Wir fordern, dass weniger gefordert wird
Umso bedeutungsloser die Medien werden, desto lauter krähen sie Forderungen heraus.
Die Taliban haben in Afghanistan die Macht ergriffen, der letzte US-Soldat ist in den letzten Flieger gestiegen, der den Flughafen von Kabul Richtung Rettung verliess. Das lässt der «Tages-Anzeiger» von München aus beobachten, weil man dort die grossen Fernrohre Richtung Kabul stehen hat.
Nun gibt es aber noch eine – eigentlich überflüssige – Auslandredaktion von Tamedia. Wenn’s der langweilig wird, die ß aus den Artikeln der «Süddeutschen Zeitung» zu entfernen und «parken» durch «parkieren» zu ersetzen, «grillen» durch «grillieren», dann schreibt man einen Kommentar.
Nicht man, der Auslandchef Christof Münger höchstpersönlich. Zunächst äussert er einen menschenfreundlichen Wunsch:
«Es wäre nichts dagegen einzuwenden, wenn sich IS-Terroristen und die Taliban in einem abgelegenen Tal Afghanistans gegenseitig in die Luft sprengen.»
Aber, da ist Münger welterfahrener Realist: «Nur wird es nicht so laufen.» Schade auch, aber wie soll man dann mit dieser «islamistischen Brut» umgehen? Einfach ignorieren? Aber nein, meint Weltpolitiker Münger, denn «bereits erheben sich Stimmen, unter anderem der britische Premier Boris Johnson, die fordern, mit Verbrechern wie den Taliban zu verhandeln».
Sprengkommando aus dem Hause Tamedia.
Das geht gar nicht, donnert Münger von seinem Kommandopult an der Werdstrasse oder vielleicht aus dem Homeoffice: «Die Taliban sind und bleiben eine Terrororganisation. Mit ihnen zu verhandeln, ist keine Option, ausser es geht um humanitäre Hilfe für die leidgeprüfte Bevölkerung.»
Verhandlungen sind für den Arsch, meint Münger
Verhandeln ist nicht, meint Münger fundamentalistisch, er hat auch eine putzige Begründung dafür: «Wohin das führen kann, hat das Abkommen von Doha gezeigt, das die US-Regierung an der afghanischen Regierung vorbei mit den Taliban erzielt hat. Donald Trumps Deal hat es den selbst ernannten Gotteskriegern erst ermöglicht, Afghanistan handstreichartig zu erobern.»
Wenn ein Volonteur als Fingerübung so einen hanebüchenen Unsinn absondern würde, würde man ihn darauf aufmerksam machen, dass selbst in einem Kommentar die Vergewaltigung der Wirklichkeit ihre Grenzen hat. Weder der korrupten und weitgehend machtlosen afghanischen Marionettenregierung, noch der Militärmacht NATO war es in 20 Jahren gelungen, eine Art Zivilgesellschaft gegen die Stammeskrieger zu errichten.
Mangels funktionsfähiger Alternative war es nur konsequent, nach Zehntausenden von Toten die Besatzung zu beenden.
Schlimmer noch ist, dass Münger kategorisch jede Verhandlung mit den Herrschern des Landes ablehnt. Gilt das auch für Burma? Für alle gescheiterten Staaten in Afrika? Für Venezuela? Für Saudi-Arabien? Für den Iran? Dort herrschen doch auch entweder Terrororganisationen oder Regimes, die Terrororganisationen unterstützen.
Wenn Münger verhandeln würde …
Was heisst da «ausser es geht um humanitäre Hilfe»? Wie würde das Münger machen, sässe er nicht hinter einem Bildschirm, sondern vor den Taliban?
«Hört mal, ihr islamistische Brut, ich will jetzt über humanitäre Hilfe verhandeln. Könntet ihr euch währenddessen in einem abgelegenen Tal gegenseitig in die Luft sprengen? Danke.»
Aber die Welt kann aufatmen: die Meinung Müngers interessiert wirklich nicht. Ausser den armen Abonnenten eines Produkts von Tamedia, die sogar noch für diesen Stuss etwas bezahlen müssen.
Was Münger recht ist, kann Cavelty nicht unrecht sein
Nur schon aus Gründen der Ausgewogenheit fügen wir ein Beispiel aus dem Hause Ringier hinzu. Dort will man ja den Lead bei der Bekämpfung von sogenannten Impfgegnern nicht aus der Hand geben. Dafür ist die indirekte Bewirtschaftung des Themas geeignet:
So sieht ausgewogene Berichterstattung aus.
Aber auch vor direkten Forderungen, Ratschlägen und Urteilen schreckt man nicht zurück. Der Chefredaktor des «SonntagsBlick» muss sowieso eine Scharte auswetzen, die er sich mit dem Versuch der Berichterstattung über den ehemaligen VR-Präsidenten von Raiffeisen eingehandelt hatte.
Der donnerte doch in einem Editorial:
«Die Impfgegner machen mit dem Virus gemeinsame Sache».
So interpretiert Gieri Cavelty kühn die Aussagen eines Immunforschers: «Die Impfgegner identifizieren sich nicht bloss sprachlich mit dem Virus, sie machen gemeinsame Sache mit ihm und sichern seinen Fortbestand.»
Unangenehme Unwahrheiten: Editorial von Cavelty.
Impfen als Allheilmittel? Das durchgeimpfte Israel wandelt sich vom Musterknaben zum neuen Brutherd der Pandemie. Wirksamkeit der Impfung? Fehlen eines Impfzwangs? Was kränkeln Cavelty solche Probleme an, für die zusätzlich beschlossenen Staatssubventionen macht er doch gerne das Sprachrohr der Landesregierung.
Wer hört schon noch auf Journalisten?
Aber auch er trompetet so kräftig, weil er eigentlich weiss: die Meinungsmacht «Blick» ist längst ins Grab gesunken, auch ohne Virus. Die Zeiten, als nicht nur in Bern ängstlich darauf geschaut wurde, ob der «Blick» eine Kampagne für oder gegen etwas führt, sind längst vorbei.
Zu beobachten ist eine allgemeine Verzwergung der Medienhäuser. Den Zusammenschluss von ein paar Mücken jubeln sie zu einem «Digital-Riesen» hoch. Dabei spüren das die wirklichen Riesen nicht einmal. Mangels Möglichkeiten zur Recherche oder fundierter Analyse werden weiterhin ungeniert Forderungen aufgestellt, Behauptungen, unqualifizierte Meinungen geäussert.
Fröstelnd in der Abenddämmerung ihres Bedeutungsverlusts wollen sie sich wie in alten Zeiten an den Flammen der feurigen Meinungsäusserung wärmen. Es den Taliban, dem Virus, den Impfgegnern mal so richtig zeigen. Dabei braucht man schon die Ohren eines Elefanten, um das Gesumme dieser Fliegengewichte überhaupt noch zu hören.