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Intelligenter Imperialismus

Alles glotzt auf Trump. Währenddessen erobert China weiter die Welt.

Es ist mal wieder der NZZ zu verdanken, dass sie das Augenmerk auf die Eröffnung eines Hafens lenkt. Na und, mag da der unbedarfte Leser denken.

Vielleicht denkt er es auch noch beim etwas ungelenken Titel. Aber der Inhalt hat es in sich. Dabei ist es eigentlich Business as usual für China. In Asien, in Afrika, sogar in Griechenland wendet das Reich der Mitte die gleiche, einfache imperialistische Politik an. Und zeigt dem Westen, was viel besser und wirksamer ist als dessen jahrhundertelange Kolonialpolitik, die im Wesentlichen aus der Ausbeutung billiger Rohstoffe in der Dritten Welt bestand.

China macht das viel geschickter. Es baut Infrastruktur. Also Strassen, Eisenbahnlinien, Häfen, Telekommunikation. Mit eigenen Arbeitern und eigenem Geld. Wahre Danaergeschenke. Denn das ist doch verlockend. Was die meist trübseligen Regierungen nicht selbst hinkriegen, wird ihnen frei Haus geliefert. Zudem noch mit chinesischer Pünktlichkeit, Qualität und Zuverlässigkeit. Gratis.

Nun ja, fast gratis. Denn Geschenke gibt es natürlich nicht, sondern die Projekte werden auf Kredit gebaut. Ist doch kein Problem, mit diesem Zuwachs an Produktivität und Wertschöpfung kann der Kredit locker zurückbezahlt werden. Oder eben nicht.

Aber es geht um mehr. Beim gerade eröffneten Megahafen an Perus Pazifikküste, der im Rahmen des Projekts neue Seidenstrasse die Transportwege nach und von China gewaltig verkürzen wird, hat sich Peru mit einem Kredit von einem Endvolumen von 3,5 Milliarden Dollar verschuldet. Präsident Xi Jinping reiste extra an, um das Ereignis gebührend zu würdigen.

Und weil er weiss, dass wohl auch Peru früher oder später mit den Rückzahlungen in Verzug geraten wird. Worauf dann die Daumenschrauben angelegt werden. Dabei sitzen die jetzt schon sehr fest, wie die NZZ schreibt:

«Besonders problematisch für die peruanische Souveränität ist der Umstand, dass die nationale Hafenbehörde 2021 Cosco Exklusivität beim Betreiben von Chancay zugestanden hat. Damit entscheidet nicht mehr sie, wer an den Terminals anlegen, arbeiten und Waren handeln darf, sondern die staatliche chinesische Gesellschaft. Als diese Klausel öffentlich bekannt wurde, kam es in Peru zu einem landesweiten Aufschrei. Im März dieses Jahres bat die Regierung darauf die Justiz, diese Bestimmung zu annullieren. Sie argumentierte, diese sei durch einen administrativen Fehler entstanden, die Hafenbehörde besitze gar nicht die Kompetenz, ein solches Zugeständnis zu machen. Doch im Juni ruderte Präsidentin Dina Boluarte auf Druck von China zurück und kassierte den Antrag auf Annullierung der Klausel. Gleichzeitig passte der peruanische Kongress das Hafengesetz so an, dass die exklusiven Rechte für Cosco nun zulässig sind.»

Die staatliche Cosco Shopping Corporation ist eine der grössten Reedereien der Welt. Schiffbau, Schiffsfinanzierung und Betreiben von Häfen.

Es ist eine weitere Facette des modernen Elendsjournalismus, dass bei Überereignissen wie den US-Präsidentschaftswahlen unzählige Artikel, Analysen, Einschätzungen, Interviews und erschütternde Berichte über die gestörte Verdauung von depressiven Journalisten erscheinen. Jede Handbewegung Trumps wird haargenau beobachtet, jede Ernennung eines neuen Ministers führt zu kollektiven Angstschreien.

Als Dauerbrenner läuft ja weiterhin der Ukrainekrieg, den Nahen Osten nicht vergessen, da rauchen die Köpfe. Dann will die SVP doch noch den Genderstern in amtlichen Verlautbarungen der Stadt Zürich abschaffen, was den Tagi zusätzlich ins Japsen und Hyperventilieren treibt.

Dann noch die Regierungskrise in Deutschland, wo eine grünrote Politik den Wirtschaftsstandort zu Kleinholz zerlegt hat. Das sind schon Ereignisse, die alle Japsblätter völlig auslasten und an den Rand der Leistungs- und Leidensfähigkeit bringen. Was Constantin Seibt letzthin gesabbert hat, kann in jeder Ausbildung zum Psychiater als Fallstudie verwendet werden. Auch wenn die Diagnose natürlich kinderleicht ist: kognitiver Zerfall, ausgelöst durch eine depressive Psychose.

Aber während sich auch andere Journalisten um Selbsttherapie von einem eingebildeten Krankheitsbild bemühen, passieren schon noch andere wichtige Dinge auf der Welt.

Zum Beispiel die imperialistische Expansion Chinas, das Entstehen eines neuen politischen-ökonomischen Verbundes namens BRIC, ein neuer Machtpol, in dem sich Schwergewichte wie Russland, China, Indien, Mexiko und Brasilien näherkommen.

Das sind interessante und bedeutende Entwicklungen. Aber halt ein wenig komplexer als Trump und Putin böse, AfD ganz böse, und SVP pfui. Genderstern gut, Klimabewegung sehr gut. Und der Rest der Welt ist eigentlich egal oder höchstens der anekdotischen  Betrachtung würdig.

Der Konsument fragt sich allerdings zunehmend, ob es diesen in den eigenen Vorurteilen gefangenen Journalisten nicht selbst langweilig wird. In ihrer luftdicht von der Wirklichkeit abgeschotteten Gesinnungsblase mit eingebautem Selbstbestätigungsmahlwerk und genügend Spiegeln zur Selbstbetrachtung und Bauchnabelschau.

Die «Republik» und die Mission

Eine katholische Missionarin, für das Online-Blatt aber eine «Journalistin»

Die «Republik» hat mal wieder ein Stück für tapfere Leser veröffentlicht. 31’500 Anschläge für einen Vergleich zwischen Peru und Kolumbien. Genauer: Wie eine Familie in Peru durch das Virus fast ruiniert wird, während die in Kolumbien Hilfe findet.

Denn «die Peruaner zahlen den Preis für die neoliberalen Versäumnisse der letzten Jahrzehnte», weiss die «Republik». Die ja eigentlich alles weiss und sogar besser weiss. Ausser vielleicht, den Background einer Autorin unter die Lupe zu nehmen, die der Leserschaft als Journalistin verkauft wird.

Hildegard Willer beschreibt in diesem, nun ja, Schriftstück, das Schicksal der Familie Tanta in Peru. Vater Eulogio, 73, hat sich mit dem Corona-Virus infiziert. 10’000 Franken koste eine Behandlung im Privatspital, jenseits der Reichweite der Familie. Und die staatlichen Spitäler würden gar keine Über-60-Jährigen mehr aufnehmen.

Vergötzung des Reichtums

So sei das halt in einem «neoliberalen Versuchslabor», schimpft Willer. Ob das wohl damit zu tun hat, dass Willer zur «Bethlehem Mission Immensee» gehört? Diese Missionsgesellschaft will «am Wachsen des Reichs Gottes mitarbeiten». Denn: «Wir sind von Gott getragen und herausgefordert angesichts der Verführungen durch die Vergötzung des Reichtums, der Herrschaft und des Marktes, die Elend und Leid verursachen (vgl. Jes 46,1-8).»

Jedem sein Glaube. Allerdings: Gerade in Lateinamerika hat sich die katholische Kirche mitsamt Missionaren nicht gerade einen positiven Ruf erarbeitet. Wäre es da vielleicht nicht geboten gewesen, der Leserschaft der «Republik» die Autorin nicht nur als «freie Journalistin in Peru» und «Journalismus-Dozentin an der Päpstlich-Katholischen Universität Peru» vorzustellen?

Sondern im Rahmen der Transparenz und allen weiteren schönen Wortblasen, die die «Republik» gerne blubbert, aber immer in der Hoffnung, dass keiner genau hinschaut, als eher fundamentalistische Missionarin? Oder gibt’s die Hoffnung, dass auch Peru ganz weit weg ist, und wer weiss da schon Genaues. Aber der «Republik»-Leser braucht klare Ansagen, damit er die Welt versteht.

Also tobte in Peru der «Neoliberalismus», erkor das Land sogar zu seinem «Versuchslabor». Und wohin Neoliberalismus führt, weiss man ja. Die Armen werden noch ärmer, die Reichen reicher, es herrscht soziale Kälte, Raubtierkapitalismus halt.

Da lassen wir doch einfach beiseite, dass einer der Unterschiede zwischen Kolumbien und Peru darin besteht, dass dem ersten Land das populistisch-sozialistische Experiment erspart blieb, das Peru zwischen 1969 bis 1990 ruinierte. Als Folge davon wurden ab 1990 die Rezepte von Hernando de Soto umgesetzt; ein sehr lesenswerter peruanischer Ökonom.

Der plädiert unter anderem dafür, den überall in der Dritten Welt grassierenden informellen Sektor, also den staats- und weitgehend rechtsfreien Noterwerb vieler, zu legalisieren. Um beispielsweise mit Besitztiteln Rechtssicherheit und Kreditwürdigkeit herzustellen.

Eine grossartige Idee in einem Versuchslabor, das nach dem Fujimori-Putsch vor allem in den Nullerjahren Peru zweistellige Wachstumszahlen bescherte. Und ganz so nebenbei sank die Armutsquote von über 50 auf unter 20 Prozent.

Neoliberaler Linker García

Aber natürlich irrlichtert auch Peru ohne verankerte demokratische Strukturen vor sich hin. Geradezu symbolhaft ist dafür der Linke Alan García. Als jugendliche Hoffnung 1985 zum Präsidenten gewählt, war er 1990 so unpopulär, dass ihm sogar eine Rede zur Amtseinführung seines Nachfolgers verwehrt wurde. Unter seinem sozialdemokratischen Regime war das Land vollends auf venezolanisches Niveau mit einer Hyperinflation von über 10 000 Prozent versunken.

Seltsamerweise wurde Alan Garcia 2006 nochmals zum Präsidenten gewählt. Doch das wirkliche Wunder passierte erst nach seiner Wiederwahl: Der Sozialdemokrat setzte die neoliberale Politik entgegen aller Wahlversprechen fort und bescherte damit dem Land eine Bonanza, von der vor allem die Unterschicht profitierte. Und an diesem neoliberalen Erfolgsmodell änderte auch der linkspopulistische Ollanta Humala kein Koma, der das Land von 2011 bis 2016 regierte, obwohl er sich gerne als Freund von Evo Morales und Hugo Chavez feiern liess. Grell links blinken, scharf rechts abbiegen war das simple Erfolgsrezept der erfolgreichsten Regierungen Perus.

Tatsächlich wurde in Peru seit den 1990er Jahren so ziemlich alles privatisiert, was sich privatisieren lässt, vom Bergbau über die Trinkwasser- und Stromversorgung bis zur Kehrichtentsorgung. Es funktionierte so gut, dass seither kein Mensch mehr ernsthaft eine Verstaatlichung fordert, nicht einmal die Linke. Das einzige, was von der Privatisierungswelle nie tangiert wurde, war neben dem Schulwesen die öffentlich Gesundheitsversorgung. Dazu ist allerdings zu bemerken, dass jeder, der es sich irgendwie leisten kann, die staatlichen Schulen und Spitäler grossräumig umfährt. Sie sind einfach schlecht. Doch das war im sozialistischen Regime nicht besser, im Gegenteil.

Weniger Gesinnung, mehr Ahnung

Tatsächlich wuchs das Budget für das staatliche Gesundheitswesen in den letzten zwei Jahrzehnten permanent und überdurchschnittlich. Einiges hat sich verbessert, doch insgesamt ist Perus öffentliche Gesundheitsversorgung immer noch auf Drittweltniveau. Allerdings ist es nachgerade zynisch, dafür eine Liberalisierung verantwortlich zu machen, die einzig in diesem Sektor nie stattgefunden hat. Es ist vielmehr der Staat, der schon vor der Covid-19-Krise kläglich versagt hat. Man könnte sich vielmehr fragen, warum im Gesundheitswesen nicht funktionieren sollte, was sich bei der Strom- oder Wasserversorgung bewährt hat.

Aber für all diese komplizierten und bunten Wege und Widersprüche müsste man halt weniger Gesinnung, dafür mehr Ahnung haben. Nur interessiert die Realität weder die «Republik»-Redaktion, noch die Autorin, noch die Leserschaft. Sie will, wie die Autorin, nicht wissen, sondern glauben. Und den Glauben immer wieder bestätigt bekommen. Auch wenn in diesem Glauben die Erde noch eine Scheibe ist, Neoliberalismus nur böse und immer einen hohen Preis fordert. Aber alles andere regelt der göttliche Ratschluss, stellvertretend die «Republik»-Macher. Amen.