Lachhafte Opfer

Ein Blick ins Gesetzbuch würde weiterhelfen. Aber im modernen Elendsjournalismus …

Nehmen wir an, Alice lockt Bob bei einem Medienanlass ins Nebenzimmer und versucht dort unbeobachtet, ihm die Zunge in den Mund zu stecken. Bob macht den Mund frei und sagt deutlich «nein». Alice lässt nicht ab, bis Bob sie zurückstösst. Damit hat diese sexuelle Belästigung ihr Ende gefunden.

Sie fällt unter Artikel 198 des Schweizerischen Strafgesetzbuches (STGB). Da heisst es in Absatz zwei:

«Wer jemanden tätlich oder in grober Weise durch Worte sexuell belästigt, wird, auf Antrag, mit Busse bestraft.»

Das ist nun für jeden Laien und gescheiterten Küsser verständlich. Das ist kein sogenanntes Offizialdelikt, muss also nicht von Amts wegen verfolgt werden. Es braucht eine Strafanzeige, und die muss innerhalb von drei Monaten nach dem Ereignis gestellt werden. Erfolgt sie nicht in dieser Frist, ist der Fall erledigt.

Anschliessend läuft eine Verjährungsfrist von drei Jahren. Kommt es in dieser Zeit nicht zu einer Verurteilung, ist der Fall auch erledigt. Gibt es ein Urteil, auch einen Freispruch,wird die Verjährung aber unterbrochen, und man kann beliebig weiterprozessieren, wie man lustig ist. Bis ans Bundesgericht, vielleicht auch nach Strassburg.

Sollte jemand auf die Idee kommen, nach über 20 Jahren jemanden namentlich zu beschuldigen, eine solche sexuelle Belästigung begangen zu haben, hätte diese Anklägerin höchstwahrscheinlich sofort eine Ehrverletzungsklage im Gesicht. Ohne Chance, die zu gewinnen. Denn es gibt nicht nur das Recht des Vergessens für einen verurteilten Täter. Es gibt zudem Fristen, die verhindern sollen, dass genau das passiert, was auch in der Schweiz immer mehr um sich greift.

Der oben geschilderte Fall ist natürlich eine Abbildung der Behauptung der damit in die Medien drängenden Patrizia Laeri. Wohlweisslich nennt sie dabei keinen Namen, denn das würde den erfolgreichen Auftritt in an ihren Lippen hängenden Elendsmedien etwas überschatten.

Genau gleich gingen die erregten 78 Tamedia-Frauen bei ihrem Protestschreiben vor zwei Jahren vor. Sie stellten über 60 angebliche Fälle von verbalen sexuellen Belästigungen in die Öffentlichkeit. Alle anonymisiert, alle ohne Zeitangabe, alle ohne die Möglichkeit, sie zu verifizieren oder zu falsifizieren. Was bis heute trotz von Tamedia angekündigten Untersuchungen noch nicht öffentlich erfolgt ist.

Die eher enge Anzeigefrist für ein Bagatelldelikt wie sexuelle Belästigung (wir sprechen hier nicht von Nötigung, Schändung oder Vergewaltigung oder der Beteiligung Minderjähriger) ist Absicht und richtig. Damit soll genau das verhindert werden, was immer häufiger geschieht.

Viele Jahre später werden Geschichten von angeblichen sexuellen Belästigungen, meistens auch noch verbaler Art, herumgeboten. Unter Ausnützung der heutigen Woke-Stimmung, wo Männer im Zweifelsfall Schweine sind, Frauen immer Opfer.

Natürlich ist auf dem Rechtsweg hier nichts mehr zu wollen. Aber wieso wendet sich das späte Opfer nicht direkt an den Übeltäter – oder an sein Unternehmen? Laut Laeri soll ihr Belästiger immer noch bei SRF arbeiten, sogar in leitender Funktion. Hätte er es nicht verdient, mal selbst etwas dazu zu sagen? Aber das ist natürlich nicht die Absicht solcher in die Öffentlichkeit drängender Frauen.

Dass merkwürdige Geschäftsfrauen wie Laeri mit solchen Methoden PR für sich machen wollen, ist menschlich verständlich. Jeder (und jede), wie er kann. Dass aber die Medien wie Pavlowsche Hunde spontan zu sabbern beginnen, wenn ihnen solche Geschichten serviert werden, das ist unsäglich.

 

5 Kommentare
  1. Leni
    Leni sagte:

    Ich habe mich gerade gestern mit meinem beinahe erwachsenen Sohn über diesen ganzen Themenkomplex unterhalten. Mir war das nicht so deutlich, weil ich auch wesentlich weniger in den „sozialen“ Medien unterwegs bin als die Jüngeren, aber er und seine Kollegen empfinden es tatsächlich als enormen Druck und Problem. „Als Mann kannst Du es immer nur verbocken mittlerweile, egal, was oder wie Du es sagst, es wird Dir hinterher so ausgelegt, als seist Du grundsätzlich frauenverachtend. Also überlegst Du Dir immer ganz genau, ob Du Dich überhaupt noch mit einem Mädchen unterhältst.“

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  2. Eveline Maier
    Eveline Maier sagte:

    Hoffentlich liest die juristische Abteilung der SRF ihre wertvolle Einordnung.

    Lachhaft, dass dieses wildgewordene Management im Leutschenbach derart viel Tamtam macht, wegen einer solchen Lappalie. In den Anfängen des Schweizer Fernsehens (Studio Bellerive, später Leutschenbach) gab es bestimmt noch bewegendere Episoden, als nicht wirklich durchgeführte, unbeholfene Kussversuche.

    In den angesagten Zürcher Werbeagenturen in den 70er Jahren und auch beim Schweizer Fernsehen ging es Woche für Woche wirklich zur Sache. Das Etat für Werbekosten war damals riesig. Es blieb nicht nur bei Kussversuchen, sondern man hat sich gar an Ort und Telle gepaart (!!!). Die Praktikantin Laeri war damals zu jung, als sie vom Prättigau in die Grossstadt Zürich dislozierte. Diese damals ziemlich üblichen orgienähnlichen Happenings hat sie nicht mitbekommen. Fazit von damals: Geld im Überfluss, Wonnestunden quasi ohne Einschränkung.

    Heute ist überall alles auf eklatanter Sparflamme im Werbe-PR-Business und generell in den Medien. Bloss das Portal elleXX scheint dank reicher privater Unterstützung, nicht leiden zu müssen.

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    • B. Düggelin
      B. Düggelin sagte:

      Sie beschreiben die goldenen Zeiten der Medien authentisch. Der Stellenanzeiger des Tagesanzeigers war damals gelegentlich dicker als die eigentliche Zeitung.

      Denke auch, dass während den frivolenen Zeiten der Üppigkeit, bestimmt einige Kinder in den Fernseh-Katakomben gezeugt wurden. Das Labyrinth im Leutschenbach ist ja ziemlich endlos……..Gerade in der Requisiten-Abteilung soll man sich gerüchterweise (in Unschuld) vertan haben.

      Heute im Zeitalter von #MeToo, Jolanda Spiess-Hegglin und Patrizia Laeri kann selbst ein Augenkontakt kontaminiert sein. Aufpassen alleweil!

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    • Debbie Kuhn
      Debbie Kuhn sagte:

      „Die angesagten 70er Jahre“………

      Patrizia Laeri ist 1977 geboren. Nehme nicht wirklich an, dass sie da ihr SRF-Praktikum gemacht hat.

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  3. Beth Sager
    Beth Sager sagte:

    Genial geschrieben René Zeyer. Wäre eigentlich Pflichtstoff für alle Jungjournalisten – und Frau Patrizia Laeri, Prättigau.

    Musste schmunzeln über ihre Erwähnung der Pawlowscher Hunde, einem empirischen Experiment durch den russischen Nobelpreisträger Iwan Petrowitsch Pawlow vor rund 120 Jahren.

    Der Pawlowsche Hund diente ihm als Beweis: Wenn Pawlow dem Hund Futter gab, löste das Speichelfluss beim Hund aus. Das Futter nannte er den unkonditionierten Reiz, auf den eine unkonditionierte Reaktion folgte. Die unkonditionierte Reaktion war der Speichelfluss.

    Der Speichelfluss im heutigen Zeitalter des storytelling und Influenzer-Hokuspokus dürfte ein grösserer Rinnsal sein!

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