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Frischling trifft auf alten Fuchs

Schlachtross Ossi Grübel vernascht die Fragen einer Jungredaktorin.

Die Idee ist nicht schlecht: was meint eigentlich Oswald Grübel, der einzige Mensch, der Chef bei der UBS und bei der CS war, zu dem UBS-Krisenplan unserer Finanzministerin Karin Keller-Sutter? Das könnte interessant werden – wenn nicht jemand die Fragen stellte, der von Finanzen, Banking und so Zeugs so viel Ahnung hat wie Keller-Sutter.

Bei CH Media darf da Ann-Kathrin Amstutz dilettieren. Die schreibt über sich selbst: «Schon immer hat mich eine grosse Neugier angetrieben. Dies brachte mich 2016 zum Journalismus. Ein Praktikum bei der Aargauer Zeitung war mein Einstiegsticket.» Jö. Noch mehr jö: «Ab und zu versuche ich mich an kreativen Texten.»

Jemand mit einem so wohlgefüllten Rucksack darf nun Grübel interviewen. Dem dürften dabei die Augenlider noch schwerer geworden sein als sonst. Denn er muss nicht mal aus dem Halbschlaf erwachen, um so harmlose Fragen zu beantworten wie die, ob man die UBS eigentlich überhaupt abwickeln könne: «Das wird sehr schwierig sein. Die UBS ist eine global systemrelevante Bank und im internationalen Netz eingebettet – das kann die Schweiz gar nicht alleine bestimmen.» Das ist im Prinzip richtig, aber genau dafür gibt es Plattformen wie die CMG. Hä, würde da Amstutz sagen, daher: das ist die Abkürzung für «Crisis Management Group»,  eine Behörde, mit der sich international Bankenaufsichten austauschen und koordinieren.

Was sie im Fall der CS übrigens auch taten – und was Grübel sehr wohl weiss. Aber wenn es die Interviewerin nicht weiss …

Dann behauptet Grübel: «Wenn die Schweiz keine Grossbank mehr hätte, wäre das sehr nachteilig für die Wirtschaft und das ganze Land.» Blühender Unsinn. Gäbe es keine UBS mehr und bestünde Nachfrage nach ihrem Angebot, würden das problemlos andere internationale Banken mit Handkuss übernehmen. Und ein Zusammenbruch der UBS wäre mehr als nur bloss «nachteilig» für das Land, das wäre eine helle Katastrophe bei einem solchen Dinosaurier.

Dann wird es ganz abstrus, denn Grübel darf unwidersprochen behaupten: «Dass die Regulatoren wie im Falle der CS schon über ein Jahr im Voraus wussten, dass die Bank vor dem Abgrund steht, aber dann bis zu einem Tag warten, wo ein Krisenentscheid gefällt wird.»

Dabei hat Grübel den FINMA-Bericht über ihr Handling der CS-Katastrophe sicherlich gelesen, aber eben auch im Gegensatz zu Amstutz. Hätte sie sich etwas kreativer und neugieriger vorbereitet, dann wäre ihr aufgefallen, dass die FINMA selbst klarstellt, dass ihr am Vorabend des katastrophalen Entscheids der Finanzministerin die Zusicherung der wichtigsten Bankenaufsichtsbehörden weltweit vorlagen, dass die bei einer von der FINMA vorgeschlagenen Sanierung keine Probleme in ihren jeweiligen Jurisdiktionen sahen.

Diese Sanierung hätte vorgesehen, die CS-Aktionäre und Wandel-Obligationäre, wie es in einem solchen Fall Brauch ist, auf null zu setzen, die Bail-in-Obligationäre zu den neuen Besitzern zu machen und die Operation mit einem Kapital (Total Loss-Absorbing Capacity, aber das würde für Amstutz zu weit gehen) von über 111 Milliarden Franken zu unterfüttern. Das wäre doppelt so hoch gewesen wie das Eigenkapital der UBS und wäre zudem mit Liquidität von der SNB gestützt worden.

Also wären die wirklich interessanten Fragen an Grübel gewesen, wieso um Himmels willen die Finanzministerin nicht diese Lösung wählte und stattdessen die CS zum Schnäppchenpreis von 3 Milliarden an die UBS wegschenkte. Und noch dem Steuerzahler mit ihrer ungeschickten Äusserung («this is not a bail-out») ein 16-Milliardenproblem aufs Auge drückte. Aber dafür müsste Amstutz wissen, was AT-1-Bonds sind, und nein, dass hat nicht mit James Bond zu tun.

Deren Nominalwert belief sich auf 16 Milliarden Franken, die nun weltweit eingeklagt werden, weil die FINMA auf Anordnung des Bundesrats diese Wandelanleihen auf null setzte. Dadurch verschluckte sich die UBS fast an einem Sondergewinn von 29 Milliarden Franken – durch die halb geschenkte Credit Suisse.

Dann sagt Grübel noch das Übliche zur Frage, ob nicht wenigstens Boni wieder zurückgefordert werden könnten, wenn es der Bank schlecht läuft. Die CS brachte bekanntlich das Kunststück fertig, 32 Milliarden Boni auszuzahlen – für einen kumulierten Verlust von 3 Milliarden Franken. Aber auch da darf Grübel unwidersprochen behaupten, «so eine Bestrafungsmentalität» bringe nichts. Es sollten halt «die falschen Leute von den mächtigen Positionen ferngehalten» werden.

Wie dieses Kunststück funktionieren sollte? Sagt Grübel nicht, fragt Amstutz nicht.

Es ist einer Jungredaktorin ohne Fachkenntnisse unbenommen, naive und uninformierte Fragen zu stellen. Wieso aber auch bei CH Media sämtliche Qualitätskontrollen versagen und ein solcher Müll dem zahlenden Leser als geldwerte Leistung aufs Auge gedrückt wird?

Das ist so, wie wenn der Kochlehrling ein 5-Gänge-Menü auf den Teller zaubern sollte. Während der Chefkoch gemütlich zuschaut und auch das Gemurmel überhört, wenn er dann die Rechnung präsentiert.

Es wird immer deutlicher. Nicht die Umstände schaffen die klassischen Newsmedien ab, sondern die Unfähigkeit auf der Chefetage der grossen Medienhäuser.

 

Neuer Knaller bei der CS/UBS

Die frisch geborene Monsterbank kommt nicht zur Ruhe.

Gerade wurde der UBS-CEO Ralph Hamers mit einem Goldenen Fallschirm vom Chefsessel geschupst. An seine Stelle wurde der Dressman und Italo-Schweizer Sergio Ermotti gehievt. Nach der Devise: «play it again, Serge».

Ermotti kassierte 2020, seinem vorläufig letzten Jahr bei der UBS, alles in allem rund 11 Millionen Franken. Sein Nachfolger und Vorgänger Hamers sogar 11,5 Millionen. Also hätte Ermotti angesichts einer deutlich grösseren UBS und seiner Herkules-Aufgabe, den aus allen Löchern tropfenden Kahn CS ins Trockendock zu bugsieren, sicher noch mehr verdient.

Hätte, denn wie die «Financial Times» vor fünf Minuten mal wieder weltexklusiv meldete: Auch Ermotti ist bereits wieder Geschichte und hat sein gerade bezogenes Chefbüro schon wieder geräumt. Dabei hatte er seine wenigen Mitbringsel – Kamm, Kleiderbürste, Schuh-Polish, Ersatzkrawatte und zweiter Satz Manschettenknöpfe – gar noch nicht richtig ausgepackt. Nun mussten dem Vernehmen nach diverse Termine beim Schneider zum Massnehmen und die bereits beauftragte Installation eines Solariums wieder abgeblasen werden.

Denn der UBS-Big-Boss Colm Kelleher hat sich schon wieder umbesonnen. Er will offenbar keine feste Bindung eingehen, obwohl sein irischer Name Céileachar wörtlich «ehepartnerliebend» bedeutet.

Aber das interessiert hier natürlich weniger. Auch der neuste CEO der CS/UBS ist ein alter Bekannter. Er erfüllt noch besser als Ermotti die Voraussetzung, beide Banken zu kennen. Denn Oswald Grübel ist der einzige Banker, der sowohl bei der CS wie bei der UBS CEO war.

«He’s the guy, an excellent choice», lobt sich Kelleher in einem kurzen Statement. «I can do that», ergänzt Grübel in seiner gewohnt trockenen Art. Als wollte er Kritiken an seinem fortgeschrittenen Alter von 79 zuvorkommen, fügte er noch hinzu: «The US-President is one year older and only in his first term.»

Ermotti soll in einer der Banker-Tränken beim Paradeplatz gesichtet worden sein, wo er zusammen mit Hamers einen Black Russian nach dem anderen runterkippte.

Wieder einmal ist es der «Financial Times» gelungen, die gesamte Schweizer Wirtschaftspresse abzutrocknen. Und ZACKBUM erweist sich des heutigen Datums würdig …

Die Medien kriegen’s nicht hin

Und der Journalist ist der Rechthaber im Nachhinein.

Es gibt wenige Ausnahmen, Arthur Rutishauser gehört dazu. Aber da Kompetenz (und Loyalität) im Hause Tx keinen besonders hohen Stellenwert geniesst, wurde er trotz seiner ständigen Warnrufe Richtung CS als Bauernopfer degradiert. Weil Pietro Supino auch die Kommunikation in der Affaire Roshani versemmelt hatte.

Die übrige Journaille tat das Gleiche, was sie nun dem Bundesrat und der Aufsichtsbehörde FINMA vorwirft: Sie schaute mehr oder minder tatenlos zu, wie die Credit Suisse gegen die Wand geklatscht wurde. Ringier versank in Lobhudeleien der Kurzzeit-Chefs, unvergesslich das Doppelinterview mit dem Alptraumpaar Gottstein Horta. Plisch und Plum waren ein Dreck dagegen.

Ansonsten zeigten weite Teile der Wirtschaftsjournalisten, was sie können. Nämlich nichts. Den Geschäftsbericht einer Bank lesen, das überfordert 90 Prozent von ihnen. Die Zusammensetzung des Eigenkapitals verstehen: Fehlanzeige. Erklären können, was ein CoCo ist: nur im Abschreibemodus. Die wichtigsten Indikatoren identifizieren, um den Zustand einer Bank messen zu können: hä?

Aber damit wissen sich die Mainstream-Medien mit ihrer Regierung einig: frei von Sachverstand kann man am besten vom Blatt lesen. Das war der Zustand bis kurz vor dem Exitus der Bank.

Währenddessen wurde weiterhin ab Blatt gelesen, ab der «Financial Times». Denn im fernen London war man besser über die Verhandlungen, den Inhalt und vor allem die heiklen Punkte informiert als die geballte Fachkraft der Schweizer Medien in Bern.

Auf welches Notrecht stützt sich der Bundesrat genau, was bedeutet der Abschreiber von 16 Milliarden Franken, wieso musste die UBS läppische 3 Milliarden Franken bezahlen, erhält ein Risikopolster von 9 Milliarden plus Liquidität bis zu 200 Milliarden? Kann man Aktionärsrechte so aushebeln? Riskiert der Bundesrat keine Staatsklagen, steht er eventuell in der Verantwortung für diese Entscheidungen – und ihre Kostenfolgen?

Und vor allem: war das mal wieder alternativlos? In welchem Schweizer Medium las man vor dem grossen Showdown vor einer Woche, wie Alternativen aussehen könnten? Dass die Bank schlecht geführt war, das war spätestens seit dem Amtsantritt von Urs Rohner offenkundig. Aber forderte je – ausser dem Autor dieser Zeilen – jemand seinen Rücktritt, mahnte Haftbarkeit an?

Aber nach dem Fall, da kommen nun alle Besserwisser aus den Löchern und überschlagen sich mit Kritiken, basteln grosse Zusammenstellungen von Fehlern und Flops, von dummen Sprüchen der Bankenlenker. Der Lobhudel-«Blick» räumt plötzlich dem alten Schlachtross Oswald Grübel die Spalten frei, der auch kräftig losgaloppiert – nachdem auch er zuvor mit Kritik gelinde gesagt sehr zurückhaltend war. Sicher, als ehemaliger CEO beider Banken, der CS und der UBS, musste er aufpassen, was er sagt.

Aber eigentlich gab es mal wieder nur einen Einzelkämpfer, der sogar so viel Gas gab, dass ihn die CS mit einer mehrhundertseitigen Klageschrift fertigmachen will. Denn Lukas Hässig fährt auf seinem Finanzblog «Inside Paradeplatz»* einen scharfen Reifen. Und lässt regelmässig die gesamte Konkurrenz alt aussehen. Er erlegte fast im Alleingang Pierin Vincenz und veröffentlichte ein Jahr lang eine Bombenstory nach der anderen über den einstmals strahlenden Banker – ohne dass jemand das Thema aufnahm.

Hässig steht auch auf der Shitlist von Daniel Vasella ganz, ganz oben, seit er verhinderte, dass der Pharma-Boss 72 Millionen hätte kassieren sollen – für süsses Nichtstun.

Irgendwie ist die «Blick»-Penisgeschichte symptomatisch für den aktuellen Zustand der Medien. Eigentlich möchte man gerne ein heikles Thema aufgreifen, das nun (fast) jeden Mann interessiert. Denn Nullwachstum in der Hose, das ist auch für Banker schlimmer als Nullzinsen.

Aber früher hätte der Fachmann höchstens als Feigenblatt dafür gedient, den Voyeurismus von weiblichen und männlichen Lesern zu befriedigen. Die Schlagzeile wäre auf der Hand gelegen: «Wenn Sie dieses Foto nicht erregt, sollten Sie zum Arzt». Welcher Art das Foto gewesen wäre, nun, wir breiten den Mantel des Schweigens darüber.

Aber wie löst das der «Blick» heute? Das einzige Boulevard-Organ mit einem Regenrohr im Logo zeigt doch tatsächlich einen Kaktus als Penissymbolbild. Wobei der Kaktus durchaus erigiert erscheint. Allerdings dürfte er weder bei Männern, noch bei Frauen erotische Empfindungen auslösen. Das gilt höchstwahrscheinlich auch für alle anderen Genderklassen, vielleicht mit Ausnahme von Masochisten.

«Der Penis ist die Antenne des Herzens», der Satz ist so blöd, der könnte glatt von diesem Kim irgendwas sein. Nein, so blöd ist er dann auch nicht.

Wieso nicht «Die UBS ist die Bank der Schmerzen», «von der Credit Suisse zur Debit Suisse zur Debil Suisse».  Oder gleich «Der Kontostand ist der Messfühler des Portemonnaies», «Die Kreditkarte ist die Windfahne der Begierde», «Der Zeigefinger ist das Instrument am Bankomat», «Die Credit Suisse ersetzt den Bankomat durch den Dankomat». Und nur echt mit dem Foto eines kompetent dreinblickenden Fachmanns.

Das kann man alles machen. Aber noch Geld dafür verlangen und behaupten, man sei unverzichtbar als Vierte Gewalt in der Demokratie – das ist nicht nur lachhaft, wenn es die «Republik» behauptet.

*Packungsbeilage: ZACKBUM-Redaktor René Zeyer schreibt gelegentlich auf IP.

Ahnengalerie des Grauens

Einmal ist Zufall. Zweimal ist Pech. Ab dreimal ist’s ein Trend.

Es hatte so gut angefangen, wie vieles. 1856 gründete Alfred Escher, der grosse Schweizer Wirtschaftspionier, die Schweizerische Kreditanstalt. Er war dann fast ein Vierteljahrhundert lang ihr erster Verwaltungsratspräsident. Skandalfrei.

Soll weg, fordern manche Verpeilte: Denkmal für Alfred Escher.

1977 machte die SKA mit dem «Fiasko von Chiasso» («Der Spiegel») von sich reden. Die SKAndalbank (Roger Schawinski hat’s erfunden) hatte nicht nur wie damals üblich italienische Schwarzgelder beherbergt, sondern auch noch über eine Viertelmilliarde davon verjuxt. Peinlich, was der damalige Generaldirektor Heinz Wuffli eingestehen musste. Ein paar seiner damals noch 9000 Angestellten hätten sich einer «massiven Verletzung» von «Sorgfaltspflichten und Kompetenzen» schuldig gemacht.

Das konnte die CS dann in den Stehsatz nehmen, nachdem Wuffli zurückgetreten war. Anschliessend kamen so Leuchten wie Robert A. Jeker und Rainer* E. Gut an den Steuerknüppel. Natürlich darf auch Josef «Joe» Ackermann nicht fehlen, von 1993 bis 1996 Präsident der Generaldirektion, bis er die Deutsche Bank ins Elend wirtschaftete.

Dann kam auch noch Mühlemann

Von 1997 bis 2001 versuchte das bei der Credit Suisse Lukas Mühlemann mit seiner Allfinanz-Strategie. Banking, Versicherungen, alles aus einer Hand. Als dann auch noch die Swissair in den Boden flog, wovon er als deren VR nichts mitgekriegt hatte, reichte es: Rücktritt.

Hans-Ulrich Doerig hingegen (2009 bis 2011) kann man nicht viel vorwerfen; er war auch nur als Sesselwärmer für die nächste grosse Pfeife vorgesehen: Urs Rohner. Unter ihm als VR-Präsident ging die CS in einen kontinuierlichen Sinkflug über. Nach dem Muster: geht’s noch schlimmer? Natürlich, die CS zeigt’s immer allen. Die grösste Busse im Steuerstreit, die meisten Bussen überhaupt, kein Skandal in den vergangenen zehn Jahren, in den die CS nicht mehr oder minder verwickelt war.

Im Jahr von Rohners Abgang ein neuer Rekord: der Viererschlag. Zuerst zweimal Milliardenverluste mit luschen Investitionen, dann eins über die Rübe von der FINMA wegen des Beschattungsskandals, und als Sahnehäubchen noch eine halbe Milliarde Bussen für die Verwicklung in einen luschen Milliardenkredit an Mosambik. Von den finanziellen Folgen, Mosambik musste Staatsbankrott erklären, Multimillionenklagen gegen die CS sind noch hängig, ganz zu schweigen.

War das der Tiefpunkt oder geht’s noch schlimmer?

Ach ja, dann gab’s noch Brady Dougan am Steuer, berühmt für den grössten Bonus aller Zeiten in der Schweiz, während der Aktienkurs nur eine Richtung kannte: nach unten. Gefolgt von Tidjane Thiam, der diese Politik erfolgreich, aber viel kürzer fortsetzte.

Wenn der wüsste …

Als einzige Ausnahme ist Oswald «Ossi» Grübel zu erwähnen. Der hatte zwar das Glück des rechtzeitigen Abgangs; das Hyposchrott-Schlamassel und den Steuerkrieg mit den USA musste er nicht mehr verantworten. Aber er zeigte als einziger Banker, der sowohl Boss der CS wie dann der UBS war, was Haltung ist. Als unter seiner Verantwortung ein UBS-Mitarbeiter in London einen Milliardenverlust verursachte, versteckte sich Ossi nicht hinter einem «hab’ nix gewusst, ist nicht meine Verantwortung, habe eine weisse Weste».

Einer wusste noch, was Verantwortung heisst

Wie erzählte er selbst so schön: er sei aus dem Flieger gestiegen, habe sein Handy eingeschaltet und drei Nachrichten seines CFO vorgefunden. «Das ist nie gut», meinte Grübel trocken. Also habe er angerufen und gefragt: «Ist es schlimm?» Als das bejaht wurde, nachgefragt: «Mehr als eine Milliarde?» Als das auch bejaht wurde habe er gewusst: das war’s.

So macht man das, immerhin. Inzwischen sind mal wieder zwei neue Nasen am Gerät, wie heissen die schon wieder?

Das staunte sogar das «Wall Street Journal».

Ach ja, und wieso wäffeln die Medien in der Schweiz (mit ganz wenigen Ausnahmen) erst im Nachhinein über die CS? Weil sie auf das Sponsoring der Bank angewiesen sind? Auf die Inserate? Weil sie ihren Finanzhaushalt bei der Bank regulieren? Weil es Männerfreundschaften gibt? Weil nicht nur die «Weltwoche» immer mal wieder Jubelarien auf den grossartigen Urs Rohner und seine nicht minder grossartige CEOs angestimmt hat?

Oder ganz einfach: weil die drei grossen Medienclans in der Schweiz entweder die UBS oder die CS als Hausbank haben. So einfach ist das dann.

*Die Redaktion bedauert, Arthur Zeyer nicht genauer auf die Finger geschaut zu haben. Dafür kriegt er nun mit dem Lineal eins übergezogen.

Und die Verantwortung, Herr Rohner?

Die Credit Suisse steht in einem Scherbenhaufen. Einem GAU, verursacht aus eigener Unfähigkeit.

Gleich einen Doppelschlag einstecken müssen, das ist wenigstens originell. Die UBS machte das damals scheibchenweise. Zuerst Vollgas in das Schlamassel von verwursteten und undurchschaubaren Wettscheinen auf US-Hypotheken, die zwar klingende Namen hatten, ellenlange Prospekte, auf die die Ratingagenturen schneller ein AAA draufhauten, als man 400 Seiten vom Schreibtisch wuchten kann.

Aber gegen Schluss der Party glaubten nur noch Arroganz-Banker wie Marcel Ospel daran, damit das Riesengeschäft zu machen. Der Schweizer Staat musste für die absaufende Bank ins Risiko gehen. Womit er beim zweiten Scheibchen, Steuerstreit mit den USA, bereits in Geiselhaft war und der UBS erlauben musste, das Bankgeheimnis zu schleifen.

Aber nach kurzer und heftiger Gegenwehr und flotten Sprüchen («wir haben und wir sind enttäuscht») trat Ospel wenigstens zurück. Nachdem Oswald Grübel das Kunststück geschafft hatte, als erster und wohl einziger Banker sowohl CEO bei der UBS wie dann auch bei der Credit Suisse zu werden, zeigte er, was ein starker Abgang ist.

«Ist es schlimm», fragte er, als über den Fall Adoboli informiert wurde. «Ist es mehr als eine Milliarde?» Nach dem zweiten Ja meinte Grübel trocken:

«Das war’s dann.»

Nichts von «ich habe von nichts gewusst». Kein «ich klatsche diesen und jenen raus, aber der Chef muss am Steuer bleiben».

Heute nur noch Sesselkleber

Das waren noch Zeiten. Heutzutage bleiben «angespannte Weste» Axel Weber bei der UBS und «weisse Weste» Urs Rohner bei der CS auf ihren Stühlen als VR-Präsident sitzen, als wären sie mit Araldit drangeklebt.

Obwohl zurzeit die CS in der wohl grössten Bredouille seit ihrer Gründung als SKA steht. Die Finanzkrise und die Gewaltsbusse im Steuerstreit mit den USA konnte sie noch einigermassen wegstecken. Allerdings nur, weil sie reiche Scheichs dazu bewegen konnte, in sogenannte CoCos zu investieren. Zwangswandelanleihen mit dem Vorteil, nicht als Kapitalaufnahme, sondern als Aktienkapital verbucht werden zu können. Das Preisschild war allerdings happig: bis zu knapp 10 Prozent Zinsen, zudem streckte die CS Kredite vor, mit denen die Scheichs dann kauften.

Seither gibt es kaum einen gröberen Skandal, in dessen Umfeld die CS nicht auftaucht. Und nun noch das. Da müssten doch die Medien endlich ihrer Funktion als Vierte Gewalt nachleben und genauso harsch reagieren, wie sie es bei ein paar randalierenden Jugendlichen tun. Durchgreifen, nicht länger zusehen, Wiederholungen verhindern. Sagen sie tapfer – zu den kleinen Jugendunruhen von St. Gallen. Mit ein paar zehntausend Franken Sachschaden. Bei der CS drohen Verluste von bis zu 7 Milliarden.

Und was sagt die Vierte Gewalt dazu?

Natürlich fehlt es auch da an markigen Sprüchen nicht. «Auf den Bonus verzichten reicht nicht», donnert Beat Schmid von Tamedia seine Meinung von der Kanzel. Um dann doch nur auch einen rückwirkenden Bonusverzicht zu fordern. Was nach seiner Berechnung zu den 41 Millionen noch ein paar Dutzend drauflegen würde. Peanuts, lachhaft, wie da Banker sagen würden, angesichts dieser Riesenlöcher.

Auch der «Blick» wird pseudo-markig: «Urs Rohner war ein Verwalter des Niedergangs», schimpft Guido Schätti. Geradezu todesmutig, dem abtretenden VR-Präsidenten noch einen Tritt zu verpassen.

Noch samtpfotiger streichelt sein Kollege Daniel Zulauf von CH Media die Tasten: «Nach wie vor hervorragend sei seine Bank, behauptet der Chef der Credit Suisse» überscchreibt er seinen Kommentar, um dagegen zu stellen: «Die Aktionäre teilen dieses Urteil sicher nicht. Viele Mitarbeitende und Kunden dürften es auch nicht tun.»

Da wird Thomas Gottstein aber zusammenzucken, in sich gehen und Hand in Hand mit Urs Rohner auf dem Paradeplatz niederknien und um Verzeihung betteln.

Auch srf.ch konzentriert sich auf den einzigen Verantwortlichen, der sowieso das Ende seiner Restlaufzeit erreicht hat: «Urs Rohner und das Vermächtnis der «weissen Weste»», hier zählt Eveline Kobler die gesammelten, vergangenen Flops auf.

Meldungen aus der Kathedrale des Kapitals

Und was meinen denn die Lordsiegelbewahrer der einzig kompetenten Meinung zu den Schweizer Finanzhäusern? Ende März urteilte die NZZ noch relativ milde: «Eine Risikopandemie macht der CS zu schaffen.» Also sozusagen eine Naturgewalt, und gute Besserung, liebe Bank. Schon harscher tönte es dann am 3. April: «Die Credit Suisse braucht einen Neuanfang. Ohne neue Köpfe und ein neues Geschäftsmodell geht es nicht.» Nun ist die NZZ verschnupft: «Der Befreiungsschlag der CS gelingt nur halbwegs.»

Aber wozu hat man immer noch Beziehungen: «Credit-Suisse-Chef Thomas Gottstein: «Was in den USA passiert ist, ist absolut inakzeptabel» Gleich zu dritt rückte die NZZ an, damit sich Thomas Gottstein richtig ausheulen kann. Dabei wird ihm mit der Einleitungsfrage schon mal die starke Schulter zum Anlehnen geboten: «Herr Gottstein, wie geht es Ihnen?»

Das war dann aber auch schon die einzige Frage, die etwas in die Tiefe ging. Deshalb antwortet Gottstein auch nicht darauf. Anschliessend darf er ungeniert den ewigen Bankertalk talken: «einmaliger Vorfall – unser operatives Geschäft läuft sehr gut – Gründlichkeit geht vor Schnelligkeit – wir prüfen alle Optionen – ich denke, wir haben starke Massnahmen getroffen – verlorenes Vertrauen zurückgewinnen – stolz, für diese Bank zu arbeiten.»

Einmal ganz sanft

Wortblasen aus einem Paralleluniversum, fürsorglich aufgefangen und publiziert von der NZZ. Warum nur gehen alle Leitmedien mit dieser Bank, die mehr einer Crash Site als einer stolzen CS gleicht, so pfleglich und sanft um? Dafür gibt es einen naheliegenden Grund. Schon mal überlegt, bei wem die grossen Medienkonzerne ihren Finanzhaushalt regeln? Von wem sie Events, Kundenbindungsveranstaltungen sponsorn lassen? Wer sie frank und frei mit Hintergrundanalysen, guten Tipps und furchtbar wichtigen off-the-record-Gesprächen versorgt?

Nein, die Alternative Bank ist es nicht.

Hier verrösten ein paar Milliarden, aber die bange Frage ist: Flächenbrand?

Diese Frage stellen sich «Tages-Anzeiger» und «Blick» beinahe gleichlautend: «Nach Krawallen in St. Gallen: Kommt es jetzt zum Flächenbrand?» (Tagi), «Corona: Werden die Jugendkrawalle zum Flächenbrand?» («Blick»). Der Kenntnisstand ist bei beiden Blättern gering, aber die Furcht gross: «War das der Anfang oder das Ende? Jetzt sind nicht nur in St. Gallen, sondern auch in Zürich und Winterthur weitere Krawalle angekündigt. Die Polizei ist gewarnt», sorgt sich der «Blick». Achtung, frei laufende Jugendliche. Gewaltbereit. Ausser Kontrolle. Unordnung, Unruhen, Chaos, Sachbeschädigungen! «Reisst euch am Riemen», befahl eine Spassbremse beim Tagi streng. Um diesen Flächenbrand gar nicht auflodern zu lassen, wird flächendeckend in allen Medien die Ordnungsmacht zum strengen Durchgreifen aufgefordert.

Und die CS? Dass da bald am Paradeplatz ein Krater gähnen könnte, wo das altehrwürdige Gebäude der SKA steht? Der vielleicht sogar mit Steuergeldern zugeschüttet werden muss? Ach, nicht mal ein «reisst euch am Riemen». Wackelnde Zeigefinger, leicht gerunzelte Stirnen, ein wenig Prügel für den, der sowieso abgeht, mehr ist da nicht. Eine feige Bande, die Journalisten heutzutage. Mutig nur in der Bekanntgabe des eigenen Leidens.