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Notkredit für Axpo: UBS reloaded

Schon wieder muss der Steuerzahler einem Zocker unter die Arme greifen.

Staatstragend wie es sich für die NZZ gehört, berichtet sie: «Die extremen Preissteigerungen auf den Energiemärkten machen dem Stromkonzern Axpo zu schaffen. Der Bundesrat spannt einen Rettungsschirm und verhilft dem Unternehmen zu Liquidität

Etwas aufgeregter hört sich CH Media an: «Schock in der Strombranche: Bund spricht Notkredit für die Axpo – es geht um Milliarden». Allerdings muss man sich dort erst noch sortieren und druckt einfach vorsichtshalber die Medienmitteilung des Bundesrats im Wortlaut ab. Eine Gratis-Leistung gegen Bezahlung, nicht schlecht.

Gleich drei Schreibkräfte und eine mangelhafte Interpunktion wirft Tamedia in die Schlacht: «Stromkonzern Axpo in Nöten: Paukenschlag im Schweizer Energie-Business: Bund stützt Axpo mit Milliardenkredit». Neutral wie das Schweizerkreuz berichtet das Staats-TV SRF: «4 Milliarden Franken: Bundesrat aktiviert Rettungsschirm für Axpo».

Das ist eine niedliche Beschreibung eines dramatischen Vorgangs. «Rettungsschirm aktivieren», damit assoziiert man einen nötigen Vorgang, die Axpo schwebt nun gerettet und gesichert an einem Schirm sanft zu Boden. Worum allerdings all diese Qualitätsmedien herumrudern, ist die entscheidende Frage: wieso muss hier der Steuerzahler wieder ins Risiko, wie weiland bei der UBS?

Auch hier herrscht Schönsprech, wie es George Orwell nicht besser persifliert könnte: «Aufgrund der Verwerfungen an den europäischen Energiemärkten und der unvorhersehbaren weiteren Entwicklung …», flötet der «Blick». Verwerfungen ist immer gut, das hat so etwas Naturgesetzliches. Das ist wie ein Erdbeben, kann man nix machen. Unvorhersehbar ist auch immer gut. Entweder ist die Zukunft beherrschbar, wie Banker und Manager gerne behaupten – oder dann ist sie plötzlich «unvorhersehbar». Das war auch damals bei der UBS der Fall.

Zunächst meinte die Bank, man könne in den USA das ganz grosse Rad drehen; alles vorhersehbar, haben wir im Griff, wer zweifelt, hat doch keine Ahnung. Und dann kam plötzlich das grosse Jammern, war doch alles unvorhersehbar, Hilfe, wir brauchen dringend Kohle, sonst sind wir pleite. Also gingen Bund und Nationalbank mit insgesamt 76 Milliarden Franken ins Risiko. Zum grossen Glück des Steuerzahlers kam das Geld wieder zurück. Das war aber im Zeitpunkt der Notrettung auch unvorhersehbar.

Und als Kollateralschaden wurde dann das Bankkundengeheimnis aufgegeben, als die Eidgenossenschaft die UBS zum zweiten Mal aus der Bredouille retten musste, als die USA drohten, ihr wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung schlichtweg den Stecker zu ziehen. Ausser, sie liefere freiwillig ihre US-Kunden ans Messer. Was sie dann tat, und ihre damit befassten Angestellten warf sie gleich noch hinterher.

Eine Variante wäre gewesen, dass die hochbezahlten Nieten in Nadelstreifen an der Spitze der UBS persönlich Verantwortung übernommen und den USA diese Kundendaten ausgeliefert hätten. Um sich anschliessend der Strafverfolgung in der Schweiz zu stellen. Aber Verantwortung ist in diesen Kreisen nur ein leeres Wort.

Genau gleich sieht’s heute bei der Axpo aus, und wieder einmal gibt es nur einen, der das in aller Klarheit ausspricht: Lukas Hässig auf seinem Finanzblog «Inside Paradeplatz». Schon im Titel bringt er’s auf den Punkt: «UBS-Moment der Strom-Zocker: Staatsrettung». Auch im Text nimmt er kein Blatt vor den Mund: «Statt die „Gratis“-Wasserkraft für eine solide Planung zu nutzen, gingen die Chefs von Axpo, Alpiq und BKW auf tutti. Sie strebten nach dem grossen Reibach. Und erlitten die totale Pleite. Verschätzt mit Shorts auf Strom, mussten sie sich teuer eindecken, als die Preise durch die Decke schossen.»

Er ist auch der Einzige, der Namen nennt und mit dem Finger auf die verantwortlichen Versager zeigt: «Das alte Lied. Dass drei Frauen – Thoma, Staiblin, Leuthard – und ein Strahlemann – Brand – Milliarden im Casino verzockten, davon spricht keiner.»

Dass bei der UBS-Rettung die Medien im ersten Moment überfordert waren, kann man mit der Milde der Distanz verzeihen. Dass nun schon wieder staatstragende Töne angeschlagen werden, so getan wird, als sei das Verzocken am Strommarkt unvorhersehbar und somit unvermeidlich gewesen, statt die unselige Lockerheit der Stromkonzerne mit ihren Quasi-Monopolen zu kritisieren, statt auf den merkwürdigen Umstand hinzuweisen, dass alle grossen Energieversorger zu 100 Prozent im Besitz der Kantone sind, aber der Bund ins Portemonnaie greift, statt den Steuerzahler darauf aufmerksam zu machen, dass er schon wieder für Management-Fehler geradestehen muss – stattdessen wird wieder das alte Lied der Solidarität gesungen, systemrelevant geflötet. Ein paar Milliarden ausschütten ist schlimm, ein Zusammenbruch der Stromversorgung wäre schlimmer.

Ist das so? Schon bei der UBS gab es ernsthafte und kompetente Stimmen, die forderten, die Bank ungerettet in den Bankrott fahren zu lassen. Weil es im Kapitalismus ein Systemfehler ist, eine Privatfirma für systemrelevant und somit gegen den Untergang gefeit zu erklären. Weil es heutzutage relativ problemlos möglich ist, Zahlungsverkehr und andere nötige Dienstleistungen relativ schnell umzulagern. Weil es zu ungehemmten Zocken und Gambeln verleitet, wenn die geldgierigen und verantwortungslosen Bankenlenker wissen, dass sie sich ungestraft und mit vollen Geldsäcken aus dem Staub machen können, während der Steuerzahler das Schlamassel aufräumt.

Die Geschichte wiederholt sich. Es wird von grösseren Transparenz-Vorschriften gefaselt, mit dem Wort Notrecht gewinkt, der Kredit wird – natürlich – als alternativlos hingestellt, alles andere wäre noch viel schlimmer, es könnte plötzlich keinen Strom mehr geben. Es wird auch stolz auf die Verzinsung und andere Bedingungen hingewiesen. Selbstverständlich dürften Buden, die Kredit beziehen, keine Dividenden mehr ausschütten. Wäre ja noch schöner. Und wie steht es mit einem Bonus-Verbot für die Versager ganz oben? Nein, das sei nicht vorgesehen, wird eingeräumt.

Der Axpo-CEO Christoph Brand bringt alle Voraussetzungen mit, um einen Konzern gegen die Wand fahren zu können. Er war bis 2020 für den Bereich «Classified und Marketplaces» zuständig – beim Medienkonzern Tamedia. Also für Inserate und Handelsplattformen. In dieser Eigenschaft wusste er vom Strom nicht viel mehr, als dass er aus der Steckdose kommt, es einen Kurzschluss geben kann und keine gute Idee ist, an blanke Kabel zu fassen, wenn die unter Strom stehen.

Begleitet wird sein Wirken vom Nachlass der unfähigen Energieministerin «Duschen mit Doris» Leuthard und einigen weiteren Managerinnen. Aber da spricht nur einer Klartext, alle anderen beschwichtigen, sossen drüber. Aus Unfähigkeit oder Unkenntnis. Oder aus beiden Gründen zugleich. Schwachstrom mit Wackelkontakt zur Realität aus den Medienhäusern. Erbärmlich.

Too big to fail – auch die CS?

Wenn eine Bank zu gross ist, sei sie systemrelevant. Und wenn sie klein wird?

Als Nachwehe der Finanzkrise eins von 2009 hat die Schweizerische Nationalbank (SNB) insgesamt fünf Banken für «too big to fail» erklärt.

Als systemrelevant gelten seither die UBS und die Credit Suisse als internationale Banken, dazu Postfinance, Raiffeisen und ZKB als mehr nach innen orientierte Geldhäuser.

Als Kriterium gilt, dass

«ihr Ausfall die Schweizer Volkswirtschaft und das schweizerische Finanzsystem erheblich schädigen würde. Die Systemrelevanz einer Bank beurteilt sich nach deren Grösse, nach deren Vernetzung mit dem Finanzsystem und der Volkswirtschaft sowie nach der kurzfristigen Substituierbarkeit der von der Bank erbrachten Dienstleistungen».

Schritt für Schritt, mit Schweizer Bedächtigkeit, wurden diverse Massnahmen beschlossen, was Kapitalanforderungen, Notfallpläne und Abwickelbarkeit betrifft. Auf der anderen Seite steht die SNB bereit, um diesen fünf Banken unter die Arme zu greifen, sollten sie wieder einmal in Schieflage geraten, wie weiland die UBS.

Privat versagen, staatlich retten

Wir haben hier also das Unding einer Staatsgarantie für privates Geschäften – oder Versagen. Das anhaltende Gehampel der obersten Verantwortlichen vor allem bei UBS und CS lässt dabei das Schlimmste befürchten.

Nun sollte es aber bei jedem Vorgang in der Wirtschaft auch ein Exit-Szenario geben. Damit ist nicht eine erneutes Absaufen eines dieser Finanzhäuser gemeint. Sondern das Kriterium, dass man doch eine gewisse Grösse haben – und behalten! – sollte, um zu diesem erlauchten Kreis zu gehören.

Während die drei Inlandbanken soweit stabil vor sich hinwirtschaften, haben ja sowohl UBS wie CS in den 12 Jahren seit der Finanzkrise eins – gemessen an ihrem Börsenwert – nur eine Richtung eingeschlagen: unaufhaltsam nach unten. Das löst natürlich die Frage aus: ab wann ist eine Bank eigentlich «too small to fail»?

Also wann ist sie so kleingeschrumpft, dass sie eben nicht mehr systemrelevant ist, damit auch keine Staatsgarantie mehr verdient? Es kann ja nicht sein, dass dieser exklusive Fünferkreis auf ewig in Stein gemeisselt ist, so stabil wie das Matterhorn in die weitere Zukunft ragt.

Marktkapitalisierung als Schrumpfgrösse

Hatte beispielsweise die CS im Jahre 2006 noch eine Börsenkapitalisierung von fast 100 Milliarden Franken, schrumpfte das auf unglaubliche 28 Milliarden im Jahr 2020 zusammen. Die aktuelle Marktkapitalisierung (20. Dezember) liegt bei 22,36 Milliarden. Etwas mehr als ein Fünftel vergangener Grösse.

Das ist einerseits ein absolutes Armutszeugnis für die wechselnde Führungscrew seit 2006. In 15 Jahren fast 80 Prozent des Börsenwerts vernichtet, das soll denen mal einer nachmachen. Dafür Hunderte von Millionen an Salären und Boni kassiert: das ist einmalig in der Schweizer Wirtschaftsgeschichte. Sich ohne rot zu werden in der Öffentlichkeit zeigen und ein Leben als Jetsetter zu führen: das ist nassforsch und unverschämt.

Aber das alles ist erlaubt, solange der Aktionär mitmacht. Die Frage ist hingegen, wieso der Staat weiterhin seine schützende Hand über die Schrumpf-Bank halten soll. Eine Aktie der UBS kostete vor der Finanzkrise knapp 75 Franken. Im März 2020 wurde sie auch einstellig, dass sie inzwischen um die 15 Franken herumdümpelt, wird bereits als grandioser Erfolg gefeiert.

Auch bei der UBS stellt sich also die Frage, wieso ein deutlich geschrumpftes, verzwergtes Geldhaus immer noch eine schützende staatliche Hand braucht und besondere Anforderungen erfüllen muss.

Schon die UBS-Rettung stand unter Kritik

Es ist schwer, in der Wirtschaft vergleichbare Beispiele zu finden, wie der Anbieter einer Grundversorgung, hier finanzielle Transaktionen, Geldanlage und Kreditausgabe, dermassen zusammenschnurrt, ohne dass an den Rahmenbedingungen etwas verändert wird.

Schon bei der Rettung der UBS nach ihrem US-Debakel eins wurde kritisiert, dass man sie besser hätte in den Bankrott schicken sollen. Das Argument, das wäre noch schlimmer gewesen, wurde stark bezweifelt, da andere Finanzinstutute wie die Postfinance wohl den Zahlungsverkehr hätten aufrecht erhalten können.

Dass diese Milliardenrettung (die später wieder reinkam) problematisch war, bewies dann die zweite UBS-Krise, die nur durch die Aufgabe des Bankkundengeheimnisses mit Milliardenschäden für alle Schweizer Banken gelöst werden konnte. Aber da hatte der Staat bereits 60 Milliarden ins Feuer gestellt, die zweite Nothilfe war dadurch unvermeidlich oder wie man so schön sagt alternativlos.

Auch heute, das beweist vor allem die CS, ist es jederzeit möglich, mit Milliardenflops, Milliardenbussen oder Milliardenabschreibern die Bank in ihren Grundfesten zu erschüttern. Dass dann eine allfällige Abwicklung reibungsloser ablaufen würde als 2009, ist ja eher ein zusätzlicher Grund, die Frage zu stellen, ob die CS überhaupt noch die Kriterien für «too big to fail» erfüllt. Oder ob sie nicht «too small to matter» ist, zu klein, um bedeutend zu sein.

Zumindest der Steuerzahler könnte ruhiger schlafen. Zudem kommen wegen Covid-19 noch ganz andere Ausgaben auf die Schweiz zu, will sie ihr Wirtschaftssystem über die Runden retten.

Staatsgarantie für diese Figuren?

Oder ganz einfach gefragt: braucht eine Bank wirklich eine Staatsgarantie, die alleine in diesem Jahr zwei Milliardenflops, einen Multimillionenabschreiber hingelegt hat? An der Spitze Fachkräfte beschäftigt, die nicht mal in der Lage sind, ihrer Vorbildfunktion nachzuleben? Die mehr Wert auf ein Leben als Jetsetter und braungebrannter Beau legen als auf die Erfüllung ihrer Aufgaben, für die sie fürstlich bezahlt werden? Ist also VR-Präsident Horta-Osório oder CEO Gottstein too big to fail?

Diese Lenker einer verzwergten Bank, die immer noch so tun, als wäre die CS ein Global Player? Die solange am Gerät bleiben, bis eine der wirklich grossen Grossbanken der Welt darauf lustig ist, die CS aus der Portokasse aufzukaufen? Wovon nur abhält, dass alle Schiss haben, welche Leichen noch in den tiefen Kellern am Paradeplatz ruhen …

Interessant auch, dass die versammelte Wirtschaftsjournaille zu diesem Thema ein Schweigegelöbnis abgelegt hat.