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Was macht eigentlich Föderl-Schmid?

SZ, Plagiat, Gekeife. Stille Rückkehr.

Wie keifte «Tages-Anzeiger»-Oberchefredaktorin Raphaela Birrer: «Nach Plagiatsvorwürfen hat eine bekannte Journalistin offensichtlich versucht, sich das Leben zu nehmen. Es ist das Resultat einer Treibjagd durch den Online-Mob.»

Natürlich gilt damals wie heute die Unschuldsvermutung; allerdings galt für Birrer die Schuldvermutung gegenüber all denjenigen, die der stellvertretenden Chefredaktorin der «Süddeutschen Zeitung» vorwarfen, fremde Texte ohne Quellenangabe abgeschrieben zu haben. Umgangssprachlich auch als Plagiat bekannt.

Erschwerend kam noch hinzu, dass sich Alexandra Föderl-Schmid selbst als Scharfrichterin aufgeführt hatte und in ihrem Buch «Journalisten müssen supersauber sein» behauptet hatte, bei erwiesenem Abschreiben müsse ein Journalist zurücktreten.

Das tat sie auch – vorläufig. Nachdem man sie zuerst vermisst gemeldet und dann unter einer Brücke aufgefunden hatte.

Allerdings hatte sie auch erwiesenermassen abgeschrieben. Das ist nun ein Problem, nicht nur für Birrer, die ohne alle Fakten zu kennen als schlechtes Beispiel für ihre Redaktion vorpreschte – und dann verstummte.

Der von der SZ in Auftrag gegebene Untersuchungsbericht versuchte sich in scholastischer Auslegung und in Dehnungsübungen zum Begriff «abschreiben». Denn auch hier kam man nicht umhin, klarzustellen:

«Wir kommen zu dem Schluss, dass Föderl-Schmid für ihre Artikel stellenweise auf Nachrichtenagenturen, quasi-amtliche Quellen und Archivmaterial zurückgegriffen hat, ohne dies auszuweisen

Das wäre dann mal abschreiben, also genau das, was ihr vorgeworfen wurde. Aber bitte, abschreiben ist doch nicht plagiieren:

«Keine Hinweise fanden wir darauf, dass Föderl-Schmid methodisch die journalistische Leistung von anderen in einer Weise kopiert hätte, ohne die ihre eigenen Texte keine Gültigkeit gehabt hätten. Sie ließ es an Transparenz fehlen, hat aber nicht versucht, Übernahmen von Passagen aus anderen Publikationen zu verschleiern.»

Wunderbar, sie hat irgendwie abgeschrieben, aber was sie nicht abschrieb, hätte auch ohne das Abgeschriebene «Gültigkeit» gehabt. Hä? Ausserdem habe sie nicht «verschleiert». Hä? Sie hat also offenbar pfadengrad abgeschrieben und sich nicht einmal die Mühe gemacht, das Abgeschriebene etwas zu mixen.

Nach dieser Verunklarung geht der «Untersuchungsbericht» auf die Wurzel des Problems ein:

«Ausgelöst wurde dies durch einen Bericht des Branchendienstes Medieninsider, der elf Textpassagen aus drei Artikeln von Föderl-Schmid veröffentlicht hatte, die weitgehend mit Passagen aus anderen Publikationen übereinstimmten, ohne dass sie diese als Quellen genannt hatte.»

Hoppla. Aber: «Er sprach allerdings weder von „Plagiat“ noch von „Skandal“.» Das taten dann erst «das vom Ex-Bild-Chefredakteur geführte Onlineportal Nius sowie der Salzburger Kommunikationswissenschaftler und selbsternannte „Plagiatsjäger“ Stefan Weber».

Diese selbsternannten Schweinebacken und Jäger gingen noch weiter: «Die Autorin suggeriere per Autorenzeile und Ortsangabe, dass sie von vor Ort berichte, unterschlage dabei jedoch, dass sie mit Agenturmaterial und Versatzstücken aus anderen Medien arbeite

Nun muss sich die Untersuchungskommission erst mal erholen und erzählt langfädig von öffentlichen Angriffen, einer «dramatischen Suchaktion», ihrem «Arbeitsauftrag» und ihrer «Vorgehensweise». Zu der gehörte offenbar nicht, Julian Reichelt oder Stefan Weber in die Untersuchung einzubeziehen. Wozu auch, da das Resultat von Anfang an festgestanden haben dürfte.

Nun folgt eine nochmals langfädige Erklärung, was ein Plagiat eigentlich sei. Wer das ohne einzuschlafen überlebt, wird Schritt für Schritt auf die rabulistische Erklärung hingeführt, wieso Föderl-Schmid zwar erwiesenermaßen x-mal und umfangreich abgeschrieben hat, aber:

«Es wäre unverhältnismäßig, aufgrund fehlender Agenturhinweise ein Plagiat zu unterstellen. Auch anderswo werden „zusammengerührte Agenturtexte“ gern als eigenständige Autorenstücke verkauft, getreu dem Motto: Für die Agenturen haben wir bezahlt, also können wir damit machen, was wir wollen. Da ist die SZ kein Einzelfall.»

Das ist das tollste in einer ganzen Reihe von Vernebelungsargumenten: machen doch alle so, nicht nur in der SZ. Aber dann wird das Untersuchungsteam einen Moment lang ganz streng: «Manche dieser Übereinstimmungen irritieren

Aber gemach, die Dame war einfach überfordert:

«Eine stellvertretende Chefredakteurin, die den Newsdesk mit leitet und zugleich als Autorin ständig in Erscheinung tritt, mag für einen Verlag die perfekte Arbeitnehmerin sein, durchzuhalten ist ein solches Pensum nicht.»

Damit hätte sich das Gefälligkeitsgutachten endlich auf Seite 13 zur Schlussfolgerung mäandriert:

«Insgesamt betrachtet ist dieser Fall weit entfernt von einem Plagiatsskandal. Wer Föderl-Schmid vorwirft, sie habe systematisch und in großem Umfang plagiiert, versteht nicht, wie tagesaktueller Journalismus funktioniert.» Und noch ein klares Wort zum Schluss: «Eine Redaktion zu sehr mit Vorschriften einzuengen, bloß um Wortgleichheiten zu vermeiden, wäre dem Journalismus nicht wirklich dienlich.»

Damit haben die Autoren Steffen Klusmann, Henriette Löwisch und Prof. Dr. Klaus Meier ihren Ruf hübsch bekleckert, wenn sie einen hätten. Übertroffen werden sie dabei nur noch von Birrer.

Denn die Autoren sagen im Klartext: wer plagiieren im Tagesjournalismus kritisiert, hat eben keine Ahnung, dass da ständig plagiiert wird. Das per Vorschrift (als ob es nicht schon ohne Vorschrift unanständig und falsch wäre) zu verbieten, würde diesem Plagiatsjournalismus nicht dienen. Allerdings.

Inzwischen wird Föderl-Schmid wieder an den Redaktionsalltag herangeführt. Nicht mehr als Mitglied der Chefredaktion, aber doch als Leiterin des Nachrichtendesks.

ZACKBUM fasst zusammen: Schwein muss der Mensch haben. Er wird glasklar des unanständigen Kopierens ohne Quellenangabe überführt. Aber dann nimmt das Thema Reichelt auf. Darauf wird eine «dramatische Rettungsaktion» nötig, ein Weisswäschergutachten verfasst, alle Kritiker als Hetzer, Mobber und überhaupt Schweinebacken verunglimpft. Schliesslich ist Föderl-Schmid eine Frau, was auch ungemein hilft.

Auch sie darf nun fröhlich verkünden: was geht mich mein dummes Geschwätz von gestern über «blitzsaubere Journalisten» an. Nichts.

Kollateralschaden: wie immer die Glaubwürdigkeit der SZ und von Tamedia.

 

Springers Meisterstück

Kaufen statt selber machen. Auch so geht’s.

Als der Springer-Verlag im August 2021 eine Milliarde Dollar auf den Tisch legte, um den «Politico»-Verlag zu kaufen, ging eine Raunen durch die Runde.

Das US-Blatt erscheint im Print nur während den Sitzungszeiten des Kongresses als Tageszeitung mit einer bescheidenen Auflage von 40’000 Exemplaren. Gegründet wurde es 2007, eine europäische Ausgabe gibt es seit 2015, natürlich auch auf Englisch.

Sozusagen als Kollateralschaden kostet das den «Bild»-Chefredaktor Julian Reichelt endgültig den Job. Denn als die NYT über die Zustände bei «Bild» berichtete, im Zusammenhang mit diesem Ankauf, wollte sich Springer blitzschnell US-Gebräuchen bei der Verfolgung von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz anschliessen.

Aber das nur nebenbei. Wichtig ist, dass sowohl die US-Ausgabe wie auch die europäische im Internet vorführt, wie moderner Politjournalismus heutzutage geht. Aktuell zeigt das gerade die Berichterstattung über die «Pentagon Leaks». Also die Veröffentlichung streng geheimer Dokumente, die belegen sollen, welche militärische Unterstützung die USA der Ukraine gewähren und mit welchen Mitteln sie dort helfen.

Auch wenn «Politico» natürlich nicht die Quelle ist (lustigerweise kamen die Papers über eine Gaming-Plattform in Umlauf), zitieren die meisten deutschsprachigen Medien wie der «Spiegel» das US-Polit-Magazin – oder schreiben ihm einfach ohne Quellenangabe ab.

Besonders bunt treibt’s hier mal wieder Tamedia. Obwohl der Konzern eine Klage gegen den «Spiegel» wegen des Rufmord-Artikels von Anuschka Roshani erwägt, schreibt er einfach dem deutschen Nachrichtenmagazin ab. Das seinerseits bei «Politico» abschreibt.

Auszug aus dem «Spiegel»-Abschreibtext:

«Das Material soll unter anderem Informationen zu Waffenlieferungen an die Ukraine und Angaben zum Munitionsverbrauch beinhalten. Es gibt auch Landkarten, auf denen der Frontverlauf eingezeichnet ist, und Standorte russischer und ukrainischer Truppenverbände und deren Mannschaftsstärken. Einige der als »geheim« gekennzeichneten Schriftstücke stammten vom Februar und März, wie das Nachrichtenportal »Politico« berichtete.»

Auszug aus dem Tamedia-Abschreibabschreibtext:

«Die veröffentlichten geheimen Dokumente beinhalten US-Medienberichten zufolge unter anderem Informationen zu Waffenlieferungen an die Ukraine und Angaben zum Munitionsverbrauch. Es gibt auch Landkarten, auf denen der Frontverlauf eingezeichnet ist, und Standorte russischer und ukrainischer Truppenverbände und deren Mannschaftsstärken. Einige der als «geheim» gekennzeichneten Schriftstücke stammen vom Februar und März, wie das Nachrichtenportal «Politico» berichtete.»

Während aber die deutschsprachigen Medien mit diesem Wiederkäuen beschäftigt sind, dreht «Politico» die Story natürlich weiter und berichtet aus dem Innern des US-Verteidigungsministeriums. Dort sei man «sick to the stomach» über diese Veröffentlichungen, was man mit «ist mir übel» dezent übersetzen könnte.

Ein weiterer Artikel befasst sich damit, wie US-Abgesandte ihre verbündeten Spionagepartner besänftigen wollen, obwohl:

«One said that members of the Five Eyes — the intelligence consortium of the United States, Canada, United Kingdom, Australia and New Zealand — have asked for briefings from Washington but have yet to receive a substantive response.»

Was übrigens in angelsächsischen Medien verwendete anonyme Quellen von europäischen unterscheidet: sie existieren …

Wer selbst austesten will, welche Distanz in der Dichte und Kompetenz des Dargebotenen zu deutschsprachigen Medien existiert, soll doch einfach – etwas Englischkenntnisse vorausgesetzt, ansonsten gibt es zufriedenstellende Simultanübersetzungs-Apps – zu jedem beliebigen Zeitpunkt einen Blick auf die Homepage werfen.

Sonst noch Fragen? Ach ja, das Angebot ist gratis, die US-Ausgabe hat 700 Mitarbeiter, davon mehr als die Hälfte festangestellte Redakteure. Politico Europa hat 200 Angestellte …

«Bild»! Chef! Weg!

Nabelschau aller Orten. Ein Boulevardblatt feuert den Chef. Wahnsinn.

«watson» findet mal wieder die falschen Worte im Titel: «Medien-Tornado in Deutschland». Echt jetzt? Erscheinen die Tageszeitungen wegen Papiermangels nur noch als Faltblatt? Wurde das ß abgeschafft? Hat ein Chefredaktor vergessen, wo er seinen Porsche geparkt hat? Hat Tamedia vergessen, daraus parkiert zu machen?

Nein, der «Tornado» besteht darin, dass der Chefredaktor der «Bild»-Zeitung gefeuert wurde. Per sofort, denn anders geht das bei einem Chef nicht. Oder um es mit dem «Blick» ganz seriös zu formulieren: «Axel Springer entbindet «Bild»-Chefredaktor Reichelt von seinen Aufgaben». Ist halt schon blöd, wenn man mit Springer als Juniorpartner verbandelt ist.

Eigentlich ist die Story vom Nachrichtenmagazin «Der Spiegel» schon längst auf den Punkt gebracht worden, wie es ein guter Boulevard-Journalist nicht besser könnte:

«Vögeln, fördern, feuern».

Das scheint eines der Führungsprinzipien von Julian Reichelt gewesen zu sein.

Inzwischen hat der Boulevard-«Spiegel» ganze acht Redaktoren an die Story gesetzt: «Warum Julian Reichelt gehen musste». Die zähe deutsche Regierungsbildung, Corona, Wirtschaft, nichts ist so wichtig wie diese Personalie. Auch in der Schweiz. Das Medienarchiv verzeichnet rund 100 Treffer für Reichelt, alle Schweizer Printmedien haben über den Rausschmiss berichtet.

Eigentlich eine banale Personalie

Dabei ist die Story so banal wie schnell erzählt. Ein erfolgreicher Chefredaktor kann seinen Hosenschlitz bei der Arbeit nicht geschlossen halten, reaktiviert die Casting-Couch und ermöglicht Karrieren per Beischlaf. Eine erste Untersuchung überlebt er noch leicht ramponiert, machte aber offenbar fröhlich weiter.

Bis dem Springer-Boss der Kragen platzt und Mathias Döpfner vornehm zum Zweihänder greift und köpft: «Privates und Berufliches nicht klar getrennt, dem Vorstand die Unwahrheit gesagt, Weg gerne gemeinsam fortgesetzt, das ist nun nicht mehr möglich.»

Um die Absetzung herum entwickelten sich tatsächlich lustige Nebengeräusche. Zunächst ist Reichelt Opfer einer globalisierten Welt. Denn Springer hat sich das Politportal «Politico» in den USA gekrallt. Eigentlich ein kleiner Laden, aber bedeutend als Nahbeobachter der Politik in Washington. Anlass für die NYT, sich den Käufer mal genauer anzuschauen.

So kam Reichelt in die NYT

Auch die grosse «New York Times» kann Boulevard: «At Axel Springer, Politico’s New Owner, Allegations of Sex, Lies and a Secret Payment». Darunter ein Foto von Reichelt, der sich sicherlich nicht gewünscht hätte, einmal so dort aufzutauchen.

Die Recherchen der NYT ergaben offenbar, dass einiges stinkt im Reiche Döpfner, und dass vor allem Reichelt im Zeitalter von «#metoo» schon längst untragbar war. Allerdings durch seinen Erfolg geschützt blieb, denn die «Bild»-Zeitung hat unter seiner Leitung die allgemeine Auflagenerosion zum Stillstand gebracht und durch knalligen Boulevard ihre Rolle als Meinungsbildner aufgefrischt. Denn wie sagte schon Altkanzler Gerhard Schröder so richtig: Man könne in Deutschland nicht gegen die «Bild» regieren.

So geht relevanter Boulevard.

 

Die Frage bleibt allerdings offen, wieso es genau in Zeiten von «#metoo» genügend willige Weiber gab, die sich tatsächlich den Weg nach oben erschliefen. Aber bald werden wir sicherlich erste Opferschilderungen vernehmen müssen, die wir den Lesern von ZACKBUM aber nach Möglichkeit ersparen.

Eine zweite knackige Nebenstory ergab sich aus der Tatsache, dass parallel zur NYT auch ein Investigativteam der Mediengruppe Ippen dem Unhold Reichelt nachrecherchierte. Aber das Verlagshaus heisst so, weil es dem Senior Dirk Ippen gehört («Frankfurter Rundschau», «Münchner Merkur» und das Boulevardblatt «TZ»).

Der hatte sich gerade, schon wieder Globalisierung, ein Team von der deutschen Ausgabe von BuzzFeed eingekauft. Die wollten als Einstiegskracher ebenfalls die schmutzige Unterwäsche von Reichelt an die Leine hängen. Aber da griff Ippen persönlich ein und stoppte die Publikation zwei Tage vor dem vorgesehenen Zeitpunkt.

Begründung:

«Als Mediengruppe, die im direkten Wettbewerb mit ›Bild‹ steht, müssen wir sehr genau darauf achten, dass nicht der Eindruck entsteht, wir wollten einem Wettbewerber wirtschaftlich schaden.»

Das ist nun putzig und rührend, aber sicherlich nicht die Wahrheit.

Mir san mir und ich bin der Chef: Dirk Ippen.

Wir fassen das laue Lüftchen zusammen, das in den Schweizer Nabelschaumedien Themen wie drohende Energiekrise oder Corona locker wegblies. Ein Boulevardchef knüpft an die schlechten, alten Zeiten an. Sein Verlag stützt ihn als Erfolgsbringer. Der Ankauf eines US-Blogs erregt die Aufmerksamkeit der NYT, was in Deutschland untersagt wurde, wird in den USA publiziert. Weg isser.

Wäre doch eine Knaller-Story hier gewesen …

Sonst noch was? Ach ja, Christian Dorer könnte das garantiert nicht passieren. Ausgeschlossen. Für diesen Schwiegergmuttertraum legen wir die Hand ins Feuer. Vorstellbar wäre ein abruptes Ende höchstens, wenn der Hobbybusfahrer auf dem Fussgängerstreifen einen Rentner mit Rollator totfahren täte.

Under new management, wie der Ami sagt.