Schlagwortarchiv für: Guido Schätti

Mutig oder bescheuert?

Die NZZaS geht eigene Wege beim Cover.

Das muss man sich mal trauen:

Die NZZaS zeigt eigentlich allen aktuellen Themen den Stinkefinger. Ukraine? Ach ja. Wahlen in der Schweiz? Echt jetzt. Naher Osten? Ist da was? Hamas-Unterstützer finanziert mit Steuergeldern? Gähn.

Nun gut, die Forderung nach einer Begrenzung der Anzahl Wahllisten kann man als indirekten Hinweis darauf interpretieren, dass am Sonntag in der Schweiz Wahlen stattfanden. Die (noch) dreiköpfige Chefredaktion scheint gegen Ende ihrer Amtszeit eine gewisse Verwilderung zuzulassen, so nach der Devise: Stinkefinger, was nach uns kommt, ist doch egal.

Entsprechend schludrig wurde mal wieder der Inhalt zusammengenagelt. Natürlich, Naher Osten, Muss-Thema. Was machen wir? Kurzes, ganz kurzes Kopfkratzen. Dann die Glanzidee: fällt dir überhaupt nichts ein, mach ein Interview. Nur, mit wem? Die meisten Fachexperten sind schon abgefrühstückt, und Erich Gysling kann’s nun wirklich nicht sein. Vielleicht sagte einer «und Scholl-Latour?», wurde dann aber darauf hingewiesen, dass der schon ein Weilchen tot ist, aber bis heute gültige und intelligente Sachen über den Nahen Osten gesagt hat.

Aber gut, «da ist doch so was mit Geiselbefreiung», hat wieder einer eine Glanzidee. Genau, dazu interviewen wir einen, der vor einem Dutzend Jahren mal an einem Gefangenenaustausch im Nahen Osten beteiligt war. Devise: Ein Exklusiv-Interview hast du auf sicher, wenn sonst keiner mit dem Interviewten reden will.

Aber selbst mit der Planierraupe geführt, kann so ein Interview nicht zwei Seiten füllen. Also noch ein Rehash-Artikel über das Luxusleben der Führer der Hamas; immerhin knackiger Titel: «Jetset-Gotteskrieger». Verdammt, immer noch nicht voll. Dann halt in letzter Verzweiflung ein Bericht über das längst Berichtete: 20 Lastwagen durften von Ägypten aus Hilfsgüter in den Gazastreifen bringen. Da aber die Kräfte der NZZaS erschöpft waren, übersetzte man einfach einen Artikel einer Freelance-Journalistin.

Aber zwei Seiten reichen nicht, wurde sich das Führungstrio schmerzlich bewusst. Also weiter im Text, Rehash über propalästinenische Demonstrationen in Berlin Neukölln. Nicht gerade neu, nicht originell, aber he, noch ein Interview mit einem Neuköllner Lehrer, und auch diese Seite ist voll.

Ab Seite 6 verspürt man vor allem die Erleichterung, dass nun der Nahe Osten abgehandelt ist. Wobei, hops, da ging doch ein Artikel fast vergessen, dann holen wir das halt auf Seite 9 nach: wie verhalten sich Schweizer Hilfswerke bezüglich Spendenaufrufen für Gaza?

Dann muss man sich zurückhalten, nicht zu psychologisieren und Rückschlüsse auf den Geisteszustand der NZZaS-Führer zu ziehen: ««Am Ende war ich leer wie ein Schlauch». Nach 14 Jahren nimmt der Nationalrat Martin Landolt Abschied von der Politik». Womit auch die Frage, was machen wir am Wahltag über die Wahlen, wenn Samstagabend schon Feierabend ist, beantwortet wäre.

Aber so eine Sonntagsausgabe zieht sich und zieht sich, zieht wie Hechtsuppe. Hechtsuppe? Genau: «Hightech statt Petri Heil. Sportfischer rüsten auf». Auch die. Ein Artikel aus dem weiten Feld von: kann man machen, muss man nicht machen. Kann man heute machen, kann man auch in einer Woche, in einem Monat machen. Aber die gute Nachricht ist: der erste Bund ist gefüllt.

Wenn das bloss nicht noch die anderen wären. «Hintergrund», wir senken mitfühlend den Mantel des Schweigens über die einleitenden Kommentare. Wie um alles in der Welt die NZZaS allerdings darauf kommt, Roger de Weck, dem Kurzzeit-VR-Präsidenten der «Republik», einen Gastkommentar zu schenken, in dem er salbadert: «Im Mittelmeer ertrinken Menschen, aber die Helfer, die sie zu retten versuchen, ernten Tadel – es sei vernünftiger, die Hilfe zu unterlassen. Was ist da los in unserer Gesellschaft?» Eine dumme Frage, die schon längst beantwortet wurde. Nur noch nicht von de Weck in der NZZaS.

Dann, wohl Höhe- und Glanzpunkt, eine Art Leiterlispiel zu den Wahlen. Prädikat: soooo originell.

Dann ein Bericht über religiöse Tendenzen in der israelischen Armee. «Die Kippa verdrängt das Berét». Eigentlich heisst die Kopfbedeckung «Mitzinefet», aber dafür müsste man sich schon ein wenig auskennen. Was nicht so die Sache von Joel Bedetti ist, der hier aber gutes Geld für seinen eingekauften Beitrag verdient haben dürfte.

Auch die Wirtschaft kommt nicht ohne eingekaufte Beiträge aus, dann darf sich Zoé Baches ein wohl letztes Mal ungebremst ihrem Hobby widmen, der Berichterstattung über den Vincenz-Skandal, auch wenn da nichts los ist. Beziehungsweise nur zu vermelden wäre, dass die Zürcher Staatsanwaltschaft anhaltend keine Lust hat, den Fall von Bankgeheimnisverletzung zu verfolgen, der am Anfang der Affäre stand. Das könnte man mit einer Kurzmeldung tun – oder aber auf eine Seite aufblasen. Besonders originell dabei: das halbseitige Symbobild der Dachbepflanzung des Polizei- und Justizzentrums. Vielleicht ein indirekter Hinweis, dass auch die NZZaS sich bewusst ist, dass der Klimanwandel kommt.

Genauso ausgelutscht ist zurzeit der Skandal des Verscherbelns der Credit Suisse. Ausser, der Noch-Wirtschaftschef Guido Schätti zitiert einen, den man immer zitieren kann: den Experten für fast alles Aymo Brunetti.

Aber die Verzweiflung geht weiter: «Stalins Überfall». Wen hat denn der sowjetische Diktator nun schon wieder überfallen, der ist doch ein ganzes Weilchen tot? Ach, Polen natürlich. Die Geschichte ist schon so häufig erzählt worden, da kann man sie doch ungeniert nochmal erzählen. Gibt ja genügend Alzheimerpatienten unter den Lesern.

Besondere Erwähnung verdient aber Seite 53: «Die Energiekrise im Körper». Viel mehr würde allerdings ein Bericht über die Energiekrise im Hirn der NZZaS-Macher interessieren.

Dann macht sich Grossdenker Peer Teuwsen Gedanken über das «Zeitalter des Fanatismus». Das hat nun schon vor einigen Jahren begonnen, dazu ist von ungezählt grossen und kleinen Köpfen etwas gesagt und geschrieben worden. Aber wieso nicht ich, sagt sich Teuwsen, solange mich niemand daran hindert, den Leser zu langweilen, tu ich’s einfach.

Wer klein anfängt und klein aufhört, beginnt mit sich selbst. Mit einem eigenen Anfall, zwar nicht von Fanatismus, aber was soll’s. Hier kann  Teuwsen wenigstens damit angeben, dass er mal «Falling Down» mit Michael Douglas gesehen hat. Der Film ist gut und nicht gealtert. Aber der Text von Teuwsen, wollen wir den Kalauer draufsetzen, dass er den Filmtitel perfekt in viele Buchstaben umsetzt?

Wir beenden die Rezension mit einem stummen Schrei. «Die Summe aller Frauen, Teil 34». Nimmt das denn nie, niemals ein Ende?

 

 

 

Kleine Ereignisse – grosse Folgen

Die NZZaS wirft ihr Coverkonzept über den Haufen.

Im Sudan starben vor Kurzem mindestens 40 Menschen bei einem Luftangriff auf Dafur. Mindestens 32 Zivilisten wurden bei Artillerieangriffen der sudanesischen Armee getötet. Über 7 Millionen Menschen sind innerhalb des Sudans auf der Flucht. Insgesamt forderten dort die Konflikte bis 2019 geschätzt 400’000 Menschenleben. Die neusten Kampfhandlungen kosteten bislang bis zu 10’000 Menschen das Leben.

Warum gibt es hier nur ungefähre Zahlen, wieso ist der Leser erstaunt? Weil der Sudan – mit Verlaub – kein Schwein interessiert. Genauso wenig übrigens wie der Jemen, wo die westlichen Verbündeten Saudi-Arabien und VAE seit Jahren einen der schmutzigsten und verbrecherischsten Kriege der Neuzeit führen.

Macht das die verbrecherischen Anschläge der Hamas, die Geiselnahmen, die Mordtaten besser, entschuldigt sie gar? Ist es Whatsaboutism, also der ablenkende Verweis auf andere Untaten, um von Untaten abzulenken?

Nein, aber es illustriert die durch nichts zu rechtfertigende willkürliche Auswahl, welche Ereignisse auf der Welt gewaltige Resonanz in den Medien auslösen – und welche den Qualitätsmedien schlichtweg scheissegal sind.

Die Anzahl Opfer ist offensichtlich nicht das Kriterium für Berichterstattung; Gräueltaten, Ungerechtigkeiten, Kriegsverbrechen, das Leiden der Zivilbevölkerung offensichtlich auch nicht.

Natürlich ist es jedem Medium in der Schweiz unbenommen, Prioritäten zu setzen. Und wenn die zufällig bei allen, als wären wir hier in Nordkorea, auf Israel liegen, dann halt. Aber vielleicht sollte man dann aufhören, sich scheinheilig zu wundern, wieso in weiten Teilen Afrikas, Lateinamerikas und Asiens die Fixierung der USA und Europas auf den Ukrainekrieg – und nun auf den verbrecherischen Angriff der Hamas auf Israel – als scheinheilig, eurozentristisch und heuchlerisch kritisiert wird. Und daher die meisten Länder der Welt auch nicht bei den Sanktionen gegen Russland mitmachen.

Womit zum Thema «Angriff auf Israel» hier alles gesagt wäre. Ausser vielleicht noch: «Nahost-Expertin: «Eine Eskalation ist zu befürchten»». Wie man ohne rot zu werden dem Leser einen solchen banalen Flachsinn servieren kann, unglaublich.

So nebenbei vermeldet die NZZaS, oberhalb der kleinen Meldung, dass im weit entfernten Afghanistan nach einem Erdbeben Hunderte von Toten befürchtet werden, dass sie mit Beat Balzli schon wieder einen neuen Chefredaktor hat. Die Viererbande an Spitze hatte sich schon zuvor halbiert, zwei waren abgesprungen, zwei geblieben, einer wollte gerne, der andere nicht so.

Auch dieser und jener in der Redaktion machte sich kühne, aber vergebliche Hoffnungen, auf den Chefsessel klettern zu dürfen. Aber offensichtlich hat’s gerumpelt. Denn Balzli war eigentlich für die Eroberung von Deutschland vorgesehen und bringt dafür auch die besten Voraussetzungen mit. Um die «digitale Transformation» des Titels voranzubringen eher weniger. Denn ein Digital Native ist er ganz sicher nicht, und ob er vom Internet mehr weiss, als dass es verdammt praktisch ist und man es heutzutage einfach haben muss – man weiss es nicht, befürchtet aber nein.

Also ist der Schluss wohl erlaubt, dass eigentlich jemand anders für den Chefposten vorgesehen war. Und auf der Zielgeraden strauchelte. Blöd gelaufen ist es nun auch für die NZZaS-Redaktion. Die wiegte sich nur kurz im dummen Triumphgefühl, Jonas Projer weggemobbt zu haben.

Dafür wird sie nun näher an die NZZ geflanscht. War das bei Projer noch unausgesprochen, ist’s bei Balzli offizielles Programm. Zunächst einmal wird die Wirtschaftsredaktion als wichtigster Taktgeber zusammengelegt. Pech für Guido Schätti, da braucht es dann nicht zwei Häuptlinge. Pech auch für alle Primadonnen bei der NZZaS, die wochenlange angebliche Recherchen betreiben konnten, auch der grösste Spesenritter dort wird sich zukünftig bescheiden müssen. Und das «NZZ am Sonntag Magazin» wird hoffentlich entweder eingestellt, oder wieder lesbar gemacht. Mit dem Interview mit einer mediengeilen Prostituierten hat es sicherlich dazu beigetragen …

Aber zurück zum Blatt. Klimapolitik ist immer ein Thema, Ukraine bleibt immer ein Thema, russische Spione in der Schweiz ist auch immer ein Thema, Polemik gegen allzu viele Vorschriften beim Essen auch. Aber kein Artikel über die Gefahren, beim Gähnen eine Kiefersperre zu bekommen oder beim hastigen Umblättern die Hand zu verrenken.

Aber dann wird es wieder saukomisch, denn Aline Wanner führt das grosse Wort in der Medienkolumne. Unter dem provokativen Titel «Wer hätte das gedacht?» macht sie sich über die Unsitte lustig, Experten Flachheiten sagen zu lassen. Dafür verwendet sie Beispiele aus Tamedia und SRF. Soweit richtig. Aber wenn sie sich die eigenen Blätter vorgenommen hätte – oder sie mindestens erwähnt – dann röche die Kolumne entschieden weniger streng nach Konzernjournalismus. Denn Kritik am Konkurrenten ist wohlfeil; Kritik am eigen Haus, das bräuchte Zivilcourage.

Aber immerhin, man soll doch auch loben, «Das einsamste Volk der Welt», die leidensvolle Gesichte der Armenier, hebt sich wohltuend aus dem Brei der Betroffenheitsheuchelei über die Vorgänge in Karabach hervor. Sonst haben die Armenier wieder einmal richtig Pech. Ukrainekrieg und nun auch Israel, man kann ja nicht an alles denken.

Ein Bijou ist auch der Nachruf auf den Pfarrer Uwe Holmer, der nach dem Mauerfall den ehemaligen, schwerkranken Staatsratsvorsitzenden Erich Honecker und dessen Frau bei sich aufnahm, als der nach einem Spitalaufenthalt nicht wusste, wo er unterkommen konnte.

Das hier ist zwar ein Inserat, aber selten wurde politische Korrektheit so konsequent ins Bild gesetzt:

Das nennt man eine Randgruppe ansprechen und die eigentliche Zielgruppe aussen vor lassen.

Und die Wirtschaft, welcher Schwanengesang ertönt?

Hm, sehr nutzwertorientiert, muss man sagen. Den Leser dort abholen, wo er als Hausmann steht. Ach so, drüber steht «Sponsored Content für Schulthess». Ist aber mit Abstand der interessanteste Artikel.

Und sonst? Da muss man Shakespeare missbrauchen: Der Rest ist Schweigen.

Und das ist sehr nett von ZACKBUM, denn es umfasst auch das «Magazin» der NZZaS.

Wir wollten eigentlich hier eine Doppelrezension leisten (Leistung muss sich wieder lohnen, siehe Bettelbox oben). Aber manchmal ist das Medium stärker als ZACKBUM.

Denn die SoZ lockte mit diesen beiden Anrissen: «Wenn Ihr Hund zum Psychiater muss» und «Warum sind die Löcher im Emmentaler-Käse so gross». Da wir kein Hund sind, nicht zum Psychiater wollen und uns die Frage der Löcher im Käse schon von Kurt Tucholsky restlos beantwortet wurde, haben wir verzichtet.

ZACKBUM setzt damit auch ein Zeichen der Solidarität mit Kim (nein, der andere Kim, der mit Horizont und Arschbacken), über dessen Verbleib nun schon seit Monaten angeblich aus Persönlichkeitsschutzgründen nichts bekannt ist. Wir fragen das Unsagbare: ist dieser Kim, der sich schon mal das Haupthaar rasierte, beim anderen Kim, der auch Frisurprobleme hat?

Welches ist der echte Kim?

Wir wollen beide Kims! Nein, zugegeben, das ist rabenschwarz gelogen.

Die NZZaS läuft auf Grund

Vier am Steuer: ungeheuer.

Es wird zur wöchentlichen Routine. Der Hilferuf von der NZZaS, dass endlich mal jemand mit Führungserfahrung und Linienkompetenz das Steuerruder übernehme. Denn an dem fummeln seit dem Abgang von Jonas Projer vier Verweser herum – und lenken das Schiff immer wieder auf Grund.

Auch die neuste Ausgabe enthält blamable Tiefpunkte. Der tiefste:

Die Sommerloch-Idee, einige weltberühmte Reden und Redner auszuwählen, nun gut. Natürlich kann man sich bei einer solchen Kurzfassung von all den vielen grossen Rednern und noch grösseren Reden immer über die Auswahl streiten.

Für den einen gehören Martin Luther King, Cicero, Elisabeth I., John F. Kennedy oder Michael Gorbatschow unbedingt dazu. Für andere Emmeline Pankhurst oder Angela Merkel eher weniger. Das Problem war offenbar, bei neun Aufgeführten neben fünf Männern auch vier Frauen zu finden. Bzw. herbeizuzerren. Das ist dann mal wieder das typisch verquere Ergebnis einer vermeintlich inkludierenden Darstellung.

Das mag ja noch etwas gequält, aber knapp akzeptabel sein. «Neun Ansprachen, die Geschichte schrieben», schenken das Daniel Friedli und Daniel Foppa ein. Foppa ist in der «Chefredaktion ad interim», das macht es etwas schwierig, ihm ein «goht’s no?» zuzurufen.

Das wäre aber bei dieser Person dringend nötig gewesen. Wäre es nur um Reden aus dem 20. und 21. Jahrhundert gegangen, könnte man noch mühsam beide Augen zudrücken. Aber King, Cicero, Elisabeth I., Kennedy, Gorbatschow, auch noch Dürrenmatt, okay. Aber Greta Thunberg? Echt jetzt? Ihre Panik-Rede am Selbstbespiegelungsevent WEF im Januar 2019 ist doch heute schon weitgehend vergessen. Ihre Wirkung längst verpufft, ihre Klimabewegung von radikaleren Elementen in den Hintergrund gedrängt.

Peinlich.

Das Stichwort für Aline Wanner. Doch, es muss mal wieder sein. Die beginnt ihre Kolumne diesmal mit der Behauptung: «Junge Menschen sind heutzutage newsdepriviert.» Wer das nicht kapiert und dennoch weiterliest, also die Wenigsten, bekommt es dann erklärt: «Das heisst, sie haben keinen Bock auf schlechte Nachrichten

Dafür hätten «agile Experten eine Lösung gefunden: konstruktiver Journalismus». Da würde dann aber eigentlich nur mit «hochtrabenden Begriffen» um sich geworfen. Ist das eine Selbstkritik? Könnte sie sein, müsste sie sein, ist es natürlich nicht.

Denn auch Wanner wirft zunächst mit dem hochtrabenden «newsdepriviert» um sich. Es würde sich eigentlich für Qualitätsjournalismus gehören, die Quelle anzugeben. Verwendet wurde der in einer Umfrage des «fög» («Forschungszentrum Öffentlichkeit und Gesellschaft». Das war unter Imhof selig wenigstens mit seinem «Jahrbuch Qualität der Medien» immer wieder für einen Aufreger gut, ist aber inzwischen abgetakelt und im linken Mainstream abgesoffen. Das «fög» bezieht sich auf eine Untersuchung von Reuters, die im Juni 2023 erschien und deren Ergebnisse für die Schweiz «fög» zusammenfasste. Übrigens ging es da um eine gewisse Abwendung von Newsmedien allgemein, nicht von schlechten Nachrichten. Plausibilität fraglich.

Wer im Glashaus sitzt … Peinlich.

Aber auch ein weiteres Mitglied der leitenden Quadriga gerät ziemlich aus der Spur. In einem Kommentar zur Absetzung der Ruag-Chefin behauptet Anja Burri forsch: «Es geht inzwischen längst darum, auf der richtigen Seite zu stehen: Auf der Seite der Ukraine, die gegen den russischen Aggressor nicht nur ihre Souveränität, sondern auch unsere westlichen demokratischen Werte verteidigt. Neutral sein wird in diesem Kontext nicht beziehungsweise falsch verstanden.»

Eine verfassungsfeindliche Ansicht in der NZZaS, dass wir diesen Tiefpunkt noch erleben müssen. Schon zuvor versucht sich Burri an einer forschen Auslegung der glasklaren Rüstungsexportgesetze: «Hätten sich Länder wie Deutschland oder Dänemark tatsächlich dazu entschieden, die Schweizer Waffen weiterzugeben und damit gegen das schweizerische Kriegsmaterialrecht zu verstossen, hätte unser Land offiziell protestiert. Viel mehr wäre wohl kaum passiert. Einziger Fehler in diesem Gedankenspiel: Offensichtlich ist kein Land bereit, die Schweizer Gesetze zu brechen

Burri fordert also indirekt EU-Länder dazu auf, sich einfach über Schweizer Gesetze hinwegzusetzen. Aber auch hier durfte niemand «goht’s no?» rufen, «Chefredaktion ad interim». Peinlich.

Die Fortsetzung der Serie des «Politgeografen» Michael Hermann über Schweizer Parteien, diesmal über die «Grünen». Wieso die NZZaS nicht über genügend eigenen Sachverstand verfügt, um die Serie «Parteien vor der Wahl» selbst zu bestreiten? Alle mit Arbeitsplatzsicherung beschäftigt? Oder mit (vergeblichen) Hoffnungen, in der Hierarchie aufzusteigen? Peinlich.

Wirtschaft? Geht im Sommerloch am Stock. Aufmacher: «Auch das nächste Jahr bringt nicht die grosse Lohnwende». Wahnsinn, eine Prognose, so zutreffend wie die Temperaturvorhersagen von SRF Meteo. Anlass für den erweiterten Kalauer:

Kräht der Hahn auf dem Mist, ändert der Lohn oder bleibt, wie er ist. Kräht der Hahn auf dem Huhn, hat der Lohn nichts damit zu tun.

Dann hat die «Wirtschaft» noch bemerkt, dass der «Blick» teilweise eine Paywall hochgezogen hat. Ist ja auch brandneu. Wenn heute Mitte Juni wäre. Dass Google, Facebook und Co. wegen der Blödheit der Medienmanager 90 Prozent des Online-Werbekuchens abgreifen, gähn. Was Guido Schätti zu erwähnen vergisst, weil es seiner These vom kämpferischen Ringier-Konzern widersprechen würde: auch hinter der Bezahlschranke «Blick+» werden weiterhin Google-Ads aufgespielt. An denen Google satt und Ringier ein Trinkgeld verdient. Also eine Gaga-Übung.

Peinlich.

«So stellt man Käse her», auf dieser bunt illustrierten Doppelseite sagt das Sommerloch: «e chli stinke muess es».Peinlich.

Kultur? «Die Summe aller Frauen, Folge 24». Wir sagen erschöpft nichts mehr.

Ausser: ist das alles peinlich.

«Blick» aufs Halszäpfchen

Aber von unten. Ringier setzt die Lobeshymne auf die Credit Suisse schamlos fort.

Vielleicht lag’s an der Fotografie, mit der der SoBli das Doppelinterview mit dem VRP Antonio Horta-Osório und dem CEO Thomas Gottstein von der CS begleitete.

Er war’s! Nein, der war’s! Nein, selber nein, nein du. Das Bildzitat des Grauens.

Darauf sehen die beiden, wir formulieren in Rücksicht auf das Legal Department der Bank vorsichtig, wie zwei ertappte Sünder, wie zwei Männer aus, denen es peinlich an der Seite des anderen ist. Dabei sollte doch die Message sein: Differenzen zwischen den beiden? Niemals, alles in Butter, alles gut. Alles happy, so wie die CS selbst.

Besonderen Wert wurde bei der als Interview verkleideten PR auf das Menschliche gelegt. Der Burn-out des VRP, das Golfhandicap des CEO, sind sie nicht sympathisch mit ihren kleinen Schwächen und Hobbys?

Nächster Akt: vierhändige Massage des VR-Präsidenten

Aber nach dem PR-Artikel ist vor dem PR-Artikel. Das Autoren-Dreamteam Guido Schätti und Nicola Imfeld macht weiter. Diesmal massiert es vierhändig den VR-Präsidenten. Einen menschlichen Übermenschen.

«Ein Chrampfer, der bis zum Letzten geht», «von filigraner Statur und vollendeter Eleganz», «im Gespräch strotzt der neue VR-Präsident vor Energie», «die Bank braucht eine solide Defensive und einen verlässlichen zweiten Aufschlag».

Irgendwie ist man froh, dass in der Schweiz gerade die Ehe für alle angenommen wurde.

Ein Leitmotiv ist ein Leitmotiv ist ein Leidmotiv

Der Mann ist nicht nur all das, er hat auch Visionen: «Die Bank sei weltweit eine der ganz wenigen, die im aktuellen Umfeld hervorragende Wachstumschancen hätten», zitieren ihn die Autoren hingerissen. «Dass seine Vorgänger dasselbe verkündeten, ohne zu liefern, lässt ​ihn kalt», natürlich, die waren ja auch nicht wie Horta-Osório.

Wie ist er denn nun? Dazu haben die «Blick»-Anhimmler das Leitmotiv des Tennismatchs gewählt. Ass, Doppelfehler, Aufschlag, wunderbar, das passt doch zu einem Tennisspieler wie Horta-Osório. Golf ist für Gottstein, aber hier geht’s um den Filzball. Und seine Drescher. Natürlich muss der VRP Roger Federer toll finden, den Werbeträger der CS. Aber, so vermuten die Autoren feinsinnig, eigentlich möge der VRP eher Rafael Nadal.

Der Chrampfer, der bis zum Letzten geht.

Das sei eben auch ein Chrampfer, aber damit der Ähnlichkeiten nicht genug: «Es gibt zwei Dinge, die den CS-Präsidenten António Horta-​Osório (57) mit dem Tennisspieler Rafael Nadal (35) verbinden. Beide sind falsche Linkshänder. » Nadal sei das antrainiert worden, Horta-Onório habe eine Verletzung dazu gezwungen. Wahnsinn, und das zweite Ding?

«Der neue CS-Präsident ist ein grosser Bewunderer Nadals.» Öhm, also Nadal ist ein grosser Bewunderer von sich selbst?

Interessant, interessant.

Ein Glücksfall für die CS, aber auch für den «Blick»?

Schätti und Imhof sind da klar orientiert; sie bewundern nicht sich selbst, denn für eine solche Schmiere wäre das auch oberpeinlich. Neben allen Versuchen, das Halszäpfchen von Horta-Osório von unten zu liebkosen, ziehen sie das Tennis-Leitmotiv mit unüberbietbarer Aufdringlichkeit durch: Der VRP sei eben «ein harter Arbeiter – wie sein Seelenverwandter Nadal –geblieben». Trotz Burnout, als er angetreten sei, die englische Bank Lloyds «vor dem Kollaps zu retten». Operation gelungen, aber Operateur anschliessend so ausgebrannt, dass er sich «in einer Klinik auskurieren» musste.

Nun wird alles gut: «Für die Credit Suisse könnte er ein Glücksfall sein.» Wunderbar, das kann die Bank auch dringend brauchen. Vermutlich beim Durchlesen fiel den beiden Autoren dann doch auf, dass sie vielleicht zu viel Schmiere aufgelegt hatten. Längeres Brainstorming, wir brauchen noch einen leicht kritischen Schluss, war offensichtlich die Vorgabe. Aber am besten im Tennis-Leitmotiv, sagte dann einer von beiden.

Et voilà: «Einen weiteren Doppelfehler wie bei Archegos und Greensill können sich weder Horta-​Osório noch Gottstein leisten. Die Aktionäre haben genug geblutet. Sie warten auf ein Ass.»

Man gestattet sich aber schon die Frage: Ob das wirklich gut kommt, wenn sich ein VRP derart peinlich im Qualitätsorgan der gehobenen Finanzberichterstattung «Blick» anhimmeln lässt?