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Hilfe, mein Papagei onaniert!

Diesmal zum Thema: Schon wieder tritt ein VR-Präsident der Credit Suisse ab. Ho, ho, Horta.

Die SDA formuliert mit der Zurückhaltung, die sich für eine Newsagentur gehört. Daher übernehmen viele Medienorgane (Pluralismus, Vielfalt) den SDA-Ticker und ergänzen da und dort.

Daher kann zum Beispiel das Fachblatt «Handelszeitung» die Meldung mit «sda/mbü» zeichnen. Sieht doch gleich viel kompetenter aus.

Etwas geheimnisvoller lautet der Autorenname bei der Meldung von srf.ch: «srf/lin;harm». Ähnlichkeiten mit der SDA-Meldung sind sicherlich rein zufällig und nicht beabsichtigt. Das gilt auch für watson.ch, wo eine Salome Woerlen in die Tassen gegriffen hat. Philipp Löpfe ist auch immer unpässlich, wenn’s wo kracht.

«Cash» online vertraut hingegen auf den Wirtschaftsticker AWP, ebenfalls nicht auf eigene Kräfte. CH Media beschallt via seine 21 Blätter die Deutschschweiz einheitlich mit einem Artikel von André Bisseger, der sich seinerseits auf «Material von der DPA» stützt.

Tick, tick, Ticker

Bluewin.ch, das zu den einschaltstärksten News-Plattformen in der Schweiz gehört, lässt es bei der abgespeckten SDA-Version bewenden. «nau.ch» vertraut ausgewogen auf DPA und SDA.

Der «Blick» hingegen bietet immerhin drei eigene Kräfte auf. Den Noch-Wirtschaftschef Guido Schetti, Daniel Kestenholz und Ulrich Rotzinger hauen fast 5000 A ins Netz.

Und der zweite Grosskonzern der gepflegten Eigenleistungen und des Qualitätsjournalismus? Tamedia braucht zunächst mal eine Schrecksekunde, bis dann – gekonnt ist gekonnt – der SDA-Ticker von «chk» verwedelt, Pardon, veredelt wird. Leider ist das Kürzel im Impressum nicht ausgewiesen.

Natürlich lässt die NZZ einen Redaktor ans Gerät, der aber auch nicht viel mehr als die SDA zur Erkenntnis beitragen kann. Wie immer erfrischend ist hingegen Lukas Hässig auf «Inside Paradeplatz»*, da wird die gesamte CS-Führung, insbesondere der für die Personalpolitik zuständige Severin Schwan, kräftig abgewatscht.

Prioritäten setzen

Nun ist es vielleicht ein wenig bedeutender für die Schweiz, was mit ihrer zweitgrössten Bank, «too big to fail», also notfalls dem Steuerzahler aufs Portemonnaie fallend, passiert. Im ersten Anlauf bis Montagmittag haben die vielfältigen Medien – ohne alle Kopien extra hinauszuzählen – rund 75 Artikel zum Thema publiziert. Die meisten stützen sich dabei auf die Gerüste von Nachrichtenagenturen im Abonnement.

Am gleichen Tag erschienen fast doppelt so viele Meldungen – 141 – zu Novak Djokovic. Obwohl der bereits abgereist ist und die Affäre weitgehend beendet. Nimmt man die Zeit seit Beginn des Schlamassels, gibt es fast 3000 Treffer zu ihm in der Mediendatenbank SMD.

1347 beschäftigen sich im weitesten Sinn – inklusive Börsenmeldungen – mit der CS. Das nennt man eine glasklare, kompetente Prioritätensetzung.

Einordnung, Analyse, Auswahl, die wenigen verbleibenden Kräfte werden dafür benützt, wichtige Themen schwergewichtig zu behandeln. Die CS ist ein sehr schwergewichtiges Thema.

Kleines Problem: ausser, es wird richtig saftig, ziehen Wirtschaftsthema viel weniger als knallige Skandalstorys. Und auch bei Tamedia sitzen die Journalisten in ihren Verrichtungsboxen und werden an der Anzahl Klicks gemessen, die ihr Online-Ausstoss generiert. An nicht viel mehr.

Schlampiges als Qualität verkauft

Das hat mit Anpassung an moderne Zeiten viel, mit Qualitätsjournalismus wenig zu tun. Abnehmende Bedeutung und mangelnde Kompetenz wird mit Meinung, mit Kommentar ersetzt. Am liebsten in den gegendarstellungsfreien Raum hinein, und da bieten sich die Probleme eines serbischen Tennisspielers in Australien ideal an.

Die Probleme einer ehemaligen Schweizer Traditionsbank mit einem portugiesischen Tennisfan eher weniger. Bei seinem schlampigen Umgang mit Quarantäne- und Corona-Regeln wurde zwar auch gemotzt und sogar sein Rücktritt gefordert. Aber dann ging man wieder zur Tagesordnung über, die gesamte Dimension des Problems der CS zeichnet höchstens der Einzelkämpfer Hässig ab und an nach.

Denn, merke: auch die grossen Medienclans müssen ihren Finanzhaushalt bei einer Bank regeln. Kleines Geheimnis, die Alternative Bank ist’s nicht …

*Packungsbeilage: René Zeyer publiziert gelegentlich auf «Inside Paradeplatz».

 

 

 

Hilfe, mein Papagei onaniert

Heute zum Thema: Prioritäten setzen, aber richtig.

Bilder sagen doch mehr als tausend Worte. Also mal wieder die beliebte Fotoromanza.

Denn die Tageszeitungen müssen täglich das Wunder vollbringen, die ganze Welt auf immer weniger Seiten abzubilden. Das geht nur unter Anspannung der letzten verbliebenen Kräfte – und mit rigidem Setzen von Prioritäten, dem Trennen von Wichtigem und Unwichtigem, dem umsichtigen Zuweisen von Platz und Bedeutung.

Erstes Beispiel, geradezu exemplarisch, aus dem «Tages-Anzeiger». Also aus dem Zürich-Teil, wo zwei Co-Chefredaktoren zusammen mit Tagesverantwortlichem, Blattmacher und vielen Bedenkenträgern zeigen können, was Qualitätsjournalismus ist:

Ein alter Wirt in neuem Lokal, so etwa 10’000 Demonstranten im Umzug. 

Wer war schon nicht mal im legendären Lokal «Turm» von Tony Navarro mitten in der Zürcher Altstadt. Vorbei. Nun hat Navarro in Schlieren ein neues Lokal eröffnet. Das ist schön für ihn und seine Gäste. Aber dafür eine Dreiviertelseite mit üppigem Bildanteil, neben einem Inserat reingerutscht ein Bericht über eine ziemlich grosse Corona-Demo in Zürich, ohne Bild? Dafür mit Erwähnung einer klitzekleinen Gegendemo und der Tatsache, dass die Grossdemo bewilligt war und keinerlei Sachschaden anrichtete.

Ach, und dann seien auch noch Reden geschwungen worden, vor dem buntgemischten Publikum.

Prioritätenranking: ungenügend, setzen, üben.

 

Aus dem gleichen Haus, noch prioritärer.

Ein Fragetitel ist immer gut. Da kann sich der Leser die Antwort selber ausdenken. Weil Behörden langsam sind? Weil sie nicht schneller können? Oder wollen? Oder dürfen? Oder weil sie in Bern zu Hause sind? Nun, zumindest beim seitenfüllenden Bild wird eine klare Ansage gemacht. Wobei, auch hier will man sich nicht festlegen: «soll sein», das heisst: kann sein, muss nicht sein. Wobei: who the heck is Joy?

Prioritätenranking: unterirdisch, schämen, aufgeben.

 

Früher war Seite eins ein Ehrenplatz. Heute Abklingbecken für billige Scherze.

Nochmal das Hoforgan der Qualitätsberichterstattung. Damit eine Stimmung kippen kann, muss sie vorher anders gewesen sein. Nur fragt man sich hier: wie denn anders? Aber gut, noch prominenter prangt eine Karikatur auf Seite eins. ein bescheuerter Freiheitstrychler belastet das Gesundheitssystem. Sicher krank geworden, weil er nicht geimpft ist, der Depp. Und dann will er auch noch, Scherz lass nach, Blutkonserven von Ungeimpften. Haben wir gelacht.

Prioritätenranking: scherzschmerz, schamfrei, hoffnungslos.

 

Wir sind immer unsicher: Regen- oder Abflussrohr im Titel?

Es geht doch nichts über ein Filmtitelzitat. «The Good, the Bad and the Ugly». Immerhin ist hier der Hässliche ein «Rebell». Gleichzeitig soll das der Auftakt einer Serie sein, «Mein Corona-Herbst». Immerhin in der zweiten Hälfte November hat der «Blick» gemerkt, dass es herbstet. Bravo. Dann noch, was man halt so nennt, ein «Aufreger». Sondersteuer für Ungeimpfte, warum nicht. Haben sowieso immer weniger Gelegenheit, ihr Geld auszugeben. Ach, in der Schweiz und in der Welt ist noch so dies und das Geschehen? Na und?

Prioritätenranking: weder gut, noch schlau. Dafür monothematisch, viel Luft nach oben im Rohr.

 

Geht doch, meint die NZZ.

Die Zeiten, als man noch hitzig diskutierte, ob es auf der Front der NZZ überhaupt ein Foto geben dürfe, gar in Farbe, sind längst vorbei. Die alte Tante pflegt eine gewählte Bildsprache, um ein Thema zu illustrieren. Hier die Debatte, ob sich Europa umzäunen soll oder nicht. Darunter zwar das ewige Thema dieser Tage, aber immerhin mit einer Info und keiner hingeprügelten Schlagzeile. Kann man so machen.

Prioritätenranking: gepflegt, durchdacht, fällt angenehm auf (was kein Kunststück ist).