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Und der Wahlsieger ist …

… reingefallen. Natürlich kann auch ZACKBUM nicht in die Zukunft schauen. Denn wir schreiben das früh am Dienstag.

Trotzdem schreiben wir dieses Stück in kompetenter Voraussicht und mit hellseherischen Fähigkeiten. Womit wir uns über die armen Medien lustig machen, die vor allem in den letzten Wochen deutlich ins Hyperventilieren und Japsen kamen.

Allerdings schätzen wir sehr diese Grafik von Tamedia, die in aller gebotenen Zurückhaltung die Wahlresultate aufnimmt und wiedergibt:

Erschwerend kam für die meisten hinzu, dass sie sich mehrfach mit quietschenden Reifen und unter Verlust von Glaubwürdigkeit und Publikum in die Kurve legen mussten. So setzte das Ausland-Genie von Tamedia im Brustton der Überzeugung auf Joe Biden. Nur der könne den Gottseibeiuns Trump stoppen, verkündete Christof Münger, und damit Schlimmeres, das Schlimmste verhindern.

Dann konnte Biden aber aus Gründen der Senilität nicht mehr, und es galt, die zuvor als Fehlbesetzung geschmähte Kamala Harris zur grossen weiblichen Hoffnung hochzuschreiben. Im ersten Überschwang wurde Trump zum sicheren Verlierer erklärt. Aus dem Tritt geraten, nun ist er der senile Greis, dagegen ein frischer Wirbelwind.

Dann fiel der Journaille auf, dass Harris keinerlei Programm hat, bei wichtigen Fragen biegsam herumrudert. Während der böse, böse Trump zwar allen alles verspricht, aber immerhin so etwas wie ein Programm hat. An das er sich dann sowieso nicht halten wird.

Aber statt darüber zu berichten, dass der Wahlkampf eine Seifenoper ist, eine Materialschlacht, dass Mächte wie Elon Musk doch viel entscheidender für den Kurs der US-Politik sind als der Mann (oder die Frau) am Fenster, dass die beiden Kandidaten eine Schande für das angebliche Leuchtfeuer der Demokratie, des freien Westens sind, verlieren sich die Medien in Kleinklein.

Einer wird gewinnen. Das ist eigentlich die einzig sichere Vorhersage. Und wenn der geneigte ZACKBUM-Leser diesen Text konsumiert, dann weiss er es. Die einzig sichere Vorhersage heute ist: sollte Trump wieder verlieren, wird es etwas Rabbatz geben. Keinen Bürgerkrieg, aber bekanntlich ist er ein schlechter Verlierer. Wohl deswegen, weil er schon so oft verloren hat, bankrott ging, versagte, aber furchtbar gerne der Winnertyp sein möchte.

Eigentlich muss man sagen: jemand, der schon bewiesen hat, was für ein schlechter Verlierer er ist und bis heute behauptet, man habe ihm vor vier Jahren den Sieg gestohlen, obwohl das lachhafte Fake News ist, müsste eigentlich wieder verlieren. Einfach schon deswegen.

Ein Verlierer steht aber felsenfest da: wieder einmal die Medien. Was die für einen Zirkus aufgeführt haben, parteiisch, einäugig, unausgewogen, einseitig, hemmungslos, mit dem missionarischen Eifer des Weltenretters, das ist unsäglich. Wer sich, wie ZACKBUM, schlichtweg darüber informieren wollte, welches Wahlprogramm denn die beiden Kandidaten haben, musste sich selbst auf eine mühsame Internet-Recherche begeben. Um herauszufinden, dass Harris eigentlich nur heisse Luft bietet und alles verspricht, während Trump alles verspricht und heisse Luft bietet. Grossartige Wahl.

Wer gewinnt, ist Stand Dienstagvormittag unvorhersehbar. Die Reaktion der Medien hingegen problemlos antizipierbar. Im Fall eines Wahlsiegs von Harris werden Schalmeien geblasen und in die Harfe gegriffen. Von Hoffnung, aber auch Herausforderung salbadert, von einem Sieg der Demokratie gequatscht. Obwohl keiner weiss, was Harris eigentlich genau anstellen wird. Und von wem sie gelenkt wird.

Im Fall eines Wahlsiegs von Trump wird wieder Weltuntergangsstimmung verbreitet. Befürchtungen aufeinandergestapelt, was der Mann alles anrichten kann, kaputtmachen wird. Ukraine, Europa, Nato, Wehklagen und Schreckensschreie werden erschallen. Obwohl keiner weiss, was Trump eigentlich genau anstellen wird und von wem er gelenkt wird.

Der US-Wahlkampf war ein Witz, aber ein schlechter. Seine Darstellung in den deutschsprachigen Medien war ein Desaster, ein Grundversagen, ein Sieg der Meinung über die Meldung. Ein mutwillig herbeigeschriebener neuerlicher Vertrauens- und Ansehensverlust, als wäre Corona nicht schon schlimm genug gewesen.

Oder in einem Symbol: Wer einen Quatschkopf öffentlich darüber sinnieren lässt, ob Trump ein Faschist sei, der hat jeden Halt, jedes Mass, jedes Qualitätsniveau verloren und verlassen.  Das wird auch die zukünftige Berichterstattung begleiten, völlig unabhängig davon, wer gewinnt. Wer gewonnen hat.

Der Tagi lernt’s nimmermehr

Mal wieder eine Peinlichkeit mit Bärtschifaktor 12.

Da Tamedia in vielen Regionen eine Monopolzeitung ist, pflegt sie den breiten Dialog, versteht sich als Forum, auf dem verschiedene Meinungen im edlen Wettstreit stattfinden können und sollen.

So würde das wahrscheinlich die publizistische Leiter nach unten Simon Bärtschi sülzen, womit er eine stabile 10 auf der Bärtschi-Peinlichkeitsskala erreichte. Womit klar wäre, dass die Realität ganz anders aussieht. Nämlich so:

Das durfte der ehemalige Leiter der «humanitären Hilfe bei der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit» Toni Frisch im Juni 2024 schönschreiben.

So viel parteiische, zudem faktisch falsche Meinung bräuchte ein Korrektiv. Also reichte ZACKBUM-Autor René Zeyer eine Erwiderung ein, da er sich bei diesem Thema ein wenig auskennt. Daraufhin bekam er nach einigem Zögern diese Antwort von Tamedia:

«Vielen Dank für Ihre Zuschrift. Die Chefredaktion hat aufgrund wiederholter persönlicher Diffamierungen von Mitgliedern unserer Redaktion auf Ihrem Blog entschieden, keine Beiträge mehr von Ihnen zu publizieren.»

Worin denn diese wiederholten Diffamierungen – schliesslich ein happiger Vorwurf – bestanden haben sollen, auf diese Frage verfiel die Chefredaktion in tiefes Schweigen, sicherlich als Ausdruck der Debattenkultur im Qualitätsjournalismus.

Es kam erschwerend hinzu, dass solche Warnungen bestens in die Gesinnungsblase der Rumpfredaktion an der Werdstrasse passen. Deshalb kann man sie, das zeichnet eben eine pluralistische Forumszeitung aus, nicht oft genug wiederholen:

Am 6. September darf Martin Dahinden ans Gerät, ein ehemaliger Direktor des Deza und daher ebenfalls ein völlig unabhängiger und objektiver Fachmann.

So wie sein Vorschreiber Frisch stapelt auch er einen falschen Gemeinplatz auf den anderen.

«Der Leistungsausweis der schweizerischen Entwicklungszusammenarbeit ist gut … Die Schweiz unterstützt direkt bedürftige Menschen … schweizerische Entwicklungszusammenarbeit schafft damit längerfristig gute Bedingungen dafür, dass die Menschen ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen können … Entwicklungszusammenarbeit ist ein sichtbarer Ausdruck dafür, dass der Schweiz die Lebensverhältnisse in armen und von Spannungen und Konflikten geprägten Ländern nicht gleichgültig sind.»

Unsinn. Schon auf das Geflunker von Frisch versuchte Zeyer, mit ein paar Fakten zu antworten:

So geht das Narrativ, geht die Mär. Damit leben auch in der Schweiz viele NGOs, leben ihre Funktionäre und Mitarbeiter mit exorbitanten Managerlöhnen und lernen auf Entdeckungsreisli viele Gegenden der Welt kennen. So war der SP-Nationalrat und Präsident von Swissaid Fabian Molina auf Erkundungstour in Kolumbien. Bezahlt von Spenden- oder Steuergeldern.
Aber die bittere Wahrheit ist: Entwicklungshilfe nützt nicht, sie schadet nur. Schwarzafrika, wenn man den Teil zwischen der arabischen Welt und Südafrika so nennen darf, ist exemplarisch dafür. Seit der Unabhängigkeit der Staaten floss rund die Hälfte aller Entwicklungshilfsgelder dorthin, rund eine Billion Dollar. Gleichzeitig verdoppelte sich dort die Zahl der absolut Armen, also der Menschen, die kaufkraftbereinigt weniger als 1,9 Dollar pro Tag zur Verfügung haben.
Schlimmer noch: Länder wie der Tschad bestreiten den Grossteil ihrer Staatsausgaben mit Entwicklungshilfsgeldern. Die korrupte Oberschicht und das herrschende Regime entledigen sich so der eigenen Verantwortung für das Wohlergehen seiner Bürger. Damit stabilisiert die Entwicklungshilfe solche Unrechtsstaaten, wird zum Helfershelfer von Ausbeutung und Unterdrückung und Vernachlässigung.

Weniger Entwicklungshilfe heisst weniger Geld für Sesselfurzer im Deza, weniger Geld für Entwicklungshilfsorganisationen wie Swissaid, die fast zur Hälfte von Steuergeldern lebt, die ihr vom Deza rübergeschoben werden. Um völlig unsinnige und wirkungslose Projekte in Ländern der Dritten Welt zu betreiben. Darunter die Diktaturen Nicaragua, Myanmar, Niger oder Tschad.
Eine Untersuchung und Analyse der Verflechtungen zwischen Bürokratien wie das Deza, NGOs in der Schweiz und dem Pöstchengeschacher von SP und Grünen wäre sowieso überfällig.
All diesen Ländern der Dritten Welt geht es trotz jahrzehntelangem Einsatz von Swissaid und anderen heute entschieden schlechter als früher. Kürzungen bei der Schweizer Entwicklungshilfe schaden nicht dort, sondern helfen dabei, die Ausgaben für eine veritable Helferindustrie in der Schweiz zu verkleinern, die in erster Linie sich selbst hilft.

Im Gegensatz zu Tamedia ist ZACKBUM der Meinung, dass es nicht nur eine richtige Meinung gibt. Sondern dass im Widerstreit der Meinungen und Argumente Erkenntnis entsteht.

Wer aber immer wieder versuchen will, einen Treffer weit oben auf der Bärtschi-Peinlichkeitsskala zu landen, der wiederholt in kurzer Zeit die gleiche Meinung von zwei ehemaligen Deza-Mitarbeitern. Das ist nun wirklich die Bankrotterklärung des journalistischen Niveaus, ergibt 12 Bärtschis.

Auf diesem Gebiet bräuchte Tamedia selbst Entwicklungshilfe, aber dringend. Nur: sie wäre genauso sinn- und wirkungslos wie die in der Dritten Welt.

Bock als Gärtner

Ueli Bernays tritt in der NZZ gegen Rammstein & Co. nach.

Aufhänger für ihn ist das Buch von Daniel Drepper, Lena Kampf: «Row Zero. Gewalt und Machtmissbrauch in der Musikindustrie». Wer sich in solch vermintes Gebiet begibt, sollte wenigstens ordentlich identifiziert werden. So ist Drepper Mitgründer des sogenannten Recherchezentrums «correctiv», das unlängst mit einem teilweise auf Fälschungen beruhenden Bericht über ein sogenanntes Geheimtreffen in die Schlagzeilen geriet. Diverse wilde Behauptungen mussten zurückgenommen werden, ein mehr als peinliches Schauspiel.

Lena Kampf arbeitet im Ressort Investigative Recherche bei der «Süddeutschen Zeitung». Auch die hat sich in letzter Zeit nicht gerade mit Ruhm bekleckert, siehe Fall Aiwanger oder die Bespitzelung der eigenen Redaktion durch die Chefredaktion.

NZZ-Autor Bernays fiel beim Fall Rammstein durch eine grobe Entgleisung auf: «Till Lindemann und Rammstein: Aus dem Künstler ist ein Täter geworden», so titelte der Vorverurteiler, bis dann Vernunft einkehrte und so abgeschwächt wurde:

Allerdings war sich die NZZ zu fein, diese Korrektur für den Leser kenntlich zu machen. Die unanständige Behauptung im Text blieb allerdings stehen: «Ob es sich dabei um einvernehmlichen Sex gehandelt hat, ist kaum zu eruieren. Jedenfalls gab es kaum ein klares Ja.» Was Bernays da alles wusste. Als dann sämtliche Anschuldigungen gegen den Rammstein-Sänger im Sand verliefen, schwieg er verkniffen, schwieg sozusagen des Sängers Unhöflichkeit.

Aber nicht nur, wenn es um woke Denunziationen geht, ist Bernays vorne dabei. Auch Musiker mit einer ihm quer rüberkommenden politischen Meinung kriegen ihr Fett ab: «Achtung, Roger Waters ist wieder unterwegs. … breitbeinig und zielbewusst in alle möglichen Fettnäpfe … Plattform für diesen Wüterich … sein aufgeblasener Idealismus und seine Besserwisserei lassen ihn oft als Ritter von hässlicher Gestalt erscheinen.»

Also schlechte Voraussetzungen, um eine sachliche Buchrezension zu erwarten. Das ist sie natürlich auch nicht:

«In einem Buch kratzt ein deutsches Autorenduo an alten Rocker-Mythen». Das Groupie-Wesen, ja ja. Wie soll man volljährige weibliche Fans, die sich freiwillig ihren Popidolen andienen, nur vor sich selbst beschützen? Indem man von einer Zeitenwende schwafelt:

«Lange haben die Fans den selbstgerechten Sexkult ihrer Pop- Götter gefeiert oder zumindest akzeptiert. In den letzten Jahren aber haben sich die Sensibilitäten verändert. Seit man Michael Jackson den Missbrauch von Minderjährigen postum nachgewiesen hat, ist ein Star nach dem anderen ins Fadenkreuz eines kritischen, zumeist feministischen Blicks geraten

Da bewegt sich Bernays zunächst höchstens im Streubereich der Wahrheit, um es höflich zu formulieren. Ein Kläger wirft dem King of Pop posthum vor, ihn als Kind sexuell missbraucht zu haben. Und die Merkwürdig-Justiz der USA hat diese Klage – 15 Jahre nach dem Tod Jacksons – nun zugelassen, dann halt gegen dessen Produktionsfirma und Nachlassverwalter.

Vielleicht sollte man erwähnen, dasss der gleiche Kläger noch 2005 für Jackson vor Gericht aussagte. Das nahm er später zurück und scheiterte bereits 2021 als angebliches Missbrauchsopfer vor Gericht. Nun also ein neuer Anlauf, bei dem es, mangels Täter, nur um Geld geht. Aber solche Differenzierungen sind für Bernays natürlich zu kompliziert und würden seinen Thesen- und Gesinnungsjournalismus unangenehm stören.

Oder einfach: Jackson wurde weder zu Lebzeiten noch posthum Missbrauch «nachgewiesen». Ausser, man nimmt Behauptungen als «Nachweis», was eigentlich mit dem Niveau der NZZ nicht kompatibel sein sollte.

Dann leiert Bernays die Liste von Popstars runter, denen sexueller Missbrauch vorgeworfen wurde. Meistens aus finanziellen Absichten oder aber, damit sich das angebliche Opfer eine Scheibe vom Ruhm des angeblichen Täters abschneiden konnte. Selbst der Prozess gegen Harvey Weinstein muss inzwischen neu aufgerollt werden. So bleibt der Fall des verurteilten Sexualstraftäters R. Kelly ziemlich einsam stehen.

Nachdem Bernays immerhin darauf hingewiesen hat, dass es durchaus auch zu wilder Lynchjustiz in den sozialen Medien kommen kann, urteilt er am Schluss dennoch streng: «Sexhungrige Altstars sollten ihre Triebe nicht mehr auf Kosten überforderter Fans befriedigen können.»

Laut Bernays sollten also angeblich sexhungrige Altstars darauf verzichten, der Versuchung nachzugeben, wenn hysterische Fans sich für die Row Zero rekrutieren lassen, sich wunschgemäss einkleiden und ausser Rand und Band geraten, wenn sie zur Afterparty eingeladen werden, bei denen es allen Beteiligten klar ist, dass nicht in erster Linie Mikado gespielt und mit abgespreiztem kleinem Finger Tee getrunken wird?

Statt solche unsinnige Forderungen aufzustellen, hätte sich Bernays vielleicht mal eingehender mit seinem eigenen Fehlverhalten und den Vorverurteilungen vieler Kollegen (herausragend Andreas Tobler von Tamedia, der nassforsch forderte, «es gilt die Unschuldsvermutung», dass alle Rammstein-Konzerte in der Schweiz abgesagt werden müssten) beschäftigen.

Mit der Frage, wie es sein kann, dass beim Vorwurf «sexuelle Belästigung vor 20 Jahren» der Beschuldigte seine Unschuld beweisen muss, von Social Media und von Schmiermedien vorverurteilt wird, und wenn er dann wie Kevin Spacey siegreich aus allen Prozessen hervorgeht, ruiniert und um seine Karriere beraubt dasteht.

Mit der Frage, ob sich Unken wie Bernays und Tobler nicht haftbar oder schadenersatzpflichtig machen, wenn sie kolportieren, denunzieren und vorverurteilen.

Erschütternd

Ein soziologisches Experiment auf «Inside Paradeplatz».

Die Botschaft des Artikels war glasklar, einfach und leicht verständlich.Wer einen Verbrecher bestrafen will, darf selber keiner sein. Gewalt gegen Gewalt darf nur mit höherer Legitimation angewendet werden. Rechtsstaat bedeutet, dass Regeln ohne Ausnahme gelten. Und ein Bruch des Völkerrechts kann nicht mit einem weiteren Bruch beantwortet werden, wenn moralische Überlegenheit behauptet werden will.

Rechtsstaat ist unser letzter und wichtigster Schutzwall gegen Willkür und Barbarei. Wer Mörder ermorden, Kinderschänder kastrieren, Dieben die Hand abhacken will, fällt zurück auf archaische, dumpf-primitive Verhaltensweisen eines «Auge um Auge, Zahn um Zahn». Inzwischen sind wir auf wenigen Inseln der Aufklärung und der Zivilisation etwas weiter.

Könnte man meinen.

Nun ist es so, dass die meisten Kommentarschreiber bei IP nicht besoffene Stammtischbrüder nach dem zuvielten Bier sind, die im Gestus des ewigen Verlierers und Underdogs die Welt nach primitiven Regeln ordnen wollen und darunter leiden, dass sie niemand ernst nimmt.

Sondern es sind Banker, also Leute, die unser Geld verwalten. Das ist beängstigend, denn feige hinter dem Schutz der Anonymität versteckt, dabei zu blöde, um zu realisieren, dass man sie über ihre IP-Adresse dingfest machen könnte (was ohne weiteres zu einer sinnvollen Sparmassnahmen führen müsste), wird hier gepoltert, gekeift, geholzt, geschimpft, dass es einem Angst und Bange um unser Geld wird.

Wenn man diese Primitivlinge soziologisch etwas unterteilen will, gibt es in ewiger Wiederholungsschleife folgende Haufen, wobei zurzeit 235 Kommentare ein repräsentatives Sample bilden (wobei man der Gerechtigkeit halber sagen muss, dass es ein paar akzeptable gibt). Wir geben die Rülpser in Originalrechtschreibung wieder:

  1. Der «geh doch nach Moskau»-Idiot:

    «Moskau einfach … Herr Zeyer, sie könnten ja nach Russland auswandern … Warum zieht er nicht zu seinen geliebten Moscoviten? … Warum leben Sie noch hier

  2. Der «bezahlt von Putin»-Dummkopf:

    «Nimm die 50 Silberlinge und schweig einfach» … Sind Putins Stiefel für heute geleckt? … Wie viel Geld bekommt der Herr Zeyer von Putin? … Es wirkt so, als ob Herr Zeyer einen klaren Auftrag bekommen hat … Wieviel bezahlt Moskau Ihnen denn für Ihr trauriges Geschreibsel, Herr Zeyer??? … Wieviel Geld bekommt dieser Pootin Knecht aus Moskau? … Wird Zeyer für solche Artikel bezahlt? Wenn ja dann bitte offenlegen. Sonst erübrigt sich meine Frage

  3. Der persönlich beleidigende Troll:

    «Bitte nicht Alt-Stalinisten und Putin-Fans schreiben lassen … Die Schweinerei liegt bei Ihnen, Herr Zeyer … Schwachsinn, den Sie hier verbreiten … Was für ein abstruser Blödsinn! … Der Typ ist kein Journalist…zudem ist das hier interessant: „Zeyer ist der Sohn eines deutschen Arztes, der sich nach dem Zweiten Weltkrieg als Kommunist in der DDR niederliess.“ (Wikipedia). Noch Fragen? Warum lässt Herr Hässig es zu, dass diese schweizerische News-Seite mehr und mehr von abstrusen Figuren aus Deutschland geflutet wird

  4. Der «die machen das, also dürfen wir auch»-Flachdenker:

    «Sie wissen doch dass Russland der Aggressor ist … wichtiger ist ihm dass man die Russen mit Samthandschuhen behandelt! Ekelhaft … Der, der was zerstört muss für den Wiederaufbau, Wiedergutmachung bezahlen, oder? … Wie wenn sich Russland einen Dreck um das Völkerrecht kümmern würde … Die reichen Russen sind reich weil sie regimetreu sind, d.h sie unterstützen den illegalen Angriffskrieg und müssen bestraft werden wo es weh tut … Russland? Braucht es nicht. Nicht in dieser Form … Oligarchen = Mafia = Kriminelle … Man kann denen gar nicht genug nehmen, und selten war es gerechter als jetzt

  5. Die «im Prinzip Rechtsstaat, aber hier nicht»-Dummschwätzer:

    «Putins Kleptokratentruppe zeigt es ebenso wie man ohne jegliche Moral und ungesetzlich die Russen enteignen kann. Zeyer hätte mal mit russischen Oligarchen Anfang der 90-er Geschäfte machen sollen, dann könnte er heute den Unsinn nicht mehr schreiben, weil er drei Fuß unter der Erde liegen würde … Der Artikel ist voller Lügen. Es werden eben NICHT einfach Konten von Russen beschlagnahmt sondern nur von Pootin-Knechten. Von russischen Milliardären, die Ihr Geld weder legal noch ohne zutun des kriminellen russischen Staates gemacht haben … Die Beschlagnahmung russischen Geldes ist vermutlich eine der effizientesten Mittel, um das kriminelle System Putin, das die gesamte westliche Welt bedroht und sich grundsätzlich an keine Regeln hält, wenigstens etwas in Schranken zu halten … Richtig wäre, nicht nur die Zinsen, sondern das ganze Geld an die Ukraine zu übergeben, das wäre ja nur ein Bruchteil davon, was Russland in der Ukraine zerstört und dafür bezahlen muss

Es ist in jeder Beziehung eine Qual, sich durch diesen Haufen übelreichendes Rausgekotztes zu lesen – umso höher muss man die Leistung von ZACKBUM gewichten.

Keinem dieser ungehobelten Hirnamputierten fällt auf: wenn man den Begriff Oligarch durch Jude ersetzen würde, käme zur Kenntlichkeit, wes Geistes Kind diese Protofaschisten sind.

Erschreckend ist nicht nur, dass das angeblich gut ausgebildete Finanzspezialisten sind. Sondern vor allem, wie dünn der Firnis der Zivilisation ist. Wenn man etwas daran kratzt, ist der Lack ab. Und der Neandertaler kommt zum Vorschein, der nicht argumentiert, sondern keult und Urlaute von sich gibt.

 

Von allen guten Geistern verlassen

Die NZZaS lotet die Untiefen im Seichten aus.

Es gab mal Zeiten, da hätte irgend ein Entscheidungsträger zu diesem Titelblatt der seriösen und ehrwürdigen NZZaS gesagt: Gohts no? Wand dusse? Sind wir hier bei der «Praline»?

Aber zurzeit amtiert eine Viererbande, bei der zwei schon geistig (oder auch körperlich) weg sind, die anderen zwei nicht wissen, was sie tun, wobei einer furchtbar gerne Chefredaktor würde (es aber nicht wird), der andere mehr der Not und Pflicht als der Neigung gehorchend auf der Kommandobrücke sitzt.

Man könnte nun meinen, es sei ein schlechter Scherz, die mit allen Mitteln in die Medien drängende «Edel-Escort» mit dem verblasenen Pseudonym Salomé Balthus zu porträtieren. Wie die versucht, um jeden, wirklich jeden Preis Aufmerksamkeit zu erregen, davon kann Roger Schawinski ein Lied singen. Und als die «Weltwoche» das Experiment unternahm, viel Geld dafür auszugeben, um von der Dame mässig gut unterhalten zu werden («Wie stöhnst denn Du?»), machte sie auch ein grosses Trara, Drama und Gefuchtel draus.

Die Dame ist wohl nicht nur für ihre Kunden toxisch. Über sie und ihre Stöhnkünste ist nun soweit alles erzählt und gibt es auch nichts Neues. Die Prostituierte Klara Lakomy versuchte das letzte Mal, via WEF und «Blick» in die Schlagzeilen zu kommen:

Eine typische Quatsch-Geschichte einer mediengeilen käuflichen Dame: ««Ich wollte in mein eigenes Hotelzimmer gehen, als mir auf dem Flur ein Sicherheitsbeamter mit der Waffe im Anschlag entgegenkam.» Die Situation konnte aber schnell entschärft werden, so die Escort-Dame. «Er hat relativ schnell gemerkt, dass unter mein Negligé gar keine Waffe passt», scherzt sie nur wenige Stunden nach dem Vorfall.» Ist das vielleicht putzig.

So preist sie sich auf ihrer Webseite an, inkl. Preisliste:

Also alles ziemlich halbseiden und für Menschen, die es mögen, für solche Dienstleistungen zu bezahlen. Das hält aber das «NZZ am Sonntag Magazin» nicht davon ab, auf dieses Niveau zu sinken:

Nein, lieber Leser, das ist kein Werbeangebot, sollte man die NZZaS abonnieren. Und der Herr rechts ist nicht käuflich zu haben. Aber irgendwie passt auch mal die Reihenfolge im Heft; zuerst das hier:

Und dann das hier:

Die beiden Interview-Fachkräfte Sacha Batthayany und Rafaela Roth starten hier eine «Interview-Serie», was man als echte Drohung empfinden muss. Als Lead leisten sie sich den Uralt-Kalauer: «Ein Gespräch über wahre Liebe und Liebe als Ware.»

Dann folgen in bewährter «Republik»-Länge über 24’000 A gequirlter Flachsinn. Zunächst stellt Lakomy klar, dass sie Lakomy genannt werden möchte. Und dann wird der Leser schon ganz am Anfang mit diesem Dialog gequält:

«Was bedeutet Liebe, Frau Lakomy?
Sie: Ich möchte keine philosophische Antwort auf die Frage geben.
Florian Havemann: Wäre ja noch schöner.
Sie: Liebe bedeutet für mich Florians wunderschöne Füsse. Liebe ist eine irrationale Zärtlichkeit.»

Kann man noch tiefer sinken? Aber ja:

«Ist Ihre Liebe denn eine körperliche?
Er: Das geht Sie nichts an.
Sie: Das geht Sie überhaupt nichts an. Ich habe schon seine Füsse gelobt, und dann hat er diesen schönen Kopf. Alles dazwischen ist Privatsphäre.»

Früher, ja früher, hat man Nicht-Antworten aus Interviews gestrichen. Aber heute …

Aber nun kommt der dicke Hund des Interviews:

«Als mich Hanna kennenlernte, da war ich Verfassungsrichter, und später habe ich im Bundestag gearbeitet und war Berater von Gregor Gysi. Mir ging es gut, bis ich plötzlich alles verlor. Ein Schicksalsschlag, auf den ich nicht weiter eingehen möchte.»

Genauer gesagt, war Florian Havemann Laienrichter am Verfassungsgericht des Landes Brandenburg. Diese Karriere verdankte er im Wesentlichen der Tatsache, dass er der Sohn des berühmten DDR-Oppositionellen Robert Havemann ist. Der «Schicksalsschlag» bestand dann darin, dass er ein übles biographisches Buch über seinen Vater und sich selbst veröffentlichte, in dem er eine Vielzahl von unbewiesenen und bösartigen Behauptungen aufstellte. Darunter die, dass der Bänkelsänger und Oppositionelle Wolf Biermann eine intime Beziehung zur damaligen Volksbildungsministerin und Gattin des Staatsratsvorsitzenden Margot Honecker unterhalten habe. Sein Vater sei kein Dissident gewesen, sondern staatstreu und habe für den KGB und die Stasi spioniert. Das Buch musste vom Suhrkamp Verlag zurückgezogen werden, viele Stellen wurden geschwärzt.

Das als «Schicksalsschlag» unwidersprochen schönreden zu dürfen, das ist nun in diesem Seichtgebiet eine zusätzliche Untiefe.

Wollen wir noch eine Duftmarke stinken lassen, bevor wir diesen seltenen Tiefpunkt des Hauses NZZ verlassen?

«War der Sex in der DDR freier?
Er: Das müssen Sie mich nicht fragen.
Weil?
Sie: Darf ich antworten?
Er: Nein, darfst du nicht. Ich hatte sehr wenig sexuelle Beziehungen.
Sie: Männer sind schüchterner, und diese Schüchternheit hat physische Gründe. Der Körper verrät einen als Jungen, sie brauchen Hilfe im sexuellen Akt. Ich fand immer, Frauen sind schamloser und frecher

Die Fragen sind schon mal bescheuert, die Antworten nicht minder. Hier soll der Leser einen Einblick in eine merkwürdige Beziehung bekommen, wo ein älterer Mann sich von seiner jüngeren Partnerin aushalten lässt, die horizontal das Geld für Miete und Unterhalt seiner Kinder verdient.

Will die NZZaS dieses Niveau halten, müssen wir uns demnächst auf ein Interview mit Kim de l’Horizon gefasst machen …

Irgendwie konsequent erscheint, dass sich im nächsten Text eine Lea Hagemann Gedanken über eine Trivialität macht: «Meine Meinung ist: Ich habe keine!» Eigentlich würde auch hier der Titel genügen, aber damit können ja beim schlechtesten Willen nicht zwei Seiten gefüllt werden.

Geht’s noch abgehangener? Aber ja, wenn Helge Timmerberg sein Archiv aufräumt und auf seine «neun Jahre Marokko» zurückblickt. Die begannen 1992, und dass der Basar von Marrakesch ganz wunderbar ist, weiss jeder, der schon mal da war oder zumindest Fotos davon gesehen hat. Aber schön für Timmerberg, dass er einen Abnehmer gefunden hat. Weniger schön für den Leser.

Es geht (leider) so weiter. Die schon berüchtigte Seite «Bellevue». Diesmal preist sie «Cashmere für fast alle» an. Wieso nur für «fast alle»? Nun ja, weil die Preise so bei 1000 Franken anfangen und weiter nach oben klettern …

Günstigere Angebote? Aber ja, die «Grand Meatery» im Luxushotel Dolder Grand. Wie wär’s als «Starter» mit einem «Tatar mit Austern, Kaviar und Rande» für schlappe 62 Franken? Dann ein Stück Filet, natürlich am Knochen gereift, 200 gr für 65 Franken? Ein Schnäppchen? Stimmt, dann doch eher das Entrecôte aus Japan, diätverträgliche 100 gr für eine Portemonnaie-Diät: 110 Franken. Ein Sösschen dazu für 6 Franken, ein wenig «Pop Up-Fries mit Baconnaise», 10 Franken.

Nix Billiges in Sicht? Doch, ein Perlenohrring für lächerliche 290 Euro. Nur: potthässlich. Dann noch «Lichtskultpturen» von Gabi Deutsch. Hört sich teuer an, lässt sich aber schwer beurteilen: man findet sie nicht.

Dann gibt es noch einen zweiten Warnhinweis, dass wohl bald ein Interview mit Kim droht:

Kann es da Zufall sein, dass das Kochrezept auch nur mässige Begeisterung auslöst?

Sozusagen als olfaktorische Verabschiedung, um hier ein sprachliches Niveau zu setzen, dass dieses Magazin von A bis Z inhaltlich unterbietet, noch das hier:

Das ist eine Würdigung von Andrea Bornhauser, die dann inhaltlich gar nicht so stinkig ausfällt, wie es der Titel suggeriert.

Es ist mal wieder Zeit, für die Berichterstatterpflicht Schmerzensgeld zu verlangen. Dem Leser einen solchen Schrottplatz zu servieren, das braucht schon eine gehörige Portion Arroganz.  Oder Wurstigkeit. Oder soll das etwa nochmals ein Hilferuf sein: Gujer, übernehmen Sie! Sofort! Bitte!»

 

Hi, Hi, Hitler

Immer für eine Doublette gut.

Vor hundert Jahren, also 1923, reiste Adolf Hitler durch die Schweiz; in erster Linie, um Geld einzusammeln.Das war im August, und wenn Journalisten auf etwas wie Pavlowsche Hunde reagieren, dann sind es runde Jahrestage. Und 100 ist sehr rund.

Ausserdem ist bekanntlich Sommerloch. Also hat der «Tages-Anzeiger» eine historische Idee:

Das Werk von Andreas Tobler, Sandro Benini und Sebastian Broschinski (das ist ein «Interactive Storytelling Developer») ist 12’000 Anschläge lang, bebildert und erzählt den Kurzaufenthalt von Hitler in der Schweiz.

Zufälle gibt’s. Auch die NZZ klatscht die üppig bebilderte Story von Hitlers Kurzaufenthalt in der Schweiz zuoberst auf die Homepage. Sie braucht dafür nur einen Autor; Marc Tribelhorn.

Aber im Gegensatz zu den Hobbyhistorikern bei Tamedia führt Tribelhorn die Geschichte über Hitlers missglückten Putschversuch in München von 1923 fort. Denn damals titelten deutsche Zeitungen: «Der Hitlerputsch von der Schweiz bezahlt». Zumindest gab es logischerweise eine zeitliche Koinzidenz.

Was die kurzatmigen Historiker von Tamedia auch tunlichst zu erwähnen vergessen, reibt dem Blatt die NZZ genüsslich unter die Nase:

«Erinnert sei auch an den «Tages-Anzeiger», auf dessen Titelseite Hitler im Dezember 1931 einen Meinungsartikel publizieren konnte: «Was wollen wir Nationalsozialisten?». Der Putsch, der Faschismus, der Antisemitismus – grosszügig ausgeblendet.»

Das wird dort auch heute noch grosszügig ausgeblendet. Auf 33’000 Anschlägen geht’s dann in der NZZ weiter zur Reise des ehemaligen freisinnigen Bundesrats Edmund Schulthess nach Berlin, wo er nach einer Audienz beim Führer sehr angetan von ihm ist: «Ich glaube, sagen zu dürfen, dass Hitler aufrichtig den Frieden will und alles vermeiden wird, was ihn stören könnte

Schliesslich der amateurhafte Attentatsversuch von Maurice Bavaud, der von der Schweizer Botschaft in Berlin völlig im Stich gelassen und im Mai 1941 geköpft wurde. Dass Niklaus Meienberg als Erster an dessen Schicksal erinnerte, das wiederum erwähnt die NZZ nicht.

Dann schliesslich nochmal die Angriffspläne Hitlers auf die Schweiz, der vom Hauptmann Otto Wilhelm von Menges ausgearbeitet – aber niemals umgesetzt wurden. Schliesslich geistern noch nach dem Zweiten Weltkrieg immer wieder Gerüchte durch die Schweiz, dass der Führer gar nicht umgekommen, sondern sich hierher geflüchtet habe. In der Akte «Adolf»Hitler», die das Kriminalkommisariat III in Zürich angelegt habe, wurde ganz am Schluss ein Kreuz neben «Hitler, Adolf» gesetzt. Im Mai 1963.

So endet die NZZ. Kurzatmiger verweilt der «Tages-Anzeiger» am Schluss auf den unterschiedlichen Angaben, wie viel Geld Hitler seine Betteltour in der Schweiz eingebracht habe. Von 123’000 Franken sie damals die Rede gewesen, andere gehen von lediglich 11’000 Franken aus; grösstenteils von Deutschen in der Schweiz und ein paar Schweizer Antisemiten.

Es ist belustigend, dass die beiden Tageszeitungen am gleichen Tag die gleiche Idee publizieren. Beide Autoren habe ja einschlägige Erfahrungen, sie produzierten schon die Doublette der alternativen Geschichtsschreibung zum 1. August. Weniger lustig ist’s dann für den «Tages-Anzeiger», der im Nahvergleich mal wieder ganz klar auf dem letzten Platz landet. Abgeschlagen und zweifellos in einer tieferen Liga spielend.

Ein Starschwätzer

Thomas Piketty darf im «Magazin» Unsinn verzapfen.

Seit sein Kracher «Das Kapital im 21. Jahrhundert» –meistens ungelesen – auf jedem politisch korrekten Sofatisch lag, gilt der «Kapitalismuskritiker» als «Starökonom». Dabei konnte er die Thesen in seinem Machwerk nur hinwürgen, indem er, höflich formuliert, statistische Erhebungen sehr selektiv betrachtete und vor allem Ergebnisse wegliess, die seinen Thesen widersprachen.

Also die Anwendung der wissenschaftlichen Methode: was nicht passt, wird passend gemacht. Schnee von gestern, nun hat Piketty ein neues Buch geschrieben: «Eine kurze Geschichte der Gleichheit». Kurz ist gut, daher konnte es auch Christoph Lenz lesen. Der ist bei Tamedia «Reporter beim «Magazin» und Mitglied der Tamedia-Tagesleitung». Angeblich habe er «Geschichte und Volkswirtschaft studiert und daneben das journalistische Handwerk erlernt».

Angeblich deswegen, weil an all dem doch gelinde Zweifel gestattet sind. Denn in einem länglichen Interview zu diesem kurzen Buch lässt Lenz den «Wirtschaftswissenschafter» ungeniert einen Unsinn nach dem anderen verzapfen. auf «Republik»-verdächtigen 20’000 Anschlägen erspart ihm Lenz jegliche kritische Nachfrage, ausser zum Stichwortgeben.

Wir würden uns auf mehr Gleichheit hin bewegen, ist die neue, knackige These von Piketty. Rein ökonomisch gesehen ist das unsinnig, noch nie spreizte sich die Schere zwischen ganz reich und ganz arm dermassen weit auf, noch nie gab es einen dermassen grossen Abstand zwischen der Mittelschicht und der Oberschicht. Lenz liefert brav die Stichworte:

«Sie sprechen von den Revolutionen in Frankreich und den USA?» Gnädig nickt Piketty, weitet aber aus: «Nicht nur. … Aber ich denke auch an den Sklavenaufstand in Haiti im Jahr 1791. Dieser Moment markiert den Anfang vom Ende der kolonialen Gesellschaften.» Der bravuröse, aber fürchterlich gescheiterte Sklavenaufstand sei der Anfang vom Ende des Kolonialismus gewesen? Hanebüchen.

Aber Piketty kann noch mehr Bögen spannen: «Die Bewegung, die Ende des 18. Jahrhunderts ausgelöst wurde, ging im 19. Jahrhundert weiter mit der Abschaffung der Sklaverei, mit dem Aufstieg der Arbeiterbewegung, mit dem allgemeinen Stimmrecht für die Männer. Später kamen das Frauenstimmrecht, die Bürgerrechtsbewegung in den USA und der Wohlfahrtsstaat. Und heute sehen wir dieselbe Energie bei «Black Lives Matter» und bei #MeToo.» Es ist eine Beleidigung, diese beiden Randgruppenphänomene in eine Reihe mit den Kämpfen der Arbeiterbewegung oder der Bürgerrechtsbewegung in den USA zu stellen.

Aber das alles zeige eben, dass der Marsch zu mehr Gleichheit weitergehe, behauptet der Star. Da wagt Lenz mit einem Gegenbeispiel zu widersprechen: «Der US-Supreme-Court hat die Rechte der Frauen soeben massiv beschnitten.» Kein Problem für einen Starschwätzer, darum herumzurudern: «Das Urteil des Supreme Courts sollte uns vielleicht einfach daran erinnern, dass das, was wir heute in Europa und den USA Demokratie nennen, eine recht limitierte Form der Demokratie ist. Eine Demokratie, die wir verbessern müssen.»

Nun sind aber natürlich Lösungen gefragt, beispielsweise zum Thema Klimaerwärmung. Kein Problem, meint Piketty, et voilà: «Der einzige Weg ist eine Art von progressiver CO2-Steuer.» Lenz mopst etwas auf: wie solle der Staat denn wissen, wieviel CO2 der einzelne Bürger ausstosse? Kein Problem, meint Piketty: «Wissen Sie, technische Probleme können mit etwas gutem Willen immer gelöst werden.»

Also mehr Überwachung, runzelt Lenz die Stirne, und lässt sich wieder widerspruchslos einseifen: «Wir nutzen ja heute alle schon Bankkonten und Kreditkarten. Private Finanzinstitute wissen also längst, was wir konsumieren. Jede und jeder von uns hat also ein Vertrauen in dieses System aufgebaut, und wir glauben, dass wir den Banken und Kreditkartenfirmen unsere persönlichsten Daten anvertrauen können, ohne dass sie diese missbrauchen

Das glauben höchstens ein paar Naivlinge, genau wegen solchen Befürchtungen sind satte Mehrheiten in Europa – und in der Schweiz – gegen die völlige Abschaffung des Bargelds, das einen Schutz vor der völligen Kontrolle durch den Staat bietet. Und genau aus diesem Grund haben Blockchain-Währungen anhaltenden Zuspruch.

Piketty fordert in seinem neusten Werk auch die Auszahlung von 120’000 Euro an jeden Bürger, ein Geschenk zum 25. Geburtstag. Das bedingungslose Grundeinkommen sei in der Schweiz aber gerade abgelehnt worden, souffliert Lenz das nächste Stichwort: «Natürlich wollen die Reichen nicht teilen. Aber wenn wir die Frage so stellen, haben wir den falschen Fokus

Lenz bettelt um Aufklärung.

«Wir müssen in grösseren Massstäben denken. In globalen Massstäben.»

Das ist immer gut, global ist einfach für alles die Lösung.  Piketty weiss, dass er hier nun ein Titel-Quote liefern muss: «Und in globalen Massstäben betrachtet ist die Schweiz einfach ein Club von reichen Leuten.» Welcome to the Club. Aber auch die Schweiz könne nicht einfach weitermachen wie bisher: «Wir haben das schon gesehen beim Bankgeheimnis. Wenn plötzlich ein mächtiger Staat, zum Beispiel die USA, findet, es reicht, dann muss die Schweiz spuren

So kann man das auch beschreiben. Dass sich nämlich die USA einfach ein grösseres Stück von der Verwaltung von Vermögen abschneiden wollten, ob Schwarzgeld, krimineller Herkunft oder steuerehrlich: völlig egal. In den USA stehen bekanntlich die grössten Geldwaschmaschinen der Welt und die ausgedehntesten Steueroasen für Hinterzieher. Aber solche Zusammenhänge sind dem «Starökonom» wohl zu kompliziert – und Lenz nicht geläufig.

Da bietet ein eloquenter Schwätzer jede Menge Angriffsflächen und die einmalige Chance für einen Journalisten, statt einer Liebedienerei ein angriffiges, unterhaltsames Interview zu machen. Wo der Leser mit einem Schlagabtausch unterhalten würde, sogar angenehm belehrt. Stattdessen fährt Piketty fort, unter Ausblendung nicht passender Tatsachen knackige Thesen abzusondern.

Hand aufs Herz: erinnert sich noch jemand daran, was seine These im «Kapital im 21. Jahrhundert» war? Und wer schon die Hand dort hat: wer hat’s wirklich gelesen? Also. Aber von einem Journalisten, der doch tatsächlich Geld für seine Tätigkeit verlangt, könnte man zumindest erwarten, dass er im Gespräch gelegentlich aufblitzen lässt, dass man ihm nicht jeden Bären auf die Nase binden kann. Nun ja, bei Tamedia ist das allerdings eine überzogene Erwartungshaltung.