Ich hab die Zukunft gesehen
Niemand war so prophetisch wie Leonard Cohen.
Bevor man sich angewidert vom Kriegsgeschrei ach so vieler Schreibtischtäter abwendet, vom widersprüchlichen Gebrabbel kleiner Geister, die sich zu grossen Sandkastengenerälen aufplustern, muss man an Leonard Cohen denken.
Genauer an seinen prophetischen Song «The Future» von 1992. Über 30 Jahre sind seither vergangen, der Song ist keine Minute gealtert. Er beschreibt mit lyrischer Genauigkeit, was zurzeit passiert:
Things are going to slide, slide in all directions
Won’t be nothing (won’t be nothing) Nothing you can measure anymore.
Alles rutscht, alles verrutscht, die Massstäbe gehen verloren. Moral, Anstand, Mass, Ehrlichkeit, offener Meinungsaustausch, Suche nach Erkenntnis und Wahrhaftigkeit: alles im Kübel der zerbrochenen Illusionen gelandet.
Dass die sogenannte freie Presse des Westens in der Lage sei, die Öffentlichkeit der Wahrhaftigkeit verpflichtet zu informieren: weggerutscht. Ersetzt durch Doppelmoral, Heuchelei und verantwortungslose Kriegstreiberei.
Die Russen verwenden Streubomben? Verdammtes Kriegsverbrecherpack, schrecken vor nichts zurück, werden zu recht dafür kritisiert, am lautstärksten von den USA – und der ganzen Medienmeute. Die USA liefern Streubomben an die Ukraine, die sie schon seit vielen Jahren überall auf der Welt eingesetzt haben und einsetzen, neben Agent Orange, Napalm und anderen Schweinereien: nun ja, unschön, aber nötig, ist auch was ganz anderes. So wie das Abarbeiten einer Kill List mit Morden überall auf der Welt, inklusive Kollateralschäden. Wenn’s der Friedensnobelpreisträger Obama gut fand und abnickte, ist’s doch gut.
Alles wird dermassen unsäglich, dass nur ein Dichterwort noch helfen kann, diese kaputt zersplitterte Wahrnehmung der Wirklichkeit, diese fatale Niederlage der Aufklärung zu beschreiben.
Mangels besserer eigener Worte der Song in voller Länge:
Mein Spiegelzimmer, mein geheimes Leben
Es ist einsam hier
Es gibt niemanden mehr, der gefoltert werden muss
Gib mir die absolute Kontrolle
Über jede lebende Seele
Und leg dich neben mich, Baby
Das ist ein Befehl
Gib mir Crack und Analsex
Nimm den einzigen Baum, der noch übrig ist
Und stopft ihn ins Loch
In deiner Kultur
Gib mir die Berliner Mauer zurück
Gib mir Stalin und St. Paul
Ich habe die Zukunft gesehen, Bruder
Es ist Mord
Die Dinge werden ins Rutschen geraten, in alle Richtungen
Nichts wird sein (wird nichts sein)
Nichts, was man noch messen kann
Der Schneesturm, der Schneesturm der Welt
Hat die Schwelle überschritten
Und umgeworfen
Die Ordnung der Seele
Als sie sagten (sie sagten) bereue (Reue), bereue (Reue)
Frage ich mich, was sie meinten
Als sie sagten (sie sagten) bereue (Reue), bereue (Reue)
Frage ich mich, was sie meinten
Als sie sagten (sie sagten) bereue (Reue), bereue (Reue)
Frage ich mich, was sie meinten
Du erkennst mich nicht vom wehenden Wind
Das wirst du nie, das hast du nie getan
Ich bin der kleine Jude
der die Bibel geschrieben hat
Ich habe den Aufstieg und Fall der Nationen gesehen
Ich habe ihre Geschichten gehört, habe sie alle gehört
Aber Liebe ist der einzige Überlebensmotor
Dein Diener hier, es wurde ihm gesagt
Um es klar auszudrücken, um es kalt auszudrücken:
Es ist vorbei, es geht nicht
mehr weiter (du, du, du)
Und jetzt bleiben die Räder des Himmels stehen
Du spürst die Reitpeitsche des Teufels
Mach dich bereit für die Zukunft
Es ist Mord (du, du, du)
Die Dinge werden ins Wanken geraten
In alle Richtungen gleiten
Nichts wird sein (wird nichts sein)
Nichts, was man mehr messen kann
Der Schneesturm, der Schneesturm der Welt
Hat die Schwelle überschritten
Und umgeworfen
Die Ordnung der Seele
Als sie sagten (sie sagten) bereue (Reue), bereue (Reue)
Ich frage mich, was sie meinten
Als sie sagten (sie sagten) bereue (Reue), bereue (Reue)
Ich frage mich, was sie meinten
Als sie sagten (sie sagten) bereue (Reue), bereue (Reue)
Ich frage mich, was sie meinten
Es wird den Bruch des alten
Westlichen Codes geben
Dein Privatleben wird plötzlich explodieren (ooh, ooh)
Es wird Phantome geben
Es wird Feuer auf der Strasse geben
Und der weisse Mann tanzt
Du wirst eine Frau sehen
Kopfüber hängend (ooh, ooh)
Ihre Gesichtszüge sind von ihrem herabgefallenen Kleid bedeckt (ooh, ooh)
Und all die miesen kleinen Dichter
Kommen heraus
und versuchen, wie Charlie Manson zu klingen
Ja, der weisse Mann tanzt
Gib mir die Berliner Mauer zurück
Gib mir Stalin und St. Paul
Gib mir Christus oder gib mir Hiroshima (du, du, du)
Zerstöre jetzt einen weiteren Fötus
Wir mögen sowieso keine Kinder
Ich habe die Zukunft gesehen, Baby
Es ist Mord (du, du, du)
Die Dinge werden ins Rutschen geraten, in alle Richtungen
Nichts wird sein (wird nichts sein)
Nichts, was man mehr messen kann
Der Schneesturm, der Schneesturm der Welt
Hat die Schwelle überschritten
Und umgeworfen
Die Ordnung der Seele
Als sie sagten (sie sagten) bereue (Reue), bereue (Reue)
Ich frage mich, was sie meinten
Als sie sagten (sie sagten) bereue (Reue), bereue (Reue)
Ich frage mich, was sie meinten
Als sie sagten (sie sagten) bereue (Reue), bereue (Reue)
Ich frage mich, was sie meinten
Als sie sagten (sie sagten) bereue (Reue), bereue (Reue)
Danke für Ihren wunderbaren Text und das Wiederentdecken von Leonard Cohens Song. Schwierige Zeiten sind leichter zu ertragen, wenn man sich nicht so alleine fühlt.
Schade dass ohne Melodie.
Eine feine Seele hat uns leider verlassen.
Ihrer ist glücklicherweise das Himmelreich
Cohen passt immer…
und wenn mir die grossmäuligen demokratieretenden Edelfedern auf den xxxx gehen, wirds Zeit für
Sixto Rodriguez› «A Most Disgusting Song»
Ich denk an Gestern,
das Aufbäumen und das Erschlaffen,
nieder die Waffen.
BLICK+ lustlos entsorgen,
den Future Song im Ohr,
vor dem Gewitter der Nacht.