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Persönlichkeitsverletzungen

Beidseitige Übergriffigkeiten? Wieso nicht.

Es ist den Medien mal wieder gelungen, die Kacke richtig zum Dampfen zu bringen. Die Ausgangslage war so banal wie bekannt. Anonyme Denunziantinnen beschuldigen eine nicht ganz unbekannte Person, sie verbal sexuell belästigt zu haben, beziehungsweise übergriffig geworden zu sein.

Soweit bekannt, beziehen sich die Vorwürfe auf angebliche Handlungen, die verjährt sind. Während die Anonymität der Frauen gewahrt bleibt, ist der Denunzierte durch zwei recht unappetitliche Handlungen mehr oder minder kenntlich gemacht worden. In einer Radiosendung, die zuerst darüber berichtete, wurde seine Tätigkeit so beschrieben, dass nicht nur Insider sofort auf die reale Person schliessen können.

Zudem wurde er von seinem Arbeitgeber – nach wochenlanger Untätigkeit – freigestellt. All das entspricht einer Vorverurteilung, denn völlig unabhängig davon, ob die Vorwürfe ganz, teilweise oder überhaupt nicht zutreffen; der Denunzierte ist stigmatisiert, gebrandmarkt, kann sich in den nächsten Jahren einen neuen Beruf suchen oder gleich auswandern.

Besonders widerwärtig war die Radiosendung. Alle, restlos alle Behauptungen von angeblich Betroffenen oder Weggefährten wurden anonym erhoben, mit nachgesprochener Stimme, um jegliche Identifizierung zu verhindern. Zudem äusserten sich sogenannte Wissenschaftlerinnen oder Fachfrauen zum Thema sexuelle Übergriffe, als handle es sich in diesem Fall um erwiesene Taten. Was nicht der Fall ist.

Dass die Unschuldsvermutung nur noch eine hohle Phrase ist, hat sich bereits bis zum Erbrechen in anderen Fällen, nicht nur auf diesem Gebiet, gezeigt.

Der mediale Volksgerichtshof hat bereits getagt. Anhand von kolportierten Messages – ohne Kenntnis davon, in welchem Zusammenhang sie erfolgten – wurde der vermeintliche Täter bereits überführt, Gegenwehr ist sinnlos.

Aber selbst gesetzt den Fall, er habe all das getan (und noch viel mehr), was ihm vorgeworfen wird, gibt es zwei gravierende Probleme.

Das erste: das wollen über Jahre hinweg zwei in solchen Fragen so sensible Organe wie die «Republik» oder die WoZ nicht gewusst, nicht bemerkt, nicht sanktioniert haben? Da spielt einer Hunter S. Thompson auf der Redaktion, hält sich für den King und Hero, baggert unziemlich und unzimperlich Mitarbeiterinnen an, über Jahre hinweg? Die seine Avancen keinesfalls begrüssen, sondern als unangenehm und übergriffig empfinden? Und keiner sieht’s, keiner protestiert, die Betroffenen vertrauen offensichtlich den dafür vorgesehenen Instanzen so wenig, dass sie sich nicht dort melden?

Unglaublich. Eine Bankrotterklärung für die beiden Geschäfts- und Redaktionsleitungen.

Aber es gibt noch ein rein rechtliches Problem. Die Denunziantinnen haben darauf verzichtet, ihre Anschuldigungen innerhalb der gesetzlich dafür vorgesehenen Frist zu erheben. Anschliessend sind sie verjährt. Schlimmer noch: sie stellen Persönlichkeitsverletzungen dar. Und zwar des Denunzierten. Denn genau dafür ist die Verjährung da. Dass nicht jemand zehn Jahre später irgend etwas Persönlichkeitsverletzendes behaupten kann. Ungestraft.

Unter welchem Vorwand auch immer, dass er (oder sie) vorher nicht dazu in der Lage gewesen sei. Es geht hier ja nicht darum, dass jemandem vorgeworfen wird, er habe vor Jahren mal ein Bleistift am Arbeitsplatz mitgehen lassen. Bei solch schwerwiegenden, kaum heilbaren Vorwürfen muss der Schutz der Persönlichkeit entschieden höher gewichtet werden als das Rachebedürfnis angeblich Betroffener.

Denn ob das allen Kreischen passt oder nicht: ist’s verjährt, bleibt der Beschuldigte unschuldig. Unabhängig davon, ob er das getan hat, was man ihm vorwirft – oder nicht.

Also kann er ohne Weiteres selbst wegen Persönlichkeitsverletzung klagen. Natürlich können sich die Denunziantinnen dann nicht länger hinter feiger Anonymität verstecken. Ihr Persönlichkeitsschutz kann nicht höher gewichtet werden als der des Angeschuldigten.

Das mag allen moralinsauren Inquisitoren und selbsternannten Richtern und Henkern nicht passen. Ist aber so.

Schliesslich muss noch ein weiteres Detail aufgeklärt werden. Der Autor des Radiobeitrags Salvador Atasoy ist ja nicht wegen seiner Spürnase auf diesen Fall aufmerksam geworden. Natürlich wird er sich hinter Quellenschutz verstecken, aber genauso klar wurde ihm das entsprechende Dossier zugesteckt. Dabei erhebt sich die Frage: von wem?

Die Antwort liegt auf der Hand, wenn man ein logisches Ausschlussverfahren anwendet. Von einem Amt – sehr unwahrscheinlich, ein so heikles Dossier, das durch das Amtsgeheimnis geschützt ist – wohl kaum. Die Geschäftsleitung der «Republik»? Genauso unwahrscheinlich, die wollen sich doch nicht so in den eigenen Fuss schiessen.

Also bleiben ja wohl nur die Denunziantinnen selbst, deren Identität Atasoy laut eigenem Bekunden kennt. Hier erhebt sich lediglich noch die Frage: taten sie das direkt oder über die Bande? Oder war es ein anderer Weg, auf dem Atasoy von der Existenz dieser Anschuldigungen erfuhr?

Es ist zu hoffen, dass sich das klärt.

Lachhafte Opfer

Ein Blick ins Gesetzbuch würde weiterhelfen. Aber im modernen Elendsjournalismus …

Nehmen wir an, Alice lockt Bob bei einem Medienanlass ins Nebenzimmer und versucht dort unbeobachtet, ihm die Zunge in den Mund zu stecken. Bob macht den Mund frei und sagt deutlich «nein». Alice lässt nicht ab, bis Bob sie zurückstösst. Damit hat diese sexuelle Belästigung ihr Ende gefunden.

Sie fällt unter Artikel 198 des Schweizerischen Strafgesetzbuches (STGB). Da heisst es in Absatz zwei:

«Wer jemanden tätlich oder in grober Weise durch Worte sexuell belästigt, wird, auf Antrag, mit Busse bestraft.»

Das ist nun für jeden Laien und gescheiterten Küsser verständlich. Das ist kein sogenanntes Offizialdelikt, muss also nicht von Amts wegen verfolgt werden. Es braucht eine Strafanzeige, und die muss innerhalb von drei Monaten nach dem Ereignis gestellt werden. Erfolgt sie nicht in dieser Frist, ist der Fall erledigt.

Anschliessend läuft eine Verjährungsfrist von drei Jahren. Kommt es in dieser Zeit nicht zu einer Verurteilung, ist der Fall auch erledigt. Gibt es ein Urteil, auch einen Freispruch,wird die Verjährung aber unterbrochen, und man kann beliebig weiterprozessieren, wie man lustig ist. Bis ans Bundesgericht, vielleicht auch nach Strassburg.

Sollte jemand auf die Idee kommen, nach über 20 Jahren jemanden namentlich zu beschuldigen, eine solche sexuelle Belästigung begangen zu haben, hätte diese Anklägerin höchstwahrscheinlich sofort eine Ehrverletzungsklage im Gesicht. Ohne Chance, die zu gewinnen. Denn es gibt nicht nur das Recht des Vergessens für einen verurteilten Täter. Es gibt zudem Fristen, die verhindern sollen, dass genau das passiert, was auch in der Schweiz immer mehr um sich greift.

Der oben geschilderte Fall ist natürlich eine Abbildung der Behauptung der damit in die Medien drängenden Patrizia Laeri. Wohlweisslich nennt sie dabei keinen Namen, denn das würde den erfolgreichen Auftritt in an ihren Lippen hängenden Elendsmedien etwas überschatten.

Genau gleich gingen die erregten 78 Tamedia-Frauen bei ihrem Protestschreiben vor zwei Jahren vor. Sie stellten über 60 angebliche Fälle von verbalen sexuellen Belästigungen in die Öffentlichkeit. Alle anonymisiert, alle ohne Zeitangabe, alle ohne die Möglichkeit, sie zu verifizieren oder zu falsifizieren. Was bis heute trotz von Tamedia angekündigten Untersuchungen noch nicht öffentlich erfolgt ist.

Die eher enge Anzeigefrist für ein Bagatelldelikt wie sexuelle Belästigung (wir sprechen hier nicht von Nötigung, Schändung oder Vergewaltigung oder der Beteiligung Minderjähriger) ist Absicht und richtig. Damit soll genau das verhindert werden, was immer häufiger geschieht.

Viele Jahre später werden Geschichten von angeblichen sexuellen Belästigungen, meistens auch noch verbaler Art, herumgeboten. Unter Ausnützung der heutigen Woke-Stimmung, wo Männer im Zweifelsfall Schweine sind, Frauen immer Opfer.

Natürlich ist auf dem Rechtsweg hier nichts mehr zu wollen. Aber wieso wendet sich das späte Opfer nicht direkt an den Übeltäter – oder an sein Unternehmen? Laut Laeri soll ihr Belästiger immer noch bei SRF arbeiten, sogar in leitender Funktion. Hätte er es nicht verdient, mal selbst etwas dazu zu sagen? Aber das ist natürlich nicht die Absicht solcher in die Öffentlichkeit drängender Frauen.

Dass merkwürdige Geschäftsfrauen wie Laeri mit solchen Methoden PR für sich machen wollen, ist menschlich verständlich. Jeder (und jede), wie er kann. Dass aber die Medien wie Pavlowsche Hunde spontan zu sabbern beginnen, wenn ihnen solche Geschichten serviert werden, das ist unsäglich.