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Tamedia: Berner Modell für Zürich

Tamedia will auch im Kanton Zürich Redaktionen zusammenlegen. Am 17. November werden die Betroffenen informiert.

Droht dem Landboten, den Zürichsee-Zeitungen und dem Zürcher Unterländer ein ähnliches Schicksal wie der Berner Zeitung und dem Bund? Erstmals konkret wurde vor kurzem die WoZ: «Die Redaktionen von Bund und Berner-Zeitung – die momentan in Kurzarbeit und im Homeoffice sind – sollen ab April 2021 aus Spargründen vollständig zusammengelegt werden. Zuvor will Tamedia dem Vernehmen nach eine ähnliche Übung mit ihren Zeitungen im Kanton Zürich durchziehen. Siebzig Millionen Franken sollen eingespart werden, davon ein siebenstelliger Betrag in Bern».

Zackbum.ch weiss: Am Dienstag, 17. November, werden die Tamedia-Redaktionen informiert. In einem ersten Schritt geht es um die Zusammenlegung der Kantonsredaktionen des Tages-Anzeigers und der Zürichsee-Zeitungen. Darüber hinaus sollen auch vermehrt Artikel ausgetauscht werden zwischen den Zeitungstiteln.

Was plant Tamedia konkret? Mediensprecherin Nicole Bänninger beantwortet den eingereichten Fragenkatalog nur zusammenfassend. «Um unser Geschäft nachhaltig betreiben und unserer Leserschaft trotz sinkender Einnahmen und des absehbaren weiteren Rückgangs der Printauflagen weiterhin einen unabhängigen, in den Regionen verankerten Qualitätsjournalismus bieten zu können, müssen wir überall Synergiepotentiale eruieren und unsere Kosten reduzieren». Gleichzeitig verlange der Aufbau einer zahlungsbereiten digitalen Leserschaft, «dass wir uns damit auseinandersetzen, welche Bedürfnisse digitale Leserinnen und Leser haben, und unsere Inhalte entsprechend darauf ausrichten – auch in der lokalen und regionalen Berichterstattung».

Achtung: Jetzt wird’s ein bisschen konkreter:

«Dies bedingt eine noch engere redaktionsübergreifende Zusammenarbeit. Wie diese konkret ausgestaltet werden soll, werden wir mit den Redaktionen zusammen über die nächsten Monate prüfen und erarbeiten.»

Und wie sieht’s mit den einzelnen Zeitungstiteln Landbote, Zürichsee-Zeitungen und Zürcher Unterländer aus? Die Antwort lässt vieles offen. Titelstreichungen scheinen durchaus möglich.

«Es ist unsere Ambition, all unsere Zeitungstitel zu erhalten und sie auch weiterhin unterschiedlich zu positionieren.»

Nachfrage von ZACKBUM.ch: «Bleiben die Deckblätter als einzige Referenz an die publizistische Herkunft?» Auch hier antwortet Bänninger eher allgemein: «Mit BZ und Bund in Bern und dem Tages-Anzeiger und den Zürcher Regionalzeitungen in Zürich haben wir in beiden Regionen starke Zeitungen mit eigenen Profilen, die auch ein unterschiedliches Publikum ansprechen. Wie die gesamte Medienbranche stehen wir jedoch vor grossen Herausforderungen: Der Werbeumsatz im Print erodiert kontinuierlich, genauso wie die Umsätze aus den Print-Abos.» Das Deckblattmodell ist und bleibt also eine Option.

Und noch eine Frage: «Gibt es schon Zahlen zur geplanten Anzahl Kündigungen und die geplanten einzusparenden Ausgaben in der Region Zürich?» «Über personellen Veränderungen lässt sich noch keine Aussage machen. Wir versuchen aber stets, nötige Massnahmen so weit wie möglich über Fluktuation, interne Verschiebungen oder andere Anschlusslösungen zu vollziehen», so Bänninger, die zusätzlich zu ihrer Funktion als Kommunikationsverantwortliche Tamedia stellvertretende Leiterin Kommunikation der TX Group ist.

Somedia operiert heute schon so

Ein ähnliches Modell wie das geplante Deckblattmodell in Bern pflegt heute schon die Somedia. Sie gibt in Graubünden die Südostschweiz und das Bündner Tagblatt heraus. Die beiden Zeitungen unterscheiden sich durch die Seiten zwei und drei mit je individuellem Inhalt, sowie verschieden gestalteteten Titelseiten. Wie beurteit die Somedia die Pläne der Tamedia? «Von den Plänen der TX Group habe ich nur aus den Medien erfahren» antwortet Silvio Lebrument, Geschäftsführer Medien der Südostschweiz. Der Sohn von Verleger Hanspeter Lebrument schreibt weiter: «Wenn ich mich auf den Bericht von persoenlich.com stütze, ist vieles noch ungesichert bzw. nicht bestätigt. Daher ist ein Vergleich schwierig». Er stehe aber gerne zu einem späteren Zeitpunkt zur Verfügung.

Übrigens unterstützte Christoph Blocher ab 1987 das damals serbelnde Bündner Tagblatt finanziell. 1996 gingen dann Herstellung und Vertrieb des Bündner Tagblatts an die damalige Gasser Media (heute Somedia). «Unter Wahrung einer unabhängigen Redaktion», wie Hansmartin Schmid in einem lesenswerten Buch über «die Geschichte der Churer Presse» schreibt.

Wie es in Bern und Zürich weitergeht, wird man frühestens am Dienstag erfahren.

Da tanzt der Bär: Es gibt Berner Einheitsbrei

Es war ja eigentlich überfällig. Auch das «Berner Modell» wird zugeklappt.

Zwei Zeitungen aus dem gleichen Verlag in der gleichen Stadt? Eine kühne Konstruktion, die wie auch an vielen anderen Orten (ich sage nur Thurgau oder Zürich Land) die Leser davon abhalten sollte, reihenweise abzuschwirren.

Dafür wurden immer die gleichen Textbausteine von den beiden Staubsauger-Verlagen Tamedia und CH Media verwendet. Das sei kein Abbau, sondern eine Stärkung, geballte Fachkompetenz in den Zentralredaktionen, Konzentration aufs Lokale in den Kopfblättern.

Also eigentlich mehr fürs gleiche Geld, muss man nur richtig sehen. Und nun ja, bei Synergien, Zusammenlegen, da ist es leider unvermeidlich, dass es zu schmerzlichen, aber nötigen Einsparungen kommt.

Grosse Ankündigungen, kleine Halbwertszeit

Und mindestens so selbstverständlich werden traditionelle Titel beibehalten, Ehrensache, Ehrenwort, niemals würden wir, ausgeschlossen, undenkbar.

Dieses Gequatsche führte in der Stadt Bern zur tatsächlich einmaligen Situation, dass es weiterhin die «Berner Zeitung» und den «Bund» gab, Pardon, gibt. Das führte aber zu grösseren Umständen, denn es war ja leider klar, dass beide Zeitungen nicht ständig mit weitgehend identischem Inhalt erscheinen konnten.

Der wird aber für Ausland, Inland, Wirtschaft, Kultur und Sport von der geballt fachkompeteten Redaktion in Zürich angeliefert. Genauer gesagt, was das Ausland betrifft, von der nicht minder kompetenten «Süddeutschen» aus München.

Damit mussten nun die beiden Chefredaktoren etwas basteln, was den Leser in der Illusion wiegte, er halte zwei verschiedene Zeitungen in der Hand, wenn er «Bund» und «Berner Zeitung» parallel las. Im gemeinsamen Newsnet unterschieden sich die beiden Blätter sowieso nur noch wenig von der BaZ oder dem «Tages-Anzeiger».

Es war wieder mal ein Tod auf Raten

Es war, so ist das in der Schweiz, ein Tod auf Raten. 1850 als stolzer Verfechter der neuen Bundesverfassung und als Sprachrohr der Liberalen gegründet, geriet «Der Bund» nach der Jahrtausendwende zunehmend ins Schlingern. Zuvor hatte die NZZ Gruppe ihr Glück versucht, war aber gescheitert und verkaufte an die Espace-Mediengruppe.

2007 wurde dann Tamedia Mehrheitsaktionär, die «Bund»-Sportredaktion war schon vorher beerdigt worden, also warum nicht den «Berner Bund» aus der Taufe heben? Das sorgte aber für das übliche lokale Gebrüll, Widerstand, Komitee, worauf sich 2009 Tamedia entschied, den «Bund» als «eigenständigen» Titel weiterzuführen.

Eigenständig wurde natürlich seit Installation der Zentralredaktionen für alle 12 Titel von Tamedia zum schlechten Witz. Aber eben, man muss manchmal Geduld haben und die Leser solange müde quälen, bis sie den nächsten Schritt ohne Gegenwehr hinnehmen.

Neu haben wir ein «Team Bern». Hop, hop

Jetzt ist es offenbar Zeit dafür, wirtschaftliche Aspekte endlich über so einen Unsinn wie Tradition, Geschichte, Denkmal siegen zu lassen. Noch Anfang Oktober 2020 hatte der Big Boss von Tamedia vollmundig angekündigt, dass das «Berner Modell» mit zwei sich konkurrenzierenden Zeitungen fortgesetzt werde. Aber Pietro Supino hatte wohlweisslich nicht gesagt, wie lange. Hä, hä.

Nun gibt es aber demnächst ein «Team Bern». Hört sich doch schön dynamisch an, Teamplayer, geballte Fachkompetenz, Blabla. Natürlich werden Befürchtungen, dass bei beiden Blättern jeweils die Hälfte der Redaktion eingespart wird, als schwer übertrieben bezeichnet.

Auch das «Team Bern» wird für Eigenständigkeit sorgen

Trotz alles ausser Lokales angeliefert, trotz gemeinsamem «Team Bern» soll die «Eigenständigkeit» – das ist zwar ein Witz, aber ernstgemeint – der beiden Zeitungen erhalten bleiben. Einfach neu fokussiert; der «Bund» mehr für die Stadt Bern, die «Berner Zeitung» mehr für das Land. Wer das erzählen kann, ohne loszuprusten, verfügt über eine beeindruckende Selbstbeherrschung.

Die Gewerkschaften kämpfen wie immer für eine «sozialverträgliche Lösung», während sich Supino anhand von vorherigen Massakern überlegt, welche «Sozialverträglichkeit» er zeigen muss, damit es nicht wieder zu hässlichen Streiks und schädlichen Szenen vor und in den Redaktionen kommt.

Er wird da sicher die optimale Lösung zwischen Kosten und Nutzen, unter Einbezug aller Faktoren, finden. Das kann er nämlich.