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Ach, die Liebe

Männer ab einem gewissen Alter denken über die letzten Dinge nach.

«Muss der Mann die Frau mehr lieben?» Solche und ähnliche Gedanken macht sich Mann spätestens, wenn er die 50er-Altersschwelle überschritten hat. Normalerweise tut er das im stillen Kämmerlein, und das ist gut so.

Bei der «Weltwoche» fehlt es aber an Checks and Balances. Also gibt es keinen Herausgeber oder Verleger, der den Chefredaktor davon abhalten kann, sich öffentlich zu entblössen. Leider nicht nur ihn.

Schon in der letzten Ausgabe durfte Peter Wälty fast posthum Ursula Andress zur Ikone des Feminismus umschreiben. Bloss, weil sie vor genau 60 Jahren einen Auftritt im ersten Bond-Streifen «Dr. No» hatte. Da steigt sie aus dem Meer, zieht eine Schnute und lässt sich von Sean Connery beschützen und betatschen. Super.

Im aktuellen Editorial macht sich ein gewisser R. K. Gedanken über die «unausgeglichene Liebe». Das hätten Hedwig Courths-Mahler oder Rosamunde Pilcher nicht schlechter hingekriegt.

Schon im zweiten Satz verliert sich R. K. in einem Bandwurmsatz, der zumindest für Psychoanalytiker von gewissem Reiz ist. Wir steigen mal irgendwo ein und wieder aus:

«… sich uneingeschränkt hingebend, eintaucht in einen warmen Ozean des Vertrauens, der totalen Innigkeit, wo die Grenzen zwischen Ich und Du verschwimmen, …, zweisam vereint, auch in der körperlichen Verfliessung, … dem Materiellen, Fleischlichen entrückten Glückseligkeit …»

Kalte Dusche, kann man nur empfehlen. Und einen Mitarbeiter, der den Mut hat, den Chef vor sich selbst zu beschützen. Oder wie soll man anders als peinlich berührt solchen Sätzen gegenüberstehen: «Jede grosse Liebe beginnt mit einem Nein der Frau. Und nur der Mann, der die Kraft hat, durch den Todesstreifen seiner Verneinung zu marschieren, qualifiziert sich für das Glück, das die ersehnte Frau für ihn verkörpert.» Man wagt es sich nicht vorzustellen, was Ehemann Roger Köppel (57) dafür zu Hause zu hören kriegt.

Schliesslich brauche jeder Mann «eine Restmenge des nomadischen Abenteurers, der dem Besitzanspruch der Frauen (Plural!, Red.) trotzig widersteht». Dafür müsste es eigentlich eine Kopfnuss geben, plus schlafen auf dem Sofa.

Noch mehr mittelalterliche Männer mit Schreibinkontinenz

Köppel ist in dieser Ausgabe nicht alleine; auch der bekennende Katholik Matthias Matussek (68) gönnt sich unkeusche Gedanken und hat sich als Objekt der Begierde Romy Schneider ausgeguckt. Er behauptet, jeweils an Weihnachten versammeln sich «die Deutschen» vor der Glotze, um sich die drei «Sissi»-Filme reinzuziehen. Er übersieht dabei, dass die Mehrheit der Deutschen jünger ist als er. Und ein Jugendlicher fragen würde: Was ist Sissi? Wer ist Romy Schneider? Und was ist ein TV-Gerät?

Es gibt weder Anlass, noch Begründung, wieso Matussek eine Seite vollschwärmen darf: «Romy war ein Klang, eine goldene Wolke.» Altherrenfantasien haben unangenehm «Hautgout», wie der Franzose sagen würde. So macht sich Matussek schwüle Gedanken über den Film «Das Mädchen und der Kommissar» (nur ältere Semester erinnern sich noch): «Wir sehen Romy Schneider über das Trottoir eines schmutzigen Pariser Aussenbezirks laufen in Lackledermantel, Stiefeln und dekolletiertem Kleid, und in der Gefühlsgrammatik dieses Films kann man nur in die Knie sinken und den Boden küssen, den dieser Engel betritt.»

In der Gefühlsgrammatik dieses Geschreibsels kann man nur den Wischmop nehmen und das Gesabber und Gespeichel vom Boden wischen.

Geht da noch einer? Leider ja, denn es gibt den «literarischen Korrespondenten» der «Weltwoche». Der beschreibt – angeblich «basierend auf wahren Begebenheiten» – eine pubertäre Verliebtheit «nach zwei toten Jahren» wegen Corona. Auch hier regiert die Herzschmerzdichtung auf unterstem Niveau: «Zwei Jugendliche stehen vor einem Feld mit blühenden Narzissen. Sie sind achtzehn und frisch verliebt.»

Blumenreigen quer durch die Schweiz

Dann packt Tom Kummer (61) seine botanischen Kenntnisse aus und führt die beiden durch eine Reise durch die Schweiz, die sich durch viele Blumennamen und Banal-Dialoge auszeichnet, die zu Zeiten der «Nouvelle Vague», Teil zwei, ihren Höhepunkt hatten. Schauspieler tauschen aufgeladene, aber völlig belanglose Sätze aus. Kummers Version: «Wir haben uns», sagt er. «Bald ist Sommer!» Zugegeben, Lukas Bärfuss wäre das nicht eingefallen, und es steht zu befürchten, dass Nora Zukker das mit Literatur verwechselt.

Nebenbei benützen die beiden frisch Verliebten noch Papas Kreditkarte und seinen Tesla. Was beides eher unwahrscheinlich ist, und der dichterischen Freiheit ist geschuldet, dass das Elektrogefährt offensichtlich über unerschöpfliche Energiereserven verfügt.

Aber so unter Erwachsenen: Selten wurden vier Seiten der Weltwoche dermassen sinnlos verschwendet. Drei Seiten Kummer, daran schliesst sich «in Zusammenarbeit von BMW Motorrad Schweiz und der Weltwoche» eine Seite über die Midlife-Krise «Traumtöff» an: «Das Leben als grosse Fahrt, aber mit Stil.» Nein, der Journalismus auf den Felgen, als stilloser Werbetext.

Aber immerhin, dafür zahlt BMW. Wieso aber der Leser für viel Altherrenschweiss und Schreibinkontinenz doch stolze 9 Franken abdrücken soll? Gut, es gibt noch andere Inhalte im Blatt. Neben Überflüssigem und Verzichtbarem.

 

Beni wirds ganz warm ums Herz

Seit heute gibt es ZACKBUM.ch vier Monate. Wer frisch verliebt ist, kennt das Ritual: Man feiert den ersten gemeinsamen Monat, das erste halbe Jahr und anlässlich des ersten vollen Jahres fliegt man mit der Geliebten nach Wien, Rom, Amsterdam.

Liebe ich ZACKBUM.ch? Nun, in den letzten vier Monaten habe ich viele Hochs und Tiefs erlebt.

Zuerst die Hochs: Dank ZACKBUM.ch muss sich der Zürcher Stadtrat mit der Kolumnisten Rita Angelone befassen. Die Kolumnistin des «Tagblatts der Stadt Zürich» hat in ihren Artikeln die Grenze zwischen PR und redaktionellem Test sehr arg strapaziert. ZACKBUM.ch ist es zu verdanken, dass der «Tagi» endlich, nach drei Wochen, einen Nachruf auf die berühmte Reisejournalistin Charlotte Peter verfasste (übrigens, ziemlich gut).

Wir haben viele Fehlentwicklungen im Schweizer Journalismus aufgedeckt und mit spitzer Feder niemanden geschont. Die Weltwoche hat ihr Fett abbekommen, die NZZ, der Tagi, die Republik, SRF, Keystone-SDA usw.

Spass hat uns das nicht immer gemacht. Andererseits war ich immer wieder überrascht, wie genau wir gelesen werden und wie zahlreich unser Publikum geworden ist. Als ein Text nach einer Stunde wieder vom Netz gehen musste, erhielten wir zahlreiche Fragen, was passiert sei. Das bleibt natürlich unser Geheimnis. Es zeigt aber auch, wie genau wir gelesen werden.

Positiv überrascht war ich von der Professionalität der Mediensprecher. Obwohl wir den Verlag oder die Zeitung immer wieder kritisierten, wurden uns stets Antworten unter Einhaltung der Deadline gegeben. Besonders hervorheben möchte ich den Mediensprecher von Keystone-SDA. Traurige Ausnahme ist die Republik. Meine Fragen wurden nicht beantwortet, und irgendwann machte ich daraus einen Spass.

Die Tiefs sind die Schweizer Journalisten. Die Festangestellten, die Freien, die Ehemaligen. Die Edelfeder, die Lokaljournalisten, die Chefredaktoren. Eigentlich wollten wir ZACKBUM.ch nicht als Trio führen, sondern als Plattform für alle. Linke, Rechte, Junge, Alte. Einzige Bedingung: gut recherchiert, etwas smart und clever geschrieben. Mehr braucht es nicht, um bei uns einen Text – gratis – zu veröffentlichen.

Das Echo war niederschmetternd. Nicht einmal anonym trauen sich die Leute zu uns. «Tolle Idee», «du, ich melde mich nochmals», «ja, warum nicht?» Niemand wagt sich aus der Deckung. Ich bin nicht naiv. Klar, wer jung und angestellt ist, schreibt doch nichts über den Arbeitgeber von morgen.

Aber das von hundert (100!) Anfragen nichts Verwertbares rauskam, das ist doch erschütternd und zeigt eine falsche Entwicklung. Immerhin, die schönsten Gespräche führte ich mich Ehemaligen, die ausgesorgt sind und so fest im Sattel sitzen, dass sie nichts umstösst.

Wenn ich also das Erlebte zusammenfasse: Lust, Freude, Enttäuschungen, Ärger, wieder Freude, wieder Ärger – dann denke ich schon, dass da ein bisschen Liebe mitspielt.