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Freier Narr

Wieso darf sich Daniel Ryser so in der «Weltwoche» austoben?

Niemand sonst darf eine reich bebilderte siebenseitige (!) Story ins Blatt heben. Ausser dem Besitzer, Verleger, Herausgeber und Chefredaktor himself, natürlich.

Dass er den Fake Tom Kummer – die Schande des Journalismus – schreiben lässt, ist schon unverständlich genug. Aber auch Daniel Ryser? Der als opportunistischer Wendehals Köppel und die «Weltwoche» als Teil einer rechten Meinungsmachmaschine denunzierte – ohne mit den zahlreich in seiner Schmiere vorkommenden Protagonisten auch nur ein Wort gewechselt zu haben.

Über «Köppels Sturm» behauptete Ryser, damals noch im Sold der «Republik»:

«In der Zürcher Seegemeinde Stäfa musste die Sekundar­schule einen «Gender-Tag» absagen, nachdem Mord­drohungen bei der Schule eingegangen waren. Mitverantwortlich für die Absage waren die beiden SVP-Politiker Andreas Glarner und Roger Köppel.»

Dann trennten sich die Wege von der «Republik» und Ryser. Darauf tauchte Ryser plötzlich im Sold seines vormaligen Feindbilds WeWo auf – und darf seither durch die Welt gondeln und Riesenschinken schreiben, deren Inhalt in keinem Verhältnis zu ihrer Länge steht.

Als neugeborener Kampffeminist verteidigte Ryser auch schon die Bachelorette der Politik, die mit Schiessübungen unangenehm auf sich aufmerksam machte.

Aktuell hat Ryser Jean Peters in Berlin besucht. 37’000 Anschläge wie weiland bei der «Republik» über den «Mann hinter der Potsdam-Story, der journalistischen Bombe des Jahres in Deutschland». Man erinnert sich, die schlecht benannte Organisation «correctiv» schlich sich in ein Treffen in Potsdam ein, wies auf die Nähe zu Wannsee hin und machte daraus ein «Geheimtreffen», an dem finstere Umvolkungs-, Remigrations- und andere üble Deporatationspläne geschmiedet worden seien.

Das führte tatsächlich zu einem Riesenhallo in Deutschland, Demonstranten gingen mit betroffen-entschlossenem Gesicht auf die Strasse und setzten massenhaft «Zeichen gegen Rechts». Gegen Neonazis, Faschisten Rassisten, das üble Gesocks der AfD und dem sie umgebenden braunen Sumpf.

Dummerweise waren aber auch Anwälte und Verfassungsrechtler bei diesem Treffen anwesend, die sich diese Verleumdungen, die auch durch die ganze Presse rauschten, nicht gefallen liessen. Und gerichtlich die Rücknahme dieser wilden Behauptungen verlangten – und Recht bekamen.

Das hindert Ryser, zurückfallend in alte Reflexe, nicht, heute noch zu behaupten, das Treffen habe dazu gedient, «um die massenhafte Vertreibung von Menschen aus Deutschland zu besprechen und um Geld zu sammeln». Schliesslich betreibt Ryser in aller Offenheit Buddy-Journalismus: «Jean Peters ist, vollständige Offenlegung, ein Freund von mir.»

Dieser Freund ist auch klar der Meinung: «Die Frage ist nicht, ob man die AfD verbieten soll, sondern wie.» Das ist nun extremer Meinungspluralismus, dass die Co-Chefin dieser Partei von Köppel gerne interviewt wird und nun sogar eine eigene Kolumne in der «Weltwoche» hat, was wiederum Wendehals Ryser überhaupt nicht stört. Ob er das allerdings seinem Freund in Berlin erzählt hat?

Der hat klare Auffassungen, was in einer Demokratie gewählt werden darf und was nicht: «Die Leute können Werteunion wählen, BSW, Bündnis Deutschland. Aber du hast in Deutschland nicht das Recht, Faschisten zu wählen.» Und wer Faschist ist, das bestimmt natürlich Jean Peters, wer denn sonst.

Was will uns Ryser mit diesem Stück über seinen Freund eigentlich sagen? Dass das ein toller Typ ist, der zu Unrecht kritisiert wurde? Dass die AfD eine Bande von Faschisten ist? Dass es sein Brötchengeber Köppel unterlassen sollte, Alice Weidel und anderen AfD-Exponenten eine Plattform zu bieten, da diese Partei verboten gehört?

Bei seiner «Reise ans Ende der Demokratie», wie Ryser seinen Rundumschlag gegen rechts damals nannte, beschreibt er seinen aktuellen Chef so: «Roger Köppel und Daniel Stricker: wütende, monologisierende Männer auf den Platt­formen Youtube, Locals, Rumble.»

Bei Kummer ist das Problem, dass man nie weiss, ob er Fakt als Fiktion verkauft oder umgekehrt. Da Journalismus kein Romanerzählen sein soll, sind seine Texte unbrauchbar und unlesbar. Bei Ryser ist das Problem, dass der seine Positionen beliebig wechseln kann, wie ein Chamäleon jeweils die gewünschte Farbe annimmt. Das machte seine Texte unbrauchbar und unlesbar.

Will Köppel hier seine Liberalität unter Beweis stellen, mit der Einstellung eines Renegaten, dem er unglaublich Auslauf und Platz zur Verfügung stellt? Wer soll denn die Meinung eines Wendehalses ernst nehmen, der seinen Kopf schneller als ein Kreisel drehen kann?

Gar nicht komisch

Hazel Brugger hat fertig. So als Promi mit vielen Followern.

Die Komödiantin baut sich mit den Erträgen ihres Wirkens ein Haus. Das ist schön für sie, wer möchte das nicht. Allerdings, so spielt das Leben, ist der Spalt zwischen Satire als Broterwerb und Realsatire aus dem eigenen Leben nicht gross.

Denn wie bei vielen Bauten scheint es auch hier Mängel zu geben und Anlass, sich öffentlich darüber aufzuregen. Das ist dem Adlerauge von Andreas Tobler nicht entgangen, der sich hier mal wieder kulturell einbringt. Denn Brugger benützt ihre Prominenz und die Tatsache, dass sie 800’000 Follower hat, dafür, ihrem Frust über Baumängel öffentlich Ausdruck zu verleihen. Allerdings lässt sie es dabei an ihrer sonstigen kühl-satirischen Art doch deutlich ermangeln.

Laut Brugger muss es zwischen der Bauherrschaft – ihr Mann und sie – und dem Architekten sowie den Bauarbeitern inzwischen hoch zu und her gehen: «Weil wir auf unserer Baustelle von Bauarbeitern bedroht wurden, brauchten wir zuletzt Personenschutz.»

Nach der einfühlsamen Schilderung des Bauleidens wagt Tobler dann doch eine Spur Ironie: «Wahrscheinlich gibt es in Deutschland und der Schweiz Tausende Hausbesitzer, die mit ihren Architekten wegen Baumängeln streiten.» Aber wenn einem auf Instagram so viele Leute folgen, dann sei alles halt etwas gröber: «Also auf einer Plattform, auf der viele leidenschaftlich gerne aus ihrem Leben berichten, nichts zu unwichtig ist – und sich selbst Alltägliches als «Content» verwerten lässt», schreibt Tobler.

Ohne sich der Ironie bewusst zu sein, dass auch er diesen Pipifax als Content verwendet. Da benützt eine Prominente ihren Status, um ihrem Ärger Luft zu machen. Wie berechtigt das wirklich ist, hätte Tobler herausfinden können. Mit einem Ortsbesuch oder mit dem Versuch, dem Architekten oder Bauleiter eine Stellungnahme zu entlocken.

Aber he, das wäre doch Journalismus gewesen, dafür hätte er etwas recherchieren müssen oder gar – schreckliche Vorstellung – sich von seinem Schreibtisch wegbewegen. Aber das sind Dinge, die im heutigen Spar- und Elendsjournalismus nur im äussersten Notfall erlaubt sind.

Aber es gibt auch einige gute Nachrichten, die hinter diesem Baustellentext stecken. Tobler geht einigermassen sanft mit Brugger um, was man bei seinem unflätigen Rüpeln gegen Marco Rima nicht behaupten kann. Über den holzte Tobler: «Er arbeitet also an der Vergrösserung seines Selbst, wie viele, die in die Öffentlichkeit drängen.» Dabei meckerte Rima nicht etwa über seinen Ärger mit dem Personal, sondern hatte ein Anliegen. Nur eins, das nicht in Toblers Gesinnungsblase passt.

Des Weiteren beschäftigt sich Tobler hier nicht mit der Misshandlung der deutschen Sprache mit Gendersternen und ähnlichem Schwachsinn. Er macht auch keine Schmähkritik wie in seinem Schmierenstück über den damaligen NZZaS-Chefredaktor Jonas Projer. Er fordert auch nicht wie bei Rammstein, dass die nächsten Auftritte von Brugger abgesagt werden sollten.

Bei Journalisten wie Tobler muss man immer froh sein, wenn sie vieles nicht machen. Allerdings bleibt dann nicht viel übrig, was sie machen könnten. Denn das kommt von Können, und eigentlich, theoretisch, wäre Tobler ja Kulturjournalist. Arbeitet also in einem Team, das ersatzlos, schmerzlos und folgenlos gecancelt werden könnte. Berichterstattung über Kultur, über Literatur, Filme, Bilder, Theater, Oper, über anspruchsvoll Geistiges, da ist nix. Ausser vielleicht über ein Pottwal-Happening, das halt unübersehbar ist. Denn Tagi und Kultur, das ist wie Erde und Mond, und dazwischen Vakuum. Viel Vakuum. Schwarze, kalte Leere.

Weltmeister im Behauptungs-Journalismus

«Leaks», «Papers», «Secrets». Synonyme für Versagen.

Die gute Nachricht ist: seit mehr als zweieinhalb Jahren ist Ruhe im Karton. Damals erschienen die sogenannten «Pandora Papers». Und es entstand, wie einer der Beteiligten frustriert einräumte, ein «Skandal, der keiner wurde».

Das ist fast richtig. Denn Skandale waren all diese Veröffentlichungen von gestohlenen Geschäftsunterlagen, «Swiss Leaks», «Offshore Leaks», «Paradise Papers» oder «Panama Papers».

Schon die Namen Leaks und Papers waren reines Framing. Es handelte sich nicht um Lecks oder einfach Papiere. Bislang unbescholtenen Firmen wurden hochvertrauliche Geschäftsunterlagen gestohlen, mit durchaus hoher krimineller Energie und einem enormen Zeit-, sowie Geldaufwand. Wer hinter all diesen Diebstählen stand, wer darauf verzichtete, ein ungeheuerliches Erpressungspotenzial auszunützen – das war den an dem Ausschlachten der Hehlerware beteiligten Journalisten völlig egal.

Sie versagten schon am Anfang jeder solchen Reportage, wo sich der Journalist – trotz aller Versuchung – fragen muss, aus welchen Motiven er denn angefüttert wird, ob eine Vorselektion stattgefunden hat, wieso zum Beispiel niemals Briefkastenfirmen in den USA oder Grossbritannien aufflogen, obwohl das die beiden Staaten mit der grössten Dichte solcher Einrichtungen sind – und in den USA zudem die grössten Geldwaschmaschinen der Welt stehen.

Da es sich um ungeheuerliche Datenberge im Terabytebereich handelte, machten sich ganze Teams weltweit an die Arbeit. In der Schweiz war Tamedia federführend dabei, natürlich zusammen mit der «Süddeutschen Zeitung», während andere seriöse Organe wie sogar der «Spiegel» von einer Beteiligung Abstand nahmen.

Das Durchforsten der Datenberge war natürlich zeitintensiv, das schlecht benannte «Recherchedesk» von Tamedia war wochen-, monatelang ausgelastet damit, einzelne Namen herauszupflücken und dann in sorgfältig juristisch abgedämpften Formulierungen («weist darauf hin», «könnte bedeuten», «wird normalerweise für Geldwäsche», «gibt keine andere Erklärung als») ans mediale Kreuz zu nageln.

Allerdings hatte insbesondere Tamedia Pech. Trotz aller Bemühungen waren keine saftigen Fälle mit Schweizbezug herauszukitzeln. Gunter Sachs selig mögliche Steuerhinterziehung vorzuwerfen: ein Totalflop. Den schweizerisch-angolanischen Geschäftsmann Jean-Claude Bastos fertigzumachen, seine Firmen zu ruinieren, während er in einem angolanischen Höllenknast schmorte – ein Skandal. Sämtliche aufgrund von Verleumdungen in der «SonntagsZeitung» angestossenen Prozesse endeten mit Einstellung – oder Freisprüchen. Alle.

Der federführende Journalist Christian Brönnimann zeigte null Unrechtsbewusstsein oder wenigstens ein schlechtes Gewissen. Er könne ja nichts dafür, was Strafverfolgungsbehörden so täten.

Nun haben auch die «Panama Papers» ihr klägliches Ende gefunden. Dieser Datendiebstahl ruinierte die panamaische Firma Mossack Fonseca. Sie war bis 2015 in ihrer vierzigjährigen Existenz niemals in Konflikt mit dem Gesetz geraten. Sie stellte Finanzgefässe her, die dann von anderen vertrieben wurden. Völlig legal.

Daraus machte die Journaille dann einen weiteren «Riesenskandal», «Kriminelle, Prominente, Staatsoberhäupter» und natürlich «das Umfeld von Putin» benützten solche Konstrukte, als «geheime Verstecke in Steueroasen». Selbst wenn es so wäre: auch das ist meist legal, nicht strafbar. Aber diese einfache Unterscheidung wurde durch «illegitim und amoralisch» ersetzt.

Und wieder draufgedroschen, bis auch dieses Soufflé im kalten Wind der Wirklichkeit zusammenfiel.

Nun hat noch ein panamaisches Gericht die dort Angeklagten auf ganzer Linie freigesprochen. Nach der sorgfältigen Untersuchung von knapp einer halben Million Aktenseiten.

Indem die Journalistenhehler die ihnen zugespielten Daten zum Aufbauschen von Skandalen und zur Auflagesteigerung verwendet hatten, sei natürlich die juristisch zwingende Aufbewahrungskette unterbrochen worden. Wird am Tatort ein blutiges Messer gefunden, muss das eingetütet, beschriftet und ordentlich in die Asservatenkammer überführt werden. Damit es als Beweismittel taugt.

Fingern Dutzende von Journalisten dran herum, ist es rechtlich wertlos. Zudem reichten «die übrigen Beweise nicht aus, um die strafrechtliche Verantwortlichkeit der Angeklagten festzustellen». Zwei gewaltige Klatschen für die Hehler.

Denn wären sie nicht so verantwortungslos auf Skandal gebürstet gewesen, hätten sie das getan, was jeder Staatsbürger beim Empfang von Hehlerware tun sollte: sie den zuständigen Behörden übergeben. Aber das ist bis heute nicht und in keinem Fall erfolgt, höchstens partiell und parteilich.

So wie die «Rundschau» sich überflüssig macht, könnte eigentlich auch dieses «Recherchedesk» eingespart werden. Fiele niemandem wirklich auf.

Peinlich, kläglich, erbärmlich

Neuerlicher Totalflop. Die Journaille – auch bei Tamedia – blamiert sich ein weiteres Mal bis auf die Knochen.

Grosses Gedöns, wilde Anschuldigungen, Tamtam und Kriegstänze von vor Bedeutungsschwere kaum laufen könnenden Journalisten. Und dann? Nichts. Eine Firma ruiniert, viele Existenzen ruiniert, zwei klägliche Rücktritte, ein paar Pipifaxprozesse, sonst nichts.

Federführend im deutschen Sprachraum war die «Süddeutsche Zeitung». Die Julian Assange frech anrempelt. Der wahre Skandale aufdeckte, keine erfundenen. Auch Tamedia schäumte damals mit, behauptete neue Blicke in Abgründe, Verbrechen, Blutgelder, mindestens Steuerhinterziehung, furchtbar. War dann nix. Kleinlaut bringt Tamedia nun eine AFP-Meldung. Unrechtsbewusstsein? Zerknirschte Entschuldigung von Brönnimanns und Co., die sich wieder mal völlig vergaloppiert hatten? Niemals.

Wenn der Köter bellt, wedelt Tamedia mit. Das ist schändlich. Alles, was dazu zu sagen ist, sagte René Zeyer bereits 2016 in der «Weltwoche». Zeit, den Artikel zu rezyklieren. Denn es gibt journalistische Werke, die eine Halbwertszeit von mehr als 5 Minuten haben. Im Gegensatz zu vielem Geschrei und Geschreibsel …

Wenn der Panamahut hochgeht

Von René Zeyer _ Schon wieder: Der grösste Datendiebstahl aller Zeiten rüttelt die Besitzer von Briefkastenfirmen durch. Der eigentliche Skandal ist das Vorgehen der Ankläger.

Ein «John Doe» schickt einem Journalisten der Süddeutschen Zeitung eine Nachricht: «Interessiert an Daten? Ich teile gerne.» Und dann kommt ein Berg in der Höhe von 2,6 Terabyte, 11,5 Millionen Dateien. Das überfordert die Kapazitäten der Süddeutschen, also wendet sie sich an das International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ), eine spendenfinanzierte US-amerikanische NGO, die bereits einschlägig in Erscheinung getreten ist.

Unter dem pompösen Titel «Swiss Leaks» nagelte das ICIJ 65 Personen an den Internet- Pranger, denen nicht viel mehr vorgeworfen wurde, als dass sie in Geschäftsbeziehungen mit der Grossbank HSBC standen. Man habe in den gestohlenen Datensätzen Hinweise für Steuerhinterziehung oder gar die Finanzierung von Terror-Organisationen und für andere kriminelle Handlungen gefunden, behauptete das ICIJ. Kleiner Schönheitsfehler: In keinem Fall reichte das für eine Anklage. Die einzige Straftat bestand im Diebstahl von mehr als 100 000 Kontounterlagen.

Zuvor gab es die «Offshore Leaks». Unter anderen wurde der verstorbene Millionär Gunter Sachs beschuldigt, mit Trust-Konstruktionen Steuern hinterzogen zu haben. Darüber hinaus gebe das ICIJ endlich einen Einblick in die geheime Welt von Trusts, Offshore-Paradiesen und asozialen Superreichen. Nach kurzer Zeit und entsprechender Erregungsbewirtschaftung lösten sich diese 260 Gigabyte gestohlener Daten in Luft auf; so konnte auch Sachs keinerlei illegales Tun nachgewiesen werden. Nur sein Ruf war postum ruiniert.

Mit den «Panama Papers» wird nun etwas höher gezielt. Die panamaische Kanzlei Mossack Fonseca, der die Daten gestohlen wurden, habe mehr als 200 000 Gesellschaften gegründet, die unter anderem dazu dienten, internationalen Sanktionen zu entgehen, Steuern zu hinterziehen oder Geld zu waschen. Rund 140 Politiker und Amtsträger weltweit gehören zu den Benutzern, darunter der Premierminister von Island – und «das Umfeld von Wladimir Putin». Schon wieder handle es sich um einen gigantischen Skandal: «Millionen von Dokumenten zeigen, dass Staatsoberhäupter, Kriminelle und Prominente geheime Verstecke in Steueroasen benützen», klagt das ICIJ auf seiner Website an.

«Unschuldsvermutung»

Der ehemalige Spiegel-Chefredaktor Georg Mascolo, in Deutschland federführend bei der Auswertung des Datenbergs, weist in einer Talkshow darauf hin, dass auch hier «die Unschuldsvermutung » gelte und selbstverständlich die Errichtung oder Benützung eines Trusts per se nicht illegal sei. Aber die auch nur behauptete Verbindung zu den Unwörtern Briefkastenfirma, Panama, Steueroasen reicht, um den Ruf zu ruinieren. Umso ferner und unsympathischer der Besitzer ist, umso besser. Sollte sich wieder herausstellen, dass keine Straftatbestände erfüllt wurden – na und?

Was nützt es da, darauf hinzuweisen, dass ein Trust, eine Holding, die Errichtung einer Gesellschaft im Rahmen völlig legaler Steueroptimierung nicht nur für Hunderttausende von kleinen Hausbesitzern in Grossbritannien, sondern auch für jede international tätige Firma notwendig sind? Deren Finanzchef müsste wegen Unfähigkeit entlassen werden, würde er diese Vehikel nicht nutzen. Selbst Bundesrat Schneider-Ammann kann ein Lied davon singen, was passiert, wenn man damit in Verbindung gebracht wird.

Legitim, aber unmoralisch

Die beteiligten Journalisten spielen Ankläger und Richter in einer Person, statt die gestohlenen Daten den zuständigen Strafverfolgungsbehörden zu übergeben. Sie ersetzen die Grenze zwischen legal oder strafbar durch «legitim, aber unmoralisch». Wieder fragen sie nicht: «Cui bono?» Obwohl die USA die grösste Steueroase der Welt sind, im Bundesstaat Delaware in einem einzigen Gebäude die grösste Ansammlung von Briefkastenfirmen existiert, ist bislang unter den «politisch exponierten Personen » kein einziger US-Bürger aufgeführt, keine dort angesiedelte Trust-Konstruktion. Die einfache Erklärung: In Delaware oder Nevada wäre ein Datenleck gar nicht möglich, weil diese Offshore-Zentren über keinerlei Informationen zu den wirtschaftlich Berechtigten verfügen.

Ramón Fonseca Mora weist in seiner bislang einzigen öffentlichen Stellungnahme darauf hin, dass die von ihm mitbegründete Kanzlei Mossack Fonseca in ihrer vierzigjährigen Existenz noch nie angeklagt, geschweige denn verurteilt worden sei. Man stelle lediglich für Zwischenhändler pro Jahr im Schnitt 20 000 solcher Konstrukte her, mit deren Verwendung man nichts zu tun habe. In den USA werden jährlich 200 000 solcher Vehikel verkauft, in Grossbritannien 250 000. Noch Fragen?

Macht es wirklich Sinn anzunehmen, dass ein einzelner Hacker – oder eine kleine Gruppe – diesen grössten Datenklau aller Zeiten bewerkstelligt und sich dann bei einer Zeitung meldet, um ohne die geringste Gegenleistung 2,6 Terabyte zu verschenken? Wichtiger noch: Das einzige erwiesene Verbrechen besteht bislang darin, dass eine Unmenge von vertraulichen Daten gestohlen und veröffentlicht wurde. Eine eklatante Verletzung der Privatsphäre, begleitet von der Anprangerung von Nutzern und Herstellern. Mossack Fonseca ist inzwischen mit umfangreichen Erklärungen zwischen Geschäft in die mediale Gegenoffensive gegangen. Das prallt aber an der aktuellen Pogromstimmung ab.

Roshani und kein Ende

Tamedia wehrt sich. Gut so.

Der Fall Roshani ist bis in jedes Detail ausgeleuchtet worden. Tausendsassa Roger Schawinski hat sogar ein Buch darüber geschrieben. Immer noch lesenswert.

Zu besichtigen ist heute ein Trümmerfeld. Offensichtlich aus Rache hatte Anuschka Roshani mit einer Breitseite im «Spiegel» die Affäre losgetreten. Darin beschuldigte sie ihren ehemaligen Chefredaktor, sie über Jahre hinweg und auch vor der ganzen Redaktion übel verbal attackiert zu haben, inklusive abfällige Bemerkungen über ihr Sexleben.

Kein einziger dieser Vorwürfe konnte in einer von Tamedia in Auftrag gegebenen Untersuchung erhärtet werden; Roshani verweigerte nach kurzer Zeit die Teilnahme, als sie sich in Widersprüche zu verwickeln begann. Einzig belegt werden konnte, dass ihr Chefredaktor bei Germanismen in ihren Texten mit falsch gezeichneten Hakenkreuzen darauf hinwies und das offensichtlich komisch fand.

Endergebnis: der Chefredaktor wurde wegen ungebührlichen Verhaltens «im gegenseitigen Einvernehmen» gefeuert. Seine Karriere liegt in Trümmern, ihm ging das Geld aus, sich gegen die Verleumdungen im «Spiegel» juristisch zu wehren.

Roshani wollte an seiner Stelle Chefredaktor werden und hatte sich auf seine Stelle beworben, während er noch im Amt war. Stattdessen wurde auch sie entlassen, weil natürlich auch solches Intrigantentum nicht toleriert werden kann.

Auch ihre Karriere liegt ihn Trümmern, wer will schon mit einer so toxischen Person zusammenarbeiten. Dank ihres Mannes muss sie sich im Gegensatz zum Chefredaktor materiell keine Sorgen machen.

Eine besonders üble Rolle spielte die Gutmenschenredaktion des «Magazin», angeführt vom heutigen Co-Chefredaktor der «Republik» Daniel Binswanger. Roshani hatte unter anderem behauptet, ihr Chefredaktor habe sie auch vor versammelter Mannschaft verbal attackiert. Also wäre es für diese mutigen Verteidiger der Frauenrechte ein Leichtes gewesen, das zu bestätigen – oder zu dementieren. Aber sie waren allesamt zu feige, schwiegen auf Anfrage verkniffen oder verwiesen auf die Medienstelle von Tamedia. Auch ein Trümmerfeld angeblich edler Gesinnung.

War’s das endlich? Nein, es wird munter prozessiert. Denn Roshani fordert nicht weniger als ihre Wiedereinstellung, eine Anerkennung ihrer angeblichen Diskriminierung und eine Genugtuungssumme von 10’000 Franken.

Am Montag fand vor dem Arbeitsgericht Zürich ein öffentlicher Prozess in der Sache statt. Immer noch wird munter auch in den Medien Partei ergriffen, so schreibt «persoenlich.com», dass Roshani im «Spiegel» beschrieben habe, «wie sie während Jahren sexualisiertem Mobbing durch ihren Chefredaktor … ausgesetzt war». Indikativ wohlgemerkt. Solange es im Journalismus solche Schludrigkeiten gibt, hat Roshani doch noch gewonnen.

Roshani behauptet inzwischen, dass sie sich auch für die 72 erregten Tamediafrauen wehre, die mit einem Protestschreiben über angeblich unerträgliche Zustände via Jolanda Spiess-Hegglin an die Öffentlichkeit gelangt waren. Obwohl die beiden Initiantinnen behauptet hatten, dass das Schreiben nur für internen Gebrauch bestimmt sei. Auch hier liess sich kein einziger der anonymisierten Vorwürfe erhärten.

Die Lachnummer hier war, dass sich sowohl der damalige Oberchefredaktor Arthur Rutishauser wie der weiter amtierende Konzernboss Pietro Supino präventiv schon mal entschuldigten und sich betroffen zeigten. Obwohl damals und bis heute kein einziger Vorwurf belegt wurde (Indikativ).

Immerhin ist Tamedia offensichtlich nicht bereit, sich auf Vergleichsverhandlungen einzulassen. Damit wird üblicherweise möglichst geräuschlos ein solches Problem abgetischt. Die «Republik», immer stilbildend, ging unter Co-Chefredaktor Binswanger sogar noch einen Schritt weiter. Um jegliches Aufsehen und einen Prozess zu vermeiden, zahlte sie einem ehemaligen Mitarbeiter, der aufgrund anonymer Anschuldigungen fristlos und ohne Anhörung gefeuert worden war, bis zu 30’000 Franken.

Es scheint allerdings so, ein Lichtblick, dass diese anonyme oder persönlich vorgetragene Denunziationsmasche langsam an Wirkung einbüsst. Immerhin.

 

Es gilt die Antisemitismus-Vermutung

Ein Prozess als Symbol für die allgemeine Verirrung.

Was Antisemitismus sei, was antisemitisch, das wird in immer absurdere Höhen,Weiten und Grössen ausgedehnt. Wahrscheinlich ist bereits dieser Anfang antisemitisch. Irgendwie.

Werden solche Kampfbegriffe überdehnt, dann werden sie gleichzeitig sinnentleert, werden sie auf alles angewendet, bedeuten sie nichts. Werden als verbale Waffe stumpf, obwohl sie durchaus ihre Berechtigung haben, denn natürlich gibt es Antisemitismus und Judenhass.

Aber wer «Antisemit» wie Konfetti auf alles niederregnen lässt, was seiner eigenen Meinung widerspricht, entwertet den Begriff, so wie es bereits dem Schimpfwort «Nazi» ergangen ist. «Nazi» ist eigentlich inzwischen gleichbedeutend mit Arschloch und immer weniger Benutzer wissen überhaupt noch, wofür das Wort einstmals stand.

Dass es Israelhass gibt,  macht jegliche Solidarität mit den Palästinensern so schwierig. Denn sie haben im Gazastreifen ein Regime gewählt, das einem mittelalterlichen, fundamentalistischen Islamismus anhängt, mit dem kein vernünftiger Mensch einig gehen kann. Unter keinen Umständen. Weder das Ziel der Vernichtung Israels noch die Methoden zu seiner Erreichung können gebilligt, verteidigt, rechtfertigt werden.

Wo ist dann noch Platz, um gegen Kriegsverbrechen und Verstösse gegen das Völkerrecht seitens Israel zu protestieren? Zwischen allen Stühlen, also beispielsweise hier.

Lange Einleitung zu einem kurzen Prozess. Es ist ein Lehrstück über Missbrauch. Der mehr als Sohn von Abi denn als selbständiger Sänger bekannte Gil Ofarim machte vor zwei Jahren weltweit Schlagzeilen. Nicht mit seiner Sangeskunst, sondern mit einem Handyvideo, das er auf dem Boden sitzend vor einem Leipziger Hotel von sich aufgenommen hatte.

Der Rezeptionist des Hotels hinter ihm habe ihn aufgefordert, seine Halskette mit Davidstern abzulegen, wenn er einchecken wolle, berichtete ein aufgelöster Ofarim. Damit löste er einen Skandal aus. Vor dem Hotel gab es Demonstrationen, Politiker überschlugen sich in Vorverurteilungen, der Rezeptionist wurde suspendiert. Das sei ein unerträgliches Beispiel für alltäglichen Antisemitismus, behauptete der damalige Aussenminister Heiko Maas. Es wurde mit «Schande», «unerträglich», «Boykott» um sich geworfen.

Jetzt beginnt der Prozess gegen Ofarim vor dem Leipziger Landgericht. Der Verdacht: falsche Verdächtigung, Verleumdung, Betrug und falsche eidesstattliche Versicherung.

Denn nach der ersten grossen Aufregung kamen schnell Zweifel an der Darstellung Ofarims auf. Den angeblichen Streit um seinen Davidstern konnte keiner der fünf  Zeugen bestätigen, die das Wortgefecht an der Rezeption mitbekamen. Zudem ist auf Videoaufnahmen der Stern gar nicht zu sehen, von weiteren 31 Zeugen hat ihn – ausser einem, der sich laut Staatsanwaltschaft aber täuschen dürfte – keiner gesehen, also gibt es Zweifel, ob Ofarim ihn überhaupt sichtbar trug.

Der Vorfall ist von der Staatsanwaltschaft und von einer durch das Hotel beauftragten Kanzlei aufwendig und minutiös untersucht worden. Natürlich gilt auch hier die Unschuldsvermutung, aber die Behauptung Ofarims auch vor dem Prozess, dass es sich so zugetragen habe, wie er behauptet, wird durch nichts gestützt.

Natürlich ist  die Motivforschung schwierig, wieso der Sänger gelogen haben könnte. Um Aufmerksamkeit auf seine mediokre Karriere zu lenken? Rache am Hotelmitarbeiter, der ihn seiner Meinung nach nicht seinem Status als Promi gemäss behandelt hatte? Zeugen wollen gehört haben, dass er am Schluss der Auseinandersetzung dem Rezeptionisten damit drohte, dass er gleich ein Video aufnehmen werde; «das werden Sie noch bereuen», soll er laut diesen Zeugen gesagt haben.

Ofarim beklagt sich im Vorfeld des Prozesses darüber, dass er sich seit seiner Jugend ständig antisemitische Beleidigungen anhören müsse und sogar attackiert worden sei. Das ist in Deutschland durchaus denkbar. Sollte sich in diesem Prozess allerdings herausstellen, dass es über jeden vernünftigen Zweifel erwiesen wäre, dass dieser antisemitische Vorfall von Ofarim erfunden wurde, hat er damit den Antisemitismus kräftig befördert.

Genau wie all die Kreischen, die jeder Kritik an Israel sofort das Etikett «Antisemit, Israelhasser, Judenhasser» ankleben. Leider vermehren sie sich täglich. In ihrer strotzende Selbstherrlichkeit merken sie nicht, wie sehr sie der Sache Israels schaden. Sie werden zu geistigen Terroristen, zu ideologischen Taliban, zu verblendeten Inquisitoren, die null und nichts zu einer möglichen Lösung beitragen, indem sie beispielsweise die Israelis als die schlichtweg «Guten» stilisieren.

Sie sind grösstenteils nicht mal in der Lage, eine Antwort auf eine naheliegende, einfache Frage zu geben: angenommen, Israel gelingt es, die Hamas zu liquidieren, was das erklärte Kriegsziel ist. Und dann?

Newsblamage bei Hetzcourage

Erschreckendes über «Netzcourage». Die Mainstream-Medien schweigen.

In einer ganzen Serie hat Michèle Binswanger mit Hilfe eines Investigativteams Tausende von internen Äusserungen von Exponenten von «Netzcourage» ausgewertet. Ergebnis: Präsident Hansi Voigt und Gründerin und Geschäftsführerin Jolanda Spiess-Hegglin haben mit allen fiesen Tricks, «Drecksarbeit» und vielen Helfershelfern versucht, eine Buchpublikation zu verhindern und die Autorin so fertigzumachen, dass sie am besten «auswandern» sollte.

Ein Fall für «Netzcourage», der Fall von «Netzcourage». Das wäre eigentlich ein Anlass für die Mainstreammedien, die sonst jeden Furz einer angeblichen Diskriminierung einer Frau tief einatmen, breit zu berichten. Stattdessen: tiefes Schweigen im Blätterwald. Lediglich «20 Minuten» traute sich mit einer zerquälten Story an die Öffentlichkeit, die vor Konjunktiven und Möglichkeitsformen nur so strotzte.

Ringier? Will das Thema JSH weiträumig umfahren, solange der Prozess wegen Gewinnherausgabe läuft. Tamedia: hat lange Zähne, weil Binswanger dort in leitender Position tätig ist. NZZ? Will sich nach Ausflügen in den Themenbereich «Roshani/Canonica», die nicht sehr glücklich verliefen, lieber vornehm zurückhalten. CH Media? Will vielleicht ihren ehemaligen Leiter Publizistik, den JSH-Lautsprecher Pascal Hollenstein, schützen. Ob bei seinem abrupten Abgang Stillschweigen auch hierüber vereinbart wurde?

Natürlich schweigen wie gemeldet auch die Beiräte und natürlich JSH sowie Voigt auf entsprechende Anfragen.

Binswanger wurde am Mittwoch in Basel wegen Verleumdung verurteilt. Der Prozess drehte sich um einen einzigen Tweet, den Binswanger 2020 abgesetzt hatte und in dem sie JSH vorwarf, «einen Unschuldigen der Vergewaltigung zu bezichtigen». Das bewertete der Einzelrichter als «massiv ehrverletzend». Binswanger hat angekündigt, in Berufung zu gehen.

Darauf rauschte es im Blätterwald, die Mediendatenbank SMD zählt alleine am Tag des Urteils 47 Treffer. Eine fünfteilige Serie mit der Auswertung von Tausenden von Textnachrichten, die eindeutig belegen, wie hier eine hinterlistige Kampagne in Bewegung gesetzt wurde, um Binswanger unmöglich zu machen und die Publikation ihres geplanten Buchs mit allen Mitteln zu verhindern. Medienecho: nahe null. Vorläufiges, nicht rechtskräftiges Urteil wegen eines Tweets: grosses Kino.

Schäbiges Kino. Die meisten Medien, darunter auch «Blick» oder «Tages-Anzeiger», übernahmen einfach die SDA-Tickermeldung zum Prozess. Die NZZ, die bislang eisern geschwiegen hatte, nahm die Enthüllung der Hetzkampagne auf. Aber wie: «Veröffentlicht worden sind die Auszüge in mehreren Beiträgen auf einem Blog von Binswanger, wobei nicht klar ist, wer die Sache recherchiert und verfasst hat.» Das ist wohl nebensächlich, da es sich unter der Verantwortung von Binswanger abspielt, die Authentizität der Belege für diese Schmierenkampagne wäre wohl wichtiger zu erwähnen.

Immerhin räumt Daniel Gerny dann ein: «Die zitierten Chat-Wortmeldungen sind teilweise krass und lassen sich mitnichten mit Spiess-Hegglins Ansinnen vereinbaren, Hass im Netz zu bekämpfen.» Um sofort zu relativieren: «Allerdings ist vorderhand vieles unklar oder bleibt ohne Kontext und wird von den Betroffenen teilweise gar bestritten.» Wer die Dokumentation durchgelesen hat, fragt sich, was wohl Gerny angeschaut hat.

JSH selbst gibt sich abgeklärt und ruft alle Beteiligten zur Mässigung auf. Was im leichten Widerspruch zur Ankündigung ihrer Anwältin steht, dass die Veröffentlichung der Chatprotokolle neue Verfahren nach sich ziehen werde. Vielleicht sollten sich die beiden absprechen.

Schmerzlich peinlich ist aber, dass dieses Urteil auf einem Nebenschauplatz dermassen publizistische Aufmerksamkeit erregt – während der aktuelle Skandal einer nachgewiesenen Hetzkampagne keiner Erwähnung wert war. Ausser in der «Weltwoche» und in einigen wenigen, kleinen Plattformen.

Noch peinlicher ist es, dass alleine ein kleines Organ über diese Affäre so berichtet, wie es auch den sogenannten Qualitätsmedien anstünde: die «Jungfrau Zeitung». Seit 2020 nur noch als Internet-Ausgabe erhältlich, die sich aber laut eigenen Angaben der Aufmerksamkeit von 400’000 Nutzern erfreut. Ausgerechnet die kleine Gossweiler Medien AG, inzwischen in vierter Generation inhabergeführt, zeigt’s den vermeintlich Grossen, wie Berichterstattung geht.

Man kann die Auseinandersetzungen zwischen JSH und Binswanger als Zickenkrieg abtun, man kann sich gelangweilt abwenden. Aber man darf nicht übersehen, dass die Berichterstattung hierüber einen weiteren Tiefpunkt des medialen Schaffens der verbliebenen Rumpfredaktionen von Tamedia, CH Media und Ringier darstellt. Selbst die NZZ macht hier keine gute Falle, wie schon im Roshani-Skandal.

ZACKBUM bleibt dabei: dieses Zwischenurteil über einen einzigen Tweet ist erwähnenswert, aber Kurzfutter. Die Abgründe, die die fünfteilige Enthüllungsserie über die beiden Protagonisten von «Netzcourage» und ihre Helfershelfer aufzeigt, notabene eines Vereins, der auch mit Steuergeldern alimentiert wurde, wäre eine breite Berichterstattung wert gewesen. Aber auch diesen Teil des Handwerks – gewichten, einordnen, priorisieren – haben die überlebenden Redaktoren in ihren Verrichtungsboxen längst vergessen.

Tamedia bricht sich über die mangelnde Akzeptanz der Gendersprache einen ab, plädiert für mehr Sichtbarkeit. Hier wird eine Frau übel gemobbt, dazu noch eine eigene Mitarbeiterin, ausgerechnet von der hasserfüllten Kämpferin gegen Hass im Internet, samt Adlatus und Büttel – und das ist Tamedia weder einen Kommentar, noch eine Erwähnung wert? Aber ein juristischer Zwischenbescheid, das gibt immerhin ein copy and paste von der SDA. Das ist nun wirklich, um es im Tamedia-Stil zu sagen, zum K***.

SoZ: Tief gesunken

Erst ein Tag alt, schon erste Gegendarstellung nötig

 

Der Niedergang des einstigen Qualitätstitels «SonntagsZeitung» ist unaufhaltsam. Immer weniger Inhalt, immer weniger Qualität, immer mehr verludernde Sitten. Bis hin zum Austragen von Privatfehden.

Fertigmacherjournalismus aufgrund gestohlener Geschäftsunterlagen im Fall Bastos. Veröffentlichung von angefütterten Dokumenten im Fall Vincenz. Beides wurde von mir 2019 öffentlich scharf kritisiert.

Daraufhin feuerte der «Tages-Anzeiger» eine Breitseite gegen mich ab: «Das doppelte Spiel eines Wirtschaftsjournalisten». Eine ganze Seite Rachefeldzug.

Im Vorfeld wurden mir zum Teil unverschämte Fragen gemailt, die ich öffentlich beantwortete. In der vergeblichen Hoffnung, damit ein weiteres solches Stück zu vermeiden.

Dreamteam Brönnimann Rutishauser

Als Autorenteam zeichneten Christian Brönnimann und Arthur Rutishauser. Brönnimann war verantwortlich für die Kampagne gegen Bastos. Rutishauser war von mir mehrfach kritisiert worden, wieso er sich von der Staatsanwaltschaft im Fall Vincenz mit Interna abfüttern liess, die er dann als «exklusiv» und sich auch auf die ewigen anonymen Quellen berufend, publizierte.

Obwohl ich selbst und die immerhin angefragten Firmen strikt verneinten, dass ich mich mit finanziellen Forderungen oder mit Beratungsangeboten an sie gewandt hatte, behauptete Tamedia dennoch – «bestätigen drei voneinander unabhängige Personen», die natürlich anonym bleiben mussten – das Gegenteil. Um diesem üblen Stück nicht noch mehr Aufmerksamkeit zu verschaffen, verzichtete ich auf Schritte gegen diese Unterstellungen. Vielleicht ein Fehler.

Aber offensichtlich ist man weiterhin nachtragend im Hause Tamedia. Während früher nur Banken alle meine öffentlichen Äusserungen unter die Lupe nahmen, ob sich da etwas finden liesse, was man gegen mich verwenden könnte, macht das nun die ehemalige Qualitätszeitung SoZ. Lange Monate vergeblich, aber nun meinte man, etwas gefunden zu haben.

Stümper am Werk

In der Spalte «Bürohr», wo anonym Gerüchte verbreitet und Behauptungen aufgestellt werden, glaubt man, mir eine reinbrennen zu können. Nur: Zum allgemeinen Niedergang der SoZ gehört auch, dass nur noch schlampig recherchiert wird, wenn überhaupt.

Der Anlass ist eigentlich nichtig, wenn es nicht so komisch wäre. Denn hier behauptet die SoZ, ich hätte zur Genese des Namens unserer Medien-Show auf einen Geniestreich verwiesen, der Beni Frenkel berührt habe; damit sei der Name gesetzt gewesen. In Wirklichkeit sei das ein alter Hut, behauptet die SoZ, «denn Frenkel liess den Domain-Namen zackbum.ch schon im Mai 2009 auf sich eintragen».

Liebe Anfänger und Stümper im Hause Tamedia: Ich gebe zu, das Internet gibt es noch nicht so lange, da muss man sich ja erst dran gewöhnen. Dem Recherschör war dann nichts zu schwör, er schaffte es in einer journalistischen Meisterleistung, Beni Frenkel als Besitzer des Domain-Namens aufzuspüren. Bravo.

Nur: Bei jedem Domain-Namen steht normalerweise, wann er zuerst registriert wurde. In diesem Fall tatsächlich im Jahr 2009. Tatä? Leider nein, denn er wurde damals nicht von Frenkel registriert. Der ihn sich deswegen, nach seinem Geniestreich in diesem Jahr, vom bisherigen Besitzer besorgen musste.

Was lernt man daraus? Die Kollegen von der SoZ lernen nichts. Deswegen kriegen sie nun eine Gegendarstellung reingepfeffert, denn nur aus Schaden wird man klüger. Wie könnte sich das äussern? Nun, indem man seinen journalistischen Muskel nochmal angespannt hätte und sich bei Frenkel erkundigt, ob er nicht schon seit 2009 Besitzer dieses Namens sei. Aber auch da gilt offenbar: lass dir eine gute Anekdote ja nicht durch die Wahrheit totrecherchieren.

Wie es die SoZ oder Tamedia begründen kann, für solchen Stuss auch noch Geld zu verlangen, das wird immer mehr zu deren wohlgehüteten Geheimnis.