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Vive la France mal comprise

Ausland ist gegendarstellungsfrei. Immer gut für Blödeleien.

Vom «Tages-Anzeiger» abwärts (obwohl da nicht mehr viel Luft ist) ging ein Heulen und Zähneklappern durch die Medien. Präsident Macron spinnt. Hat einen Todeswunsch. Macht alles kaputt. Hat Neuwahlen angesetzt, die ja nur ein Ergebnis haben können: das Rassemblement National wird gewinnen. Die Rechtsradikalen. Die Rechtspopulisten. Die Neofaschisten. Die Rassisten. Die Hetzer. Die Familie Le Pen.

Weltuntergang, die Republik ist am Ende. Was bedeutet das, wenn Marine Le Pen oder ihr politischer Ziehsohn Jordan Baradella an die Macht kommen? Versinkt die Grande Nation im Elend, im braunen Sumpf? Muss man auswandern? Droht eine neue Flüchtlingswelle, diesmal aus dem Westen?

Schon die Europawahlen waren ein Menetekel. «Rechtsextreme bedrängen Europas Mitte», warnte Stephan Israel in Tamedia. «Macrons grosser Trugschluss», orakelte Oliver Meiler aus Fronkraisch. Dazu der «französische Soziologe», die Kassandra: «Macron ist nicht der Retter Europas, sondern dessen Zerstörer». Geht noch einer drüber? Sicher: «Rechtsruck in Europa – droht jetzt der grosse Riss in der Zivilisation

Nein, eher der Hirnriss, aber das ist ja nichts Neues. «Macrons übles Spiel hilft den Rechten», wusste der Fronkraisch-Kenner Meiler noch vor den Wahlen. Bereits schwant ihm das Übelste: «Was die Lepenisten planen, falls sie an die Macht kommen». Grauenhaft: «Und was, wenn Marine Le Pen sehr hoch gewinnt?» Und noch nach der ersten Wahlrunde: «Le Pen Welle schwemmt Macrons Machtaura weg».

Aber dann: «Überraschung in Frankreich». Überraschung? Die Linke (antisemitisch, populistisch und geführt von Krawallanten) gewinnt, Macrons Haufen wird immerhin Zweiter, das Rassemblement landet abgeschlagen auf dem dritten Platz.

Ist das wirklich eine «Überraschung»? Überraschung ist, wenn die Wirklichkeit nicht so will wie der Schreiberling. Überraschung ist, wenn der Fronkraischkenner (wobei Meiler nur ein Beispiel unter vielen ist) weder die Franzosen, noch deren Wahlsystem noch sonstwas verstanden hat. Überraschung ist, wenn der Leser mal wieder auf den Arm genommen wird, dafür bezahlt, verscheissert zu werden. Wenn er Geld abdrücken soll, damit überlegene Kompetenz, Analyse, Einordnung und viel Fachwissen auf ihn niederregnen. Zumindest fantasiert davon die Chefredaktorin Raphaela Birrer. Betriebsblindheit, Realitätsverlust ist auch keine schöne Sache.

Gewinnt die AfD in Deutschland, weiss die Journaille nicht, ob sie das kleinschreiben soll oder Angst vor einer braunen Welle schüren. Wird deren Führungspersonal souverän wiedergewählt, möchte der Deutschland-Korrespondent gerne vergessen machen, dass es laut ihm schwer gewackelt hat.

Verliert das Rassemblement in Frankreich, greift der Korrespondent zur billigsten aller Ausreden. Statt sich zu schämen und zu entschuldigen dafür, dass er krachend danebenlag.

Das fördert die Leser-Blattbindung ungemein. Das steigert das Image von überlegener Kompetenz in die Stratosphäre. Das löst beim Leser die Frage aus: wenn nicht einmal Frankreich im Einzugsbereich sinnvoller Analysen liegt, wie steht es dann mit dem ferneren Ausland? Kann man Tamedia bei China, bei den USA, in Afrika, in Asien, in Lateinamerika vertrauen?

Die Frage stellen heisst, sie beantworten. Wozu ist Tamedia dann noch gut, Geld wert? Bevor ZACKBUM den Telefonjoker nehmen muss: vielleicht mit der Rubrik «Taylor Swift in der Schweiz»? Oder mit dem Kommentar «ESC verhindern – hat die SVP nichts Besseres zu tun?» Oder mit der Rubrik «Ab ans Mittelmeer»? «Fit und gesund durch den Sommer»? Nein, wir haben’s. Mit dem Video «Chickpea-Dürüm nach Elif». Das löst garantiert «muss haben» aus.

Angefressen

Claudia Schmid von Tamedia leistet sich was.

Zu den wenigen Genüssen im Elendsjournalismus gehört, dass man gelegentlich auf Redaktionsspesen was futtern darf. Wenn das Ergebnis lautet «Ein gediegener, aber teurer Abend mit einigen Malheurs», dann ist da offenbar einiges schiefgelaufen.

Man fragt sich allerdings, bei wem. Denn Schmid durfte mit Gatten und Kind (Kind in einem Luxusrestaurant? Grossartig) «La Soupière» im Hotel Schweizerhof in Zürich ausprobieren. Das scheint nicht ganz ihr gewohntes Preisniveau zu sein, denn sie wundert sich einleitend, dass ein Glas Rosé-Champagner 23 Fränkli kostet. Als hätte es nicht billigere Alternativen dazu gegeben.

Obwohl’s doch Tamedia zahlt, wird schon mal gemeckert: «Aber der Gedanke, dass wir mit leerem Bauch schon 50 Franken los sind, ist bemerkenswert.» Der Gedanke, dass ein Apero meistens auf leeren Magen genossen wird, scheint der Restaurantkritikerin nicht gekommen zu sein. Auch dass ein Perrier-Jouet Rosé unter Brüdern 70 Franken die Flasche kostet, im «Schweizerhof» kundenfreundlich nur das Doppelte (normalerweise wird mit Faktor 3,5 kalkuliert), das sind Feinheiten der Gastronomie, die Schmid völlig entgehen.

Dann wird gelobt («schöner kulinarischer Auftakt»), leicht gemeckert (das Schnitzel für kostengünstige 29 Franken von der «Kids-Karte» kam mit gedämpften Kartoffeln statt mit Pommes frites), wieder gelobt («vielschichtige Suppe, schön angerichtet ist der Salat»). Was für ein Feuerwerk gewählter kulinarischer Fachsprache.

Dann enttäuscht der Zander, «ein Stückchen Filet, das in wenigen Bissen weg ist. Das Kartoffelpüree dazu ist trocken». Dann wird wieder gelobt und gemeckert zugleich: «Dafür ist das Filet beim Züri-Gschnätzlets (62 Fr.) wunderbar weich, die Sauce sämig und die Rösti nicht zu fettig und knusprig. Mittlerweile sitzt eine amerikanische Gruppe nebenan, die lautstark ebenfalls «Zuurigöschnatzöltes» bestellt

Mag sein, dass die Amis bei der Aussprache Mühe haben. Aber eine Restaurant-Kritikerin, die behauptet, fürs Züri Geschnätzlets werde Filet verwendet? Die hat nun wirklich keinen Hauch einer Ahnung.

Inwiefern andere Gäste etwas über die Qualität des Gebotenen aussagen, bleibt zudem schleierhaft. Aber dann Höhe- und Tiefpunkt zugleich: «Als Nachspeise erblickt der Familienvater auf dem Dessertwagen eine Schokoladentarte (13 Fr.)». Aber der Familienvater hat eine «starke Haselnussallergie» und fragt daher, ob das Küchlein solche enthalte. Der Kellner verneint. Dann das Malheur: das Dessert bestehe «zum Grossteil aus Nutella». Wie das allerdings Schmid herausfand, bleibt ihr süsses Geheimnis.

Auch über die gesundheitlichen Auswirkungen schweigt der Kritikerin Höflichkeit, dabei wäre es hier doch angemessen gewesen, die Frage in den Raum zu stellen, ob eine Schokoladentarte wirklich aus Nutella bestehen darf. Natürlich nicht, aber vielleicht ist das zu sehr gehobene Gastronomie für Schmid.

Denn eine klassische Tarte besteht nur aus Zartbitterschokolade, Butter, Eier, Zucker und Mehl. Sollte in «La Soupière» tatsächlich das Dessert so angekündigt worden sein und Nutella enthalten, dann wäre das wirklich ein Grund, loszuprügeln. Aber das ist Schmid entgangen.

Sie vergisst dann nicht zu erwähnen, dass Tamedia um 300 Franken ärmer geworden sei, sich die Hoteldirektion nach telefonischer Meldung des Nutella-Unfalls schriftlich entschuldigte. Aber sie muss nachtreten: «Warum La Soupière auf Tripadvisor so hoch bewertet ist, wird nach diesem Besuch nicht klar.»

Noch weniger klar ist, wieso eine offensichtlich jeglicher Befähigung zu einer kulinarischen Kritik abholde Esserin, die mit Mann (Allergiker) und Kind (Schnipo-Fan) ein Luxuslokal aufsucht, sich zum Anfang samt Familienvater zwei Rosé-Champagner reinpfeift, um dann in rustikalen Worten («schön angerichteter Salat, Filet wunderbar weich») das Dargebotene zu beckmessern, meint, dass eine solche Watsche etwas mit Qualitätsjournalismus zu tun habe.

Sie weiss nicht, woraus eine Tarte besteht, sie weiss nicht, welches Fleisch für ein Geschnätzlets verwendet wird, und sie weiss nicht, was ein Rosé-Champagner einer Prestigemarke kostet.

Wahrscheinlich war der Guide Michelin in einem anderen Restaurant zu Gast, der von der «stilvollen Einrichtung» schwärmt, dem «geschulten Service» und der «modern umgesetzten klassisch-französischen Küche». Wozu nun weder ein Schnipo (mit oder ohne Pommes frites) oder gar ein Züri Geschnätzlets gehören.

Dass man zu dritt in einem Luxuslokal 300 Franken ausgibt, kann als eher kostengünstig eingestuft werden. Dafür ein Kind mitzuschleppen, gehört eigentlich zu den kulinarischen Todsünden (aber he, wenn Papi Tamedia zahlt). Und den einzig wahren Faux-pas nicht zu bemerken, dass eine Schokotarte sicherlich nicht aus Nutella bestehen darf, das disqualifiziert endgültig.

Eigentlich sollte «La Soupière» Schadenersatz für eine unqualifizierte Schmähkritik verlangen. Aber dafür ist man sicher zu stilvoll.

 

Birrer tut weh

Jetzt wird sie auch noch zur Energiepolitikerin.

«Blut, Schweiss und Tränen». Das versprach Winston Churchill den Briten im Zweiten Weltkrieg. In diesem Sinne titelt die Tamedia-Chefredaktorin Raphaela Birrer:

Hoppla, falsche «Meinung», obwohl der Einstieg stimmt: «Viel liesse sich sagen über diese Tage». Also nochmal:

Schon wieder daneben, das ist doch der Beitrag von Tamedia zur Volksgesundheit. Schliesslich muss auch das Gehalt der Chefredaktorin bezahlt werden, von der unsichtbaren Kerstin Hasse ganz zu schweigen. Aber jetzt wirklich:

«Dann muss es jetzt schmerzen», droht Birrer ihren Lesern. Da wäre mal diese Zielgruppe: «So ist zum Beispiel unbegreiflich, warum es Besitzern von neu gebauten Einfamilienhäusern nicht zuzumuten ist, auf dem Dach Solarpanels zu installieren.»

Küche, Bad, Garten, da fielen doch so ein paar Photovoltaik-Panele made in China sicherlich nicht ins Gewicht. Aber das ist natürlich nicht alles: «Nötig sind darüber hinaus frei stehende Solarstromanlagen in den Alpen und Windparks

Nun ist es aber mit diesen Solarstromanlagen (und Flatterstrom aus Windparks) so eine Sache. Wie schon Peter Bodenmann schmerzlich erfahren musste, klaffen da Wunsch und Wirklichkeit ein paar Terawatt auseinander. Das, und nicht etwa der «unerbittliche Widerstand von Naturschützern», erschwert «den Erfolg solcher Projekte». Da nützen auch martialische Töne nichts: «Hier braucht es rasch griffige Mechanismen, die diese Blockademacht reduzieren.» Allerdings: dass nur ein Bruchteil des geplanten Stroms produziert werden kann, dass kein Konzept für die Speicherung und den Abtransport existiert, das wären die eigentlichen Probleme in den Alpen.

Es könnte immer helfen, sich zuerst über ein Thema zu informieren, bevor man lospoltert. Fehlt noch ein energiepolitischer Kurzschluss? Aber sicher, wir sind hier doch bei Tamedia: «Die SVP belügt die Bevölkerung zum wiederholten Mal über die angeblichen Kosten der Energiewende.»

Sehr viel sanfter geht Birrer mit den «Promotoren des neuen Gesetzes» um: auch sie «sollten Kostenwahrheit schaffen». Also aufhören zu lügen.

Denn: «Jetzt müssen die ehrlichen Antworten kommen.» Während im Abstimmungskampf gelogen wurde, dass sich die Strommasten bogen. Birrer wagt abschliessend einen Blick in die Zukunft: «Und jetzt müssen die für breite Kreise schmerzhaften Massnahmen folgen – Bauvorschriften und Landschaften werden sich verändern

Das werden die «breiten Kreise», also die schwindende Leserschaft von Tamedia, sicher gerne hören. Vor allem, wenn solche Ankündigungen aus berufenem und kompetentem Mund kommen.

«Republik»: Der Sumpf

Der ehemalige Chefredaktor Christof Moser beschimpft den VR.

Auch der Misserfolg hat Väter. Bei der «Republik» sind das vor allem die beiden Gründer Christof Moser und Constantin Seibt. Seibt mäandert sich seit der Gründung mit ellenlangen Texten durch das Magazin, die immer weniger Leser finden, aber immerhin kürzer als das halbe Buch über Google sind. Wenn auch nicht weniger langweilig. Über sich selbst wuchs er in ellenlangen Newslettern hinaus, in denen mit immer neuen Sprachgirlanden eingestanden werden musste, dass die «Republik» ihre Finanzen nie im Griff hatte. Einmal drohte sie sogar mit Selbstmord, um an neue Kohle ranzukommen.

Wie viele Abonnenten es brauche, um welches Budget zu finanzieren, selbst an dieser einfachen Berechnung scheitert das Organ bis heute. Seibt ist dabei der Strippenzieher und Guerillakämpfer, der sich gerne als einfachen «Reporter» bezeichnet. Clever trat er blitzschnell aus dem VR zurück, als ein möglicher Steuerbeschiss von fast einer Million Franken ruchbar wurde. Da könnte es ja Haftungsfragen geben.

Christof Moser übernahm von Anfang an die Chefredaktion und verteidige mit Zähnen und Klauen (und viel Geld für Anwälte) jede Fehlleistung der «Republik», die ums Verrecken niemals freiwillig eine Korrektur oder gar eine Entschuldigung publizieren wollte. Aber musste.

Zwischen den beiden soll es dann zu einem Diadochenkampf gekommen sein, den Seibt gewann, Ende 2021 wurde Moser vom Posten des Chefredaktors hinausgetragen. Seither bekleidet er die nicht näher definierte Position einer «Stabsstelle Chefredaktion». Aus dem fernen Berlin. Von dort aus schimpfte er schon vor Monaten über üble Intriganten-, Vettern- und Misswirtschaft auf der «Republik».

Lustigerweise auf Englisch keifte er: «Es geht sehr schnell und man sieht sich plötzlich mit einer Anhäufung von Inkompetenz, Mobbing und Fehlentscheidungen konfrontiert, die einen sabotieren. Und sie hindern dich daran, erfolgreich weiterzuarbeiten.»

Sein Ratschlag:

«Achten Sie darauf, was hinter ihrem Rücken in den strategischen Gremien passiert.»

Damit war offensichtlich auch der VR gemeint. Seine damalige Prognose: «Ist das (schlechtes Management, Red.) passiert, setzt sich die Abwärtsspirale fort und das Unternehmen bricht langsam aber sicher zusammen. Warum? Denn schlechtes Management lässt sich nur durch noch mehr schlechtes Management rechtfertigen. Es geht weiter und weiter und weiter. Und wird niemals aufhören. Bis der Schaden angerichtet ist.» Und die Verwirrten im Sumpf steckenbleiben und nicht herausfinden.

Aktuell legt Moser nach: «Erinnerst du dich an mein Posting über «the swamp», diese tödliche Mischung aus Inkompetenz, Mobbing und Fehlentscheidungen? Jeder, der in den letzten 16 Monaten den falschen Kurs des Vorstands (und der Unterstützer im Hintergrund) kritisierte, wurde diffamiert. Nun liess sich der Sumpf nicht mehr verbergen. Und den Preis zahlen wie immer die Mitarbeiter. Das ist traurig.»

Und was sagt die «Republik» zu dieser vernichtenden Attacke ihres Mitgründers und Mitarbeiters in einer Stabsstelle? Das sei dann im Fall nicht ihre Meinung.

Das ruft nach einer Wortschöpfung: Republipeinlich. Konfliktscheue, inkompetente Geldvernichter. Mit dem eigenen Bauchnabel beschäftigt und mit sonst nichts. Zurzeit im Nahkampfmodus, wer fliegt und wer bleiben darf. Eines ist dabei sonnenklar: transparent wird der Prozess nicht ablaufen, nicht die Schlechtesten und Überflüssigsten werden gehen müssen, nicht die Besseren und Brauchbaren werden bleiben. Sondern hier wird ganz human, solidarisch und gutmenschlich gemobbt, intrigiert und gemeuchelt.

 

Wumms: Christoph* Eisenring

Die NZZ hat kompetente Wirtschaftsredaktoren. Und dann noch Eisenring.

«Scheinheiliger Aufschrei der CS-Gläubiger», so rügt Eisenring in einem Kommentar Obligationäre, die sich auf die Verbindlichkeit eines Ausgabeprospekts verlassen haben.

Er tut das am gleichen Tag, als bekannt wird, dass sich auch die Migros-Pensionskasse einer Klage von weiteren Gläubigern der Credit Suisse angeschlossen hat, die gemeinsam über 4,5 Milliarden Franken in AT1-Obligationen investiert hatten. Das sind Zwangswandelanleihen, die zur Stärkung des Eigenkapitals in Aktien umgewandelt werden können.

Die Klage wurde beim Bundesverwaltungsgericht eingereicht, weil sie sich gegen die Anordnung der FINMA richtet, mit einem Federstrich 16 Milliarden Franken für wertlos zu erklären. Rechtsvertreter ist die Wirtschaftskanzlei Quinn Emanuel Urquart & Sullivan. Die gehört zu den Grössten auf der Welt und vertritt auch Gläubiger in den USA oder in Singapur.

Eine Kanzlei wie diese klagt nicht einfach drauflos, weil sie durchaus einen Ruf zu verlieren hat. Ausserdem dürfte eine grosse Anzahl ihrer Anwälte mehr Finanzkompetenz haben als Eisenring. Der klärt nämlich auf:

«Doch angesichts der nun drohenden gerichtlichen Auseinandersetzung sollte man das grosse Bild nicht aus den Augen verlieren. Die strittigen Anleihen hiessen nicht umsonst «Write-down Capital Notes». Sie wurden zum erweiterten Kernkapital der Bank gezählt. Schon auf der ersten Seite des Emissionsprospekts heisst es, es bestehe das Risiko, dass Investoren ihr ganzes Geld verlören, wenn es zu einem auslösenden Ereignis komme.»

Da hat er richtig abgeschrieben, nur: welche auslösenden Ereignisse sind gemeint? Auch die Koryphäe aus dem Hause NZZ räumt ein, dass der Trigger, dass die Kernkapitalquote unter 7 Prozent rutscht, bei «der Credit Suisse wohl (noch) nicht der Fall» gewesen sei. Was hier ein dämliches «noch» soll? Im Moment der Vernichtung der 16 Milliarden war die Kernkapitalquote amtlich noch über 7 Prozent. Punkt.

Trigger zwei: «Sollte der Staat der Bank ausserordentliche Hilfe gewähren, um eine Zahlungsunfähigkeit abzuwenden, können die Behörden ebenfalls die völlige Abschreibung einleiten.» Nun hatten aber die Nationalbank und die FINMA noch am Mittwoch, also vier Tage vor der Abschreibung, mit treuem Augenaufschlag versichert, dass die CS sowohl solvent wie liquide sei, kein Grund zur Panik. Darauf vertrauend kauften Anleger weiter diese AT1-Bonds.

Es ist also, im Gegensatz zur Darstellung von Eisenring, überhaupt nicht eindeutig erwiesen, dass die FINMA rechtens handelte. Seine weiteren Begründungen ragen dann schwer ins Reich der Fantasie: «Die Schweiz muss sich von gewieften angelsächsischen Kanzleien nicht ins Bockshorn jagen lassen. Diese Klagen sind der Preis dafür, dass man für die Rettung die Aktionäre und Gläubiger heranzieht und nicht alle Risiken beim Steuerzahler ablädt

Risiken beim Steuerzahler abladen? Was für ein Unfug, die 16 Milliarden wären in den Büchern der UBS gelandet, womit der Steuerzahler glücklicherweise (noch) nichts zu tun hätte. Stattdessen hat die FINMA der UBS ein 16-Milliarden-Geschenk gemacht, während der Steuerzahler das Prozess- und Haftungsrisiko aufs Auge gedrückt bekam. Also genau das Gegenteil der Behauptungen von Eisenring ist richtig.

Dann behauptet Eisenring noch: «Hohe Renditen signalisieren stets hohes Risiko – das sich im Fall der Credit Suisse für einmal materialisiert hat.» Der erste Teil des Satzes stimmt; allerdings sind Renditen von bis zu 10 Prozent noch keineswegs Casino- oder Wucherzinsen, sondern für eine Kapitalanlage bei der früher einmal stockseriösen CS durchaus im Rahmen.

Völlig absurd ist dann seine Behauptung: «Dass Anleihengläubiger bei einer Bankenrettung in die Pflicht genommen werden, ist deshalb richtig. Banken, die entsprechende Anleihen emittieren, müssen nun zwar mehr bezahlen als vor der Credit-Suisse-Episode. Aber die Neubepreisung von Risiken ist ein reinigendes Gewitter, das über dem Bankenmarkt niedergegangen ist.»

Ein mehr als fragwürdiger Entscheid einer Staatsbehörde soll eine «Neueinpreisung von Risiken» bedeuten? Nein, das ist ein Kollateralschaden einer von Anfang an mehr als umstrittenen Entscheidung einer Behörde, deren Kompetenz schon vorher mehr als fragwürdig war.

Rechthaberei ist eine Sache, Juristerei eine andere. Aber es gibt ja glücklicherweise ausserhalb der NZZ und der FINMA so etwas wie eine Wirklichkeit. Und Logik. Die besagt glasklar: die CS erfüllte zum Zeitpunkt des Abschreibers laut der gleichen FINMA allen regulatorische Kapitalanforderungen. Also musste keine Zahlungsunfähigkeit abgewendet werden. Das wäre aber der einzige Grund gewesen, die 16 Milliarden auf null abschreiben zu können. Ohne Auslöser kein Abschreiber. Wenn doch Abschreiber, dann zumindest Haftungsproblem des Staates.

Quod erat demonstrandum. Aber vielleicht kann Eisenring auch kein Latein.

*Nach Leserhinweis korrigiert … ZACKBUM schämt sich mal wieder.

Die Hunger-Kreische

Andrea Bachstein trägt das Leid der Welt auf den Schultern – und ins Blatt.

Ein ungeheuerlicher Massenmord spielt sich ab auf der Welt. «Ein Mord an 811’000’000 Menschen», knallt Tamedia ihren Lesern vor den Latz. Was, Sie indolenter Unmensch, noch nie davon gehört?

Dabei ist es eine «einzige Anklage an die Menschheit», erhoben von der «Welthungerhilfe». Das treibt Andrea Bachstein die Wände hoch. Nicht länger mehr kann sie sich um eher putzige Themen kümmern:

Atempause vorbei, tief Luft geholt und …

Nein, die Autorin der «Süddeutschen Zeitung» ist ausser sich. Das müssen die Leser der SZ aushalten, und auch die Konsumenten der Qualitätsmedien von Tamedia bekommen diese Anklage aus München serviert.

811 Millionen Menschen hungern, 41 Millionen stehen am Rande einer Hungersnot, weiss Bachmann. Ursachen? Logisch, Kriege und Konflikte, aber auch Naturkatastrophen:

«Es geht da längst nicht mehr um Einzelereignisse. Die Naturkatastrophe heisst Klimawandel, mal zeigt er sich in einer Flut, mal in einer Dürre.»

Nun sind die Ursachen von Hunger seit Thomas Malthus (1766 bis 1834) umstritten. Der englische Ökonom stellte das Axiom auf, dass die Menschen in geometrischer Progression und die Lebensmittel in arithmetischer Progression zunehmen. Wodurch Überbevölkerung zwangsläufig zu gravierenden Hungersnöten führen müsse.

Schon einige Theorien über Hunger scheiterten 

Als er diese Erkenntnis 1820 publizierte, lebte rund eine Milliarde Menschen auf der Erde. Inzwischen sind es acht mal mehr. Was seine Theorie widerlegt. Es ist längst bekannt, dass die Nahrungsmittelproduktion problemlos 8, sogar 10 oder 12 Milliarden Menschen ernähren könnte. Also sind die Probleme nicht naturgemacht, sondern von Menschen verursacht.

Schaut man sich den «Welthungerindex» an, fällt sofort auf, dass fast alle Länder mit «ernstem bis gravierendem» Schweregrad von Hungerproblemen in Afrika liegen. Obwohl Afrika problemlos in der Lage wäre, sich selbst zu ernähren und noch die Hälfte der übrigen Weltbevölkerung dazu.

Elendsregimes, Potentaten, mangelhafte Infrastruktur, kaum funktionierende Transportwege, Systeme, die durch sinnlose Entwicklungshilfe in Multimilliardenhöhe funktionstüchtig gehalten werden, das sind die Ursachen dieses Verbrechens, dieses «Menschheitsskandals», wie ihn Bachmann nennt.

Sind wir alle daran schuld?

Wenn es ein Menschheitsskandal ist, dann ist die Menschheit insgesamt daran schuld. Natürlich vor allem wir vollgefressenen Teilhaber an den Überflussgesellschaften der Ersten Welt, suggeriert die Autorin.

Es ist richtig: In der Schweiz fallen jedes Jahr 2,8 Millionen Tonnen «Lebensmittelverluste» an. 330 kg pro Kopf und Jahr wandern nicht in die Mägen, sondern in die Mülltonne. Eine verdammte Schweinerei, unbestritten.

Aber: wie belastbar ist diese Zahl von 811 Millionen hungernden Menschen? Wenn es um solche Schreckensthemen geht, ist der Vorwurf immer nahe, dass jedes kritische Hinterfragen der Ausdruck von kaltherzigem Zynismus sei. Das Gegenteil ist richtig: wer mit solchen Zahlen hantiert und die nicht wirklich belegen kann, ist ein verdammter Zyniker.

Wer mit solchen Zahlen und Ursachen hantiert, ist inkompetent

Wer sie zum Anlass zu Aufschrei, Verurteilung und wilden Behauptungen über den Klimawandel als Ursache verwendet, ist zudem inkompetent. Wie Bachmann, die lieber bei der Gartenpflege bleiben sollte.

Der ihrer Anklage zugrunde liegende Welthungerindex wird von der deutschen «Welthungerhilfe» und der NGO «Concern Worldwide» erstellt. Ohne Zweifel honorige Intstitutionen, die nur das Beste wollen. Aber können sie es auch?

Nicht einfach zu durchschauen, die «Komponenten».

Die Berechnungsgrundlagen für Hunger zeigen ein multifaktorielles Bild. Komplex, kompliziert, schwer praktikabel. Noch schlimmer sieht es bei den verwendeten Indizes, Faktoren, Massstäben zur Beurteilung des Hungerniveaus aus. Da werden – natürlich im Kleingedruckten – so sinnvolle Quellen wie «Schätzungen der Autor*innen» verwendet.

Denn in vielen Elendslöchern der Welt, wo kaum staatliche Einrichtigungen existieren, sind Statistiken oder Erhebungen nicht mehr als kühne Schätzungen, Ferndiagnosen. Noch unzuverlässiger als die Durchführung von Wahlen in Berlin, also sehr unzuverlässig.

Ein Ausschnitt aus der Berechnungsmethode …

Das alles bedeutet natürlich nicht, dass gravierender Hunger in der Welt nicht existiert. Natürlich verursacht Hunger schwerste Beeinträchtigungen bei der Entwicklung von Kindern. Also ist die wodurch auch immer verursachte Mangel- oder Unterernährung, weil unnötig, ein Versagen. Ein Verbrechen. Also menschengemacht.

Entwicklungshilfe ist eine der Hungerursachen

Perverserweise ist eine der Ursachen falsch verstandene Hilfe. Exemplarisch ist das Beispiel Äthiopien. Ein Land, das immer wieder von Hungersnöten heimgesucht wird. Die immer wieder mit freigiebigen Lebensmittelspenden bekämpft werden. Die immer wieder die gleichen verheerenden Auswirkungen haben. Menschen leben und vermehren sich in Gegenden, die aus verschiedenen Gründen nicht dazu geeignet sind, autonom eine so grosse Anzahl von Menschen zu ernähren.

Noch schlimmer: Lebensmittelnothilfe zerstört regelmässig die landwirtschaftliche Infrastruktur. Denn lokale Bauern müssen für ihre Produkte Bezahlung einfordern, sonst verhungern sie selbst. Wenn aber Gratis-Lebensmittel bezogen werden können, wer ist dann so dumm, dafür zu bezahlen? Solche Teufelskreise – neben Staatsversagen – verursachen Hungernöte. Kein «Schachern um CO2-Kontingente», wie die Autorin einäugig fixiert auf ihr Lieblingsthema behauptet.

Wozu hat Tamedia noch eine Auslandredaktion?

Wer die Menschheit, also uns alle anklagt, beim Mord an 811 Millionen Menschen einfach zuzuschauen, sollte diesen Vorwurf schon untermauern und begründen können. Es werden nicht 811 Millionen durch Hunger ermordet, es sind geschätzt 811 Millionen, die an Hunger leiden. Nun bewirkt weder der Klimawandel zunehmende Hungersnöte, noch mildert Entwicklungshilfe sie. Im Gegenteil, dadurch werden Hungersnöte perpetuiert.

Angeblich verfügt Tamedia noch über eine Auslandredaktion. Statt solchen Unsinn ungefiltert von der SZ zu übernehmen, könnten sich die Sesselfurzer doch einmal um Faktencheck und andere sinnvolle Tätigkeiten kümmern. Dann würden die Leser vielleicht einsehen, dass es Sinn macht, dafür auch Hunderte von Franken im Jahr zu bezahlen.

Die SZ titelt viel vorsichtiger als Tamedia.