleXX originelle Ansätze.» Ab hier sind alle Dämme gebrochen, Wanner verliert jede Contenance und Distanz:

«Daneben bieten weitere Formate, etwa eine Kolumne zu scheinheiligen Diversitätsbemühungen von Konzernen oder Gespräche mit Frauen über Geld, ein Angebot, das sonst im deutschsprachigen Raum allzu rar ist: optisch und inhaltlich ansprechenden Wirtschaftsjournalimus, nutzerinnenorientiert, farbig und hin und wieder sogar ein bisschen lustig.»

Ein kritisches Wort zur astronomischen Bewertung der Plattform, zum Mini-Umsatz, zur Weigerung, Zahlen für 2023 bekannt zu geben, zur angenommenen Umsatzsteigerung um 15’000 Prozent in drei Jahren?

Man muss sich fragen, ob «ElleXX» für diese Publireportage, die nicht so ausgezeichnet wurde, wenigstens anständig bezahlt hat, denn genug Geld ist doch zurzeit vorhanden.

Ein Text ohne Wirkung

Wenn zuviele Personen mitreden, wird jede Botschaft zum Flop.

Wollen Verbände in die Medien kommen, gibt es verschiedene Möglichkeiten. Der Klassiker ist die Medienmitteilung. Doch je nachdem, wieviele Verbandsvertreter beim Texten der Medienmitteilung mitwirken, wird diese lesbarer oder eben nicht. Killerpunkte sind schwerfällige Funktionsbeschriebe und ewig lange Schachtelsätze zum Einstieg. Etwa darüber, was der Sinn und Zweck des Verbands sind. Die Folge: Die Medienmitteilung wird fast nirgends abgedruckt. Sie kommt vielleicht online auf Bluewin.ch. Das war’s.

Publireportage? Inserat?

Nächste Möglichkeit: Man telefoniert Redaktionen ab und bietet einen Story an. In besagtem Fall geht es um das Thema «Medizin und Ökonomie: Gegeneinander oder Miteinander?» Das ist nicht gerade ein Brüllerthema. Möglich wäre allenfalls etwas….. wenn der Verband ein Inserate schalten würde. Ein Vorgehen, das auch bei grösseren Verlagen gang und gäbe ist. Führt das nicht zum Erfolg, kann der Verband eine Publireportage buchen. Oft schreibt dann eine spezielle Abteilung innerhalb des Verlags den Text nach journalistischen Grundsätzen. Der Verband kann dann noch seinen Senf dazu geben, so dass es für alle stimmt. Oft ist die Gestaltung so raffiniert, dass der Leser den Unterschied zum «normalen» redaktionellen Teil nicht auf den ersten Blick bemerkt. Ausnahmen bestätigen die Regel.

Komplizierter Entscheidungsprozess

Wenn der Verband aber unter allen Umständen in der «NZZ» erscheinen will, klappt der Kniff mit der eingebetteten Publireportage nicht. Dann bleibt nur das Inserat. Das ist aus Sicht des auftraggebenden Verbandes darum verführerisch, weil alle wichtigen Verbandsvertreter beim Inhalt des Textes mitbestimmen wollen und dürfen. Ein typisches Resultat eines solchen Entscheidungsprozesses konnte man in der Samstagsausgabe der «NZZ» sehen. Der Vorstand der Schweizerischen Vereinigung der Spitaldirektorinnen und Spitaldirektoren hat ein halbseitiges Inserat geschaltet: «Medizin und Ökonomie: Gegeneinander oder Miteinander?» Bezüglich Rechtschreibung gilt eher ein Gegeneinander.

Nur zwei Müsterchen aus dem nicht lesefreundlich gestalteten Text:

«Der Spitaldirektorin bzw. dem Spitaldirektor bzw. dem CEO kommt dabei eine besonders anspruchsvolle Aufgabe zu, denn ein Spital kann nur dann erfolgreich sein, wenn die verschiedenen Disziplinen gut miteinander zusammenarbeiten und das unterschiedliche «Spezialwissen» zu einem Ganzen zusammengefügt wird. Strategische und operativ bedeutende Entscheidungen werden meistens im Konsens gefällt, da eine erfolgreiche Umsetzung die aktive Mitarbeit aller Schlüsselpersonen und Bereiche bedingt.»

Und noch ein Beispiel:

«Wünschbar für die Zukunft ist, dass Führungspersönlichkeiten aller Bereiche,welche infolge gut überlegter Strategieanpassungen ausscheiden, damit ohne systemdestruktives Verhalten umgehen.»

Kein Wunder, landen solche Medienmitteilungen im Rundordner. Und es ist offensichtlich, dass auch das Inserat kaum gelesen wird, ausser von den Spitaldirektoren selber. Schade für das Geld.

Von Schleichwerbung kann keine Rede mehr sein

Wie sich die Medien überflüssig machen – aus eigener Fahrlässigkeit.

Für jüngere Leser: Das Feuilleton, wörtlich das Blättchen, musste sich zuerst mal seinen Platz in der richtigen, also serösen Zeitung erobern. Damit sich der Leser nicht in den Teil einfach verirrte, in dem Meinungen, Rezensionen, eben Feuilletonistisches erscheint, war das durch einen dicken Strich vom Rest getrennt.

Daher auch die Redensart vom «unterm Strich». Noch strikter muss natürlich die Trennung von Werbung und redaktioneller Eigenleistung sein. Müsste. Denn Werbung nimmt der Leser hin, für den redaktionellen Inhalt bezahlt er, und sei es auch nur mit seiner Aufmerksamkeit oder seinen Daten.

Im Prinzip wäre es ganz einfach

Im Prinzip wäre die Grenze zwischen Erlaubtem und unlauteren Methoden einfach zu fassen und zu definieren; zum Beispiel so: Der vom Unternehmer finanzierte Einsatz redaktioneller Inhalte zu Zwecken der Verkaufsförderung, ohne dass sich dieser Zusammenhang aus dem Inhalt oder aus der Art der optischen oder akustischen Darstellung eindeutig ergibt (als Information getarnte Werbung).

Kann ja nicht so schwer sein, das zu kapieren und einzuhalten. Oder nicht. Eher gilt aber: oder nicht. Denn dass das Inserat meistens auf der linken Seite steht und von der ganzen Aufmachung her so deutlich vom redaktionellen Teil getrennt ist, dass es eigentlich das Wort «Anzeige» gar nicht bräuchte, die Zeiten sind längst vorbei.

Medienorgane tun alles, um Werbung zu bekommen

Nicht erst seit Corona tun Printorgane so ziemlich alles, um Werbung zu bekommen. Oder um, wie man so schön sagt, ein werbefreundliches Umfeld zu schaffen. Das bringt zwar dringend benötigte Kohle, kostet aber das Wichtigste, was ein Medienorgan hat: Glaubwürdigkeit, Vertrauen.

Der Guide Michelin nimmt seine Autorität als Benchmark für Hotel- und Restaurantbewertungen aus drei einfachen Prinzipien. Einfache, verständliche Bewertungskriterien. Jahrzehntelange Kontinuität. Und vor allem: es wird nur anonym und auf Kosten des Michelin getestet. Umso näher ein Lokal an die begehrten drei Sterne kommt, desto häufiger und resoluter.

Daher gibt es tragische Fälle, dass sich ein Koch das Leben nimmt, wenn er einen Stern verliert. Es ist aber kein Fall bekannt, dass Sterne durch milde Gaben ergattert wurden. Falls mal ein Traditionslokal wie der Tour d’Argent in Paris, eines der ältesten Restaurants Frankreichs, den dritten Stern verliert, dann wird es einfach eine Weile gar nicht mehr erwähnt – um dann mit einem einzigen wieder aufzutauchen.

Viel besser als alles andere, die Grenzen zu verwischen

Aber von der Höhe der Kulinarik in die Tiefebenen der Publizistik. Weder Politiker, noch Unternehmen haben es gerne, kritisiert zu werden. Unternehmen können mehr unternehmen dagegen, indem sie kritische Blätter mit einem Inserateboykott bestrafen.

Aber das sorgt dann meistens für zusätzliche negative Publizität. Viel besser, im Einverständnis mit Organen die Grenzen zwischen redaktionellem und bezahltem Werbeinhalt zu verwischen. Sozusagen bahnbrechend war da die sogenannte «Publireportage». Das Wort zeugt vom Erfindungsreichtum der Medienmacher. Ein Kunstgriff aus Publizität und Reportage.

Auf Deutsch eine bezahlte Werbung, die redaktionellem Inhalt mögichst ähnlich sein soll. Bezüglich verwendete Typographie, Aufmachung, Illustration. «Paid Post» ist auch so ein netter Ausdruck; wieso nicht «bezahlte Werbung» sagen? Dann hätten wir noch die «Native Ad», einen ganzen Zoo von Begriffen, der nichts anderes soll als: Wenn’s der Leser nicht merkt, dass es ein Inserat ist, umso besser. Wenn er’s merkt, auch nicht schlimm.

Bezahlter redaktioneller Inhalt ist schon längst üblich

Schon längst handelsüblich ist, dass meistens nicht ganz billige Reise-«Reportagen» «mit Unterstützung von» durchgeführt werden. Auf Deutsch: Alle Beteiligten, Airline, Autovermietung, Hotel, Restaurants, luden ein. Was sie bei kritischer Berichtserstattung seinlassen würden.

Der redaktionelle Tipp, ein Uhrenmuseum zu besuchen, wenn die Uhrenmarke weiter hinten eine Doppelseite Werbung gekauft hat. Ein Artikel über Englisch in der Schweiz, in dem der Chef einer Englisch-Schule zufällig gross ins Bild gerückt wird, und wer’s immer noch nicht gemerkt hat, selbst ein banales Quiz wird «teilweise mit Fragen von der Hulls’ School in Zürich» bestritten.

Toll ist auch die Bauen-Seite der «SonntagsZeitung», hier «präsentiert einmal im Monat die Plattform «swiss-architects.com einen ausgewählten Bau». Auch das greift immer weiter um sich: Ganze Themenbereiche, vor allem, wenn sie etwas aufwendiger sind wie Wirtschaft, von einem externen Dienstleister einzukaufen.

Ein unüberbrückbarer Dschungel von Werbeformen

Und der Beratungsonkel oder die -tante dürfen natürlich nicht fehlen, die völlig objektiv Wässerchen, Pülverchen, Cremes, Smartphones, Autos oder was auch immer anpreisen. Oder wenn ein CEO das Bedürfnis hat, allen mal wieder seine Meinung zu geigen, dann wird nicht ein Inserat draus, sondern es kommt ein «externen Standpunkt» ins Blatt. Bezahlt wie ein Inserat.

Es gibt inzwischen einen fast unüberblickbaren Dschungel von Werbeformen. Auch wenn der Presserat ab und an streng urteilt und kritisiert: Der Schaden ist bereits angerichtet. Denn Glaubwürdigkeit und Vertrauen in die Unabhängigkeit und Unbestechlickeit verspielt man nicht mit einem einzigen Ausrutscher. Aber wenn man ständig rutscht, ist’s dann mal weg.

Mauschelei in der Alpha-Beilage

Der Alpha-Stellenanzeiger wird immer dünner. Und schaltet jetzt einen redaktionellen Hilferuf via Hauptinserent.

Alpha, das ist diese Stellenbeilage für Chefpostenaspiranten. Sie erscheint jeweils am Wochenende im Tages-Anzeiger und in der Sonntagszeitung. Alpha gehört der TX Group (ehemals Tamedia-Gruppe). Ihr Markenzeichen: pinkbräunlich gefärbtes Papier – und immer weniger Seiten. Letztes Wochenende waren es noch vier Seiten. Davon als Aufmacher ein halbseitiges Interview. Doch dieses hatte es in sich. Befragt wurde nämlich der Geschäftsführer der Jörg Lienert AG. Diese Headhunter-Firma fällt darum auf, weil sie treu – man könnte es auch rückständig nennen – ihre Stelleninserate jeweils auch in eben dieser Alpha schaltet. Am 9. August waren es vier Inserate, schön auf einer Seite verteilt. Kostenpunkt: Mindestens 40000 Franken. Oder war der Preis vielleicht doch tiefer. Gab es gar einen Deal?Das wäre eine böse Unterstellung. Trotzdem: In besagtem «Artikel» werden dem Jörg-Lienert-Geschäftsführer von Stefan Krucker Fragen gestellt wie:

Herr Theiler, die gedruckten Stellenanzeiger werden immer dünner. Trotzdem inseriert Ihre Firma regelmässig in Tageszeitungen. Weshalb?

Dann folgt diese Anschlussfrage:

Was sind die Vorteile von Printinseraten?

Diese Frage geht auch noch:

Welche Personen erreichen Sie mit gedruckten Stelleninseraten?

Speziell ist, dass das Interview weder mit Publireportage, noch mit Advertorial oder Ähnlichem gekennzeichnet ist.

Übrigens: Die Kernaussagen von Herrn Theiler zu den Fragen lautet:

«Gute Erfahrungen machen wir bei der öffentlichen Hand, bei Nonprofit-Organisationen. (…). Unsere Kunden sind vorwiegend KMU’s.»

Sind das nicht oft jene Wirtschaftszweige, die Trends verschlafen, von Kartellen leben oder von Steuergeldern respektive Spenden? Alpha und Jörg Lienert AG soll’s recht sein.