Schlagwortarchiv für: Kelleher

Der Monstertöter vom Dienst

Die angeblich neoliberale NZZ wird richtig böse.

Zuerst traut man seinen Augen nicht. Unter dem Titel «Wie man Monster zähmt: Die Politik ist gegenüber der UBS nicht machtlos», haut Eric Gujer richtig drauf:

«Banker sind gierig, siehe Bonus-Exzesse. Banker sind inkompetent, siehe das Debakel der Credit Suisse. Banker sind unbelehrbar, siehe Urs Rohner.»

Aber hallo, doch die Relativierung kommt sogleich: «Für jedes Klischee findet sich im Handumdrehen ein tatsächliches oder vermeintliches Beispiel. Keine Branche ist so sehr zur Projektionsfläche geworden für alle negativen Emotionen, zu denen Menschen fähig sind, wie die Banker und die Banken

Dann aber die Relativierung der Relativierung: «Sie sind selbst schuld dran

Nach diesem Rundumschlag mit dem Morgenstern kommt nun die UBS dran: «Ist die UBS eine Monster-Bank? Vielleicht. Wird man sie eines Tages wieder retten müssen? Vielleicht. Soll man aus Angst vor dem Tod Selbstmord begehen? Sicher nicht. Oberste Richtschnur für den Umgang mit Monstern aller Art muss der volkswirtschaftliche Gewinn sein, den die Schweiz aus ihnen zieht.»

Das nennt man mal einen ordnungspolitischen Zwischenruf. Monster müssen nicht getötet, aber benutzt werden. Dazu gebe es jede Menge Reformvorschläge, die natürlich von Gujer grösstenteils abgewatscht werden:

«Sie reichen von akademisch richtig, aber unrealistisch (drastische Erhöhung des Eigenkapitals bis zu neunmalklug und auch in ewiger Wiederholung nicht überzeugender (Trennbankensystem). Je kühner die Ideen sind, umso mehr gilt für sie die Chirurgenweisheit: Operation gelungen, Patient tot.»

Nun ist abwatschen einfacher als argumentieren. Was am richtigen und durchaus realisierbaren Vorschlag, die Schweizer Banken endlich mit genügend Eigenkapital auszustatten, was ihnen weltweit eine unvergleichliche USP verschaffen würde, unrealistisch sein soll? Und war nicht die neunmalkluge Aufhebung  des Trennbankensystems der Anfang der Finanzkrise eins?

Nach einem starken Antritt und einem starken ersten Teil geht nun aber Gujer lesbar die Luft aus:

«Niemand sieht gerne den Zusatz «Staats-» an sich kleben. Die Swisscom will kein Staatskonzern sein, die SRG kein Staatsfunk und die UBS keine Staatsbank. Dennoch trifft es auf alle drei Unternehmen zu. Die Politik steht daher vor einem Paradox. Einerseits ist sie der UBS ausgeliefert. Anderseits muss sie in Krisen entschlossener eingreifen als bisher. Denn alles, was Staatsunternehmen anrichten, fällt am Schluss auf die Politik zurück

Hier wird’s dann zu einem ordnungspolitischen Gequengel. Also was tun?

«Das politische System der Schweiz belohnt Zaudern, nicht resolutes Handeln. Entsprechend wird das Führungspersonal rekrutiert. Dennoch müssen Regierung und Regulatoren kein zahnloser Abnickverein sein.
Auch jenseits des Vorschriften-Dschungels zur Bankenregulierung verfügt der Bundesrat über ein unschätzbares Machtinstrument: die Öffentlichkeit

Nun schüttelt es alle Vertreter des FDP-Slogans «Weniger Staat, mehr Freiheit» kräftig durch: «Der Staat ist nicht nur der letzte Geldgeber, sondern auch die ultimative Quelle von Vertrauen und Legitimität. Firmen gehen unter, Staaten in der Regel nicht. Diese Art von Vertrauen kann sich keine Bank kaufen, es wird ihr vom Gemeinwesen geliehen.»

Am Schluss muss es natürlich wieder furios werden, und wir merken uns, was die UBS für Gujer ist: «Die Regierung besitzt erhebliche Macht, und sie sollte bereit sein, sie im richtigen Moment konsequent einzusetzen. Damit bringt man Monster nicht zum Verschwinden, aber man zähmt sie.»

Die UBS ist ein Monster, das man leider nicht killen kann, aber zähmen muss. Das werden Ermotti und Kelleher gar nicht gerne hören, denen Gujer sogar Triumphalismus vorwirft, warnt: «Dennoch pflegen Starallüren in der Schweiz nach hinten loszugehen. Im schlimmsten Fall siegen dann die Emotionen über das Nutzenkalkül.»

Und da behauptet doch die WoZ, die  NZZ vertrete die reine Lehre des Neoliberalismus. Was für ein Schwachsinn.

Von Riesen und Zwergen

Die UBS ist gross, der Rest der Schweiz klein.

Es ist immer wieder erfrischend, die Realität in aller Brutalität vorgeführt zu bekommen. Vor allem, wenn es um reine Machtfragen geht.

Die Schweiz ist zweifellos eine Demokratie, sogar eine direkte, die dem Stimmbürger reichlich Gelegenheit gibt, über ihn betreffende Belange mitzureden. Die Wahlen ins Parlament finden pannenfrei und korrekt statt, die Anzahl der Skandale von Politikern ist – sogar im mitteleuropäischen Vergleich – sehr überschaubar.

Hier braucht auch keine Regierung Millionenausgaben für Visagisten und Fotografen, hier fliesst nicht einmal Geld, wenn Regierende gerne positive Berichterstattung möchten. Das Ausnützen von Eitelkeiten reicht dafür.

Der Bau einer Turnhalle, einer Umfahrungsstrasse, der Steuerfuss, Tempo 30, gendergerechte Sprache, über (fast) alles kann abgestimmt und mitbestimmt werden. Das ist schön.

Manchmal geht es aber um die grossen Dinge, um reine Machtfragen. Wer hat das Sagen, das letzte Wort, wenn es um wirklich bedeutende Entscheidungen geht? Das Stimmvolk, seine Vertretung das Parlament, der Bundesrat, Behörden und Ämter und Institutionen wie die Nationalbank oder die Finanzmarktaufsicht FINMA?

Spätestens seit dem 19. März ist (wieder einmal) klar: wenn es hart auf hart kommt, haben all diese Gremien nichts zu sagen. Sind Statisten in einem Spiel, das von anderen gespielt wird. Es hatte etwas rührend Klägliches, wie ein sachfremder Bundespräsident mit ernster Miene vom Blatt las, was man ihm aufgeschrieben hatte. Es hatte etwas berührend Ärmliches, als eine fachunkundige Finanzministerin vom Blatt las, was sie nicht im Ansatz verstand.

Am Tisch sassen noch ein überforderter Präsident der Nationalbank, der seit der fatalen Einführung der Untergrenze zum Euro eine Schneise der Zerstörung hinterlässt. Und irgend jemand von der FINMA, an die sich sowieso niemand mehr erinnert. Dazu Plisch und Plum von der Credit Suisse, die keinerlei Schuldbewusstsein zeigen wollten dafür, dass sie die traditionelle, grosse den Namen der Schweiz im Titel führende Bank gegen die Wand gefahren hatten.

Und dann sass da noch ein kantiger Ire, der sich das Gequatsche simultanübersetzen liess, obwohl es ihn eigentlich nicht sonderlich interessierte. Denn Colm Kelleher wusste: der Einzige, der hier das Sagen hat, bin ich.

Der VR-Präsident der UBS wusste schon lange, dass die Credit Suisse in ernsthaften Schwierigkeiten steckt. Er wusste schon lange, dass die sinnvollste Abhilfe eine zeitweise Verstaatlichung, die Stützung mit unbegrenzter Liquidität durch die SNB, eine Auswechslung des unfähigen Managements und der anschliessende Börsengang wäre.

Das wäre sinnvoll, zum Vorteil der CS, des Schweizer Staates, des Steuerzahlers, des Finanzplatzes. Aber nicht zum Vorteil der UBS. Und Kelleher geht es einzig um den Vorteil der UBS. Daran ist auch nichts auszusetzen, das ist seine Aufgabe, dafür wird er bezahlt.

Wie es ihm dann allerdings gelang, die Bundeszwerge, die überforderte Regierung, die nichtsnutzige FINMA über den Tisch zu ziehen, das ist schon bedenklich. Wie er mit steinerner Miene am Tisch sass und zuhörte, wie die Marionetten brav ihre Texte aufsagten, es ist bewundernswert, wie er seine Gesichtszüge im Griff hatte und nicht gelegentlich ein breites Lächeln aufsetzte.

250 Milliarden Liquidität, im Notfall sicher noch mehr, 9 Milliarden Risikoübernahme, ein lächerlicher Kaufpreis von 3 Milliarden, keine Arbeitsplatzgarantie, keine Standortgarantie, keine Garnichts, Kelleher hätte sich am Anfang der Verhandlungen sicher nicht träumen, lassen, dass er mit allen seinen unverschämten Forderungen glatt durchkommt.

Und die Vierte Gewalt, die Medien? Von ein, zwei Ausnahmen abgesehen ein begleitendes Trauerspiel. Inkompetentes Gequatsche von überforderten Journalisten, die bei einer Bilanz nicht mal wissen, wo links und rechts ist.

Und als Sahnehäubchen eine Sondersession des Parlaments wie in Nordkorea. Mit dem einzigen Unterschied, dass dort immer einstimmig der Regierung zugestimmt wird. Das Schweizer Parlament wagte es dagegen, wofür es von den Medien streng gerügt wurde, seine Zustimmung zu verweigern. Nur: spielt überhaupt keine Rolle. Ist völlig egal. Das Parlament hätte auch fordern können, dass die CS die UBS übernimmt. Reine Folklore.

Der einzig ernsthafte Vorschlag, das «too big to fail»-Problem dadurch zu lösen, dass es keine solchen übergrossen Dinosaurierbanken mehr gibt, wurde von den grössten Versagern in der Debatte, der SP, versenkt.

Kelleher wird es sich sicher nicht angetan haben, dieses Kasperltheater anzuschauen und sich übersetzen zu lassen. Aber als man ihm auf Englisch eine Kurzzusammenfassung lieferte, hat er sicherlich herzlich gelacht und sich einen doppelten Teeling Single Grain oder vielleicht einen Bushmills eingeschenkt. Verdient hat er’s.

Der schrecklich mächtige Ermotti

Die CS sank dahin, die GV ging mit Gezeter über die Bühne. Wichtig ist anderes.

Wird der Schweizer Bundesrat noch lernen, was Contingent Convertible Bonds sind, abgekürzt CoCos? Wird VRP Lehmann dann mal wieder ohne Bodyguards rumlaufen? Traut sich Urs Rohner noch in die Öffentlichkeit (aber ja)? Werden die Klagen gegen das Rasieren von Aktionären und Investoren auf staatlichen Geheiss Erfolg haben?

Mit solchen und ähnlichen Fragen befassen sich die Schweizer Medien. Dabei senden und schreiben sie am Riesenelefanten im Raum vorbei. Niemand spricht in aller Klarheit aus: nun ist die UBS nicht mehr «too big to fail». Seit dem 19. März ist sie mehr als eine Monsterbank. Sie ist eine tödliche Bedrohung für die Schweiz.

Denn wenn dieser Riesendinosaurier umfällt, dann bröckelt das Matterhorn. Dann bricht die Schweiz zusammen. Dagegen wäre ein Bankrott der Credit Suisse zwar nicht Peanuts gewesen. Aber abwickelbar.

Die UBS/CS hat ein Bilanzvolumen von rund 1,6 Billionen Franken; das Doppelte des Schweizer BIP. Trotz 259 Milliarden Staatshilfe ist es überhaupt nicht gesagt, dass sie die Transplantation der CS verträgt und verdaut. Es wird nicht nur gegen staatliche Eingriffe geklagt. Die USA stehen bereits in den Startlöchern, angeblich in der Schweiz versteckte Russenmilliarden zu kriminalisieren.

Das wird teuer werden. Aber noch perverser: der gesamte Bankensektor der Schweiz trägt lediglich aufgerundet 5 Prozent zum BIP bei. Aber alleine die UBS bedeutet 100 Prozent Risiko, sollte sie straucheln.

Ihr Mastermind ist der Ire Colm Kelleher. Ihm ist die Schweiz ziemlich egal; er spricht die Sprache nicht, für ihn ist Swiss Banking höchstens ein Asset, mit dem man zusätzlich Geld verdienen kann. Wie knallhart er ist, haben die Bundeszwerge, die SNB und die FINMA bei den Verhandlungen schmerzlich erfahren.

Sozusagen vor dem roten Knopf sitzt allerdings Sergio Ermotti. Im besten (und unwahrscheinlichen) Fall produziert er keine Skandale und Flops. Dann können die Eidgenossen diesem Riesendinosaurier von unten zuschauen, wie er die Schweiz turmhoch überragt. Im schlechtesten Fall drückt Ermotti auf den roten Knopf, natürlich unabsichtlich.

Wenn’s dann die UBS in die Luft jagt, hinterlässt das einen Krater in der Schweizer Wirtschaftslandschaft, der alles zunichte macht, was seit dem Zweiten Weltkrieg aufgebaut wurde.

Ermotti ist schrecklich mächtig. Kelleher ist schrecklich mächtig. Ihr Bankdinosaurier ist so wichtig geworden, dass eigentlich jede Bundesratssitzung mit der bangen Frage beginnen müsste: Wie geht’s denn unserer UBS heute? Hoffentlich alles wohl?

Dieser Zustand war nicht alternativlos. Es hätte andere Möglichkeiten gegeben. Ob die besser gewesen wären, werden wir nie erfahren. Aber es steht zu vermuten: alles wäre besser als ein schrecklich mächtiger Ermotti. Als ein schrecklich mächtiger Kelleher. Als ein schrecklich gigantischer UBS-Dinosaurier.