Weinerlichkeiten

Tamedia traute sich nicht, gestohlene Bankdaten zu veröffentlichen. Nun wird nachgetreten.

Es gibt eine «UNO-Berichterstatterin für Meinungsfreiheit». Dieses Amt wird zurzeit von Irene Khan ausgeübt. In ihrem jüngsten Bericht kritisiert sie die Schweiz scharf.

Die Juristin aus Bangladesh machte in der UNO-Bürokratie Karriere, bis sie 2001 Generalsekretärin bei Amnesty International (AI) wurde. Von diesem Amt trat sie 2009 zurück. Aufsehen erregten ihre Bezüge (632’000 Franken), deren Publikation sie mit einer Geheimklausel im Vertrag verhindern wollte.

In diesem Zusammenhang ist ihr also Privatsphäre, vor allem im Finanziellen, durchaus wichtig. Das hindert sie aber nicht daran, die Schweiz scharf zu kritisieren, weil nach deren Bankengesetz Daten, die aus Banken gestohlen wurden, nicht veröffentlicht werden dürfen. Bzw. es drohen Strafen, wird dawider gehandelt.

2021 kritisierte AI ein drakonisches neues Sicherheitsgesetz in Bangladesch scharf und forderte die dortigen Behörden auf, sie «müssen die massiven Einschränkungen der Meinungsfreiheit im Internet aufheben».

Das interessiert Khan hingegen weniger. Oliver Zihlmann, «Co-Leiter Recherchedesk Tamedia», traute sich wegen dieses Gesetzes nicht, aus der Credit Suisse gestohlene Daten auszuwerten. Das hatte er bereits ungeniert bei anderen Diebstählen gemacht, nur fanden die in weit entfernten Ländern wie Panama statt. In recht postkolonialistischer Manier war das Zihlmann egal; aber den Arm der Schweizer Justiz fürchtete er dann doch. Maxime: Hehlerware ausschlachten, immer gerne. Aber nur dann, wenn damit keine juristische Gefahr verbunden ist.

Ein völlig unvoreingenommenes Interview

Zihlmann eignet sich also ausgezeichnet, ohne Voreingenommenheit die UNO-Berichterstatterin zu interviewen. Die weiss: «Der pauschale Schutz des Bankgeheimnisses im Schweizer Gesetz verstösst gegen internationales Recht.» Denn laut der Juristin verstosse das «gegen die Menschenrechte», weil die «Weitergabe» von gestohlenen Bankdaten mit hohen Strafen belegt würden, «unabhängig davon, ob solche Daten auch im öffentlichen Interesse» stünden.

Dann operiert Khan mit der interessanten Konstruktion, dass es zwar schon möglich sei, die Meinungsfreiheit einzuschränken. Das müsse aber «notwendig und verhältnismässig sein und darf nur dazu dienen, die Rechte und den Ruf anderer zu achten oder die nationale Sicherheit, die öffentliche Ordnung, die öffentliche Moral und die öffentliche Gesundheit zu schützen». Daraus ergebe sich im Fall der Schweiz eine Vorzensur, eine Zensur, die Medien dürften nicht recherchieren, «ein klarer Verstoss gegen die Meinungsfreiheit».

Selbst dem juristischen Laien fällt hier auf, dass diese Behauptungen mit Widersprüchen gespickt sind. Bankdaten gehören eindeutig zur geschützten Sphäre eines Menschen oder einer Firma. Werden sie gestohlen und ausgeschlachtet, handelt es sich um die Verwendung von Hehlerware. Sieht ein Journalist trotz der Strafbedrohung ein öffentliches Interesse in der Publikation, muss er halt das Risiko auf sich nehmen, dafür bestraft zu werden.

Dieses Risiko geht jeder Whistleblower, jeder Assange, jeder Snowden ein. Aber weil Zihlmann dafür zu feige ist, lamentiert er lieber mit dieser Berichterstatterin über die unerträgliche Zensur in der Schweiz. Obwohl man hier, im Vergleich zu Bangladesch und anderen Unrechtstaaten, auf sehr hohem Niveau jammert. Immerhin räumt Khan ein: «Es gibt auf der einen Seite ein Recht auf Privatsphäre. Auf der anderen aber auch ein öffentliches Interesse, über illegale Finanzgeschäfte informiert zu werden

Das Problem ist dabei nur: aus den inzwischen Hunderttausenden von veröffentlichten gestohlenen Daten ergaben sich nur eine Handvoll von Strafverfahren weltweit, die in einer vergleichweise verschwindend geringen Zahl von Fällen zu Verurteilungen führten.

Trotz grossem Geheule und Gepolter in der Schweiz kam es allenfalls zu einer Handvoll Bussen, was in krassem Missverhältnis zum Geschrei über Briefkastenfirmen, kriminelle Handlungen, Steuerhinterziehung, Geschäfte mit Blutdiamanten oder Profite aus Menschenhandel steht, mit denen die diversen Datendiebstähle jeweils angepriesen wurden.

Khan legt sich wunschgemäss für Zihlmann in die Kurve:

«Das Schweizer Bankengesetz ist ein Beispiel für die Kriminalisierung von Journalismus. Das ist normalerweise ein Problem in autoritären Staaten.»

Man kann der Schweiz vieles vorwerfen, aber Kriminalisierung von Journalismus? Andersherum wird ein Schuh draus: in der Schweiz ist Journalismus immer öfter kriminell schlecht. So wie dieses Interview.

 

 

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