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News aus dem Newsroom

Käfigtierhaltung wäre so nicht erlaubt.

Der Newsroom ist eine teuflische Erfindung. Wenn er auf dem Greenscreen hinter dem Sprecher der «Tagesschau» emsig arbeitende Journalisten zeigen soll, mag das als Dekoration noch angehen.

Aber die real existierenden Newsrooms, sei das bei Ringier, bei Tamedia, bei CH Media oder auch im Schweizer Farbfernsehen, würden Tierschützer auf die Barrikaden steigen lassen. Da dort aber nur Journalisten gehalten werden, bleiben sie untätig.

«Wir sprechen am Telefon und zu zweit so leise wie möglich», dekretierte SRF für den ersten, provisorischen Newsroom. Für Erbsenzähler und Manager sind Newsrooms wunderbar. Synergie, kurze Amtswege, weniger Platzbedarf, mehr Kontrolle, bessere Messung der Leistung.

Selbst Verrichtungsboxen waren noch besser

Für Kindersoldaten und altgediente Redaktoren waren selbst ihre vorherigen Verrichtungsboxen, links und rechts mit einer Stellwand abgetrennt, noch besser. Sie ermöglichten noch einen letzten Rest von Privatsphäre, von vertraulichen Gesprächen, von kleinster Abgeschiedenheit beim Ringen um die richtige Formulierung, den richtigen Einstieg.

Um die Privatsphäre zu vergrössern, war es nicht unüblich, schalldämpfende Kopfhörer zu tragen, als wäre man auf einer Baustelle neben dem Presslufthammer. Sitzung war gestern, heute ist Stehung, direkt vor Ort, Nicht-Beteiligte sollen einfach weghören. Klare Abläufe war gestern, heute wird mit absurd vielen Hierarchiestufen versucht, wieder Ordnung in das Chaos zu kriegen, das der Newsroom ausgelöst hat.

Journalisten können nicht organisieren

Chef vom Dienst war gestern, heute heisst das zum Beispiel bei SRF «Decision Desk». Englisch knallt doch einfach mehr als Entscheidungstisch. Denn der Newsroom hat nicht nur alte Strukturen aufgebrochen, was gar nicht so schlecht ist. Sondern Journalisten vor das Problem gestellt, etwas zu machen, was sie nur schlecht können: organisieren.

Ein Textroboter kann heutzutage problemlos ein Sportereignis wiedergeben, wobei ihm, im Gegensatz zu Boris Becker, allerdings die Attraktivität der Schiedsrichterin entgeht. Aber ein Journalist aus Fleisch und Blut neigt zur Unordnung, zum schöpferischen Chaos, zum Improvisieren, immer getrieben von Deadlines und Konkurrenzdruck. Ausserdem sind sie ausgesprochene Individualisten.

Mehr Häuptlinge, weniger Indianer

Dem wird nicht nur bei SRF mit einer Unzahl von Häuptlingen begegnet. Die versuchen nun, ihre Indianer in wechselnden Formationen, genannt Themen, zusammen- und anzutreiben. Denn die Zeiten, als Redaktoren festen Gefässen zugeteilt waren, sind vorbei. Einigermassen sicher ist nur noch der Posten des Präsentators der Sendung.

Der Journalist ist auch, trotz trüben Zeiten, ein aufmüpfiges Wesen, sonst hat er seinen Beruf verfehlt. Zudem ist er meistens in der Lage, einigermassen verständlich zu formulieren. Und er weiss auch, wann ein interner Protest zur News wird. Indem man ihn durchsickern lässt, wie sonst. Und da sich Journalisten für nichts so sehr interessieren wie für Journalisten, ist grosse Aufmerksamkeit gewiss.

Mitarbeiter des SRF-Newsrooms beschweren sich

So beschweren sich die Mitarbeiter des SRF-Newsrooms über naheliegende Probleme: Zu viel Gequatsche, zu viel Koordinationsaufwand, zu viele Häuptlinge. Zu wenig Freiräume, zu wenig Mitentscheidungsmöglichkeiten. Das führe zu Frust und Abgängen, ausserdem klappe die Zusammenarbeit zwischen TV und online nicht wirklich.

Der «Blick» hat in seinem Newsroom die Schlagzeile basteln lassen: «Aufstand im Newsroom». Dabei dürfte die dortige Häuptlingsriege einen Moment leer geschluckt und über die Schulter geblickt haben. Aber keine Bange, ist nichts passiert.

Rund 30 Tapfere haben ein Protestschreiben an die Chefetage von SRF gerichtet, in einer anonymen Umfrage sollen 75 Prozent der Newsroom-Insassen gemeckert haben, dass ihre Standpunkte nicht genügend berücksichtigt würden. Ob das wohl daran liegt, dass von den immerhin 200 Mitarbeitern nicht mal 30 den Mut fanden, ihren Namen unter die Beschwerde zu setzen?

Keine neue Erfindung, lösbare Probleme

Das Grossraumbüro ist wahrlich keine neue Erfindung. Seitdem das Klappern von Schreibmaschinen durch das leise Klicken der Computertastatur abgelöst wurde, also vor rund 40 Jahren, wurden die vorher schon existierenden Büros ohne Trennwände noch grösser und grösser. Das bedingte eine andere Art der Organisation, der Abläufe, der Hierarchien.

Im normalen Bürolistenleben funktioniert das, selbst der Büroarbeiter als Nomade, der sich jeden Tag einen Arbeitsplatz suchen muss, funktioniert leidlich. Vom Home-Office ganz zu schweigen. Aber in der Medienwelt gibt es immer wieder gröbere Probleme. Eine klare Kampflinie zwischen alten Medien und neuen. Zwischen schnell und langsam. Zwischen multimedial, multichannel und alten Gewohnheiten.

Ein Managementproblem, das eigentlich zu lösen wäre. Wenn es begabte Medienmanager gäbe. Statt immer mehr Häuptlinge und immer weniger Indianer.