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Assange has left the building

Damit wurden früher tobende Elvis-Fans zum Ausgang getrieben. Heute eiern die Medien herum.

Persoenlich.com hat sich die Mühe gemacht, die Stellungnahme von Schweizer Berufsorganisationen und NGO einzuholen. Während «Reporter ohne Grenzen» sich einfach erleichtert zeigt und den Deal begrüsst, der zur Freilassung führte, meckert investigativ.ch daran herum. «Pressefreiheit verträgt grundsätzlich keine Deals mit Staatsbehörden», behaupten die Sesselfurzer. Nach ihnen hätte Assange wohl im Hochsicherheitstrakt krepieren sollen.

Syndicom hingegen begrüsst nicht nur die Freilassung, sondern kritisiert auch die «absolut unmenschlichen Haftbedingungen». Impressum fordert einen besseren Schutz von Whistleblowern.

Während sich bereits am zweiten Tag nach der Freilassung von Julian Assange die Mainstreammedien auf eher neutrale Reiseberichterstattung beschränken (nachdem sich vor allem bei Tamedia Kritikaster ausgetobt hatten), weist Renzo Ruf in der NZZ darauf hin, dass Assange sich für den Verstoss gegen ein Gesetz schuldig bekannt hatte, «das ursprünglich im Ersten Weltkrieg zur Verhinderung von Spionagetätigkeiten verabschiedet worden war».

Ansonsten regiert mal wieder die SDA; srf.ch, mangels eigenen Kräften, übernimmt die dpa.

Das war’s?

Ein wenig Würdigung, ein wenig Kritik, Vollpfosten wünschen dem Mann, dass er als tapferer Märtyrer in seiner Zelle hätte verfaulen sollen, denn ein aufrechter Verteidiger der Pressefreiheit gehe doch keine Deals ein.

Besonders lachhaft sind Kritiken an Assanges Grundhaltung, dass es die Aufgabe seiner Plattform sei, ihr zugespielte geheime Dokumente integral und ungeschwärzt zu veröffentlichen, auch wenn das darin angeführte Personen in Schwierigkeiten oder gar in Gefahr bringen könne.

Allerdings wäre die Alternative dazu das, was seit Jahren internationale Gangs von sogenannten «Investigativjournalisten» machen. Die bekommen von anonymen Quellen Millionen von vertraulichen und gestohlenen Geschäftsunterlagen zugespielt. Dann werten sie die monatelang im Geheimen aus und gehen mit krachenden Titeln über der Hehlerware an die Öffentlichkeit. Blutgelder, Oligarchen, Diktatoren, hochrangige Politiker, es werden Enthüllungen und Entlarvungen angekündigt (wie in der Titelillustration hier).

Dann gebären die Berge kleine Mäuse, unlängst beschwerte sich sogar ein Schweizer Vertreter dieser Zunft darüber, dass er versucht hatte, einen Skandal hochzuschreiben, der dann keiner wurde. Weil sich das Publikum nach der x-ten Wiederholung gähnend abwandte.

Das Problem dieser Methode ist allerdings: niemand kennt die Motive der Datendiebe; auffällig ist nur, dass die USA als Weltzentrale von Geldwaschmaschinen und anonymen Briefkästen nie vorkommen. Anschliessend treffen die Journalisten eine Auswahl nach Gutdünken, wen sie ans mediale Kreuz nageln wollen – und wen nicht. Schliesslich arbeiten die Ankläger, Richter und Henker mit juristisch abwattierten Konjunktiv-Unterstellungen, bis sie gelegentlich knirschend einräumen müssen, wie im Fall von Gunter Sachs selig, dass sie sich völlig verhauen haben.

Die Freilassung von Assange wäre eine Gelegenheit gewesen, dieses Verhalten kritisch zu hinterfragen. Aber doch nicht im Journalismus, der gegen alles kritisch austeilt – ausser gegen sich selbst.

Weinerlichkeiten

Tamedia traute sich nicht, gestohlene Bankdaten zu veröffentlichen. Nun wird nachgetreten.

Es gibt eine «UNO-Berichterstatterin für Meinungsfreiheit». Dieses Amt wird zurzeit von Irene Khan ausgeübt. In ihrem jüngsten Bericht kritisiert sie die Schweiz scharf.

Die Juristin aus Bangladesh machte in der UNO-Bürokratie Karriere, bis sie 2001 Generalsekretärin bei Amnesty International (AI) wurde. Von diesem Amt trat sie 2009 zurück. Aufsehen erregten ihre Bezüge (632’000 Franken), deren Publikation sie mit einer Geheimklausel im Vertrag verhindern wollte.

In diesem Zusammenhang ist ihr also Privatsphäre, vor allem im Finanziellen, durchaus wichtig. Das hindert sie aber nicht daran, die Schweiz scharf zu kritisieren, weil nach deren Bankengesetz Daten, die aus Banken gestohlen wurden, nicht veröffentlicht werden dürfen. Bzw. es drohen Strafen, wird dawider gehandelt.

2021 kritisierte AI ein drakonisches neues Sicherheitsgesetz in Bangladesch scharf und forderte die dortigen Behörden auf, sie «müssen die massiven Einschränkungen der Meinungsfreiheit im Internet aufheben».

Das interessiert Khan hingegen weniger. Oliver Zihlmann, «Co-Leiter Recherchedesk Tamedia», traute sich wegen dieses Gesetzes nicht, aus der Credit Suisse gestohlene Daten auszuwerten. Das hatte er bereits ungeniert bei anderen Diebstählen gemacht, nur fanden die in weit entfernten Ländern wie Panama statt. In recht postkolonialistischer Manier war das Zihlmann egal; aber den Arm der Schweizer Justiz fürchtete er dann doch. Maxime: Hehlerware ausschlachten, immer gerne. Aber nur dann, wenn damit keine juristische Gefahr verbunden ist.

Ein völlig unvoreingenommenes Interview

Zihlmann eignet sich also ausgezeichnet, ohne Voreingenommenheit die UNO-Berichterstatterin zu interviewen. Die weiss: «Der pauschale Schutz des Bankgeheimnisses im Schweizer Gesetz verstösst gegen internationales Recht.» Denn laut der Juristin verstosse das «gegen die Menschenrechte», weil die «Weitergabe» von gestohlenen Bankdaten mit hohen Strafen belegt würden, «unabhängig davon, ob solche Daten auch im öffentlichen Interesse» stünden.

Dann operiert Khan mit der interessanten Konstruktion, dass es zwar schon möglich sei, die Meinungsfreiheit einzuschränken. Das müsse aber «notwendig und verhältnismässig sein und darf nur dazu dienen, die Rechte und den Ruf anderer zu achten oder die nationale Sicherheit, die öffentliche Ordnung, die öffentliche Moral und die öffentliche Gesundheit zu schützen». Daraus ergebe sich im Fall der Schweiz eine Vorzensur, eine Zensur, die Medien dürften nicht recherchieren, «ein klarer Verstoss gegen die Meinungsfreiheit».

Selbst dem juristischen Laien fällt hier auf, dass diese Behauptungen mit Widersprüchen gespickt sind. Bankdaten gehören eindeutig zur geschützten Sphäre eines Menschen oder einer Firma. Werden sie gestohlen und ausgeschlachtet, handelt es sich um die Verwendung von Hehlerware. Sieht ein Journalist trotz der Strafbedrohung ein öffentliches Interesse in der Publikation, muss er halt das Risiko auf sich nehmen, dafür bestraft zu werden.

Dieses Risiko geht jeder Whistleblower, jeder Assange, jeder Snowden ein. Aber weil Zihlmann dafür zu feige ist, lamentiert er lieber mit dieser Berichterstatterin über die unerträgliche Zensur in der Schweiz. Obwohl man hier, im Vergleich zu Bangladesch und anderen Unrechtstaaten, auf sehr hohem Niveau jammert. Immerhin räumt Khan ein: «Es gibt auf der einen Seite ein Recht auf Privatsphäre. Auf der anderen aber auch ein öffentliches Interesse, über illegale Finanzgeschäfte informiert zu werden

Das Problem ist dabei nur: aus den inzwischen Hunderttausenden von veröffentlichten gestohlenen Daten ergaben sich nur eine Handvoll von Strafverfahren weltweit, die in einer vergleichweise verschwindend geringen Zahl von Fällen zu Verurteilungen führten.

Trotz grossem Geheule und Gepolter in der Schweiz kam es allenfalls zu einer Handvoll Bussen, was in krassem Missverhältnis zum Geschrei über Briefkastenfirmen, kriminelle Handlungen, Steuerhinterziehung, Geschäfte mit Blutdiamanten oder Profite aus Menschenhandel steht, mit denen die diversen Datendiebstähle jeweils angepriesen wurden.

Khan legt sich wunschgemäss für Zihlmann in die Kurve:

«Das Schweizer Bankengesetz ist ein Beispiel für die Kriminalisierung von Journalismus. Das ist normalerweise ein Problem in autoritären Staaten.»

Man kann der Schweiz vieles vorwerfen, aber Kriminalisierung von Journalismus? Andersherum wird ein Schuh draus: in der Schweiz ist Journalismus immer öfter kriminell schlecht. So wie dieses Interview.

 

 

Saure Geheimnisse

«Suisse Secrets»: 30’000 Kunden der Credit Suisse am Pranger.

Mal ernsthaft, liebe Credit Suisse. Wäre es nicht für alle Beteiligten einfacher, wenn sämtliche Kundendaten schlichtweg öffentlich einsehbar wären? Online, mit einfacher Suchmaske nach Namen, Betrag oder Volumen.

Unabhängig von der aufklärerischen Brisanz ist es eine Bankrotterklärung für eine Schweizer Bank, dass ihr Kundendaten in diesem Ausmass abhanden kommen. Ob das etwas damit zu tun hat, dass aus Spargründen immer mehr Dienstleistungen ins ferne (Indien) oder nähere (Polen, etc.) Ausland ausgelagert werden?

Oder hat es damit zu tun, dass beim Migrieren von Daten aus alten Programmen in neue Datenbanken häufig mit Klarnamen gearbeitet werden muss, weil sonst die Algorithmen, Suchmasken und weiteres IT-Blabla nicht richtig funktionieren?

Oder kann man systemisch sagen, dass ein Datenberg von einer gewissen Höhe heutzutage niemals geheimgehalten werden kann? Offenbar wurden die Daten schon vor einem Jahr der «Süddeutschen Zeitung» zugespielt, die sich einen Namen in der Verwertung von gestohlenen Geschäftsunterlagen gemacht hat.

Die Begründung des anonymen Diebs ist mehr als dünn: «Ich halte das Schweizer Bankgeheimnis für unmoralisch. Der Vorwand, die finanzielle Privatsphäre zu schützen, ist nur ein Feigenblatt, das die schändliche Rolle der Schweizer Banken als Kollaborateure von Steuerhinterziehern verdeckt.»

Die «Süddeutsche» hat wie immer auf Kooperation gesetzt und mit «Organized Crime and Corruption Reporting Project (OCCRP) und 46 Medienpartnern aus aller Welt, darunter dem britischen Guardian, Le Monde in Frankreich und der New York Times» die Hehlerware ausgewertet.

Alle üblichen Verdächtigen an Bord, mit einer Ausnahme

Allerdings fehlt diesmal der «Tages-Anzeiger». Man habe sich nicht getraut, weil das einen Verstoss gegen Schweizer Gesetze darstellen würde, jammert das Blatt. Gegen Gesetze von fernen Ländern wie Panama, Singapur oder kleinen karibischen Inseln zu verstossen, dass ist dem Provinzblatt aus Zürich hingegen egal. Da hat es sich schon mehrfach am Ausschlachten beteiligt; allerdings ohne durchschlagenden Erfolg.

Im Gegenteil, sobald es konkret und mit Schweizbezug wurde, landete Tamedia einen Flop nach dem anderen. Erwähnt seien nur Gunter Sachs und ein schweizerisch-angolanischer Geschäftsmann. Beide wurden mit massiven Vorwürfen eingedeckt – die sich am Schluss alle in Luft auflösten. Sachs wiederfuhr das posthum, beim Geschäftsmann führte das zum Ruin seiner Firma und zu schweren persönlichen Schäden, dank eines Aufenthalts in einem angolanischen Höllenknast.

Hier beschränkt sich nun Tamedia darauf, die Ergebnisse zu berichten. Wenn’s stimmt, ist’s natürlich saftig. Schlichtweg der Beweis, dass alle Behauptungen von verschärften Kontrollen gegen Gelder aus krimineller Herkunft oder gegen Geldwäsche reine Lippenbekenntnisse sind.

Die CS erscheint immer mehr sturmreif geschossen. Ein VR-Präsident, der Reisen im Privatjet liebt und sich um Corona-Bestimmungen foutierte, ist dabei ja nur eine ärgerliche Randbemerkung. 2,6 Milliarden Busse im US-Steuerstreit, die höchste Zahlung einer ausländischen Bank weltweit. Insgesamt drückte die CS seither über 10 Milliarden an solchen Zahlungen ab.

Aktuell läuft vor dem Bundesstrafgericht in Belllinzona ein Prozess wegen möglichen Verwicklungen rund um die bulgarische Mafia, in Genf laufen Strafuntersuchungen wegen eines östlichen Präsidenten mit Konto bei der CS, in London hängt der Mosambik-Skandal wie ein Damoklesschwert über der Bank.

Gewinnwarnung, Kunden und Mitarbeiter laufen weg, keiner in Sicht, der das Ruder rumreissen könnte. In der übliche Medienhatz wird mal wieder die Ausgangsfrage bei jedem Anfüttern nicht gestellt: cui bono?

Wem nützt es, wenn ein Medium solche Informationen publiziert? Um das abschätzen zu können, hilft es ungemein, die Quelle zu kennen. Das ist hier – wie bei allen Leaks und Papers bislang – nicht der Fall. Eine anonyme Quelle übermittelte auf angeblich nicht rückverfolgbarem Weg die Daten. Ohne finanzielle Interessen.

Es folgt Teil 2