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#Afghanin?

Was sagen denn die Schweizer Nabelbeschauer zu Afghanistan?

Reden wir nicht vom völligen Desaster von 20 Jahren westlicher Afghanistan-Politik. Militäreinsatz, Aufrüstung der Armee mit Multimilliarden, Zivilgesellschaft, Einhalten von primitivsten Menschenrechten, vor allem für Frauen – das zerbröckelt in atemberaubender Geschwindigkeit.

Stattdessen ein islamisches Emirat, Scharia, Frauen zurück ins Mittelalter. Alle, die sich für ein modernes Afghanistan engagierten, müssen um ihr Leben fürchten. Alle, die auf westliche Zusagen vertrauten, fühlen sich zu recht verraten und verkauft.

Afghanistan ist aktuell wohl die grösste zivilisatorische Katastrophe auf der Welt, und die ist daran nicht arm. Nun ist Kabul auf dem Landweg rund 6900 Kilometer entfernt; ohne gröbere Hindernisse wäre man um die 80 Stunden unterwegs.

Also kann man sich sicherlich fragen, was uns das denn in der Schweiz angeht, was die Katastrophe in Afghanistan vom jüngsten Erdbeben in Haiti unterscheidet. Von vielen anderen Elendslöchern, Schlachtfeldern, korrupten gescheiterten Staaten in Afrika.

Gibt es Afghanistan auch in der Schweiz?

Es gibt tatsächlich einen Aspekt, der Afghanistan zuvorderst auf die Agenda auch in der Schweiz setzen sollte. Auf die Agenda von allen, die sich intensiv, ausführlich, wortgewaltig dem Kampf gegen Sexismus, Frauenverachtung, Diskriminierung und Unterdrückung aufgrund des Geschlechts widmen.

Denen die Sprache gar nicht gendergerecht genug sein kann. Die mit äusserster Sensibilität in ach so vielen Worten, Verhaltensweisen, Beschreibungen versteckten oder offenen Sexismus denunzieren, die sich dadurch verletzt, erniedrigt, unterdrückt, diskriminiert, als Menschen zweiter Klasse empfinden.

Währenddessen in Afghanistan viele Berichte belegen, dass die Taliban trotz guter PR sich so verhalten, wie es diesen fundamentalistischen Irren eben gemäss ist: Frauen sind zu behandeln wie Vieh, Schulen, Bildung, Gleichberechtigung, das sind dekadente Verirrungen, das Abweichen von angeblich klaren islamistischen Prinzipien. Schlimmer noch, wer sich dafür engagierte, ob Mann oder Frau, ist an Leib und Leben gefährdet.

Welche dieser Afghaninnen ist in Lebensgefahr?

Bedauerlich, aber weit weg. Weniger weit weg sind Vertreter dieses Gedankenguts, dieser Ideologie in der Schweiz. Zur Klarstellung: Die meisten Muslime sind keine Islamisten. Die meisten Islamisten sind keine Terroristen, keine Taliban.

Aber diese Fanatiker, Fundamentalisten, Terroristen, Gotteskrieger verüben ihre Verbrechen im Namen des Islams. In Afghanistan, in Frankreich, in Deutschland, überall auf der Welt. Nur einzelne Hassprediger in der Schweiz wagen es, sich offen zu den Zielen der Taliban zu bekennen, offen deren Greueltaten als gottgefällig zu loben.

Wie halten es islamische Organisationen mit den Taliban?

Aber Organisationen wie der Islamische Zentralrat in der Schweiz, die Fids, die Dachorganisation der sunnitischen Muslime in der Schweiz, KIOS, VIOZ, die «Türkisch Islamische Stiftung für die Schweiz» und all die Tarnorganisationen, die von Saudi-Arabien, Katar usw. unterstützt werden, wie steht es mit denen? Nein, es geht hier nicht um das Einfordern einer wie auch immer deutlichen Distanzierung oder Bekenntnisse zu westlichen Werten. Es geht nicht um den Kampf gegen Bestrebungen, die Scharia auch in der Schweiz zu ihrem Recht zu verhelfen.

Es geht auch nicht um das peinlich berührte Schweigen der Linken, wenn es vor allem um den Antisemitismus all dieser Organisationen oder sie unterstützenden Staaten geht. Es geht um etwas ganz Banales:

Wieso kümmern sich all die #metoo-Kreischen, die #aufschrei-Aufschreienden, die in eigene Nabelschau Versunkenen nicht um ein zum Himmel schreiendes Unrecht, das vor allem gegen Frauen verübt wird? Nicht mit wohlfeilen und nutzlosen Solidaritätsadressen an die mutigen, aber zum Tode verurteilten Frauen in Afghanistan. Sondern mit Aktionen gegen Vertreter dieser Ideologie, dieser Verlierer-Religion in der Schweiz.

Hat dieses Mädchen eine menschenwürdige Zukunft?

Statt seitenlange Grübeleien, wie man die deutsche Sprache gendergerecht machen könnte, wieso nicht Recherchen, Reportagen, Analysen aus diesen Dunkelkammern? So als Wiedergutmachung dafür, dass sich Teile der Frauenbewegung im Kampf gegen das Burkaverbot lächerlich machten?

Müssen wir hier Namen von Exponentinnen nennen, die den Ganzkörperpräservativ als freie Entscheidung von Frauen hochjubelten, mit dem sie sich in unserer sexistischen Gesellschaft lüsternen männlichen Blicken entziehen wollten?

Man kann doch für Verirrungen, Fehlmeinungen und Irrtümer auch tätige Reue leisten. Hier und heute. Nicht im fernen Afghanistan, sondern in der Schweiz. Wie wär’s? Wollen die 75 Unterzeichnerinnen des Protestschreibens gegen Sexismus bei Tamedia nicht den Anfang machen?

Wie lange wird es das in Kabul noch geben?

ZACKBUM wird sehr gerne eine entsprechende Stellungnahme veröffentlichen. Unzensiert. Grosses männliche Ehrenwort.

 

Vergewaltigung: Der Mob tobt sich aus

Sexualdelikte lassen die Emotionen hochgehen. Leider auch in den Medien, wo Abscheu und Unkenntnis einen fatalen Mix ergeben.

Es muss befriedigend sein, wenn man unbeleckt von jeglichen juristischen Kenntnissen einfach mal losheulen darf. In der Erregungsmaschine Soziale Medien ist das Geschäftsprinzip (und füllt die Taschen der Betreiber). Hier müssen Kommentare möglichst kurz, dumm und knackig sein.

Hier tobt der Mob sich anonym aus.

Anlass für die aktuelle Erregung (die genauso schnell verschwinden wird wie alle ihre unendlich vielen Vorgänger) ist das Urteil des Appellationsgerichts Basel-Stadt über einen Vergewaltigungsfall. In zweiter Instanz reduzierte es das Strafmass für einen Vergewaltiger. In der mündlichen Urteilsbegründung verstieg sich die Richterin zur Aussage, dass «das Opfer mit dem Feuer gespielt» habe.

Zudem habe das Vergewaltigungsopfer zuvor bereits alkoholisiert ein einverständiges Techtelmechtel auf einer Toilette abgehalten und sei bereits 2017 wegen einer Falschbeschuldigung verurteilt worden. Das änderte aber nach Meinung des Gerichts nichts an der Beurteilung, dass es sich um eine Vergewaltigung gehandelt habe. Lediglich das Strafmass wurde gesenkt.

Mittelalter …

Das führte erwartungsgemäss zu einem Aufschrei an den Klowänden des Internets, vor allem auf Twitter. Das hier ohne viel Kenntnis, aber mit viel Meinung polemisiert und geholzt wird, ist nichts Neues.

… oder Ohrfeige.

Erschreckend ist mehr die Reaktion in den sogenannten Qualitätsmedien. Herausragend wie meist Tamedia, diesmal in Gestalt des Lokalorgans «Basler Zeitung». Da keift Mirjam Kohler sofort nach der mündlichen Urteilsverkündigung los:

«Es gibt ein Wort dafür: Opfer-Täter-Umkehr. Schuld ist nicht der kurze Rock, nicht der Alkoholkonsum des Opfers. Sondern der Täter. Dass dieser moralisch-geschwängerte Mechanismus einen positiven Einfluss auf das Strafmass eines Vergewaltigers hat, ist beschämend und skandalös.

In unserem Justizsystem muss sich Grundlegendes verändern.»

Eine weitere Kindersoldatin des Journalismus; nach ein paar mehrmonatigen Praktiken, unter anderen beim Qualitätstitel «bajour», ist sie seit April Teilzeit-Redaktorin bei der BaZ. Nun hat jeder – auch jede – das Recht, klein anzufangen und noch viel dazuzulernen. Aber gleich so den Mund aufzureissen und grundlegende Veränderungen in unserem Justizsystem zu fordern: dazu müsste man schon ein paar juristische Grundkenntnisse aufblitzen lassen – statt gesinnungsgeschwängerter Leere.

Keiner zu klein, Kommentator zu sein

Auch «20 Minuten» begibt sich aus seiner Haltung der Nicht-Kommentierung mit dem Titel:

««Sie hat mit dem Feuer gespielt» – Vergewaltiger wird von Appellationsgericht belohnt»

Der «Blick», weit entfernt von früheren Verhaltensweisen gegen Frauen, zitiert fleissig: «Das Urteil sorgt für Empörung. Agota Lavoyer, Leiterin Beratungsstelle Opferhilfe Solothurn, twitterte: «Basel 2021: Das Gericht lastet einer Frau Mitverantwortung für ihre Vergewaltigung an, weil (Achtung!) sie mit einem anderen Mann herumgemacht habe an dem Abend.»» Dieser Empörung schliesst sich Autorin Andrea Cattani offenbar an.

Wo Empörung ist, ist der sogenannte Nachzug nicht weit. Man hält das Thema am Köcheln, indem man als Brandverstärker Berufene und Politiker zitiert. Macht kaum Arbeit, füllt aber ungemein Platz: «Politikerinnen von rechts bis links sind sich in der Frage ungewohnt einig. Franziska Stier vom feministischen Streikkollektiv Basel sagt: «Das ist eine Urteilsbegründung aus dem letzten Jahrhundert. So was erwarte ich heutzutage von einer Richterin nicht mehr. Die Signalwirkung des Urteils an alle Betroffenen ist verheerend, ein Schlag ins Gesicht»», zitiert Kohler.

«Ronja Jansen, Präsidentin der Juso Schweiz, pflichtet bei und sagt: «Auch die Vermischung von einvernehmlichen sexuellen Handlungen und Vergewaltigungen, die bei diesem Fall gemacht wurde, ist ein Affront für alle Betroffenen von sexueller Gewalt und skandalös. Unser Sexualstrafrecht ist unzureichend und hat mit der Realität oft nicht viel zu tun.» Die Grossrätin Annina von Falkenstein (LDP) kritisiert das Urteil ebenfalls: «Der Fall zeigt einmal mehr, dass die Integrität von Frauen zu wenig gewichtet wird.» Laetitia Block, Präsidentin der Jungen SVP Basel-Stadt, kommentiert: «Aus juristischer Sicht ist das Recht bei Vergewaltigungen viel zu milde. Wir brauchen dafür eine viel höhere Mindeststrafe.»»

Noch mehr Strafrechtsspezialisten gehen ans Gerät

Natürlich bringt sich auch Strafrechtler Dennis Frasch von «watson» mit einem fundierten Urteil in die Debatte ein: «Juristisch heikel einzustufen ist dann ein weiterer Punkt der Urteilsbegründung: Das Vergehen werde relativiert durch «die Signale, die das Opfer auf Männer aussendet», so die Gerichtspräsidentin. Dabei bezog sie sich vor allem auf das «Verhalten im Club», wo sich die Frau offenbar mit einem anderen Mann in eine Toilette zurückzog.»

Dennis Frasch, ein weiterer Kindersoldat und Multitalent, der alles wegschreibt, was ihm auf den Bildschirm gerät.

Twitter: Keine Ahnung, aber viel Meinung.

Aber, nach Bedenkfrist, am 5. August rafft sich sogar die NZZ zu einem Stirnrunzeln auf: ««Man muss feststellen, dass sie mit dem Feuer spielte»: Diesen verhängnisvollen Satz soll eine baselstädtische Gerichtspräsidentin am vergangenen Freitag bei der Urteilseröffnung in einem Vergewaltigungsfall von 2020 gesagt haben. Irritierend ist dies, weil das Gericht eine Schuldminderung des Täters nicht zuletzt mit diesem Hinweis auf das Verhalten des Opfers begründet haben soll. Das berichteten mehrere Medien sowie verschiedene beim Prozess Anwesende, mit denen die NZZ im Kontakt war. Die NZZ war bei der Urteilsverkündung nicht dabei.» Hier kommt strafverschärfend hinzu, dass der Autor Daniel Gerny tatsächlich über juristische Kenntnisse verfügt.

Das kann man hingegen von diesem Schreihals im «Papablog» von Tamedia nicht sagen:

«Unglaublich absurdes Gerichtsurteil.»

«Weil das Opfer betrunken war, freizügig gekleidet oder weil es gerne Sex mit wechselnden Partnern hat. Die gleiche misogyne Scheisse, immer und immer wieder. Was das mit Kindern und dem Papablog zu tun hat? Ich will, dass einvernehmliches Verhalten und Gewaltfreiheit Schulfach wird. Ich will, dass Schulklassen dieses Urteil auseinandernehmen, anschreien, zerreissen und sich ein besseres ausdenken.»

Nils Picker ist also dafür, dass Kinder an die Macht kommen, wie schon Herbert Grönemeyer forderte. Wieso überlässt er die Beurteilung nicht dem Mob? Oder dem «gerechten Volkszorn»? Wieso nicht der gute alte Pranger mit Anschreien und Anspucken? Wieso eigentlich nicht einfach abstimmen? Dabei alle Möglichkeiten anbieten: Kopf ab, Schwanz ab, lebenslänglich, Verwahrung, beim fröhlichen Jekami.

Ob ein paar Lektionen Rechtskunde nützen?

Das Appellationsgericht Basel-Stadt sah sich genötigt, was Gerichte eher selten tun, mit einer Medienmitteilung die gröbsten Irrtümer richtigzustellen.

Immerhin schaffte es Tamedia, allerdings mit einer der Kindersoldatin Kohler an die Seite gestellten Fachkraft, diese Korrektur einigermassen korrekt wiederzugeben. Die wichtigsten Punkte:

  1. Das Urteil wurde von einem Dreiergremium gefällt, nicht von einer Richterin allein.
  2. Der Schuldspruch wegen Vergewaltigung wurde bestätigt, das Strafmass allerdings von 4,25 auf 3 Jahre gesenkt. Bis zu diesem Rahmen ist gesetzlich vorgeschrieben, einen teilbedingten Vollzug zu gewähren.
  3. Die bereits abgesessenen fast 18 Monate Untersuchungshaft müssen dabei angerechnet werden, womit der Beschuldigte in wenigen Tagen freikommt.

In Punkt 6 ruft das Gericht allen Volksstimmen in Erinnerung, was zu den fundamentalen Prinzipien unserer zivilisierten Rechtsprechung gehört. Das ist dermassen wichtig, dass es zum Schluss vollständig zitiert werden muss. Denn neben der Unschuldsvermutung und dem Grundsatz «im Zweifel für den Angeklagten» soll und muss unser Justizsystem nicht nur die Opfer, sondern auch die Täter beschützen. Vor Gefühlsaufwallungen, Hetze und blanker Wut. Vor Volkszorn und Lynchjustiz. Eine Vergewaltigung ist unbestreitbar etwas vom Widerlichsten, was Menschen einander antun können.

Genau deshalb muss nach Recht und fachkundig ein möglichst gerechtes Urteil gefunden werden. Ob das dem Mob passt oder nicht. Die Aussage «mit dem Feuer gespielt» war in der Vermittlung dieses Prinzips nicht hilfreich. Aber die schriftliche Begründung steht noch aus, bis dahin werden sich die Schreihälse schon längst anderen Themen angenommen haben.

Vielleicht nützt diese Erinnerung etwas, wohl eher aber nicht:

6. «Das Gesetz sieht für jeden Straftatbestand einen sogenannten Strafrahmen vor. Innerhalb dieses Strafrahmens ist die Strafe nach dem konkreten Verschulden des Täters festzusetzen. Zu berücksichtigen sind die Schwere der Verletzung, die Verwerflichkeit des Handelns, die Beweggründe und Ziele des Täters und wie weit der Täter in der Lage war, die Verletzung zu vermeiden. Ferner sind das Vorleben des Täters, dessen persönliche Verhältnisse und die Auswirkungen der Strafe auf sein Leben zu berücksichtigen. Bemisst das Gericht die Strafe, so hat es jeweils die konkreten Tatumstände, die konkrete Situation des Täters, seinen konkreten Tatbeitrag und die konkreten Auswirkungen auf das Opfer zu berücksichtigen. Wenn dabei geprüft wird, wie der Beschuldigte die Situation interpretiert hat, geht es lediglich darum, das Verschulden des Täters zu bemessen und nicht darum, das Opfer zu disqualifizieren. Ferner muss sich das Gericht vergleichbare bereits entschiedene Fälle vor Augen halten. Die Strafe muss deshalb nach den Grundsätzen der Rechtsgleichheit ausgesprochen werden. Vergleichbares Verschulden soll vergleichbar geahndet werden.»

 

 

 

 

Der geheime Aufschrei der Ringier-Frauen

Vergeblich versuchten die Bosse, dieses Dokument zu unterdrücken. Aber nach Tamedia melden sich nun Ringier-Frauen zum Protest.

Die ganze Branche wunderte sich. Im Streichelzoo Tamedia beschweren sich Dutzende von Mitarbeiterinnen über «strukturellen Sexismus», legen Zeugnis ab von unerträglichen Arbeitsbedingungen, von Unterdrückung, Missachtung, Übergriffen, Diskriminierung.

Aber bei Ringier, wo immer noch der Boulevard-Journalismus zu Hause ist? Lautstark erzählte Zoten, Blondinen- und andere Herrenwitze, anzügliche Blicke, Gesten, dumme Sprüche wie «der Rock könnte kürzer sein, aber der Artikel länger» oder gar «willst du mal mit was anderem als einem Bleistift spielen», das ist doch weiter an der Tagesordnung.

Zudem wird die Atmosphäre täglich durch Crime- und Sex-Storys aufgeheizt, über unvorstellbare Perversionen und als Ratgeber verkleidet über hemmungsloses Ausleben der Sexualität geschrieben. Doch mehr als drei Wochen nach dem Protestbrief aus dem Hause Tamedia herrschte an der Dufourstrasse (und an den anderen Standorten des Konzerns) Grabesstille unter den Frauen.

Werden bei Ringier die Frauen wirklich besser behandelt als bei Tamedia?

Könnte es wirklich sein, dass an der Werdstrasse ein testosteronbefeuerter Sündenpfuhl herrscht, während bei Ringier Frauen ausschliesslich mit Respekt, Anstand und Höflichkeit begegnet wird? Frauen zudem die gleichen Aufstiegschancen wie Männer bekommen? Als Gender-Vorbild gilt hier Ladina Heimgartner.

Raketengleich ihr Aufstieg. 2020 an Bord gekommen, als Leiterin Corporate Services. Kaum hatte sie die Kommandobrücke betreten, wurde sie schon nach oben weiterbefördert, CEO der Blick-Gruppe. Dann auch noch «Head of Global Media und Mitglied des Group Executive Board von Ringier». Davon könnten sich die protestierenden Tagi-Frauen eine Scheibe abschneiden.

Umso irritierender, was ZACKBUM hier enthüllt. Es gibt nämlich das Pendant zur Protestnote bei Tamedia. Wie es zum Stil des Hauses passt, ist das Schreiben der Ringier-Frauen durchaus knalliger abgefasst. Hier der Ausriss des Anfangs.

Der Anfang des Protestschreibens bei Ringier. Es folgt eine weitere Seite.

Die Vorwürfe gleichen sich wie ein Ei dem anderen. Sexistische Sprüche, Machogehabe, Gelächter und Naserümpfen bei sogenannten Frauenthemen, unsägliche Abqualifizierungen wie «geh doch menstruieren, du hysterische Kampflesbe» oder «deine einzige Chance hier wäre, dich hochzuschlafen. Aber dafür bist du viel zu hässlich». Oder: «Dein Artikel liest sich, als hätte ihn ein Hamster geschrieben. Dreht sich und dreht sich, kommt aber nicht voran.»

Laut Briefkopf ist das Schreiben am 8. März verfasst worden, also passend zum internationalen «Tag der Frau». Aber wieso ist es bis heute nicht in Umlauf oder an die Öffentlichkeit gekommen? Auch da offenbaren sich Unterschiede zu Tamedia. Denn bei Ringier gibt es keine Liste von Unterzeichneten. Nur eine einzige Frau wagt es, sich hinzustellen; sie unterzeichnet mit «Im Namen der Mehrheit der Ringier-Mitarbeiterinnen». Und Ihr Name ist –Ladina Heimgartner.

Mutige Frau: Ladina Heimgartner (Foto: Ringier) 

Wir konnten ein kurzes Gespräch mit ihr führen, um mehr über die Hintergründe zu erfahren.

ZACKBUM: Sie haben im Namen von weiteren Frauen bei Ringier unterzeichnet. Wie viele sind es?

Heimgartner: Wie ich schreibe, es ist die Mehrheit der weiblichen Ringier-Angestellten. Die Zahl können Sie aus dem Geschäftsbericht entnehmen.

Befürchten Sie keine Repressionen, keinen Unterbruch Ihrer beeindruckenden Karriere?

Kurz geantwortet: nein. Die längere Version: Natürlich habe ich es mir lange und sorgfältig überlegt, ob ich mich so exponieren will. Aber: wenn nicht ich, wer dann? Ich bin ja sozusagen die ranghöchste Frau im Haus, mal abgesehen von Ellen Ringier natürlich.

Sind denn die Zustände bei Ringier so schlimm?

Sie sind noch schlimmer. Ich wollte es längere Zeit gar nicht glauben, da ich mir vom SRF her einen ganz anderen Umgang gewohnt war. Aber nachdem hier im Hause immer mehr Mitarbeiterinnen Vertrauen fassten und mir unfassbare Geschichten erzählten, teilweise mit identischen Inhalt und mit den gleichen Tätern, musste ich umdenken.

Beschreiben Sie, nennen Sie doch Namen.

Auf keinen Fall. Ich finde es sehr bedauerlich, dass dieses Schreiben nun auch den Weg in die Öffentlichkeit gefunden hat. Denn es ist völlig klar: ein solcher Protest ist am wirkungsvollsten, wenn er intern erfolgt. So muss niemand das Gesicht verlieren, man kann sich ernsthaft zusammensetzen, um Lösungen zu suchen.

Die Vorwürfe sind deutlich massiver als bei den Kollegen von Tamedia.

Das mag daran liegen, dass wir hier im Hause vielleicht eine andere Art von Journalismus betreiben. Vielleicht sind wir direkter, schneller unterwegs zum Ziel, müssen angesichts der Textlängen möglichst ohne Umwege zum Kern vorstossen. Das beeinflusst sicherlich das verbale Klima.

Reden wir noch über die Forderungen. Was erwarten Sie von der Geschäftsleitung, von der Besitzerfamilie?

Unser Ansprechpartner ist Marc Walder, CEO, Mitbesitzer und Vertrauter der Familie Ringier. Wir können es gut miteinander, er hat sofort Hand zum Dialog geboten.

Leider war es aus Zeitgründen nicht möglich, dieses Interview von Heimgartner autorisieren zu lassen. Aber wir sind uns sicher, dass sie damit einverstanden ist.