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Die NZZaS läuft auf Grund

Vier am Steuer: ungeheuer.

Es wird zur wöchentlichen Routine. Der Hilferuf von der NZZaS, dass endlich mal jemand mit Führungserfahrung und Linienkompetenz das Steuerruder übernehme. Denn an dem fummeln seit dem Abgang von Jonas Projer vier Verweser herum – und lenken das Schiff immer wieder auf Grund.

Auch die neuste Ausgabe enthält blamable Tiefpunkte. Der tiefste:

Die Sommerloch-Idee, einige weltberühmte Reden und Redner auszuwählen, nun gut. Natürlich kann man sich bei einer solchen Kurzfassung von all den vielen grossen Rednern und noch grösseren Reden immer über die Auswahl streiten.

Für den einen gehören Martin Luther King, Cicero, Elisabeth I., John F. Kennedy oder Michael Gorbatschow unbedingt dazu. Für andere Emmeline Pankhurst oder Angela Merkel eher weniger. Das Problem war offenbar, bei neun Aufgeführten neben fünf Männern auch vier Frauen zu finden. Bzw. herbeizuzerren. Das ist dann mal wieder das typisch verquere Ergebnis einer vermeintlich inkludierenden Darstellung.

Das mag ja noch etwas gequält, aber knapp akzeptabel sein. «Neun Ansprachen, die Geschichte schrieben», schenken das Daniel Friedli und Daniel Foppa ein. Foppa ist in der «Chefredaktion ad interim», das macht es etwas schwierig, ihm ein «goht’s no?» zuzurufen.

Das wäre aber bei dieser Person dringend nötig gewesen. Wäre es nur um Reden aus dem 20. und 21. Jahrhundert gegangen, könnte man noch mühsam beide Augen zudrücken. Aber King, Cicero, Elisabeth I., Kennedy, Gorbatschow, auch noch Dürrenmatt, okay. Aber Greta Thunberg? Echt jetzt? Ihre Panik-Rede am Selbstbespiegelungsevent WEF im Januar 2019 ist doch heute schon weitgehend vergessen. Ihre Wirkung längst verpufft, ihre Klimabewegung von radikaleren Elementen in den Hintergrund gedrängt.

Peinlich.

Das Stichwort für Aline Wanner. Doch, es muss mal wieder sein. Die beginnt ihre Kolumne diesmal mit der Behauptung: «Junge Menschen sind heutzutage newsdepriviert.» Wer das nicht kapiert und dennoch weiterliest, also die Wenigsten, bekommt es dann erklärt: «Das heisst, sie haben keinen Bock auf schlechte Nachrichten

Dafür hätten «agile Experten eine Lösung gefunden: konstruktiver Journalismus». Da würde dann aber eigentlich nur mit «hochtrabenden Begriffen» um sich geworfen. Ist das eine Selbstkritik? Könnte sie sein, müsste sie sein, ist es natürlich nicht.

Denn auch Wanner wirft zunächst mit dem hochtrabenden «newsdepriviert» um sich. Es würde sich eigentlich für Qualitätsjournalismus gehören, die Quelle anzugeben. Verwendet wurde der in einer Umfrage des «fög» («Forschungszentrum Öffentlichkeit und Gesellschaft». Das war unter Imhof selig wenigstens mit seinem «Jahrbuch Qualität der Medien» immer wieder für einen Aufreger gut, ist aber inzwischen abgetakelt und im linken Mainstream abgesoffen. Das «fög» bezieht sich auf eine Untersuchung von Reuters, die im Juni 2023 erschien und deren Ergebnisse für die Schweiz «fög» zusammenfasste. Übrigens ging es da um eine gewisse Abwendung von Newsmedien allgemein, nicht von schlechten Nachrichten. Plausibilität fraglich.

Wer im Glashaus sitzt … Peinlich.

Aber auch ein weiteres Mitglied der leitenden Quadriga gerät ziemlich aus der Spur. In einem Kommentar zur Absetzung der Ruag-Chefin behauptet Anja Burri forsch: «Es geht inzwischen längst darum, auf der richtigen Seite zu stehen: Auf der Seite der Ukraine, die gegen den russischen Aggressor nicht nur ihre Souveränität, sondern auch unsere westlichen demokratischen Werte verteidigt. Neutral sein wird in diesem Kontext nicht beziehungsweise falsch verstanden.»

Eine verfassungsfeindliche Ansicht in der NZZaS, dass wir diesen Tiefpunkt noch erleben müssen. Schon zuvor versucht sich Burri an einer forschen Auslegung der glasklaren Rüstungsexportgesetze: «Hätten sich Länder wie Deutschland oder Dänemark tatsächlich dazu entschieden, die Schweizer Waffen weiterzugeben und damit gegen das schweizerische Kriegsmaterialrecht zu verstossen, hätte unser Land offiziell protestiert. Viel mehr wäre wohl kaum passiert. Einziger Fehler in diesem Gedankenspiel: Offensichtlich ist kein Land bereit, die Schweizer Gesetze zu brechen

Burri fordert also indirekt EU-Länder dazu auf, sich einfach über Schweizer Gesetze hinwegzusetzen. Aber auch hier durfte niemand «goht’s no?» rufen, «Chefredaktion ad interim». Peinlich.

Die Fortsetzung der Serie des «Politgeografen» Michael Hermann über Schweizer Parteien, diesmal über die «Grünen». Wieso die NZZaS nicht über genügend eigenen Sachverstand verfügt, um die Serie «Parteien vor der Wahl» selbst zu bestreiten? Alle mit Arbeitsplatzsicherung beschäftigt? Oder mit (vergeblichen) Hoffnungen, in der Hierarchie aufzusteigen? Peinlich.

Wirtschaft? Geht im Sommerloch am Stock. Aufmacher: «Auch das nächste Jahr bringt nicht die grosse Lohnwende». Wahnsinn, eine Prognose, so zutreffend wie die Temperaturvorhersagen von SRF Meteo. Anlass für den erweiterten Kalauer:

Kräht der Hahn auf dem Mist, ändert der Lohn oder bleibt, wie er ist. Kräht der Hahn auf dem Huhn, hat der Lohn nichts damit zu tun.

Dann hat die «Wirtschaft» noch bemerkt, dass der «Blick» teilweise eine Paywall hochgezogen hat. Ist ja auch brandneu. Wenn heute Mitte Juni wäre. Dass Google, Facebook und Co. wegen der Blödheit der Medienmanager 90 Prozent des Online-Werbekuchens abgreifen, gähn. Was Guido Schätti zu erwähnen vergisst, weil es seiner These vom kämpferischen Ringier-Konzern widersprechen würde: auch hinter der Bezahlschranke «Blick+» werden weiterhin Google-Ads aufgespielt. An denen Google satt und Ringier ein Trinkgeld verdient. Also eine Gaga-Übung.

Peinlich.

«So stellt man Käse her», auf dieser bunt illustrierten Doppelseite sagt das Sommerloch: «e chli stinke muess es».Peinlich.

Kultur? «Die Summe aller Frauen, Folge 24». Wir sagen erschöpft nichts mehr.

Ausser: ist das alles peinlich.

Selbstkritik? Niemals

Sich in Frage stellen: was ist das, wie geht das, warum nur?

Dass Journalisten Mimosen sind, neben anderen unangenehmen Eigenschaften jeglicher Selbstreflexion völlig abhold, das ist bekannt.

Wie reagieren nun diese meist schlechtgelaunten Rechthaber, wenn eine Studie über ihr Biotop nachweist, dass Intoleranz, Rechthaberei und Hetze gegen Andersdenkende vor allem in ihren urban-woken Kreisen sehr verbreitet ist?

Übellaunig. So keift eine Karin Hoffsten in der WoZ: «Letztes Wochenende hat sich die «SonntagsZeitung», ambitioniertes Möchtegernleitmedium, wieder intensiv und tendenziös einer wissenschaftlichen Studie gewidmet.»

Da ist einleitend schon alles drin, was linken Qualitätsjournalismus ausmacht. Häme, gallige Abqualifizierung, nachtragende Leberwurstigkeit («wieder») und mangelnde Fähigkeit, den Leser nicht gleich mit vorgefassten Meinungen zu überfallen, bevor die Journalistin überhaupt erklärt, worum es eigentlich geht.

So schwurbelt sie fröhlich weiter: eine Studie sei für «Autorin Bettina Weber froher Anlass, unter dem Titel «Links, urban, gebildet – und intolerant» endlich alles sagen zu dürfen, was man ja bald nicht mehr darf».

Das steht weder im Artikel von Weber, noch behauptet sie das. Man fragt sich immer noch, was den ungebremsten Zorn von «kho» erweckt hat. Aber das will sie immer noch nicht enthüllen, zunächst zitiert sie das Intelligenzblatt «Blick», denn dort habe «Politologe Claude Longchamp richtig(gestellt), die Studie habe «den Wert von affektiver Polarisierung gemessen – und nicht von Intoleranz»».

Das ist nun sehr lustig, denn der Mann mit der Fliege hat in seiner aktiven Zeit als «Meinungsforscher» eins ums andere Mal mit krachenden Fehlprognosen unter Beweis gestellt, dass seine «wissenschaftliche» Sicht durch eine rote Brille nicht viel mit der Wirklichkeit zu tun hatte. Aber hier stelle er «richtig». Was denn nun?

«Weber unterstellt der Studie aber, es gehe um Toleranz. Eigenwillig interpretiert sie: «Fehlt diese Toleranz, spricht man von affektiver Polarisierung – und im Gegensatz zur politischen Polarisierung ist diese tatsächlich ein Problem.» Sie tut das nicht, weil sie es nicht besser weiss, sondern weil ihr das in ihren links-urban-intoleranten Kram passt. Dass die Schweiz in dieser Studie gar nicht vorkommt, spielt für sie keine Rolle.»

Das ist sehr lustig, dass ausgerechnet in der WoZ der Sonderfall Schweiz beschworen wird. Einsichtiger, Wunder über Wunder, zeigt sich allerdings Arthur Rutishauser in der «SonntagsZeitung». Ihm könnte man zwar vorwerfen, dass er sich vor seine Autorin Weber stellen wolle, was er im Fall des gefeuerten «Magazin»-Chefredaktors noch unterliess. Aber man nimmt ja alles, was gut ist:

«Die scheinbar so souveräne und tolerante Linke muss sich vorwerfen lassen, intolerant geworden zu sein.» Rutishauser gelingt es sogar, im Gegensatz zur WoZ-Keife, den Inhalt der Studie zusammenzufassen: «dass «Linke stärker polarisiert sind als Rechte» sowie die «Polarisierung unter den Anhängern linker und ökologischer Parteien am ausgeprägtesten» sei.»

Fliegengewicht Longchamp durfte nicht nur im Leiborgan intellektueller Linker über Kollega Michael Hermann herfallen, sondern äusserte sich auch im Hoforgan für wissenschaftliche Debatten, nämlich auf Twitter, Pardon auf X, was CH Media prompt nutzte, um dem Konkurrenten Tamedia ans Bein zu pinkeln. Was Rutishauser amüsiert kommentiert:

«Interessant ist die Reaktion derer, die sich angesprochen fühlen. Politologe Claude Longchamp, ein ausgewiesener, nicht mehr ganz junger Linker, wirft Michael Hermann, der Mitglied der GLP ist, in den CH-Media-Zeitungen vor, dass dieser «die Studie schlecht gelesen» habe. Herrmann, der im Artikel der «SonntagsZeitung» zitiert wurde, sagte unter anderem, dass für jene, die in den Augen der Linken zur Kategorie der Bösen oder Unterdrückern zählen, die Regeln der Empathie nicht gelten würden. Nun, die teilweise geharnischten Reaktionen auf Twitter oder auch in der linken «Wochenzeitung» geben ihm und der Studie durchaus recht

Sehr lustig ist, dass betroffene Kreise mit ihrer Reaktion genau das bestätigen, was die Studie herausgefunden hat. Keinem dieser verbiesterten, verkniffenen Kämpfern für eine bessere Welt mit mehr Toleranz fällt es auch nur eine Sekunde auf, dass er eigentlich sagt:

Ich toleriere nicht, dass man mich intolerant nennt. Wer das behauptet, muss ausgegrenzt werden. Wer das aus einer repräsentativen und wissenschaftlichen Studie herausliest, muss als Feind des Guten und einer besseren Welt beschimpft werden. Argumente braucht es dafür nicht, denn die habe ich gerade nicht auf Lager.

Das ist etwa so blöd, wie wenn man jemandem vorwirft, ein Trottel zu sein. Worauf der dann trottelig den Vorwurf zurückweist. Indem er sagt: natürlich toleriere ich andere Meinungen. Wenn sie mit meiner übereinstimmen, sonst sind sie ja falsch, daher böse und somit Feinde des Guten.

Aber Toleranz setzt einiges voraus. Souveränität. Den Wunsch nach Erkenntnis. Den Spass an intellektueller Auseinandersetzung. Bildung. Selbstsicherheit. Das Wissen darum, die Wahrheit und Weisheit nicht mit Löffeln gefressen zu haben. Die Fähigkeit zur öffentlichen Einsicht in eigene Fehler und Unzulänglichkeiten.

Also all das, was fast allen Journalisten wesensfremd ist.

Armer Arthur. Obwohl er in seinem Editorial auch die Intoleranz von Rechten kritisiert, wird er sich in seiner eigenen Redaktion damit nicht nur Freunde machen. Es versteht sich von selbst, dass Oberchefredaktorin Birrer dieses heisse Thema weiträumig umfährt. Es handelt sich zwar um ein brennendes Problem im öffentlichen Diskurs, aber es ist halt kein Waldbrand.

 

 

Michael Hermann greift ein

Woran merkt man, dass ein Thema ausgelutscht ist?

Da gibt es inzwischen vier Möglichkeiten. Marko KovicIch versuche, über Wichtiges nachzudenken») meldet sich zu Wort. Raphaela Birrer schreibt einen Leid-, Pardon, Leitartikel. Jacqueline Büchi verfasst eine «Analyse». Oder aber, der «Politgeograf» Michael Hermann gibt etwas zum Besten.

Das gerät meistens zum Lachschlager, wenn die Mietmeinung immer wieder ein Loblied auf die EU singt. Diesmal aber muss er sogar noch Büchi hinterherarbeiten, die im schrankenlos nach unten offenen Tagi bereits mit untauglichen Mitteln und kleinem Besteck an der Umfrage unter Uni-Studentinnen rumgenörgelt hatte.

Damit ist dieser Multiplikator für Hermann durch, in der NZZ hat Katharina Fontana zum Thema ein Niveau vorgelegt, dass Hermann nur unterbieten könnte. Also hat er sich, in der Not frisst der Teufel Fliegen, oder sagten wir das schon, für das Qualitätsorgan, das Intelligenzlerblatt «watson» entschieden.

Denn auch bei Politgeografen gilt: any news is good news. Sagt man länger nix, verschwindet man aus der Kurzwahlliste der Sparjournalisten, wenn die einen «Experten» brauchen. Mit seiner üblichen Fingerfertigkeit setzt «watson» schon mal den falschen Titel: «Kritik an Studentinnen-Studie wird lauter». Nein, Lautstärke ist leider auch kein Argument.

Den Artikel selbst muss man – ausser man leidet unter Schlaflosigkeit oder weiss wirklich nicht, was man mit seinem Leben anfangen soll – nicht lesen. Denn der Lead alleine genügt schon für einen kräftigen Lacher:

«Es sei «beelendend», wie die «SonntagsZeitung» über das Thema Gleichstellung berichte, sagt Politgeograf Michael Hermann. Seine Forschung belege, dass studierte Frauen sehr wohl arbeiten.»

Komisch, die Umfrage belegt keinesfalls das Gegenteil. Aber vielleicht hat Hermann eine angeschaut, in der tatsächlich stünde, dass studierte Frauen keineswegs arbeiteten. Selbst Hermann arbeitet. Allerdings an seinem «Forschungsinstitut» Sotomo. Dort forscht er gerne im Auftrag von staatlichen Behörden oder der SRG. Völlig unabhängig von seinen Zahlmeistern, darunter das BAG, gab er in seiner Tagi-Kolumne schon mal bekannt: «Trotz Verschwörungstheorien und neuen Freiheitsfreunden: Staatliche Massnahmen haben in einer Phase grösster Verunsicherung Sicherheit und Vertrauen geschaffen.»

Darauf angesprochen, dass da vielleicht ein Interessenkonflikt bestehe, den er doch dem Leser seiner Kolumne offenlegen sollte, meinte Hermann: «Wenn der Massstab wäre, alle Akteure in meiner Kolumne zu deklarieren, bei denen ich  schon Aufträge hatte, müsste ich dies bei praktisch jeder tun

Der war nicht schlecht. Inzwischen ist er seine Kolumne los, umso grösser sein Bedürfnis, anderweitig Gehör zu finden. Aber gut, damit ist Hermann überstanden. Wir wappnen uns schon für den Auftritt von Birrer und Kovic.

 

 

Wumms: Philipp Loser

Was ist schlimmer als ein Loser mit Meinung?

Ein Loser ohne. Bei dem Titel erwartet man eigentlich eine Breitseite gegen die SVP von Loser: «9-Millionen-Schweiz: Wir reden schon wieder über Zuwanderung – aber diesmal anders».

Aber nun hat der Konzernjournalist neben dem stilvollen Umgang mit der deutschen Sprache auch noch seine Meinung verloren: «Von rechts lanciert, von den Medien befeuert, von links akzeptiert (zum Teil): Alle reden wieder über Zuwanderung. Diese Debatte ist eine historische Konstante in der Schweiz – mit ganz unterschiedlichen Ausprägungen.»

Er lässt Ecopop auftreten, den Freiburger Ökonom Reiner Eichenberger, natürlich ist ein Ausflug zu Schwarzenbach unvermeidlich, sicher wie das Amen in der Kirche ist ein Auftritt des «Politgeografen» Michael Hermann, wie immer mit einer qualifizierten Meinung: «Es sei eben alles immer auch eine Frage der Wahrnehmung.» Für eine solche Erkenntnis muss man schon studiert haben.

Immerhin steuert Hermann dann doch noch ein direktes Zitat zu Dichte- und Zuwanderungsdebatten bei: «Wenn man dann ganz lange darüber redet, dann beginnt es den Leuten Angst zu machen».

Dann darf noch die Co-Chefin der SP Schweiz, Mattea Meyer, faktenfrei Unsinn verzapfen: «Wenn Leute heute Mühe haben, eine bezahlbare Wohnung zu finden, dann ist das Folge der äusserst laschen Umsetzung des Mietrechts, das die unzulässig hohen Renditen der Vermieter unangetastet lässt – und nicht der Zuwanderung.»

Die Nettomietrendite in der Schweiz ist mit 4,6 Prozent seit Jahren ziemlich stabil, aber was kümmert so ein Detail. Dann darf auch noch Tobias Straumann was sagen, und schliesslich kommt Loser zu einem selten versöhnlichen Schluss: «Vielleicht. Vielleicht nicht. Man kann ja mal darüber reden.»

Man kann auch drüber schreiben. Muss man aber nicht.

Wumms: Michael Hermann

Bei Tamedia versagt die Qualitätskontrolle kläglich.

Eigentlich hatten wir schon alles Nötige über diese Mietmeinung gesagt. Aber Hermann wiederholt sich, also müssen wir uns auch wiederholen:

Der «Geograph und Politwissenschaftler» ist eine der beiden Allzweckwaffen, wenn es darum geht, vorgefassten Meinungen einen wissenschaftlichen Anstrich zu geben.

In seiner neusten Kolumne schleicht er sich zunächst ganz harmlos an seine Lieblingsforderung heran:

Dass Hegemonialmächte hegemonial agieren, das ist zwar weder eine neue, noch eine originelle, noch eine weiterführende Erkenntnis. Aber das ist nur einleitendes Beiwerk für Hermann, deshalb geht er recht oberflächlich zur Sache und verteilt so nebenbei ein paar Noten. Denn auf der einen Seite haben wir das hier:

«Russland und China sind Gefahrenherde für die friedliche Ordnung der Welt weit mehr als Kirgistan, Vietnam oder Katar – obwohl Letztere ebenso zu den autokratischen Regimes zählen wie Erstere.»

Aber da gibt es doch noch den grössten Hegemon von allen, den kann Hermann nun schlecht ignorieren, also quält er sich das hier ab:

«Und auch in der demokratischen Hemisphäre geht von den grossmächtigen USA weit mehr Unwägbarkeit aus als von Kanada.»

Gefahr gegen Unwägbarkeit, so schaut’s aus im wissenschaftlichen Blickwinkel.

Aber das ist nur Beiwerk, mit raschen Schritten nähert sich Hermann seinem eigentlichen Anliegen: «Alle kleinen und mittelgrossen Staaten, die sich nicht wie Belarus zum blossen Sidekick degradieren lassen wollen, haben heute ein strategisches Interesse, der Dominanz der Grossen etwas entgegenzusetzen.»

Der aufmerksame Leser fragt sich hier bereits, ob Belarus nicht ein Platzhalter für die Schweiz ist. Denn die Nicht-Hegemonialländer nah und fern müssen doch etwas unternehmen, aber hallo. Nur was? Bevor wir nun alle an den Fingernägeln zu knabbern beginnen, hat der «Politikwissenschaftler» eine «Lösung» zur Hand, die ebenfalls an Originalität schwer zu unterbieten ist:

«Als Taktgeber einer solchen IG der kleinen und mittleren Staaten ist niemand besser geeignet als die Europäische Union.»

Wir wischen uns kurz die Lachtränen aus den Augen. Die EU als Taktgeber? Die dysfunktionale, undemokratisch organisierte, seit der Eurokrise ständig vom Zerfall bedrohte EU? Als IG kleiner Staaten? So wie Griechenland? Dem Kleinstaat wurde ein brutaler Rettungsplan gegen den Willen der eigenen Regierung aufs Auge gedrückt. Dessen Umsetzung von einer demokratisch überhaupt nicht legitimierten Troika überprüft wurde. Wie Zypern? Dem Kleinstaat wurde das Rasieren von wohlhabenden Bankkunden aufs Auge gedrückt. Wie Ungarn? Der Kleinstaat wird mit Subventionsentzug drangsaliert, weil er auf einigen Gebieten seine eigene Gesetzgebung über EU-Recht stellen will.

Und dieser Haufen, dessen Parlament nicht mal Gesetze vorschlagen darf, dessen Präsidentin nicht mal für dieses Amt kandidierte, sondern im letzten Moment aus dem Hut gezaubert wurde, diese «Werteunion», die sämtliche Werte ihrer Verfassung oder die Bestimmungen von Maastricht oder Schengen kübelt, durchlöchert, übergeht, aussetzt, das soll eine Interessensgemeinschaft für kleine Staaten sein?

Zum Schluss irrlichtet Hermann über der EU noch in hoher Kadenz:

«Gerade weil sie aufgrund ihrer eigenen Vielfalt und Vielstimmigkeit keine echte Grossmacht und damit auch kein Hegemon ist, kann sie jedoch zur glaubwürdigen Organisatorin der Interessen der «KMU»-Staaten dieser Erde werden. Viele dieser Staaten sind alles andere als perfekt und genügen nicht den demokratischen Ansprüchen. Eine bessere Koordination, mehr Austausch und mehr defensive Macht unter ihnen würde jedoch einen Beitrag leisten zur dringenden Einhegung der globalen Hegemonen.»

Also, liebe KMU-Staaten, schliesst Euch der EU an, oder lasst zumindest Eure Interessen von ihr vertreten. Von ihren Kommissaren, Dunkelkammern und demokratisch in keiner Form legitimierten Machthabern. Vor allem aber, das ist ja Hermanns Mantra: liebe Schweiz, endlich in die EU eintreten.

Kümmert sich bei Tamedia wirklich niemand mehr um Qualitätskontrolle? Denkt niemand mehr an den Leser? Darf der wirklich von jedem Flachdenker gequält werden? Auf jedem Niveau, so unterirdisch es auch sein mag?

Sicher, Kolumnitis ist ein Ersatz für aufwendige Recherche und Analyse. Aber dann doch lieber noch mehr Texte aus der «Süddeutschen» als sowas. Lieber noch mehr Katzengeschichten von ehemaligen Münchner Bürgermeistern. Bitte, mit Fotos!

Wumms: Michael Hermann

Die Mietmeinung lästert mal wieder bei Tamedia.

Der «Geograph und Politwissenschaftler» ist eine der beiden Allzweckwaffen, wenn es darum geht, vorgefassten Meinungen einen wissenschaftlichen Anstrich zu geben.

Dass Hermann direkt von Staatsaufträgen abhängig ist und daher keinesfalls in völliger Unabhängigkeit zu seinen Meinungen gelangt: was soll’s. Zu seinen regelmässigen Auftraggebern gehören Ämter, die SRG, die Bundesverwaltung und – das BAG.

 

Zu solchen Themen hat er bereits völlig «unabhängig» das gesagt, was seine Auftrraggeber hören wollen. Nun widmet er sich dem Thema Ukraine. Da stellt er das «alte» Europa dem «neuen» gegenüber.

Wie unterscheiden sich die beiden? «So stellte sich Deutschland damals unter Kanzler Schröder mit viel Courage den amerikanischen Kriegstrommeln entgegen. Und dasselbe Deutschland hadert nun kleinmütig mit der Lieferung schwerer Waffen zur Selbstverteidigung der Ukraine. Der Irak-Held Schröder ist als Putins Vasall zu einer der jämmerlichsten Figuren des Westens geworden.»

Das widerspiegelt sich auch in Hassfiguren von Hermann, denen er mutig die Leviten liest:

«Wir brauchen die Gabe, situativ zu handeln, statt in den immer gleichen Reflexen zu verharren. Zu verharren wie jene, die sich stets von der dunklen Seite der Macht angezogen fühlen, wie Roger Köppel, der den amerikanischen Angriff auf den Irak begrüsste und nun Verständnis für Putin aufbringt. Oder wie die demonstrativ Friedliebenden – zum Beispiel Alice Schwarzer oder Jürgen Habermas –, die sich 2003 mit heller Empörung gegen den amerikanischen Imperialismus stellten und nun im Angesicht des russischen Imperialismus zu Zurückhaltung mahnen.»

Was will uns der «Geograph und Politwissenschaftler» damit eigentlich sagen? Schröder war damals sein Held, heute sei der jämmerlich. Köppel fühle sich von der dunklen Seite der Macht angezogen, als sei Publizistik eine Betätigung im Rahmen der «Star Wars»-Serie.

Mit dem nötigen wissenschaftlichen Ernst begegnet Hermann auch Intellektuellen wie Schwarzer oder Habermas. Letzterer ist nun wirklich ein Wissenschaftler, beide haben Gedankengebäude errichtet, in denen sich Hermann heillos verlaufen würde, wenn er überhaupt Zugang fände.

Es wäre ein Ausdruck intellektueller Redlichkeit, Kritik unter Verwendung der Argumente der Kritisierten zu üben. So viel Respekt könnte man eigentlich erwarten, wenn sich jemand Geistesriesen wie Habermas vorknöpft.

Dabei fällt es Hermann nicht einmal auf, dass er sich selbst widerspricht. Er fordert situative Flexibilität statt «immer gleiche Reflexe». Aber genau das stellen die von ihm Angeschnauzten doch unter Beweis. Aber für die leichte Krawallerie, in der Hermann reitet, sind solche Gedankengänge unerreichbar.

Um auf Niveau zu kritisieren, müsste man eines haben, und das ist genau das Problem von Hermann. Sein intellektueller Unterbau reicht lediglich für Wadenbeissereien. Eigentlich müsste ein seriöses Blatt eine solche Kolumne als gewogen und zu leicht befunden zurückweisen. Aber solche Entscheidungen wurden gefällt, als der Journalismus noch nicht zum Jekami verkommen war und die Bedienung der Meinungen der eigenen Klientel nicht das einzige Kriterium für Publizistik.

Schweizer Jugend versteht Putin

Kann weisses Papier schreckensbleich werden? Der Tagi probiert’s aus.

Nun bemühen sich die Medien seit Wochen, den Kreml-Herrscher als Amok, Wahnsinnigen, Kriegsverbrecher, Diktator, Verderber seines Landes, Zerstörer der Ukraine zu brandmarken. Wieder und wieder. Und nun das.

«Neue Auswertungen der repräsentativen Tamedia-Umfrage von Ende März zeigen nämlich, dass nahezu jeder Dritte in der Alterskategorie der 18- bis 34-Jährigen den Krieg zwar verurteilt, trotzdem aber «Verständnis für die Motive Putins hat».»

Die heutige Jugend, das ist ja schrecklich. Woran liegt das nur? Dafür hat die Allzweckwaffe der Welterklärung natürlich eine Antwort. Nein, Schwurbler Kovic hat mal Pause, hier muss der «Politologe» Michael Hermann ran. Durch seine Kolumne im Tamedia-Reich kann man bei ihm sicher sein, dass er das sagt, was Tamedia hören möchte: «Jugendliche hingegen informieren sich vor allem in den sozialen Medien. So sind sie vielen unterschiedlichen Einflüssen ausgesetzt – eben auch den Lügen der gut funktionierenden russischen Propaganda.»

Dass Hermanns Propaganda im Sinne seiner staatlichen Auftraggeber auch prima funktioniert – ein Schelm, wer Böses dabei denkt.

Zwei Opfer dieser Propaganda hat Tagi-Redaktor Dominik Balmer aufgespürt. Der eine sagt deshalb Dummheiten wie: «Die Nato bezeichnet er als «imperial» und den Interessen der USA dienend. Das Militärbündnis habe Russland mit seiner ständigen Expansion «provoziert». Es hätte nach dem Zerfall der Sowjetunion aufgelöst werden müssen. Insofern könne er Russlands Reaktion «verstehen, wenn auch nicht gutheissen»

Der zweite Putin-Versteher ist, das musste ja so kommen, natürlich Mitglied der SVP. Der sagt: ««Ich verurteile den Krieg, das ist nie eine Lösung.» Die Schuld liege aber nicht nur bei den Russen. «Beide, die Nato und Russland, sind schuld.»»

Auch hier zeigt sich, was im Kopf passiert, wenn man sich in sozialen Medien informiert und sich sogar «bei den in der EU blockierten russischen Propagandasendern RT DE (früher Russia Today) und Sputnik informiert. Bei Medien also, die nachweislich Falschinformationen verbreiten.»

Auch die Umfrageleiterin ist erschüttert: für sie «können die sozialen Medien eine «extreme Gefahr für die freie Meinungsbildung und damit die Demokratie» sein, zumindest solange nicht klar sei, wie verlässlich Informationen auf diesen Plattformen seien».

Glücklicherweise, atmet Tamedia auf, «sind ältere Menschen gemäss Hermann grundsätzlich besser informiert – und daher in ihrem Urteil weniger wankelmütig. In fast allen Umfragen zum Russland-Krieg ist der Anteil der «Weiss nicht»- Antworten bei den Jungen hoch. Ein Indiz für ihre Unentschlossenheit.»

Also können wir wenigstens auf die Alten bauen, die sind für strikte Sanktionen und eindeutig gegen Putin. Ob sie allerdings seine Motive oder überhaupt die Situation verstehen, das ist dann schon die Frage.

Aber immerhin plappern sie nicht solchen Unsinn wie der SVP-Jüngling: «Es ist sehr wichtig, sich eine eigene Meinung zu bilden. Und zwar gerade dann, wenn alle Medien einer Meinung sind wie jetzt im Krieg in der Ukraine.»

Wo kämen wir da hin, wenn jeder versuchen würde, sich eine eigene Meinung zu bilden. Oder sich nicht nur in den Mainstream-Medien zu informieren. Der wäre dann eventuell sogar für die bewaffnete Neutralität und zweifelte an der willfährigen Übernahme aller EU-Sanktionen. Dabei ist es doch viel besser, ein Putin-Nichtversteher zu sein. Denn wer etwas (oder jemanden) nicht versteht, dem kann man leicht erklären, wie er es verstehen sollte. Und das ist ja die vornehmste Aufgabe der Auslandberichterstattung von Tamedia. Dass die zudem noch aus dem Ausland kommt, je nun, für ein paar hundert Franken Abokosten kann man doch nicht erwarten, dass Tamedia sich noch eine eigene Auslandredaktion leistet.

Oh, das tut der Konzern? Aber gut, es braucht ja jemanden, der das ß in ein anständiges ss verwandelt, parken und grillen sagt man auch nicht in der Schweiz, und für Fans der EU ist es doch völlig egal, ob der Leser Artikel serviert bekommt, die aus EU-Perspektive geschrieben sind. Das einfach zu schlucken, das ist doch viel besser als zum Putin-Versteher zu werden.

Es ist halt schon so, diese Erfahrung muss jede Generation machen: die heutige Jugend ist nicht mehr so, wie die Alten früher mal waren. Alles wird schlimmer, wo soll das nur enden?

Wes Brot ich ess …

Offenlegung von Interessenskonflikten? Aber nicht doch bei Tamedia.

Vermischung von Meinung und Metier? Angebliche Doppelrollen? Ein Journalist, der auch Aktivist ist? Das geht im Falle von Philipp Gut natürlich überhaupt nicht. Der hat als Journalist den Blattschuss gesetzt, im richtigen Moment ein peinliches Zitat des Ringier-Chefs Marc Walder auszugraben.

Dabei hätte er aber unbedingt klarstellen müssen, dass er auch im Referendumskomitee gegen das Medienpaket sitzt, wurde gemeckert und gemäkelt. Transparenz, muss der Leser wissen, so geht’s ja nicht.

Oder doch.

Schon seit Längerem führt ein gewisser Michael Hermann eine Kolumne im Reiche Tamedia. Damit beschallt er immerhin so eine runde Million Leser mit seinen Meinungen. Vorgestellt wird er als «Politgeograf». Darunter kann sich der durchschnittliche Leser genau nix vorstellen.

Aber mit etwas detektivischem Gespür kann man der Spur der Fotobyline folgen: «Sotomo». Denn heutzutage machen sich auch grosse Medienkonzerne nicht mehr die Mühe, einen eigenen Fotografen ans Gerät zu schicken.

Nun ist «Sotomo» nicht der Name eines japanischen Lichtbildners. Sondern ein Hinweis darauf, dass Hermann Geschäftsführer der «Forschungsstelle Sotomo» ist. Die widmet sich den Themen «Meinungsforschung, Politikstudien und -evaluation» und anderen Untersuchungen.

Zu seinen regelmässigen Auftraggebern gehören auch Ämter, die SRGdie Bundesverwaltung und – das BAG. Ein Schelm, wer einen Zusammenhang mit der Aussage seiner neusten Kolumne sieht:

«Trotz Verschwörungstheorien und neuen Freiheitsfreunden: Staatliche Massnahmen haben in einer Phase grösster Verunsicherung Sicherheit und Vertrauen geschaffen.»

Man kann doch mal seine Meinung sagen

Vertrauensverlust, Glaubwürdigkeitsproblem, Kakophonie, Herumrudern, Widersprüchlichkeiten, Führungsversagen? Aber nicht doch, nicht in der Welt von Hermann. Das Vertrauen in den Staat wurde gesteigert, Verlierer sind die anderen:

«Nicht Verschwörungstheorien, Wissenschaftsskepsis und neue Freiheitsfreunde sind am Ende wohl die wirklich relevanten politischen Folgen der Pandemie.»

Nun existiert das Phänomen Hermann schon länger, und ZACKBUM hatte sich bereits mit dem Thema befasst.

Da wir, im Gegensatz zum Mainstreamjournalismus, den Betroffenen immer Gelegenheit zur Stellungnahme einräumen, hatte Hermann auch Gelegenheit.

Sie war so gut, dass wir sie gerne hier wiederholen: «Wenn der Massstab wäre, alle Akteure in meiner Kolumne zu deklarieren, bei denen ich  schon Aufträge hatte, müsste ich dies bei praktisch jeder tun. Gerade die Tatsache, dass wir ein so breites Kundenfeld haben, führt zugleich dazu, dass wir gegenüber keinem Kunden in einem Abhängigkeitsverhältnis stehen.»

Das war nicht schlecht. Ach, und Tamedia in der Gestalt von Oberchefredaktor Arthur Rutishauser machte Sendepause, gar nicht erst ignorieren, die Anfrage.

 Ein weiterer Sargnagel …

Nun ist es allerdings so, dass eine Wiederholung des Gleichen es nicht besser macht. Ein Kolumnist singt das hohe Lied auf einen seiner Auftraggeber – ohne dass dieser Zusammenhang für den Leser transparent ausgewiesen wird.

Das kann man auch lassen, sicher. Dann sollte man aber nicht bei anderen drüber meckern, wenn’s einem in den Kram passt. Aber Einäugigkeit, Parteilichkeit, auch das Vergaloppieren in Nebensächlichkeiten wie die Einreiseprobleme eines Tennisspielers – das alles sind Sargnägel bei der Beerdigung des Journalismus, wie wir ihn kennen.

Denn Unabhängigkeit, Qualität, Ausgewogenheit, Forumsfunktion, Transparenz: Das sind alles schöne Behauptungen. Aber wenn’s nur schöner Schein ist, dann fragt sich der Leser, wieso er dafür über 750 Franken im Jahr ausgeben soll.

Und beantwortet die Frage auch gleich.

 

 

Berichten, was relevant ist

Gute Ansage. Gute Idee. Aber wenn ewig der eigene Bauchnabel näher ist als die Welt?

Der Journalist, so steht’s sicher in einem verstaubten Lehrbuch, hat die vornehme Aufgabe, die Welt zu kartographieren. Zu berichten, was sich so alles abspielt, nah und fern. Da das etwas mehr ist, als in eine Zeitung passt, muss er auch noch das Relevante auswählen und gewichten.

So viel zur schönen Theorie. Gehen wir in die hässliche Praxis. «Blut, Busen und Büsis für die Romandie», gleich zwei Werke ist dem «Tages-Anzeiger» das welterschütternde Ereignis wert, dass es neuerdings auch eine Online-Ausgabe des «Blick» auf Französisch gibt. Das mag ja den Westschweizer Leser allenfalls am Rande interessieren.

Aber hier in der Deutschschweiz? Echt jetzt, und auch noch einen Podcast obendrauf? In dieser Ausführlichkeit? Absurd. Gesteigert werden kann das nur noch auf eine Art: Tamedia berichtet über diese Expansion, vermerkt, dass auch «watson» aus dem Hause CH Media schon in die Romandie eingedrungen ist.

Die Westschweiz (rot eingefärbt).

Dass man der Konkurrenz von Herzen alles Schlechte wünscht, ist menschlich verständlich. Das Tamedia mit keinem Wort erwähnt, dass dieser Konzern der Platzhirsch bei den französischsprachigen Medien in der Schweiz ist – das ist wieder mal ein kräftiger Beitrag zur Förderung der Glaubwürdigkeit.

Nur Bäumchen werden ausgerissen

Auch im Lieblingsgeschäft der modernen Journalisten reisst Tamedia nur ganz kleine Bäumchen aus. Wenn man der Welt mangels Ressourcen dafür schon nicht näher kommen kann, dann gibt’s ja immer noch den Kommentar. Den der Tag rückt immer näher, an dem der frisch eingestellte Kindersoldat im Newsroom, nachdem ihm seine Verrichtungsbox auf einem halben Meter Breite und Tiefe zugewiesen wurde, verschreckt fragte: Aber ich dachte, dass sei ein Bürojob. Ich soll jetzt echt rausgehen und reportieren? Aber es regnet doch!

Stattdessen lieber ein Kommentar. Zu aktuellen Ereignissen. Oder zu längst vergangenen, noch besser. Wenn das Ereignis passiert ist und schon etwas abgehangen zu müffeln beginnt, ist der beste, weil sicherste Moment, dran zu schnuppern und die Ergebnisse der Schnüffelei dem Leser zu servieren.

Das tut der unermüdliche Michael Hermann, der sich nicht einkriegen kann, dass der Bundesrat doch tatsächlich eingesehen hat, dass das Rahmenabkommen dermassen aus dem Rahmen gefallen ist, dass man die Leiche endlich ruhen lassen sollte, statt versuchen, sie immer wieder wachzuküssen.

Hermann ist dabei unangenehm aufgefallen, dass die Gegner eines vernünftigen Zusammenwucherns im Hause Europa, wo die Schweiz in der Mitte doch nicht abseits stehen könne, mit dem Argument arbeiten, dass sie an Souveränität verlieren könnte.

Ganz falsch, doziert Hermann. «Die Schweiz agiert ängstlich, wenn es um ihre Selbstbestimmung geht», behauptet der Wissenschaftler eingangs. Das ist natürlich bedauerlich, liebe Schweiz. Man stelle sich vor: Helvetia kauert ängstlich in einem noch nicht zur Touristenattraktion umgewidmeten Gotthard-Reduit in der Ecke und bibbert. Wie man kann das arme Wesen wieder ans Tageslicht der europäischen Sonne führen?

Souveränes Denken mit Hermann

Da hat Hermann eine merkwürdige Idee. Dieses Mäandern muss man in voller verwickelter Länge geniessen:

«Die Covid-19-Situation ist nicht zuletzt ein Stresstest für die Handlungsfähigkeit von Staaten und damit im Kern auch für das Ausmass ihrer Souveränität. Mit ihren eigenständigen Strategien haben Dänemark und Schweden in besonderem Mass ihr Vermögen unter Beweis gestellt, selbstbestimmt zu handeln. Und hier kommen wir bereits zum eigentlichen Clou: Beide Staaten sind hochgradig souverän, obwohl beide EU-Vollmitglieder sind.»

Wer ZACKBUM erklären kann, was Hermann uns damit sagen will, bekommt die Medien-Verdienstmedaille am Band mit Brillanten (falsch, aber glitzern) verliehen. Auch der Nachsatz zum Clou macht’s nicht wirklich verständlicher: «Was wir in der Schweiz dabei gerne vergessen: Souveränität misst sich nicht am Ausmass des Abseitsstehens.»

Aha, wer’s immer noch nicht verstanden hat (wir zum Beispiel), dem greift Hermann noch paartherapeutisch unter die Arme, sich dabei auf «unsere zwischenmenschliche Erfahrung» stützend:

«Es gibt Personen, die sind stark eingebunden und leben dennoch selbstbestimmt, und andere, die halten sich aus allem raus und schaffen es doch nicht, ihr Leben selber zu bestimmen.»

Wir befürchten nun, dass Hermann als Paartherapeut ungeeignet wäre. Allerdings ist er es auf seinem Gebiet auch. Zudem ist er beratungsresistent. Denn zur Abrundung singt er noch Lobeslieder auf ausgewählte EU-Staaten, die trotz Mitgliedschaft ganz furchtbar souverän seien und vor allem die Schweiz auf diversen Gebieten längst hinter sich gelassen haben. Der Letzte, der diese Nummer probierte, war der unermüdliche WeWo-Kolumnist und ehemalige SP-Chef Peter Bodenmann. Der sang über Jahre hinweg das Lied, wie toll es doch Österreich ginge, wie die uns Schweizer so was von abhängen würden, eigentlich auf allen Gebieten besser und besser werdend, möglicherweise mit Ausnahme des Käsefondues.

Bei denen geht’s ab, in der Schweiz herrscht Stillstand, Rückschritt, Gejammer, bald werden wir wieder auf den Alpen Kühe hüten und zur Selbstversorgung zurückkehren. Weil wir Deppen nicht in der EU sind. Aber seit geraumer Zeit, hat Bodenmann diesen Wortsalat auf den Schindanger geworfen und möchte nicht mehr daran erinnert werden. Er wird aber auf den Stockzähnen grinsen, dass Hermann nun diesen toten Gaul nochmal reiten will.

 

Die Meinung ist frei

Und sie darf auch frei geäussert werden. Eine Zensur findet nicht statt, heisst es markig in der Bundesverfassung. Über Bezahlung steht da nichts.

Nehmen wir einen heutzutage völlig normalen Vorgang. Ein gewisser Michael Hermann führt eine Kolumne im «Tages-Anzeiger», somit im ganzen Tamedia-Kopfblattimperium. Damit kann er ungefähr die Hälfte aller Deutschschweizer Tageszeitungsleser beschallen.

Seine Meinung ist frei und klar: «Die Kritik an der Impfstoffstrategie von Bundesrat und BAG ist billig». In seiner Kolumne kritisiert Hermann alle, die es im Nachhinein besser wissen wollen, die mit dem Vorteil der Perspektive von heute ungerecht damalige Entscheidungen kritisieren: «Ohne Fehlertoleranz jedoch werden wir an Krisen wie diesen nicht wachsen.»

Unbezahlte Meinung hinter Bezahlschranke.

Das ist sicher ein wahrer Satz. Vielleicht hätte es dem unschuldigen Leser des Qualitätsjournalismus aus dem Hause Tamedia geholfen, wenn auch bei Kommentatoren gewisse Interessensbindungen offengelegt würden. Das schränkt ja die Meinungsfreiheit keinesfalls ein, hilft aber dem Empfänger bei der Einordnung der Meinung.

Michael Hermann, der Nachfolger des Mannes mit der Fliege, ist nämlich in erster Linie Geschäftsführer der «Forschungsstelle Sotomo». Die widmet sich den Themen «Meinungsforschung, Politikstudien und -evaluation» und anderen Untersuchungen.

Ohne billige Kritik geht’s wieder bergauf.

Auch das ist nichts Ehrenrühriges, denn auch Hermann muss ja schauen, dass der Schornstein raucht. Mit seinen politischen Spinnenprofilen und politischen Landkarten gehört der Politikwissenschaftler zum festen Personal der «Fachleute», die in Funk, Fernsehen und auch im Print gerne herbeigezogen werden.

Vor allem von privaten Medienhäusern, bei denen die «Expertenmeinung» häufig den Höhepunkt der Recherche darstellt, die sonst per copy/paste, skype und Google durchgeführt wird.

Was dem einen sein Uhl, ist dem anderen seine Nachtigall

Stellen wir eine hypothetische Frage. Was würde Tamedia wohl dazu sagen, wenn in der «Weltwoche» eine Verteidigungsschrift zum Risk Management der CS erschiene? Und sich herausstellen würde, dass der Autor zu den Lieferanten oder Mandatsträgern der CS gehörte? Ohne dass das dem Leser offengelegt würde? Genau, ein Riesengebrüll würde Tamedia erheben, vom Ende der journalistischen Sitten, gekauften Meinungen, von Leserbeschiss wäre die Rede.

Von Doppelspiel, Unredlichkeit und was einem sonst noch so an Beleidigungen einfällt. Womit Tamedia allerdings völlig recht hätte. Es ist im Fall Hermann allerdings so, dass auch die Credit Suisse zu seinen Auftraggebern gehört. Macht ja nix, darüber schreibt er nicht.

Zu seinen regelmässigen Auftraggebern gehören auch Ämter, die SRG, die Bundesverwaltung und – das BAG. Hermann nimmt hier also eine Behörde in Schutz, auf deren Honorarliste er oder seine Firma steht. Hermann äussert sich hier also positiv zu den Leistungen von Behörden und des Bundesrats, wobei staatliche oder halbstaatliche Institutionen den Grossteil seiner ausgewiesenen Brötchengeber ausmachen.

Immerhin zeigt er auf seiner Webseite Transparenz und führt stolz eine ganze Liste von aktuellen und vergangenen Projekten auf; jeweils mit Thema und Auftraggeber. Das diese Dienstleistungen, inklusive Meinungsumfragen, weder gratis erbracht werden, noch sehr billig sind, versteht sich von selbst.

Auszug aus der Kundenliste.

Wir wollen Hermann auch keinesfalls unterstellen, dass er eine Mietmeinung sei, so wie der Bankenprofessor Peter V. Kunz, bei dem man ein «Gutachten» bestellen kann, das nötige Kleingeld vorausgesetzt.

Wir wollen aber diese mangelnde Transparenz im Hause Tamedia mit angeblich eisernen Regeln und Transparenz, der Basis für das Vertrauen, das der Leser seinen Produkten entgegenbringen soll, scharf kritisieren.

Hermann nimmt Stellung, Tamedia nicht

Hermann nimmt die Möglichkeit wahr, Stellung zu beziehen: «Ich finde Ihre Fragen bezüglich meiner Aufträge durchaus legitim.» Psychologisch geschickter Einstieg;

«wenn der Massstab wäre, alle Akteure in meiner Kolumne zu deklarieren, bei denen ich  schon Aufträge hatte, müsste ich dies bei praktisch jeder tun».

Hier lässt er etwas nach, denn: warum nicht? Aber schon kommt er wieder hinten hoch: «Gerade die Tatsache, dass wir ein so breites Kundenfeld haben, führt zugleich dazu, dass wir gegenüber keinem Kunden in einem Abhängigkeitsverhältnis stehen.»

Zudem sei das Hauptgeschäft Meinungsumfragen, keine strategische Beratung, zu der er sich in seiner Kolumne äussere. Immerhin, netter Versuch.

Tamedia hingegen ignorierte eine gleichlautende Anfrage; Arthur Rutishauser beauftragte nicht einmal die Medienstelle, per copy/paste zu schreiben: Diese Vorwürfe sind falsch.

Wieso überrascht das nicht?

 

 

 

 

https://sotomo.ch/site/projekte/