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Die tapferen Träumer

Ein Blick in die WoZ ist wie eine Zeitreise.

Eine Reise in eine Zeit, als wünschen und wollen noch hoch im Kurs standen. Immerhin, das muss man der WoZ lassen: im Gegensatz zu ihrer missratenen Schwester «Republik» macht sie viel weniger Gedöns und ist vor allem nicht ständig am Rand der Pleite.

Ungehemmt kämpft die WoZ weiterhin gegen alles, was von rechts kommt. Und das ist ja eine ganze Menge. Aktuell die Anti-Chaoten-Initiative der SVP. «Das Demokratieverbot», überschreibt Merièm Strupler ihren kämpferischen Kommentar. Sie singt das hohe Lied der Demonstrationen: «Emanzipatorische Protestbewegungen wandeln individuelle Ohnmacht in gemeinsame Kraft. Sie sind das, was – in Anbetracht der Weltlage – Mut macht. Und Hoffnung.»

Die will die SVP zunichte machen. Aber nicht mit der WoZ: «Denn die Initiative und der lediglich homöopathisch abgeschwächte Gegenvorschlag sehen eine generelle Bewilligungspflicht für Demonstrationen und eine zwingende Kostenüberwälzung von «ausserordentlichen Polizeieinsätzen» auf Organisatorinnen und Teilnehmer von Versammlungen vor. Das gefährdet die Meinungs- und Versammlungsfreiheit – insbesondere bei spontanen Demonstrationen und Gegenkundgebungen. Grundrechtsexpert:innen halten beide Vorhaben für rechtswidrig

Diesen Unsinn verzapfte schon der Tagi. Wäre die Initiative rechtswidrig, würde sie nicht zur Abstimmung kommen, denn rechtswidrige Initiativen, aber es ist hoffnungslos.

Auch in Basel sollen «die Polizeikosten – in neoliberaler Manier – auf Demonstrant:innen» abgewälzt werden. Das ist natürlich eine Unverschämtheit, wieso soll der Steuerzahler nicht weiterhin dafür aufkommen, was Chaoten, Randalierer und Krawallanten vom Schwarzen Block für Schäden und Kosten verursachen? Wo bleiben da deren demokratische Rechte, Schaufenster von harmlosen Kleingewerbetreibenden einzuschlagen?

Hier verlangt die Initiative, verdammte Frechheit: «Hinzu kommen Zivilklagen, über die Geschädigte Schadenersatz erlangen können.» Statt stolz den Obolus zu entrichten, den man als Demokrat halt zu zahlen hat, wenn sich wild gewordene Chaoten austoben möchten. Ein Schädiger soll haftbar gemacht werden, was für ein undemokratischer, geradezu putanesker Einfall.

Aber dann stellt die Autorin die grossen Zusammenhänge her: «Sei es der grosse Schweizer Landesstreik 1918 für eine AHV, der Einsatz der Suffragetten für das Frauenstimmrecht, der Kampf für den Achtstundentag oder seien es die Jugendunruhen – Stichwort «Züri brännt» – in den achtziger Jahren, die der biederen Finanzstadt kulturelle Freiräume brachten: Oft zeigt sich die Legitimität eines Anliegens erst im Verlauf der Geschichte, wenn die Kämpfe darum so weit zurückliegen, dass die Distanz einen anderen Blick auf sie ermöglicht.»

Eigentlich sollte man eine solche freche Geschichtsvergessenheit auch schadensersatzpflichtig machen. Ganz zum Schluss dann der Rücksturz in die Gegenwart, die überhaupt nicht schön ist. Denn wir leben in schlimmen Zeiten: «Eine Zeit, in der Autoritarismus gedeiht, in der in Italien eine faschistische Partei regiert und in Deutschland eine Partei die Deportation von Millionen Menschen plant. Soll in einer Zeit wie dieser tatsächlich das Demonstrationsrecht eingeschränkt werden?»

Auch hier muss man sich fragen, in welcher Parallelwelt Strupler lebt – und ob es gelingen mag, sie vorsichtig an die Wirklichkeit heranzuführen, ohne dass ihr die ideologische Brille runterfällt.

Geht’s noch schlimmer? Oh ja, wenn sich Chefredaktor Kaspar Surber, der in seiner bornierten Selbstherrlichkeit nicht auf Fragen antwortet, sein Kriegsgeschrei ertönen lässt. Natürlich hat auch er es auf Russland abgesehen, denn: «In Russland – und in den Gebieten, die Putin in seinen grossrussischen Fantasien für sich reklamiert – regiert die nackte, zügellose, obszöne Gewalt.»

Dagegen der degenerierte, schwache Westen, Surber wird geradezu verschroben-lyrisch: «So dringlich die militärische Unterstützung der Ukraine bleibt, so skeptisch sind die Aufrüstungspläne der Nato-Staaten zu werten, vom «Aufwuchs» der Schweizer Armee ganz zu schweigen: Die Engführung auf eine rein militärische Antwort auf den russischen Autoritarismus führt in ein Kriegsfieber, das an Putins Absichten vorbeideliriert

Hä? Offenbar ist die Einnahme halluzinogener Stoffe während des Schreibens bei der WoZ erlaubt. Aufwuchs, Engführung, vorbeidelirieren? Nein, jetzt muss zugepackt werden; in bester Manier wie Kornelius, Häsler und andere Sandkastengeneräle fordert Surber: «Es braucht endlich eine Rohstoffaufsichtsbehörde und ein öffentliches Register der wirtschaftlich Berechtigten von Firmen. Denn nur so können Umgehungen der Sanktionen verhindert, die Oligarchenvermögen beschlagnahmt und der Ukraine übergeben – und so Putins grosser Diebstahl gestoppt werden

Also russische Besitztümer sollen, weil sie russisch sind, enteignet und dem korruptesten Staat Europas in den Rachen geworfen werden. Ob Surber das vielleicht bereut, wenn er aus dem Rausch erwacht? Aber es fehlt ihm noch die Schlusspointe:

«Dass die Schweizer Politik stattdessen lieber darüber streitet, ob sich einzelne Rom:nja allenfalls einen Schutzstatus S für ukrainische Geflüchtete erschwindelt haben könnten – das sagt nicht nur alles zur Selbstverzwergung der Schweiz, sondern auch zur hiesigen Feigheit

«Rom:nja», das ist hohe, aber unverständliche Sprachkunst. Inhaltlich ist’s leider überhaupt keine Kunst. Dass versucht wird, offensichtlichen Missbrauch des Asylwesens zu verhindern, ist für Surber Ausdruck von Feigheit. Da wäre es doch schön, wenn er mutig einen Fonds für solche Schwindelfälle gründen würde und mit dem eigenen Gehalt vorbildlich auffüllen. Damit das der feige Schweizer Steuerzahler nicht mehr tun muss. Dieser Feigling schüttet jedes Jahr ungefragt und weitgehend ohne Murren 1,7 Milliarden Franken für Ukraineflüchtliunge aus. Von denen nur eine radikale Minderheit nicht dem Steuerzahler zur Last fällt. Dafür alle Sozialleistungen bekommen, von denen viele Schweizer nur träumen können.

Apropos Feigheit: wie hält es Surber eigentlich mit der Aufrüstung der Schweizer Armee angesichts dieses Monsters im Osten? Ja? GSoA oder neue Panzer? Kriegsdienstverweigerung oder Mann an der Waffe? Ja, bitte?

Was für ein abgehobener Traumtänzer. Benebelt, berauscht, bescheuert und allerhöchstens in seiner engsten und miefigsten Gesinnungsblase wohlgelitten.

Wir wollten das Positive sehen

Aber WoZ und «Republik» machen es einem nicht einfach.

Der Plan war gut. ZACKBUM liest je einen Artikel aus der WoZ und aus der «Republik» und betont das Positive. Aber schon die Planwirtschaft ist an der Realität gescheitert.

Bei der WoZ traf es den Artikel «Rechtsumkehrt. Wie die Schweizer Medien politisch immer weiter nach rechts driften». Eine interessante These des Mit-Chefredaktors Kaspar Surber. Wir sind auf eine brillante Analyse mit schlagenden Beispielen gespannt. Aber leider, leider …

Wer eignet sich als Einstieg besser als der Gottseibeiuns aus Herrliberg. Der hatte doch tatsächlich im Januar dieses Jahres Eric Gujer von der NZZ gelobt. Christoph Blocher sei übrigens der Mann, «der mit sehr viel Macht, noch mehr Geld und zuweilen auch mit dreisten Lügen die Medien in der Schweiz in den letzten Jahrzehnten zu beeinflussen suchte».

Nach dieser rechten Geraden als Einleitung kommt Surber nun zu einem Topos, der früher von rechtsbürgerlichen Warnern bedient wurde: die Unterwanderung. Gujer wird von Blocher gelobt, in die «Sonntagszeitung» sind gleich drei Rechte eingewandert; Rico Bandle, Andreas Kunz und Bettina Weber von der «Weltwoche» hätten sich dort eingefunden. «Und sie tun, was sie von Köppel gelernt haben. Sie frönen dem Kontraintuitiven

Noch schlimmer ist natürlich das U-Boot Markus Somm. Der wurde zuerst von der WeWo zur BaZ entsandt, nun gibt er den «Nebelspalter» heraus. Allerdings widerspricht sich Surber hier selbst, denn all diese Blätter, die BaZ bis zu Somms Abgang, die «Weltwoche», vom «Nebelspalter» ganz zu schweigen, sind alles andere als Erfolgsmodelle. Die BaZ wurde an Tamedia weiterverkauft, die WeWo hat kräftig an Auflage verloren, der «Nebelspalter» dümpelt in der Bedeutungslosigkeit, ewige Redesigns, Kurs- und Mitarbeiterwechsel sind deutliche Anzeichen einer gravierenden Krise.

Aber dahinter steht natürlich ein finsterer Plan. «Die Abwärtsspirale von etablierten Medienmarken ermöglichte es wiederum rechten Financiers, ihren Einfluss zu vergrössern.» Aber auch hier schreckt Surber nicht davor zurück, sich selbst gleich zu widersprechen: «Just um die Jahrtausendwende, als der Werbeboom der Medien in der Schweiz seinen Zenit erreichte, ritten sie ihren ersten erfolgreichen Angriff.»

Also Abwärtsspirale oder Boom? Macht nix, drei Angriffe würden «viel zu selten im Kontext erzählt». Viel zu oft, würde es besser treffen. Den Kontext, dass Gottseibeiuns Blocher sich inzwischen ein kleines Imperium an Amts- und Gratisblättern zusammengekauft hat, der ist dem Recherchiergenie Surber offenbar entgangen.

Aber Surber hat noch eine Personalien auf Lager: «Auch bei der NZZ machen Leute Karriere, die bei den Rechtsaussenblättern ihre Sporen abverdient haben. So etwa Benedict Neff, der von Somms «BaZ» nach Berlin geschickt wurde, dort später das Deutschlandbüro der NZZ mit aufbaute und von Eric Gujer schliesslich zum neuen Feuilletonchef gekürt wurde.»

Die BaZ als Rechtsaussenblatt? Ach was. Aber diese Gefahr ist ja durch den Verkauf durch die angeblich kapernden Rechten gebannt. Um nur durch die nächste ersetzt zu werden: «Kippt nun auch der «Tagi»? Das wäre besonders fatal.» Woran Surber das festmacht?  Der Tagi habe die Rentenaltererhöhung begrüsst und kritisiert, dass der «Frauenstreik» dieses Jahr von links gekapert worden sei, das habe «viele Feminist:innen verärgert». Und verärgerte Feminist:innen sind sicher der Massstab dafür, ob der Tagi kippt oder nicht.

Dann hat noch ein «Politologe» untersucht, Surber hat sich ein Exemplar der Unternehmensgeschichte des Tagi bis 1993 besorgt und mit – natürlich anonymen – Quellen aus Tamedia gesprochen. Die ranzen unter diesem Deckmantel: «In den neoliberalen Hierarchien sei die Empathie völlig verloren gegangen. Die einzige Temperatur, die beständig vermessen werde, sei die Klickrate einzelner Artikel.» Surber muss diese Gespräche aber vor einer ganzen Weile geführt haben, denn die Klickrate ist überhaupt nicht mehr das wichtigste Kriterium. Aber macht ja nix, ansonsten stimmt wohl auch nichts.

Nach dieser tiefschürfenden Analyse kommt Surber zum traurigen Fazit:

«Die Geschichte des Rechtsrucks der Schweizer Medien handelt von strategischen Investoren, die geschickten Jongleuren die Manege bauten. Von Vorturnern, die sich so weit aus der Manege hinaus radikalisierten, dass sie sich längst nicht mehr an die berufsethischen Regeln halten. Von einem einst stolzen Wirtschaftsblatt, das mittlerweile die AfD bedient. Von einer «SonntagsZeitung», die schludrige Thesen fabriziert, die von anderen Medien wegen der hohen «Temperatur» weitergeschmiedet werden.»

Das widerspiegelt nun einzig und alleine die Weltsicht eines Gesinnungsjournalisten, nichts von diesem Geschwurbel ist mit einem Fakt unterlegt. Die NZZ bediene die AfD? Was für ein dümmlicher Spruch. Wird null von seinen Narrativen gestützt.Surber ist zu jung, um sich daran zu erinnern, dass die WoZ und ihr Vorgänger «Das Konzept» immer wieder den Vorwurf anhören mussten, sie bedienten die Interessen Moskaus, des Kommunismus.  Das ist schon mal sehr ernüchternd. Wenn das die Qualitätsansprüche der WoZ erfüllen kann, liegen die leider auf Höhe Türschwelle. Da war man doch anderes gewohnt in früheren Jahren.

Aber der Fisch stinkt bekanntlich vom Kopf. Man darf weiterhin gespannt sein, wie die WoZ mit dem kleinen Sexismus-Problem umgeht, in das sie sich selbst hineingeschrieben hat.

Der zweite Versuch mit der «Republik» folgt.

Schwurbler Surber

Man könnte ja einfach einen Fehler zugeben. Aber doch nicht die WoZ.

Ein Ruefer-Hasser ging des Längeren mit einem aus dem Zusammenhang gerissenen Satz des TV-Kommentators Sascha Ruefer hausieren. CH Media munkelte etwas darüber, die NZZ lehnte vornehm ab. Aber Renato Beck, ehemals gescheiterte «TagesWoche», nun WoZ, griff begeistert zu und beging einen üblen Rufmord an Sascha Ruefer.

«Dabei war der Satz klar rassistisch», behauptet Beck, dafür hätte er auf dem Spielfeld die rote Karte gekriegt. Schon alleine für das sinnlose «dabei». Zudem dafür, dass er einen off-record-Satz aus einem einstündigen Interview mit Sascha Ruefer zitiert.

Dabei wollte Ruefer nur – etwas ungeschickt – klarstellen, dass der Captain der Fussball-Nati kein typischer Schweizer sei, was aus dem Kontext klar hervorgeht. Die NZZ zitiert ihn: «Ruefer fragte den Interviewer, warum Xhaka jeden aufrege. Und er gab die Antwort selber: weil Xhaka alles sei, nur nicht Schweizer. Der Interviewer lachte

Die WoZ landete mit ihrer Denunziation einen medialen Erfolg und wurde fleissig zitiert. Nun könnte sie es dabei bewenden lassen und sich bei Ruefer entschuldigen. Das würde Grösse und Anstand zeigen.

Über beides verfügt Beck nicht. Statt auf höflich-kritische Fragen von ZACKBUM zu antworten, keift er: «Sie auch noch? Sind Sie jetzt im bürgerlichen Mainstream angekommen?» Was für ein Kläffer.

An seiner Statt ergreift nun der Co-Leiter Kaspar Surber das Wort – und lässt es lange nicht los. Er orgelt drauflos: «eine migrations- und medienpolitische Einordnung», als dürfte er den Leitartikel der NZZ schreiben. Surber könnte nun etwas ganz Einfaches tun. Eingestehen, dass Beck Scheisse gebaut hat, einen Aufreger herbeischrieb, unfair, blöd, unprofessionell.

Surber könnte hinzufügen, dass Becks hasserfüllte Art, allen den Mund verbieten zu wollen, die nicht seiner Meinung sind, eigentlich keinen Platz in einer pluralistischen WoZ hat. Er könnte bestätigen, dass das Volkshaus durchaus auch einem Ganser, einem Rima, einem Thiel einen Saal vermieten darf. Vielleicht sogar einem Zeyer.

Stattdessen schwurbelt Surber los, dass es eine Unart hat. «Ein Satz als Chiffre», «ein Satz von ausgrenzendem Charakter», der Satz stehe «für den Umgang der Schweizer Gesellschaft mit Migration in den vergangenen drei Jahrzehnten». Eine Nummer kleiner hat es Surber nicht.

Dann dreht er weiter Locken auf der Glatze, wahrscheinlich ohne zu wissen, von wem diese grossartige Beschreibung seines Tuns stammt. Getarnte «menschenrechtswidrige Diskriminierung», «Othering», «struktureller Rassismus», «Alltagsrassismus», «rechtspopulistische Avantgardepartei SVP hetzt gegen Zuwanderung», «eine Äusserung wird nicht als Teil eines politischen Diskurses begriffen, sondern personalisiert». Immerhin fällt ihm hier auf, dass die WoZ selbst genau das tat.

Dann schäumt er in die Zielgerade: «Gerade das Fernsehen kann neue Vorstellungsräume schaffen und blendet doch häufig postmigratorische Realitäten aus.» Wer diesen Satz versteht, sollte anschliessend unbedingt Quantenphysik und Feldtheorie studieren.

Schliesslich beschwert sich Surber noch darüber, dass niemand den Satz in seinem Kontext direkt zitieren dürfe und dass die WoZ nicht zur Visionierung des Rohmaterials des Interviews eingeladen wurde. Dabei müsste Surber wissen, dass es da ein Copyright-Problem gibt und dass es sowohl SRF wie Ruefer völlig freigestellt ist, mit wem sie reden wollen – und dabei den Verursacher dieser Schmiere aussen vor zu lassen.

Schliesslich habe die WoZ die «Sorgfaltspflicht nicht verletzt», beurteilt sie sich selbst, als wäre sie eine kleine Ausgabe des Presserats. Abschliessend wird haarspalterisch behauptet: «Die WOZ hat Ruefer nie als Rassisten verunglimpft.» Auch der «später bekannt gewordene Kontext ändert unseres Erachtens nichts am ausschliessenden Charakter der fraglichen Äusserung».

Selbst ohne Ockhams Rasiermesser kann man ganz einfach diesen Ballon voller Sprachmüll ritzen. Bloss mit einfacher Logik. Wenn Ruefers Satz «ausgrenzenden Charakter» habe, dann gibt es also so etwas wie «den Schweizer». Gäbe es den nicht, könnte Ruefer nicht ausgrenzen. Gibt es «den Schweizer» aber, dann ist das die Beschreibung einer bestimmten Mentalität, Verhaltensweise, Kultur, Denkungsart. Damit ist nun keinesfalls eine Rasse gemeint, also kann die Behauptung einer Nicht-Zugehörigkeit nicht rassistisch gemeint sein.

Oder aber, der «Schweizer» ist eine Rasse. Erst dann ist man im Bereich des Rassismus. Ob Surber das meint? Darf man ihn dann selbst als Rassisten bezeichnen? Dass sich jemand wie Xhaka selbst nicht als rassenreiner Schweizer fühlt, was interessiert das den Surber. Wer «rassistisch» sagt, muss selbst einen klaren Begriff von Rasse haben, wie sieht der bei Surber aus? Er hat keinen, der Schwurbler, aber wie kann er dann die Denunziation «rassistisch» verteidigen, wenn er nicht mal sagen kann, was eine Rasse denn eigentlich sei?

In seinem Verteidigungswahn geht Surber noch einen Schritt weiter: ««Du bist vieles, aber halt doch kein Schweizer»: Wie oft haben Migrant:innen diese Wertung bei ihren täglichen Bemühungen um Anerkennung schon gehört oder gespürt

Nun wirft er sich noch paternalistisch zum Verteidiger von angeblich unter Ausgrenzung leidenden Migranten auf. Was er bei diesem Geschwurbel übersieht: Hat irgend ein Anwohner der Schweiz mit Migrationshintergrund gegen diesen Satz von Ruefer protestiert? Nein, das haben nur stellvertretend Leidende gemacht, Dumpfbacken wie Beck oder Surber. Blöder war eigentlich – eine Leistung – nur Tamedia. Der Konzern titelte tatsächlich: «Ohne Gegenbeweis ist SRF-Reporter Sascha Ruefer kaum zu retten».

Es lässt sich kein Gegenbeweis erbringen, dass Tamedia nicht völlig am Verblöden ist.

Was bleibt: ein Woke-Wahnsinniger hat einen rausgehauen. Aufgrund eines off-record-Satzes, aus dem Zusammenhang eines einstündigen Interviews und aus dem Mikrozusammenhang gerissen. Der Beckmesser wirft sich zur moralischen Instanz und zum Inquisitor auf; dieser Satz sei «klar rassistisch». Die Medienmeute japst hinterher, bis sie sich eines Besseren belehren lässt und von den Vorwürfen gegen Ruefer Abstand nimmt.

Die WoZ hätte die Gelegenheit gehabt, eine Woche danach den Fehler einzuräumen und sich für ihren Mitarbeiter zu entschuldigen. Damit hätte sie wenigstens gezeigt, dass ihr das Einhalten journalistischer Anstandsregeln wichtiger ist als die Verteidigung eines misslungenen Artikels.

Stattdessen schwurbelt Surber intellektuell dermassen bescheiden los, dass er den Schaden an der Reputation der WoZ noch deutlich vergrössert, wie auch Leserreaktionen zeigen. Dabei kann sein Sprachmüllballon mittels einfacher Logik ohne grossen Aufwand zum Platzen gebracht werden.

Beck ist peinlich, aber Surber konnte das noch steigern. Was bedenklich ist: er schreibt diesen Stuss, liest ihn durch, gibt ihn in die Produktion – und keiner in der WoZ hat die Eier (oder Eierstöcke), um zu sagen: wollen wir uns wirklich noch mehr lächerlich machen?

 

 

Ringiers grosser Profit dank der e-ID

Die Wochenzeitung WoZ zählt vor der Abstimmung über die e-ID messerscharf eins und eins zusammen.

Am 7. März findet sie statt, die Volksabstimmung über die elektronische Identität im Internet. Für die Befürworter ist klar: Damit werden die rechtlichen Grundlagen geschaffen für eine staatlich anerkannte Schweizer e-ID (elektronische Identität). Es sei höchste Zeit, denn immer mehr Menschen, Behörden, Verbände und Unternehmen seien online und bräuchten eine zweifelsfreie Identifikation im Internet. Die Gegner hingegen wittern Gefahren: Private Unternehmen sollen in Zukunft den digitalen Schweizer Pass ausstellen und sensible private Daten verwalten. An die Stelle des staatlichen Passbüros würden Grossbanken, Versicherungsgesellschaften und staatsnahe Konzerne treten.

Logisch, dass private Unternehmen am Lobbieren sind für ein JA. Denn es winkt die grosse Kasse. Kaspar Surber hat dazu in der WoZ eine Recherche-Story veröffentlich. Sie handelt von Ringier. «Folgt man seiner Datenspur, sieht man schnell, über welch gigantische kommerzielle Interessen am 7. März abgestimmt wird. Und welche Gefahren drohen», schreibt Surber.

Ringier Treiber hinter Digitalswitzerland

Eine zentrale Rolle in seinem Text nimmt Ringier-CEO Marc Walder ein. Kein Wunder, war Walder schon 2015 treibende Kraft bei der Gründung von Digitalswitzerland mit der Post, den SBB, Swisscom, Migros, Ernst & Young, UBS, Google, der ETH und natürlich Ringier. Heute zählt der Verband mehr als 150 Mitglieder.

Bei der Abstimmung gehe es durchaus darum, ob der Staat oder Private die e-ID ausstellen und auch, ob die sensiblen Daten zentral in privaten Rechnern oder dezentral (etwa auf dem eigenen Handy) gespeichert werden.

Es geht um nicht weniger als die völlige Kommerzialisierung personenbezogener Daten.

Etwas, was jetzt in der Stossrichtung schon nach dem (freiwilligen) Login bei privaten Medienhäusern passiert.

Für die WoZ ist das Verschwimmen der Daten eine Gefahr, ein Abbau der Demokratie. Ebenfalls klar: Doris Leuthard, damals Bundesrätin, gab Marc Walder in einem Telefongespräch den entscheidenden Tipp. Digitalswitzerland sei wichtig, «doch vergessen Sie die Bevölkerung nicht». Der O-Ton ist nachzulesen in den Ringiermedien. Fazit: WoZ-Autor Kaspar Surber hat seine Hausaufgaben gemacht und die irritierende Vertrautheit ausgegraben «Die Ringier-Medien haben mit seitenlanger Begeisterung dokumentiert, was ihr CEO alles für die Digitalisierung des Landes tat».

Am Digitaltag fand die Initialzündung statt

Daraufhin liess Walder 2017 den «Digitaltag» organisieren. Die CVP-Bundesrätin reiste als «Mutter des Digitaltags» («Blick») in einem – naja – ganz herkömmlichen Zug nach Zürich und eröffnete im Hauptbahnhof den Event: «Wir zünden hier die Digitalrakete Schweiz», zitiert die WoZ den Blick. Dabei war für das Blatt von der Stadtzürcher Hardturmstrasse klar: Das Ziel bestand in der privatisierten, kommerzialisierbaren e-ID.

«Cash», das Wirtschaftsportal von Ringier, berichtete über die  damalige Medienkonferenz: «Es ist ein gewaltiger Durchbruch» (SBB-Chef Andreas Meyer). «Natürlich hoffen wir, dass die Politik uns den notwendigen gesetzlichen Rahmen gibt» (Lukas Gähwiler, VR-Präsident der UBS Schweiz).

Dann wurde laut WoZ nur wenige Monate später die Botschaft zum Gesetz über die elektronischen Identifizierungsdienste vom Bundesrat verabschiedet.

Ziel: Die e-ID solle es dem User erlauben, sich im digitalen Raum einfach und klar auszuweisen, vergleichbar mit einer Identitätskarte. Ein klassisches Beispiel für eine Anwendung ist die Bestellung eines Betreibungsregisterauszugs für die Wohnungssuche. Weitere Anwendungsbeispiele sind das Gesundheitswesen und das Shoppen.

Eigentlich stand immer fest. Wie bei der Sicherheit mit dem Militär und grossmehrheitlich hat der Staat das Monopol.

So war vorgesehen, dass das Schweizer Justiz- und Polizeidepartement die e-ID herausgibt, wie die ID und den Pass. Doch dann kam es laut WoZ zur Kehrtwende: «Obwohl Staaten wie Deutschland dieses Modell anwenden, setzte der Bund aus Angst vor dem technologischen Wandel und drohenden Kosten auf Auslagerung an Private. Der Staat behält so zwar die Aufgabe, eine Person bei der Ausgabe einer e-ID zu überprüfen – der Verkauf, der Vertrieb sowie die Verwaltung der elektronischen Identität werden hingegen an sogenannte Identity Provider (IdP) vergeben», schreibt Surber.

Die Folge: Am nächsten Digitaltag 2018 brachte sich dann auch schon das Swiss-Sign-Konsortium als künftiger Provider in Stellung. Es startete eine Kampagne für seine Swiss-ID, die fürs Erste ein Log-in für verschiedene Onlinedienste war. In einem Werbefilm machte sogar Doris Leuthard Stimmung für das Anliegen. Das geplante Gesetz zur e-ID war damals noch nicht einmal im Parlament diskutiert worden.

Und Ringier? Laut der WoZ ist Ringier zwar nicht Mitglied des Swiss-Sign-Konsortiums. Mit der Swiss ID könne man sich aktuell aber auch in die Angebote des Medienhauses einloggen. Dazu gehören etwa Autoscout, Immoscout, Dein Deal, Jobcloud, Geschenkidee und Ticketcorner. Welche Rolle nun schreibt sich Marc Walder bei der Entstehung der e-ID zu? Mit der WoZ wollte er nicht sprechen, immerhin gab er aber schriftlich Antworten. Dabei beschreibt die WoZ Walder recht launisch: «Walder war erst Tennisprofi, wurde dann Journalist, stieg zum Chefredaktor der «Schweizer Illustrierten» und des «SonntagsBlicks» auf, hatte an einem Managementkurs in Harvard ein digitales Erweckungserlebnis, krempelte darauf den Ringier-Konzern als CEO um und wurde von Besitzerfamilie Ringier als ultimativer Vertrauensbeweis zum Miteigentümer gemacht. Leider fand Walder, der mit seinem Glatzkopf auf Fotos stets ein bisschen wie ein Guru wirkt, der freundlich-nachdenklich in die Zukunft blickt, keine Zeit für ein Interview». Ende Zitat.

Walder gibt der WoZ Auskunft – nicht mündlich, aber schriftlich

Walder schreibt der WoZ «bescheiden» zurück, bezeichnet sich selbst ganz einfach als «Befürworter der e-ID»: «Ausländische Erfahrungen zeigen, dass eine erfolgreiche Digitalisierung auf einer erfolgreichen e-ID beruht.» Ob Ringier auch ein Geschäftsinteresse verfolge, will er nicht konkret beantworten:  «Eine vertrauenswürdige e-ID ist die Basis für eine digitale Schweiz.» Er bringt dazu die globalen Player wie Google und Amazon ins Spiel. Ohne Bündelung der Kräfte habe man «nicht den Hauch einer Chance», ist Walder überzeugt.

Bei den Log-ins setzt Ringier momentan auf ein eigenes System mit dem Namen Ringier Connect und weitere Dienste wie die Swiss ID. Es ist aber vieles noch freiwillig. Blick-online-Inhalte wie auch Blick-TV kann man auch nutzen, wenn man bei der Frage nach dem Login «lieber nicht» anklickt.

Die WoZ hat für die Gegenmeinung  Erik Schönenberger, Geschäftsführer der Digitalen Gesellschaft, befragt. Er sagt:

«Die Medienkonzerne sehen bei der Einführung der E-ID einen Goldschatz für ihre personalisierte Werbung funkeln.»

Denn sie hätten einen klaren Vorteil: Im Gegensatz zu Cookies, die nur Geräte wie den Laptop tracken, oder zu Log-ins, bei denen man sich auch als Klaas Klever anmelden kann, werde die x-ID in der vorliegenden Form eine eindeutige Identifikation der User ermöglichen, schreibt die WoZ.

Und das Argument, dass man beim online-Einkauf  Vorteile habe mit der E-ID? «Warum soll ich mich beim Einkaufen überhaupt ausweisen müssen», fragt Schönenberger. In der vorliegenden Form diene die E-ID primär der Kommerzialisierung.

Greift Ringier nun in den Abstimmungskampf ein?

Kaspar Surber von der WoZ bringt ein aktuelles Beispiel der versuchten Politbeeinflussung. Demnach ist für ihn das Konstrukt auch aus demokratiepolitischer Sicht heikel. Kürzlich tauchten auf den Plattformen «Blick», «Beobachter» oder «Schweizer Illustrierte» plötzlich Beiträge mit dem Titel «Darum brauchen wir eine elektronische Identität» auf. Präsentiert werden die Publireportagen von Digitalswitzerland. Gestaltet hat sie die Agentur Furrerhugi. Die Firma mit gut 60 Mitarbeitenden hat den Hauptsitz in Bern. Ableger gibt’s etwa in Bern, Lausanne und Brüssel. Bekannte Köpfe sind Claudine Esseiva, ehemals FDP-Generalsekretärin und der frühere Journalist Martin Stoll.

Gegenüber der WoZ spricht Daniel Graf, der mit der Onlinesammelplattform WeCollect das Referendum gegen die E-ID initiiert hat, von einem «Dammbruch». «Ringier macht auf den eigenen Newsplattformen Schleichwerbung für ein Anliegen, mit dem es kommerzielle Interessen verfolgt: Wie soll da noch ein unabhängiger Journalismus möglich sein?» Die Entwicklung stelle eine Bedrohung für die Demokratie dar: «Die E-ID wird es ermöglichen, gezielt Werbung an Wählersegmente auszuspielen. Der Kaufkräftige gewinnt noch mehr Macht in Abstimmungskämpfen.» Das Referendumskomitee hat beim Presserat eine Beschwerde gegen Ringier eingereicht, 1800 Bürgerinnen und Bürger unterstützen sie online.

Für Marc Walder (55) ist das alles kein Problem. «Werbevermarktung und redaktionelle Berichterstattung sind zwei verschiedene Paar Schuhe», schreibt er der Wochenzeitung. «Unsere Medien werden in der Berichterstattung sowohl die Befürworter als auch die Gegner zu Wort kommen lassen.»

Der Abstimmungstermin ist in fünf Wochen.

In einer ersten Version stand wirkt statt winkt. Danke dem Leser für den Hinweis.

«Es zeigt sich das Versagen der alten Herren»

«Kleine und mittelgrosse Verlage inklusive CH Media sollten sich besser aus der Geiselhaft der Konzerne befreien» findet Kaspar Surber (40) von der WoZ im Vorfeld der Dreikönigstagung des Verlegerverbandes.

Die Dreikönigstagung des Verlegerverbandes Schweizer Medien (VSM) gilt schon länger als Kongress der Dampflokomotiven-Hersteller. Immerhin wird sich am 6. Januar 2021 nicht mehr in einem piekfeinen Fünfstern-Hotel zugeprostet wie sonst meist. Doch das neunköpfige Präsidium präsentiert sich wie aus der Zeit gefallen. Alles gesetzte Herren mit den Dinosaurier Hanspeter Lebrument (79) und Hans Heinrich Coninx als Alters-Ehrenpräsidenten. Wo gibt’s das sonst noch? Auch die online einsehbare Liste der Mitglieder ist nicht ganz à jour. Es fehlt Ringier, obwohl die Verlagsnummer 2 der Schweiz wieder dabei ist. Und Bernhard Maissen wird immer noch als Chefredaktor von Keystone-SDA geführt, obwohl er seit zwei Jahren BAKOM-Chef ist. Doch genug gemäkelt. Fragen wir doch Kaspar Surber, Redaktionsleiter der «Wochenzeitung WoZ» , was er vom Verlegerverband hält. Surber (40) hat vor vier Jahren Schlagzeilen gemacht, weil er fürs Präsidium des Verlegerverbandes kandidierte. Natürlich erfolglos.

Kaspar Surber, 2016 kandidierten Sie fürs Präsidium. Warum versuchen Sie es nicht nochmals?
Leider ist meine Kandidatur damals am Machtkartell im Verlegerverband gescheitert. Im VSM gibt es ja ein Zensuswahlrecht. Dabei hatte ich eine flammende Rede auf die Medien und die Demokratie gehalten.

Sogar Liliana Lebrument, die Gattin des damaligen Verlegerpräsidenten, hat mir dazu gratuliert.

Weil man unsere Dienste nicht in Anspruch nehmen wollte, sind wir danach aus dem VSM ausgetreten. Wir haben den Verband «Medien mit Zukunft» mitgegründet, der sich seither sehr erfolgreich entwickelt.

Eine Unruhe im Präsidium des VSM täte dem Gremium aber schon gut, oder?
Mir scheint gerade, dass die Mitglieder des VSM schon genug Unruhe unter sich haben. Bei der Diskussion über die Medienförderung hörte man vom Präsidium ziemlich widersprüchliche Signale: Die Interessen der Konzerne und der kleineren Verlage lassen sich offensichtlich immer weniger unter einen Hut bringen.

Der Hardcore-Sanierer Pietro Supino als Verlegerpräsident. Ist das nicht stossend wegen seiner Doppelfunktion?
Dass einer der Verleger gleichzeitig der Präsident sein muss, ist schon logisch. Stossend finde ich viel eher, dass  Supino sich und dem Coninx-Clan über Jahre eine Millionendividende auszahlte und gleichzeitig beim Journalismus sparte. Kann so ein Präsident ein Vorbild für die ganze Branche sein?

Repräsentiert das 9-köpfige Präsidium die sich verändernde Medienwelt genügend?
Ich habe extra nochmals nachgeschaut: Es sitzen tatsächlich neun Männer und keine Frau im Präsidium. Das ist 2021 doch alles andere als zeitgemäss.

Und wie ich schon antönte: Die kleinen und mittelgrossen Verlage, dazu zähle ich auch Peter Wanners CH Media, sollten sich besser aus der Geiselhaft der Konzerne befreien.

Sie können sich auch gerne dem Verband der Medien mit Zukunft anschliessen: Wir freuen uns über alle neuen Mitglieder, die im Journalismus ihr Kerngeschäft sehen.

Die Tamedia kassierte allein bis September 4,2 Millionen Kurzarbeits-Gelder. Was sagen Sie dazu?
2020 gab es soviel zu berichten wie nie.

Wie man da Journalistinnen und Journalisten auf Kurzarbeit setzen kann, kann ich nicht nachvollziehen.

Selbstverständlich will ich die Werbekrise in unserer Branche nicht kleinreden. Aber die starke Nachfrage nach qualitativ guten Berichten zeigt, dass der leserfinanzierte Journalismus durchaus eine Chance hat. Diesen muss man vorantreiben.

Keystone-SDA ist in arger Schieflage. Was halten Sie von der Stützung durch den Staat von 4 Millionen Franken für 2021?
Das finde ich eine äusserst sinnvolle Form der staatlichen Medienförderung: für die SDA, für die Regionalzeitungen, für alle. Richtig wäre es als nächster Schritt, die SDA zu vergemeinschaften und wie die SRG zum Service Public zu machen.

Auch hier zeigt sich das Versagen der alten Herren aus dem VSM: Sie konkurrieren die Nachrichtenagentur, an der sie selbst als Aktionäre beteiligt sind, mit eigenen Angeboten.

Der Bund sollte ihre Aktien übernehmen und die SDA in eine unabhängige Genossenschaft überführen, damit das Trauerspiel endlich ein Ende hat, gerade für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der SDA.

Noch eine Frage zur Republik: Was halten Sie von der bisherigen journalistischen Leistung des Teams, gerade verglichen mit der WoZ.
Die Republik macht journalistisch gute Arbeit und setzt auf ein nachhaltiges Finanzierungsmodell. Wir freuen uns, dass wir einen Partner haben, der in eine ähnliche Richtung arbeitet wie die WOZ. Was gibt es Besseres, als sich am Morgen bisweilen über eine Geschichte zu ärgern, weil man sie auch gerne im Blatt gehabt hätte? Konkurrenz belebt das Geschäft – sofern sie auf Journalismus setzt und nicht auf Contentproduktion.

Das Gespräch wurde schriftlich geführt.

Wer teilnehmen will an der Dreikönigstagung des  Verlegerverbandes Schweizer Medien, kann dies kostenlos tun. Der Kongress findet erstmals online statt: Hier geht’s zur Anmeldung.

Und wer sich selber ein Bild machen will vom VSM, hier der Link zum aktuellen Jahresbericht des Verlegerverbandes.

Die «Schweizer Journalisten»-Macher

Was zählt, ist das richtige Milieu

Zweimal Weihnachten für die Kulturjournalistin Anne-Sophie Scholl: «Schön: Ich darf wieder Namen vorschlagen für die Wahl der Schweizer JournalistInnen des Jahres. Natürlich sehe ich meine Aufgabe darin, tolle Frauen ins Spiel zu bringen!», tweetete die Dame vergnügt, «Das mache ich sehr gerne, danke @CR_Sieber.»

Scholl zählt (wie letztes Jahr) zur Jury des «Schweizer Journalisten». Sie und ein paar andere schlagen die besten Journalistinnen und Journalisten des Jahres vor. Die Liste geht dann an die Schweizer Redaktionen, und jeder Angestellte darf ein Häkchen für seinen Favoriten machen. Wir sind halt so, wir Journalisten. Es gibt keine Kioskfrau des Jahres, dafür Politikjournalist des Jahres, Reporter des Jahres usw.

Normalerweise kommen die Journalisten in die Kränze, die in grossen Redaktionen arbeiten, viele Freunde und wenig Feinde haben. Manchmal bringt dieser Jahrmarkt der Eitelkeiten auch seltsame Blüten hervor. Zum Beispiel letztes Jahr. Als beste Journalistin wurde die Moderatorin Nicoletta Cimmino gewählt. Zur Einordnung: Das wäre etwa so, wie wenn eine TV-Ansagerin einen Oscar gewinnen würde.

Kein Jaulen vernehmbar

Nicoletta Cimmino war die erste Überraschung von David Sieber. Der Chefredaktor des «Schweizer Journalisten» ist ein armer Hund. Seine wahre Leidenschaft gilt dem Fussball (FCB). Seit Corona darf er nicht mehr so viel schreiben. Er muss den Inhalt mit seinen Chefredaktor-Kollegen aus Deutschland und Österreich teilen. Jammern hört man Sieber nicht. Die wenigen Seiten, die ihm verblieben, füllt er pflichtbewusst mit Petitessen: Journalist X hat vor einem Monat eine neue Stelle angetreten, Mediensprecherin Y hat vor drei Wochen ebenfalls einen neuen Job angetreten.

Was Sieber an Feuerwerk noch bleibt, ist der «Journalist des Jahres». Im Unterschied zu früher hat er die geballte Fachkompetenz der Jury allerdings massiv reduziert. Früher zählten zur Jury fast nur Chefredaktoren, bzw. Personen aus der Führungsetage. Menschen halt, die nicht nur fünf Nasen beim Vornamen kennen. Sieber hat Jurymitglieder auserkoren, die in ihren Vorschlägen zu offensichtlich eine Präferenz durchschimmern lassen; ähnlich wie Frau Scholl, die schon lange nicht mehr den Redaktionsalltag von innen kennt.

Und, die neuen Jury-Mitglieder von Siebers Gnaden zählen sicher nicht zum harten rechten Block:

Kaspar Surber (WoZ), Andrea Fopp (Bajour), Simon Jacoby (tsüri), Bruno Bötschi (Bluewin) – und Nicoletta Cimmino (SRF).

Angetreten ist Sieber mit einer Ansage: «Was mich immer gestört hat (bei der Wahl), ist, dass aufgrund des Wahlverfahrens jene im Vorteil sind, die entweder einer grossen Redaktion angehören oder in Zürich arbeiten oder beides.» Zumindest das hat er geändert. Jetzt sind halt die im Vorteil, die vielleicht nicht so gut schreiben, aber im richtigen Milieu angesiedelt sind. Was Sieber aber vermutlich unterschätzt: Sein Hang zum links-alternativen Milieu führt sein Blatt in die Irrelevanz. 95 Prozent der wichtigen Köpfe im geschriebenen Journalismus arbeiten nun mal bei TX Group, CH Media, Ringier und NZZ.