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Von allen guten Geistern verlassen

Die NZZaS lotet die Untiefen im Seichten aus.

Es gab mal Zeiten, da hätte irgend ein Entscheidungsträger zu diesem Titelblatt der seriösen und ehrwürdigen NZZaS gesagt: Gohts no? Wand dusse? Sind wir hier bei der «Praline»?

Aber zurzeit amtiert eine Viererbande, bei der zwei schon geistig (oder auch körperlich) weg sind, die anderen zwei nicht wissen, was sie tun, wobei einer furchtbar gerne Chefredaktor würde (es aber nicht wird), der andere mehr der Not und Pflicht als der Neigung gehorchend auf der Kommandobrücke sitzt.

Man könnte nun meinen, es sei ein schlechter Scherz, die mit allen Mitteln in die Medien drängende «Edel-Escort» mit dem verblasenen Pseudonym Salomé Balthus zu porträtieren. Wie die versucht, um jeden, wirklich jeden Preis Aufmerksamkeit zu erregen, davon kann Roger Schawinski ein Lied singen. Und als die «Weltwoche» das Experiment unternahm, viel Geld dafür auszugeben, um von der Dame mässig gut unterhalten zu werden («Wie stöhnst denn Du?»), machte sie auch ein grosses Trara, Drama und Gefuchtel draus.

Die Dame ist wohl nicht nur für ihre Kunden toxisch. Über sie und ihre Stöhnkünste ist nun soweit alles erzählt und gibt es auch nichts Neues. Die Prostituierte Klara Lakomy versuchte das letzte Mal, via WEF und «Blick» in die Schlagzeilen zu kommen:

Eine typische Quatsch-Geschichte einer mediengeilen käuflichen Dame: ««Ich wollte in mein eigenes Hotelzimmer gehen, als mir auf dem Flur ein Sicherheitsbeamter mit der Waffe im Anschlag entgegenkam.» Die Situation konnte aber schnell entschärft werden, so die Escort-Dame. «Er hat relativ schnell gemerkt, dass unter mein Negligé gar keine Waffe passt», scherzt sie nur wenige Stunden nach dem Vorfall.» Ist das vielleicht putzig.

So preist sie sich auf ihrer Webseite an, inkl. Preisliste:

Also alles ziemlich halbseiden und für Menschen, die es mögen, für solche Dienstleistungen zu bezahlen. Das hält aber das «NZZ am Sonntag Magazin» nicht davon ab, auf dieses Niveau zu sinken:

Nein, lieber Leser, das ist kein Werbeangebot, sollte man die NZZaS abonnieren. Und der Herr rechts ist nicht käuflich zu haben. Aber irgendwie passt auch mal die Reihenfolge im Heft; zuerst das hier:

Und dann das hier:

Die beiden Interview-Fachkräfte Sacha Batthayany und Rafaela Roth starten hier eine «Interview-Serie», was man als echte Drohung empfinden muss. Als Lead leisten sie sich den Uralt-Kalauer: «Ein Gespräch über wahre Liebe und Liebe als Ware.»

Dann folgen in bewährter «Republik»-Länge über 24’000 A gequirlter Flachsinn. Zunächst stellt Lakomy klar, dass sie Lakomy genannt werden möchte. Und dann wird der Leser schon ganz am Anfang mit diesem Dialog gequält:

«Was bedeutet Liebe, Frau Lakomy?
Sie: Ich möchte keine philosophische Antwort auf die Frage geben.
Florian Havemann: Wäre ja noch schöner.
Sie: Liebe bedeutet für mich Florians wunderschöne Füsse. Liebe ist eine irrationale Zärtlichkeit.»

Kann man noch tiefer sinken? Aber ja:

«Ist Ihre Liebe denn eine körperliche?
Er: Das geht Sie nichts an.
Sie: Das geht Sie überhaupt nichts an. Ich habe schon seine Füsse gelobt, und dann hat er diesen schönen Kopf. Alles dazwischen ist Privatsphäre.»

Früher, ja früher, hat man Nicht-Antworten aus Interviews gestrichen. Aber heute …

Aber nun kommt der dicke Hund des Interviews:

«Als mich Hanna kennenlernte, da war ich Verfassungsrichter, und später habe ich im Bundestag gearbeitet und war Berater von Gregor Gysi. Mir ging es gut, bis ich plötzlich alles verlor. Ein Schicksalsschlag, auf den ich nicht weiter eingehen möchte.»

Genauer gesagt, war Florian Havemann Laienrichter am Verfassungsgericht des Landes Brandenburg. Diese Karriere verdankte er im Wesentlichen der Tatsache, dass er der Sohn des berühmten DDR-Oppositionellen Robert Havemann ist. Der «Schicksalsschlag» bestand dann darin, dass er ein übles biographisches Buch über seinen Vater und sich selbst veröffentlichte, in dem er eine Vielzahl von unbewiesenen und bösartigen Behauptungen aufstellte. Darunter die, dass der Bänkelsänger und Oppositionelle Wolf Biermann eine intime Beziehung zur damaligen Volksbildungsministerin und Gattin des Staatsratsvorsitzenden Margot Honecker unterhalten habe. Sein Vater sei kein Dissident gewesen, sondern staatstreu und habe für den KGB und die Stasi spioniert. Das Buch musste vom Suhrkamp Verlag zurückgezogen werden, viele Stellen wurden geschwärzt.

Das als «Schicksalsschlag» unwidersprochen schönreden zu dürfen, das ist nun in diesem Seichtgebiet eine zusätzliche Untiefe.

Wollen wir noch eine Duftmarke stinken lassen, bevor wir diesen seltenen Tiefpunkt des Hauses NZZ verlassen?

«War der Sex in der DDR freier?
Er: Das müssen Sie mich nicht fragen.
Weil?
Sie: Darf ich antworten?
Er: Nein, darfst du nicht. Ich hatte sehr wenig sexuelle Beziehungen.
Sie: Männer sind schüchterner, und diese Schüchternheit hat physische Gründe. Der Körper verrät einen als Jungen, sie brauchen Hilfe im sexuellen Akt. Ich fand immer, Frauen sind schamloser und frecher

Die Fragen sind schon mal bescheuert, die Antworten nicht minder. Hier soll der Leser einen Einblick in eine merkwürdige Beziehung bekommen, wo ein älterer Mann sich von seiner jüngeren Partnerin aushalten lässt, die horizontal das Geld für Miete und Unterhalt seiner Kinder verdient.

Will die NZZaS dieses Niveau halten, müssen wir uns demnächst auf ein Interview mit Kim de l’Horizon gefasst machen …

Irgendwie konsequent erscheint, dass sich im nächsten Text eine Lea Hagemann Gedanken über eine Trivialität macht: «Meine Meinung ist: Ich habe keine!» Eigentlich würde auch hier der Titel genügen, aber damit können ja beim schlechtesten Willen nicht zwei Seiten gefüllt werden.

Geht’s noch abgehangener? Aber ja, wenn Helge Timmerberg sein Archiv aufräumt und auf seine «neun Jahre Marokko» zurückblickt. Die begannen 1992, und dass der Basar von Marrakesch ganz wunderbar ist, weiss jeder, der schon mal da war oder zumindest Fotos davon gesehen hat. Aber schön für Timmerberg, dass er einen Abnehmer gefunden hat. Weniger schön für den Leser.

Es geht (leider) so weiter. Die schon berüchtigte Seite «Bellevue». Diesmal preist sie «Cashmere für fast alle» an. Wieso nur für «fast alle»? Nun ja, weil die Preise so bei 1000 Franken anfangen und weiter nach oben klettern …

Günstigere Angebote? Aber ja, die «Grand Meatery» im Luxushotel Dolder Grand. Wie wär’s als «Starter» mit einem «Tatar mit Austern, Kaviar und Rande» für schlappe 62 Franken? Dann ein Stück Filet, natürlich am Knochen gereift, 200 gr für 65 Franken? Ein Schnäppchen? Stimmt, dann doch eher das Entrecôte aus Japan, diätverträgliche 100 gr für eine Portemonnaie-Diät: 110 Franken. Ein Sösschen dazu für 6 Franken, ein wenig «Pop Up-Fries mit Baconnaise», 10 Franken.

Nix Billiges in Sicht? Doch, ein Perlenohrring für lächerliche 290 Euro. Nur: potthässlich. Dann noch «Lichtskultpturen» von Gabi Deutsch. Hört sich teuer an, lässt sich aber schwer beurteilen: man findet sie nicht.

Dann gibt es noch einen zweiten Warnhinweis, dass wohl bald ein Interview mit Kim droht:

Kann es da Zufall sein, dass das Kochrezept auch nur mässige Begeisterung auslöst?

Sozusagen als olfaktorische Verabschiedung, um hier ein sprachliches Niveau zu setzen, dass dieses Magazin von A bis Z inhaltlich unterbietet, noch das hier:

Das ist eine Würdigung von Andrea Bornhauser, die dann inhaltlich gar nicht so stinkig ausfällt, wie es der Titel suggeriert.

Es ist mal wieder Zeit, für die Berichterstatterpflicht Schmerzensgeld zu verlangen. Dem Leser einen solchen Schrottplatz zu servieren, das braucht schon eine gehörige Portion Arroganz.  Oder Wurstigkeit. Oder soll das etwa nochmals ein Hilferuf sein: Gujer, übernehmen Sie! Sofort! Bitte!»

 

Hi, Hi, Hitler

Immer für eine Doublette gut.

Vor hundert Jahren, also 1923, reiste Adolf Hitler durch die Schweiz; in erster Linie, um Geld einzusammeln.Das war im August, und wenn Journalisten auf etwas wie Pavlowsche Hunde reagieren, dann sind es runde Jahrestage. Und 100 ist sehr rund.

Ausserdem ist bekanntlich Sommerloch. Also hat der «Tages-Anzeiger» eine historische Idee:

Das Werk von Andreas Tobler, Sandro Benini und Sebastian Broschinski (das ist ein «Interactive Storytelling Developer») ist 12’000 Anschläge lang, bebildert und erzählt den Kurzaufenthalt von Hitler in der Schweiz.

Zufälle gibt’s. Auch die NZZ klatscht die üppig bebilderte Story von Hitlers Kurzaufenthalt in der Schweiz zuoberst auf die Homepage. Sie braucht dafür nur einen Autor; Marc Tribelhorn.

Aber im Gegensatz zu den Hobbyhistorikern bei Tamedia führt Tribelhorn die Geschichte über Hitlers missglückten Putschversuch in München von 1923 fort. Denn damals titelten deutsche Zeitungen: «Der Hitlerputsch von der Schweiz bezahlt». Zumindest gab es logischerweise eine zeitliche Koinzidenz.

Was die kurzatmigen Historiker von Tamedia auch tunlichst zu erwähnen vergessen, reibt dem Blatt die NZZ genüsslich unter die Nase:

«Erinnert sei auch an den «Tages-Anzeiger», auf dessen Titelseite Hitler im Dezember 1931 einen Meinungsartikel publizieren konnte: «Was wollen wir Nationalsozialisten?». Der Putsch, der Faschismus, der Antisemitismus – grosszügig ausgeblendet.»

Das wird dort auch heute noch grosszügig ausgeblendet. Auf 33’000 Anschlägen geht’s dann in der NZZ weiter zur Reise des ehemaligen freisinnigen Bundesrats Edmund Schulthess nach Berlin, wo er nach einer Audienz beim Führer sehr angetan von ihm ist: «Ich glaube, sagen zu dürfen, dass Hitler aufrichtig den Frieden will und alles vermeiden wird, was ihn stören könnte

Schliesslich der amateurhafte Attentatsversuch von Maurice Bavaud, der von der Schweizer Botschaft in Berlin völlig im Stich gelassen und im Mai 1941 geköpft wurde. Dass Niklaus Meienberg als Erster an dessen Schicksal erinnerte, das wiederum erwähnt die NZZ nicht.

Dann schliesslich nochmal die Angriffspläne Hitlers auf die Schweiz, der vom Hauptmann Otto Wilhelm von Menges ausgearbeitet – aber niemals umgesetzt wurden. Schliesslich geistern noch nach dem Zweiten Weltkrieg immer wieder Gerüchte durch die Schweiz, dass der Führer gar nicht umgekommen, sondern sich hierher geflüchtet habe. In der Akte «Adolf»Hitler», die das Kriminalkommisariat III in Zürich angelegt habe, wurde ganz am Schluss ein Kreuz neben «Hitler, Adolf» gesetzt. Im Mai 1963.

So endet die NZZ. Kurzatmiger verweilt der «Tages-Anzeiger» am Schluss auf den unterschiedlichen Angaben, wie viel Geld Hitler seine Betteltour in der Schweiz eingebracht habe. Von 123’000 Franken sie damals die Rede gewesen, andere gehen von lediglich 11’000 Franken aus; grösstenteils von Deutschen in der Schweiz und ein paar Schweizer Antisemiten.

Es ist belustigend, dass die beiden Tageszeitungen am gleichen Tag die gleiche Idee publizieren. Beide Autoren habe ja einschlägige Erfahrungen, sie produzierten schon die Doublette der alternativen Geschichtsschreibung zum 1. August. Weniger lustig ist’s dann für den «Tages-Anzeiger», der im Nahvergleich mal wieder ganz klar auf dem letzten Platz landet. Abgeschlagen und zweifellos in einer tieferen Liga spielend.

Ein Starschwätzer

Thomas Piketty darf im «Magazin» Unsinn verzapfen.

Seit sein Kracher «Das Kapital im 21. Jahrhundert» –meistens ungelesen – auf jedem politisch korrekten Sofatisch lag, gilt der «Kapitalismuskritiker» als «Starökonom». Dabei konnte er die Thesen in seinem Machwerk nur hinwürgen, indem er, höflich formuliert, statistische Erhebungen sehr selektiv betrachtete und vor allem Ergebnisse wegliess, die seinen Thesen widersprachen.

Also die Anwendung der wissenschaftlichen Methode: was nicht passt, wird passend gemacht. Schnee von gestern, nun hat Piketty ein neues Buch geschrieben: «Eine kurze Geschichte der Gleichheit». Kurz ist gut, daher konnte es auch Christoph Lenz lesen. Der ist bei Tamedia «Reporter beim «Magazin» und Mitglied der Tamedia-Tagesleitung». Angeblich habe er «Geschichte und Volkswirtschaft studiert und daneben das journalistische Handwerk erlernt».

Angeblich deswegen, weil an all dem doch gelinde Zweifel gestattet sind. Denn in einem länglichen Interview zu diesem kurzen Buch lässt Lenz den «Wirtschaftswissenschafter» ungeniert einen Unsinn nach dem anderen verzapfen. auf «Republik»-verdächtigen 20’000 Anschlägen erspart ihm Lenz jegliche kritische Nachfrage, ausser zum Stichwortgeben.

Wir würden uns auf mehr Gleichheit hin bewegen, ist die neue, knackige These von Piketty. Rein ökonomisch gesehen ist das unsinnig, noch nie spreizte sich die Schere zwischen ganz reich und ganz arm dermassen weit auf, noch nie gab es einen dermassen grossen Abstand zwischen der Mittelschicht und der Oberschicht. Lenz liefert brav die Stichworte:

«Sie sprechen von den Revolutionen in Frankreich und den USA?» Gnädig nickt Piketty, weitet aber aus: «Nicht nur. … Aber ich denke auch an den Sklavenaufstand in Haiti im Jahr 1791. Dieser Moment markiert den Anfang vom Ende der kolonialen Gesellschaften.» Der bravuröse, aber fürchterlich gescheiterte Sklavenaufstand sei der Anfang vom Ende des Kolonialismus gewesen? Hanebüchen.

Aber Piketty kann noch mehr Bögen spannen: «Die Bewegung, die Ende des 18. Jahrhunderts ausgelöst wurde, ging im 19. Jahrhundert weiter mit der Abschaffung der Sklaverei, mit dem Aufstieg der Arbeiterbewegung, mit dem allgemeinen Stimmrecht für die Männer. Später kamen das Frauenstimmrecht, die Bürgerrechtsbewegung in den USA und der Wohlfahrtsstaat. Und heute sehen wir dieselbe Energie bei «Black Lives Matter» und bei #MeToo.» Es ist eine Beleidigung, diese beiden Randgruppenphänomene in eine Reihe mit den Kämpfen der Arbeiterbewegung oder der Bürgerrechtsbewegung in den USA zu stellen.

Aber das alles zeige eben, dass der Marsch zu mehr Gleichheit weitergehe, behauptet der Star. Da wagt Lenz mit einem Gegenbeispiel zu widersprechen: «Der US-Supreme-Court hat die Rechte der Frauen soeben massiv beschnitten.» Kein Problem für einen Starschwätzer, darum herumzurudern: «Das Urteil des Supreme Courts sollte uns vielleicht einfach daran erinnern, dass das, was wir heute in Europa und den USA Demokratie nennen, eine recht limitierte Form der Demokratie ist. Eine Demokratie, die wir verbessern müssen.»

Nun sind aber natürlich Lösungen gefragt, beispielsweise zum Thema Klimaerwärmung. Kein Problem, meint Piketty, et voilà: «Der einzige Weg ist eine Art von progressiver CO2-Steuer.» Lenz mopst etwas auf: wie solle der Staat denn wissen, wieviel CO2 der einzelne Bürger ausstosse? Kein Problem, meint Piketty: «Wissen Sie, technische Probleme können mit etwas gutem Willen immer gelöst werden.»

Also mehr Überwachung, runzelt Lenz die Stirne, und lässt sich wieder widerspruchslos einseifen: «Wir nutzen ja heute alle schon Bankkonten und Kreditkarten. Private Finanzinstitute wissen also längst, was wir konsumieren. Jede und jeder von uns hat also ein Vertrauen in dieses System aufgebaut, und wir glauben, dass wir den Banken und Kreditkartenfirmen unsere persönlichsten Daten anvertrauen können, ohne dass sie diese missbrauchen

Das glauben höchstens ein paar Naivlinge, genau wegen solchen Befürchtungen sind satte Mehrheiten in Europa – und in der Schweiz – gegen die völlige Abschaffung des Bargelds, das einen Schutz vor der völligen Kontrolle durch den Staat bietet. Und genau aus diesem Grund haben Blockchain-Währungen anhaltenden Zuspruch.

Piketty fordert in seinem neusten Werk auch die Auszahlung von 120’000 Euro an jeden Bürger, ein Geschenk zum 25. Geburtstag. Das bedingungslose Grundeinkommen sei in der Schweiz aber gerade abgelehnt worden, souffliert Lenz das nächste Stichwort: «Natürlich wollen die Reichen nicht teilen. Aber wenn wir die Frage so stellen, haben wir den falschen Fokus

Lenz bettelt um Aufklärung.

«Wir müssen in grösseren Massstäben denken. In globalen Massstäben.»

Das ist immer gut, global ist einfach für alles die Lösung.  Piketty weiss, dass er hier nun ein Titel-Quote liefern muss: «Und in globalen Massstäben betrachtet ist die Schweiz einfach ein Club von reichen Leuten.» Welcome to the Club. Aber auch die Schweiz könne nicht einfach weitermachen wie bisher: «Wir haben das schon gesehen beim Bankgeheimnis. Wenn plötzlich ein mächtiger Staat, zum Beispiel die USA, findet, es reicht, dann muss die Schweiz spuren

So kann man das auch beschreiben. Dass sich nämlich die USA einfach ein grösseres Stück von der Verwaltung von Vermögen abschneiden wollten, ob Schwarzgeld, krimineller Herkunft oder steuerehrlich: völlig egal. In den USA stehen bekanntlich die grössten Geldwaschmaschinen der Welt und die ausgedehntesten Steueroasen für Hinterzieher. Aber solche Zusammenhänge sind dem «Starökonom» wohl zu kompliziert – und Lenz nicht geläufig.

Da bietet ein eloquenter Schwätzer jede Menge Angriffsflächen und die einmalige Chance für einen Journalisten, statt einer Liebedienerei ein angriffiges, unterhaltsames Interview zu machen. Wo der Leser mit einem Schlagabtausch unterhalten würde, sogar angenehm belehrt. Stattdessen fährt Piketty fort, unter Ausblendung nicht passender Tatsachen knackige Thesen abzusondern.

Hand aufs Herz: erinnert sich noch jemand daran, was seine These im «Kapital im 21. Jahrhundert» war? Und wer schon die Hand dort hat: wer hat’s wirklich gelesen? Also. Aber von einem Journalisten, der doch tatsächlich Geld für seine Tätigkeit verlangt, könnte man zumindest erwarten, dass er im Gespräch gelegentlich aufblitzen lässt, dass man ihm nicht jeden Bären auf die Nase binden kann. Nun ja, bei Tamedia ist das allerdings eine überzogene Erwartungshaltung.