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Neues von Langstrecken-Luisa

Die Vielfliegerin findet Zeit für ein Lobhudel-Interview.

Wenn der Qualitätsjournalist Andreas Tobler was nicht mag, dann arbeitet er mit dem Zweihänder und dem Holzhammer. Bei Roger Köppel oder der Bührle-Sammlung zum Beispiel.

Wenn er etwas mag – wie den Genderstern – dann gibt er strenge Anweisungen, was zu tun ist.

Und dann gibt es noch den kuschelig-sanften Tobler, wenn er mit einer Gesinnungsgenossin im Interviewbett liegt. Schön, dass Langstrecken-Luisa Neubauer, «Deutschlands bekannteste Umweltaktivistin», neben ihren Fernreisen im Kampf gegen den Klimawandel Zeit für ihn gefunden hat.

Denn vor Kurzem war sie noch in Pennsylvania, um (vergeblich) Wahlkampf für Kamala Harris zu machen. Und schwups, ist sie schon 9500 Kilometer weiter im Osten, Welt-Klima-Gipfel in Baku, das geht natürlich nicht ohne sie. Berühmt ist auch ihr Selbstbespiegelungs-Video aus einem wohlklimatisierten Hotelzimmer (ganz furchtbar fand sie das) in Dubai.

Aber immerhin, ihre Selfies aus Rundreisen durch Afrika hat sie inzwischen gelöscht. Da gäbe es also durchaus Anlass für die eine oder andere kritische Frage, so im Rahmen des Qualitätsjournalismus, wie ihn Simon (wo ist er denn?) Bärtschi unablässig fordert.

Aber oh Schreck, oh Graus, Tobler genügt diesen Kriterien mal wieder überhaupt nicht. Muss man sich Sorgen um seine Zukunft machen? Wackelt sein Stuhl? Ach was, die richtige Gesinnung betoniert ihn im woken Tagi ein.

Also liefert er Neubauer die Steilvorlagen, um ihr Geseier abzulassen: «Ich glaube, man kann nicht überschätzen, welche desaströsen Konsequenzen diese Wahl hat. Ich habe in den Tagen und Wochen zuvor an zahlreichen Formaten in den USA teilgenommen, Podien veranstaltet, Seminare gegeben, Gespräche mit Aktivisten geführt.»

Die Dame kam wirklich rum in den USA:

«Ich habe an der Ostküste, im Mittleren Westen und in Texas mit Menschen gesprochen, für die eine Wahl von Trump lebensbedrohliche Folgen haben kann.»

In erster Linie wohl die von Neubauer mitverschuldete Klimaerwärmung bedroht diese Menschen. Da wäre möglicherweise Gelegenheit gewesen, nachzufragen, was genau denn diese lebensgefährlichen Folgen seien. Aber doch nicht Tobler.

Und was hatte Neubauer eigentlich dort zu suchen, abgesehen davon, dass ihr Einsatz vergeblich war? «Ich bin in die USA gereist, um herauszufinden, wie dort Aktivismus funktioniert. Meine Annahme war: Wenn aktivistische Ansätze in den USA funktionieren, dann sind sie bulletproof.»

Tobler unterbricht Neubauers Redefluss nur gelegentlich mit einem «Ja?»; so führt ein Qualitätsjournalist ein Interview. Während die Dame eine Sottise nach der anderen zum Besten gibt: «Dabei umfasst eine gute und gerechte Klimapolitik alles, was Faschisten hassen.»

Er lässt ihr sogar durchgehen, dass sie seine Frage, ob Neubauer nochmal mit Greta Thunberg öffentlich auftreten würde, weiträumig umfährt: «Ich glaube, die Klimabewegung wird zukünftig mehr und mehr arbeitsteilig vorgehen und verschiedene Geschichten erzählen … mit Spannungen und Widersprüchlichkeiten umzugehen … den Blick nach vorne zu lenken». Jeder Journalist, der etwas auf sich hält, hätte hier nachgefragt. Aber doch nicht Tobler.

Der liest die nächste Frage von seinem Spickzettel; wie hält es Neubauer mit Klimaklebern und mit Farbanschlägen in Museen? «Zunächst einmal würde ich hier wahnsinnig mit der Sprache aufpassen und die Aktionen in den Museen nicht in einem Nebensatz mit Terrorismus gleichsetzen. Kein einziges Bild wurde beschädigt, als es mit Suppe beworfen wurde.»

Aber es geht noch absurder. Neubauer sei in Baku, «es gibt die Kritik, die Konferenz sei ein Greenwashing des Gastgeberlandes Aserbaidschan, also einer Erdöl fördernden Autokratie», fragt Tobler streng.

Die lustige Antwort: «Ich finde diese Kritik total berechtigt. Die Menschenrechtsverletzungen in Aserbaidschan sind eine Katastrophe. Viele Aktivistinnen sind deshalb überhaupt nicht hier. Zu denen gehört unter anderem Greta Thunberg.»

Tobler will ihr noch mehr Gelegenheit zum Greenwashing in eigener Sache geben und legt nochmals eine Schleimspur aus, auf die Neubauer furchtlos tritt: «Das ist hier keine Happy-Family-Veranstaltung. Aber diese Klimakonferenzen sind bis heute der einzige Ort, wo fast alle Staaten der Welt zusammenkommen und eine Augenhöhe herzustellen versuchen … vernetzen uns … hier machen wir Druck … besser werden könnte», Blabla, Blüblü.

Ist das ein Qualität-Interview? Nein, das ist eine peinliche, unkritische, schlecht vorbereitete Veranstaltung, wo einer eitlen Selbstdarstellerin eine Plattform gegeben wird, mit ihrem Gedöns die Umwelt zu verschmutzen. Dabei ist der Stern der «bekanntesten Umweltaktivistin» nach dermassen vielen Fehltritten und Lustreisen schwer am Sinken, ihre Glaubwürdigkeit beschädigt.

Aber das alles ist Tobler egal, wenn es um das Zelebrieren von Einverständigkeit geht. Auf Kosten des Lesers, der sich schon wieder fragt, wieso er für diesen Stuss bezahlen muss – statt Schmerzensgeld zu bekommen.

Verdünnter Brei

Auch die NZZ kocht manchmal mit viel Wasser.

Ist doch ein Thema. Zumindest für Vielflieger (also sollte das Cédric Wermuth nicht so interessieren, der fliegt nur gelegentlich, dafür sehr, sehr weit). Es gibt anschwellendes Gemecker über die nachlassende Qualität des Gebotenen bei der Swiss.

Die wurde bekanntlich von der deutschen Lufthansa für ein Butterbrot nach dem peinlichen Grounding der Swissair aufgekauft und liefert sprudelnde Gewinne ab.

Aber Service, Essen, Qualität der Sitze, Pünktlichkeit, es wird lautstark gemeckert. Die Swiss hält natürlich dagegen. Also nimmt sich Malin Hunziker bei der NZZ des Themas an. Okay, sie ist Volontärin in der «Wirtschaft». Das entschuldigt aber auch nicht alles.

Es gibt Artikel, die kommen wie Schulaufsätze daher. Schön nach Schema F. Einstieg (hier das Gemecker), Stellungnahme der Swiss, der «Aviatikexperte» meint, Hin und Her, und Schluss. Allerdings ist schon der Lead etwas grosssprecherisch: «Heike Birlenbach ist bei der Airline für das Kundenerlebnis verantwortlich. Jetzt nimmt sie Stellung

Da könnte der Leser meinen, sie sei von Hunziker gegrillt worden. Aber nein, es gab da nur ein sogenanntes «Mediengespräch», also eine kleine Pressekonferenz. Und was sagt die Swiss denn Inhaltliches? «Die Vorwürfe seien Anekdoten einzelner Personen». Logo. Aber Tausende von Rückmeldungen würden zeigen: «Wir stehen in ganz vielen Bereichen gar nicht so schlecht da

Ds ist nun eine Aussage von unübertrefflicher Allgemeinheit im Bereich des höheren Wischiwaschi. Dazu noch Bullshit-Bingo: «Emotionale Marke … grosse Verpflichung, der man sich aber stellen wolle». Statt vor ihr davonzurennen. Mit solchem Blabla sollte man eigentlich ein Mitglied der Geschäftsleitung nicht davonkommen lassen.

Nun darf der Aviatikexperte der HSG das Wort ergreifen:

«Er beobachte, dass sich die Swiss als Konstrukt immer mehr der eher durchschnittlichen Lufthansa-Qualität anpasse, sagt Wittmer und fügt an: «Sie kommt dann ihrem Versprechen, premium zu sein, nicht mehr ganz nach.»»

Schnitt, Gegenschnitt: «Wir glauben, dass die Swissness in keiner Weise negativ berührt wird», darf Birkenbach wieder mit Blabla dagegenhalten.

Was ist eigentlich der Anlass für dieses «Mediengespräch»? «Bei der Swiss soll es nun eine Reihe von Massnahmen zur Verbesserung des Kundenerlebnisses geben. Heike Birlenbach sagt, die Airline starte nächste Woche mit einer Kampagne, die auf Swiss Senses, also Schweizer Sinne, ausgerichtet sei: Kulinarik, Hören, Gerüche – das gesamte Erlebnis im interkontinentalen Bereich werde sich für die Kundschaft über alle Klassen hinweg ändern

Ach so, das ist einfach der Startschuss zu einer Werbekampagne, mit dem sich Swiss auch gleich mal Platz im redaktionellen Raum erobern kann. Das ist ja erlaubt. Aber zu Qualitätsjournalismus gehörte eigentlich, dass man eine Vertreterin von Swiss, die natürlich ihre Kernbotschaften möglichst unbeschädigt rüberbringen will, nicht so unkritisch davonkommen lässt.

Wäre das ein «Advertorial» oder ein «Paid Content», also bezahlte Werbung, die möglichst täuschend ähnlich wie ein redaktioneller Beitrag daherkommt, wohlan. Nach diesem Vermerk sucht man aber vergeblich.

Nun hat jeder (auch jede and everybody beyond) im Journalismus mal klein angefangen. Auch aus Hunziker kann sicherlich noch was werden. Aber man wünschte schon, dass die ersten tastenden Schritte einer Volontärin nicht unbedingt auf dem Nervenkostüm des unschuldigen Lesers stattfinden. Dabei ist es schon laut Medienarchiv der 16. Artikel aus der Feder der Jungautorin. Wäre an der Zeit, dass sie wie eine Erwachsene schreibt.

Oder anders gefragt: Wo bleibt hier die Qualitätskontrolle der alten Tante? Muss denn ZACKBUM alles alleine machen?

Wenn die NZZ schwächelt

Die deutsche Kriegstreiberin Marie-Agnes Strack-Zimmermann bekommt ein Streichelinterview.

Zwei Redakteure bietet die NZZ auf, um mit der deutschen Kriegspolitikerin mit den beiden Doppelnamen ein Interview zu führen. Benedict Neff, seines Zeichens Feuilletonchef der NZZ und vielleicht nicht der sattelfesteste Militärberichterstatter. Und Claudia Schwartz, lange Jahre für «Streaming/TV verantwortlich», dann 2020 der Wechsel ins Feuilleton. Gute Beziehungen nach ganz oben helfen immer, auch bei einer doppelseitigen Berichterstattung über ein österreichisches Wellness-Hotel, das sie zusammen mit dem Göttergatten besuchte.

Diese beiden ausgewiesenen Fachleute bieten nun Strack-Zimmermann die Gelegenheit, weitgehend unwidersprochen ihre Positionen auszubreiten. Begleitet von unverständlichen Lobhudeleien: «MarieAgnes StrackZimmermann ist eine unbestechliche Stimme, wenn es um den Krieg in der Ukraine geht.» Unbestechlich? Die Rüstungsindustrie-Lobbyistin sei unbestechlich, im Sinne von unvoreingenommen? Ein unglaublicher Schwächeanfall der NZZ.

Aber er setzt sich durchs ganze Interview hindurch fort: «Dieses Zögern und Abwarten (bei deutschen Waffenlieferungen, Red.) war ein grosser Fehler. Die Bundesrepublik hätte deutlich schneller reagieren müssen.» Sie hätte noch schneller – und im Gegensatz zur Schweiz – ihre Waffenausfuhrgesetze über Bord werfen sollen?

«Auf russischen Panzern steht «nach Berlin», … Das Nein der Schweiz hat in Deutschland die Frage aufgeworfen, wie zuverlässig die Lieferkette dringend benötigter Munition in Zukunft sein wird, wenn die Schweiz selbst bei der Verteidigung von Lebensmittelausfuhr nicht liefert, … Die Antwort liegt auf der Hand. In Zukunft sollte die Munition ausschliesslich in Nato-Staaten eingekauft beziehungsweise in Deutschland direkt hergestellt werden … Das Kanzleramt hat mir tatsächlich mal unterstellt, ich würde ein «Geschäftsmodell» daraus machen, den Kanzler zu kritisieren. Ich finde das offen gestanden geradezu zynisch … Umso unvorstellbarer ist es, dass gerade sie (Alice Schwarzer, Red.) das Leid der vergewaltigten Frauen in der Ukraine ausblendet und nicht einmal bei Demonstrationen thematisiert. Sie verrät ihre eigenen Werte … Wehrhaftigkeit ist das zentrale Thema der nächsten Generation.»

Jede Menge Stoff, um kritische Nachfragen zu stellen. Aber doch nicht die beiden Feuilletonisten der NZZ. Dann wäre ein ungeheuerliche Lügenmeldung von Strack-Zimmermann zu thematisieren gewesen:

«Nicht nur haben russische Raketen offenbar Polen und NATO-Gebiet getroffen, sondern auch zu Toten geführt. Das ist das Russland, mit dem hier einige offenkundig und absurderweise immer noch «verhandeln» wollen. Der Kreml und seine Insassen müssen sich umgehend erklären.»

Das sonderte sie direkt nach dem Einschlag einer Rakete in Polen ab. Sie ist immerhin die Vorsitzende des Deutschen Verteidigungsausschusses, und als solche müsste sie ihre Worte vorsichtig wählen. Mit dieser Behauptung betrieb sie eindeutig Kriegshetze. Was aber noch schlimmer war: als sich herausstellte, dass sie (und andere) auf ukrainische Propaganda reingefallen war, die Rakete in Wirklichkeit eine Abwehrrakete der ukrainischen Armee war, nahm Strack-Zimmermann ihre Behauptung nicht zurück, wies eine Entschuldigung dafür weit von sich.

Zudem ist sie Präsidiumsmitglied in der «Deutschen Gesellschaft für Wehrtechnik» (DWT). Sie ist Vizepräsidentin der «Deutschen Atlantischen Gesellschaft» (DAG), die sich trotz des allgemeinen Namens zum Ziel gesetzt hat, «das Verständnis für die Ziele des Atlantischen Bündnisses zu vertiefen und über die Politik der NATO zu informieren». Zudem ist sie Präsidiumsmitglied beim «Förderkreis Deutsches Heer» (FKH), neben der DWT die wichtigste Lobby-Gruppe der deutschen Rüstungsindustrie.

Aus all dem hätte sich vielleicht die eine oder andere kritische Frage ergeben können. Aber doch nicht vom Duo Neff/Schwartz. Und sollte jemand Kundiger in der NZZ die Nase gerümpft haben, tat er das still und leise. Denn wer will sich schon mit Schwartz anlegen? Niemand.