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Wie Medien des 9. Mai gedachten

Russland erinnerte an den Sieg über Nazi-Deutschland.

Die damals siegreiche UdSSR ist 45 Jahre nach dem bitteren Triumph über den Hitler-Faschismus selber untergegangen. Kein anderer Staat hat durch den Vernichtungskrieg Deutschlands gegen die bolschewistischen Untermenschen mehr Verluste erlitten, mehr Leid, mehr Zerstörung. Die Schlachten um Moskau, um Stalingrad, der barbarische Überfall, nach dem Abschluss eines Nichtangriffspakts: 10 Millionen Soldaten der Roten Armee, mindestens 14 Millionen Zivilisten verloren ihr Leben, bis es den sowjetischen Streitkräften in einer heroischen Anstrengung gelang, bis nach Berlin vorzustossen und der Diktatur ein Ende zu setzen, die von den Deutschen bis zuletzt fanatisch verteidigt wurde.

Am 9. Mai wird dieser Sieg traditionell mit einer Parade auf dem Roten Platz in Moskau begangen. Natürlich hat Präsident Putin die Gelegenheit genutzt, um Parallelen aus seiner Sicht zum Ukraine-Krieg zu ziehen. Das kann man zu recht kritisieren.

Aber vielleicht wäre es auch angebracht, kurz an die ungeheuerliche Leistung zu erinnern, die die UdSSR im Zweiten Weltkrieg erbrachte, von der nicht zuletzt auch die von faschistischen Staaten umgebene Schweiz profitierte. Aber doch nicht im heutigen Elendsjournalismus, wo die Kindersoldaten in ihren Verrichtungsboxen sowieso googeln müssen, was der Zweite Weltkrieg eigentlich war.

Der «Blick» hämt in seinem «Ticker»: «Besonders peinlich für Putin: Die eigentlich angekündigte Flugshow wurde kurzfristig abgesagt.» Und zitiert lediglich diesen Splitter aus Putins Rede: «Am 78. Jahrestag des sowjetischen Sieges über Nazi-Deutschland hat Russlands Präsident Wladimir Putin sein Land im aktuellen Krieg gegen die Ukraine als angebliches Opfer dargestellt.» Was wird hier genau gefeiert? Kein Wort darüber.

Gut, das mag halt Boulevard sein, wie sieht’s denn in den «Qualitätsmedien» aus? Nicht besser. Auch Tamedia verwurstet die Meldung in seinem «Ukraine»-Ticker: «Die traditionelle Militärparade auf dem Roten Platz ist trotz klaren Himmels ohne Flugshow zu Ende gegangen. An Militärtechnik präsentierte das russische Militär am Dienstag vor allem gepanzerte Radfahrzeuge. Kampfpanzer fehlten, mit Ausnahme des historischen T-34.»

Offensichtlich hat auch das angebliche Qualitätsorgan den gleichen Satz wie der «Blick» bei der SDA abgeschrieben: «Am 78. Jahrestag des sowjetischen Sieges über Nazi-Deutschland hat Russlands Präsident Wladimir Putin sein Land im aktuellen Krieg gegen die Ukraine als angebliches Opfer dargestellt.»

Dazu porträtiert Tamedia noch einen russischen Veteranen des Zweiten Weltkriegs. Also die «Süddeutsche Zeitung» porträtiert, Tamedia schreibt’s nur ab. Wladimir Stepanow, 98, war Aufklärer in der Roten Armee. Aber seine Geschichte dient nur als Aufmarschgebiet für seine Kritik an der Invasion der Ukraine: «Er …hat die «spezielle Militäroperation» in der Ukraine öffentlich kritisiert. «Ich kann immer noch nicht verstehen, was passiert ist», sagt er in seinem Wohnzimmer. «Der Krieg ist verrückt.»»

Aber der Leuchtturm NZZ wird doch wohl Gehaltvolles zu schreiben haben? Nun ja: «Wieder ein «echter Krieg gegen Russland» – am Tag des Sieges teilt Putin gegen den Westen aus und appelliert an die Geschlossenheit», berichtet Markus Ackeret aus Moskau. Man kann ja schon froh sein, dass immerhin ein echter Korrespondent und nicht die SDA verwendet wird. Dazu ein Interview mit der «ukrainischen Anwältin Olexandra Matwitschuk, deren Organisation kürzlich mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde», mit klaren Fazit: «Es gibt fast kein Kriegsverbrechen, das die Russen noch nicht begangen haben». Damit wären sie dann tatsächlich in den Fussstapfen der Nazis während des Zweiten Weltkriegs getreten. In dem die Ukraine zu den profaschistischsten Staaten gehörte; der Kriegsverbrecher Stepan Bandera wird im Westen des Landes bis heute mit Denkmälern geehrt.

«Putin rechtfertigt Kämpfe gegen Ukraine – und spricht von «Krieg»», bluewin.ch, CH Media, nau.ch, «20 Minuten», srf.ch, überall die gleiche Einheitssauce. Nicht sonderlich originell ist auch «watson»: «Heute ist der «Tag des Sieges»: Was plant Putin?» Aber immerhin findet man im Artikel einen Absatz, der sonst fehlt: «In Russland selbst ist der 9. Mai vielmehr ein Feiertag für die Bevölkerung. Im Zweiten Weltkrieg starben bis zu 27 Millionen Menschen aus der Sowjetunion, fast jede Familie hatte in diesem Krieg Opfer zu beklagen. Deswegen hält Russland das Gedenken an diese Menschen am Leben.»

ZACKBUM hätte nicht gedacht, dass wir mal «watson» loben …

 

Wenn zwei das Gleiche tun …

Horizonterweiterung tut Not.

Wir nähern uns mal wieder der Phase, in der auch über die Ukraine alles gesagt ist. Sogar von allen. Sogar in Wiederholungsschleifen. Laut, leise, rechthaberisch, kriegslüstern, bedächtig, dümmlich, alles ist zu haben, alles geschrieben, gesagt, gekräht, gekeift.

Für die Happy Few, die dafür zu haben sind, könnte doch eine kleine Horizonterweiterung guttun. Nämlich ein gutes Buch. Dem ZACKBUM die These voranstellt: Wenn zwei das Gleiche tun, ist es nicht dasselbe. Denn die beiden bedeutendsten Imperien der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg unterscheiden sich in ihrem imperialistischen Verhalten eigentlich überhaupt nicht.

Die UdSSR war auch Sieger des Zweiten Weltkriegs, dehnte dann ihr Imperium über Osteuropa aus und engagierte sich weltweit in Stellvertreterkriegen. Sie schreckte auch vor militärischen Interventionen nicht zurück, um ihr genehme Regimes zu installieren und störende zu beseitigen. Selbstverständlich neben dem ganzen Instrumentarium der verdeckten Kriegsführung.

Genauso wie die USA auch. Nur unterscheiden sich die beiden Imperien in einem zentralen Punkt. Die Sowjetunion war nicht in der Lage, selbst ihre Eroberungen durch den Zweiten Weltkrieg zu behalten. Der sogenannte Ostblock bröckelte zusammen, und am Schluss löste sich sogar noch die UdSSR selbst in ihre Bestandteile auf.

In ihren besten Zeiten bestand die Union der sozialistischen Sowjetrepubliken aus 15 Mitgliedern. Flächenmässig mit Abstand der grösste und bestimmende Staat war Russland (mit knapp 80 Prozent der Gesamtfläche). Natürlich wurden in Moskau alle wichtigen (und auch unwichtigen Entscheidungen) gefällt. Aber während es einige Jahrzehnte so aussah, als sei der Ostblock sowohl militärisch wie auch wirtschaftlich in der Lage, mit den USA und ihren Verbündeten mitzuhalten, wurde es spätestens Mitte der 80er-Jahre des letzten Jahrhunderts immer deutlicher, dass die sozialistischen Staaten auf beiden Gebieten nicht mehr mithalten konnten. Schlimmer noch: sie waren nicht reformfähig, wie der letzte sowjetische Führer Gorbatschow erkennen musste.

Das treibt den aktuellen Präsidenten Russlands um, der wenigstens die ehemaligen Sowjetrepubliken wieder heim ins russische Reich holen möchte. Allerdings stellt er sich dabei selten ungeschickt an, taumelt von einer Fehlentscheidung zur nächsten, macht sich militärisch lächerlich und hat bereits heute einen wirtschaftlichen Schaden in Russland angerichtet, der das Land um Jahrzehnte zurückwerfen wird.

Ganz anders sieht es in der imperialistischen Geschichte der USA aus. Das Thema ist natürlich ausführlich abgehandelt worden. Aber für Kenner und Laien empfiehlt sich ein Buch, das punktgenau und unaufgeregt, faktensicher, gut lesbar und interessant an ausgewählten Beispielen die etwas mehr als 100 Jahre Geschichte des US-Imperialismus erzählt.

 

Es stammt vom langjährigen Auslandkorrespondenten der «New York Times». In seiner langen Karriere war Stephen Kinzer in über 50 Ländern auf 5 Kontinenten stationiert und hat sich neben dem Tagewerk auch einen Namen als Autor gemacht.

Von ihm stammt «Putsch! Zur Geschichte des amerikanischen Imperialismus». 560 lesenswerte Seiten über die drei verschiedenen Phasen des US-Imperialismus, von Hawaii über Kuba, Vietnam, Afghanistan, Irak. Kinzer geht es dabei nicht um Vollständigkeit, sondern um analytische Einsichten anhand  ausgewählter und präzise beschriebener Beispiele.

Annexion, Beseitigung die US-Interessen störender Regierungen, Kolonisation, militärisches Eingreifen, subversive Massnahmen, wirtschaftliche, militärische, imperiale Interessen, der Bogen ist lang vom Umsturz in Hawaii über die faktische Machtergreifung in Kuba bis zum Irak.

Der interessante Unterschied zur UdSSR selig: meistens waren die US-Interventionen von Erfolg gekrönt. Hawaii ist ein Bundesstaat der USA geworden, Puerto Rico den USA unterstellt, Chiles marxistischer Präsident wurde blutig gestürzt, in Zentralamerika wurden immer wieder liberale Präsidenten durch Bluthunde im Dienst der USA (oder von US-Firmen) ersetzt.

Niemals wäre bis heute ein US-Bundesstaat ernsthaft auf die Idee gekommen, sich von den vereinten Staaten zu verabschieden. In diesem Sinne ist das Buch auch sehr lesenswert als Kontrast zum immer wieder und überall gescheiterten russischen Imperialismus.

Das Buch ist 2007 in «Die andere Bibliothek» erschienen, eine Gründung von Hans Magnus Enzensberger. Dank dem Eichborn-Verlag ist es weiterhin erhältlich. Allerdings beträgt die Erstauflage ganze 7000 Exemplare und ist bis heute noch nicht ausverkauft. ZACKBUM verfügt über das Exemplar Nummer 4492. Vielleicht findet sich noch der eine oder andere Leser …

Und wer mehr Kinzer möchte, sein aktuellstes Werk ist ebenfalls empfehlenswert:

Wumms: Markus Somm

Wenn ein Historiker die Geschichte umbiegt.

Da kaum jemand hinter der Bezahlschranke den «Nebelspalter» liest, versucht es Chefredaktor Markus Somm auf anderen Kanälen, zum Beispiel mit seinen «Memos». In Nummer 68 schreibt er unter anderem:

«Gleicht damit die Lage nicht der Situation in Afghanistan? Nachdem die Sowjets das Land 1979 überfallen hatten, um ein kommunistisches Regime in Kabul an der Macht zu halten, unterstützte der Westen den afghanischen Widerstand – mit Waffen, mit Material, mit Geheimdienstinformationen. Zehn Jahre lang bissen sich die Sowjets die Zähne aus, bis sie 1989 abzogen, ohne gewonnen zu haben. Fast 15’000 sowjetische Soldaten waren gefallen.»

Dass Russland die Ukraine überfallen hat, das ist genauso unbestreitbar wie die historische Tatsache, dass damals die UdSSR einem Hilferuf der afghanischen Regierung nachkam. Die Sowjetunion wollte das linke und sekuläre Regime (Bodenreform, Entmachtung der Oberschicht und der Clans, Bildung für alle) gegen die Mudschahedin unterstützen, reaktionäre und fundamentalistische Islamisten.

Durch die Unterstützung dieses «afghanischen Widerstands» züchteten die USA eine Generation von nicht nur fanatischen, sondern bestens ausgerüsteten Gotteskriegern heran.

Die zu Tode gefolterten Leichen des letzten Präsidenten
und seines Bruders wurden öffentlich zur Schau gestellt. 

Die nach dem Rückzug der UdSSR die Regierung massakrierten und unter Führung der Taliban einen grausamen, mittelalterlichen Gottesstaat errichteten. Als Treppenwitz der Geschichte versuchte die CIA später, die von ihnen gelieferten Stinger-Luftabwehrraketen zurückzukaufen – weil sie von islamistischen Terroristen gegen die USA selbst eingesetzt wurden.

Nach der damaligen Logik des Kalten Kriegs war der Feind meines Feindes mein Freund. So unappetitlich der auch sein mochte. Für breite Bevölkerungsschichten in Afghanistan, vor allem Frauen, war der Rückzug der UdSSR keinesfalls Anlass für Triumphgefühle.

Über all das huscht Historiker Dr. Somm hinweg, um sein Bild von der historischen Parallelität – Überfall Ukraine, Überfall Afghanistan – aufrecht zu erhalten.

Dabei ist es ein ahistorisches Zerrbild. Ein völlig untauglicher Vergleich.