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Wumms: Wolfgang Koydl

Schreibt er über Weidel/Musk oder sich selbst?

Zeichen und Wunder: Wolfgang Koydl lässt von seinen Lobeshymnen über ein stabiles Genie ab und kritisiert in der «Weltwoche» den Auftritt von Alice Weidel im trauten Zwiegespräch mit Elon Musk. «Grosse Bühne, wenig Substanz», ist sein vernichtendes Fazit. Er analysiert treffend: «Da redeten zwei Leute, von denen der eine sich lieber selber reden hörte und die andere zuweilen Probleme hatte, klar auszudrücken, was sie sagen wollte

Das ist alles gut und schön und trägt unserem Prügelknaben zur Abwechslung ein dickes Lob ein. Wenn er es nur dabei belassen hätte, seufz. Aber nein, er muss noch «ein Beispiel» hinterherschicken – und landet schon wieder im Sumpf.

«Mit ein bisschen Vorbereitung wären Weidels Hitler-Bemerkungen nicht so katastrophal daneben gegangen. «Hitler was a Communist guy»? Echt jetzt? Erstens war er kein Kommunist sondern ein Sozialist, was durchaus ein Unterschied ist, und zweitens nun wirklich kein «Kerl» oder «Kumpel», was guy auf Deutsch bedeutet.»

«guy» bedeutet auf Deutsch ebenso Typ oder Bursche, nebenbei.

Es gibt zwei revisionistische, geschichtsfälschende Standards in der Beurteilung des Hitler-Faschismus. Der eine ist, dass der grösste Verbrecher des 20. Jahrhunderts nicht die Sowjetunion überfallen habe, sondern nur einen Präventivschlag führte. Kommt immer wieder auf, muss immer wieder als Nonsens widerlegt werden.

Hitler oder seine Partei seien eigentlich Sozialisten gewesen, ist der zweite, Stalin sei auch Nationalsozialist gewesen; der schlagende Beweis: «Allein der Name seiner Partei hätte als stichhaltiges Argument ausgereicht: Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei.»

What a bullshit, würde selbst Trump sagen. Das letzte Argument ist  so bescheuert wie wenn man sagen würde, alleine der Name grüne Partei ist Beleg genug, dass ihre Exponenten grüne Politik betreiben – und nicht umweltzerstörende Kriegshetzer sein könnten, die alle Prinzipen der Gründer der Partei verraten haben.

Hitler hatte mit ein paar Getreuen die Deutsche Arbeiterpartei (DAP) 1920 in NSDAP umbenannt. Ihr Parteiprogramm hatte nicht das Geringste mit Sozialismus oder gar Kommunismus zu tun, sondern wollte die Aufhebung des Versailler Vertrags, den «Entzug der deutschen Staatsbürgerschaft von Juden» und die «Stärkung der Volksgemeinschaft». Also klare faschistische Forderungen. Kann jeder, der lesen kann, sogar in der Wikipedia nachschlagen, Stichwort «25-Punkte-Programm». Hitler als geschickter Demagoge hatte einfach alle Schlagwörter im Namen zusammengepappt, von denen er sich Wirkung beim Wähler versprach.

Klarer noch, Georg Strasser, der ansatzweise sozialistisches oder linkes Gedankengut in der NSDAP vertrat, wurde 1934 ermordet, weil das weder Hitler noch Goebbels in den Kram passte. Aber was soll man Banausen die Geschichte erklären.

Genauso wenig war Stalin «Nationalsozialist», sondern proklamierte nach dem offensichtlichen Scheitern der Weltrevolution den Aufbau des Sozialismus in einem Land.

Es entbehrt nicht der Ironie, dass sich Koydl einerseits darüber mokiert, dass Weidel sich nicht klar ausdrücken könne. Andererseits hat er selbst dieses Problem nicht, sondern drückt sich klar falsch und verquer aus.

So ein Frechdachs

Eric Gujer schreibt das Unaussprechliche.

Der NZZ-Chefredaktor hat Mut. Andere reden von Brandmauern, ein CH-Media-Korrespondent erklärt sich umständlich, wieso er die AfD als «rechtsradikal» bezeichne, auch wenn das seinen Lesern nicht passt.

Da man Björn Höcke laut Gerichtsurteil als Faschisten beschimpfen darf, «plagt die Deutschen wieder ein Albtraum: Der Faschismus steht vor der Tür. In Thüringen liegt Björn Höcke fast zehn Prozentpunkte vor der zweitplatzierten CDU».

Der öffentlich-rechtliche Staatsfunk in der BRD kriegt sich fast nicht mehr ein: «Die ZDF-Chefredaktorin Bettina Schausten verglich den Wahlsieg Höckes mit Hitlers Überfall auf Polen.» Auf diesen groben Klotz setzt Gujer einen groben Keil: «Der mit einer Zwangsabgabe finanzierte und daher zur Ausgewogenheit verpflichtete Sender begibt sich auf das Niveau von Fake News und Geschichtsfälschung

Dann lässt er etwas Geschichtskenntnisse über den Leser regnen, wieso Vergleiche mit der Weimarer Republik so abseitig sind wie Versuche, aus Höcke einen Wiedergänger Hitlers zu machen. Der Mann ist ein Brandstifter und zeuselt gerne mit angebräunten Begrifflichkeiten, aber ein Faschist im Sinne Hitlers ist er sicher nicht.

Daher konstatiert Gujer kühl: «Ministerpräsident Höcke, na und? Eine Demokratie, die es nicht aushält, wenn auch einmal zweifelhafte Gesellen die Regierung bilden, ist keine.»

Dann analysiert Gujer mit echtem Weitblick weiter, wo andere in Gewäffel und Warnrufen verharren. Denn das Problem in Deutschland wie in den USA ist: wenn mehr als 30 Prozent – oder wie in den USA fast 50 Prozent – den «falschen» Kandidaten wählen, wie wird der Mainstream-Journalismus damit fertig? Er knödelt einige Sätze über das Recht auf freie Wahl, um dann aber mehr oder minder gewunden durchblicken zu lassen, dass Staatsbürger, die Höcke oder Trump wählen, damit eigentlich ihr Wahlrecht verwirkt haben. Zu blöd, zu einfältig, falsch gewählt, rauswinken, wegstellen, im Staatskundeunterricht nachsitzen.

«Die Vorstellung, ein Höcke könne wie Hitler die Republik zu Fall bringen, ist so absurd, dass man an der Zurechnungsfähigkeit der kommentierenden Klasse zweifelt. Wenn die kollektive Hysterie wütet, muss man sich verweigern. Auch das ist Zivilcourage. Nichts wäre entlarvender als eine von Sahra Wagenknecht geduldete Minderheitsregierung der AfD in Thüringen. Den Phrasen würde die Luft herausgelassen. Schnell erwiese sich Höckes Widerstandsgestus als Popanz. Oder fürchtet man, dass er ganz passabel und vor allem: populär regieren könnte? Dann wäre nicht der Populist das Problem, sondern die etablierten Parteien und ihre Unfähigkeit, den Zeitgeist in attraktive Politik zu verwandeln.»

Geradezu putzig wird es, wenn Gujer dem marxistischen Historiker Eric Hobsbawm die Referenz erweist, der bekanntlich das 20. Jahrhundert das «Zeitalter der Extreme» nannte. Um Hobsbawm gleich anschliessend indirekt eine überzubraten, indem Gujer sich einen Ausrutscher leistet: «Lenin wie Hitler gelang ihre Revolution nicht nur wegen ihrer Ruchlosigkeit, sondern auch weil ihre Botschaften die Massen überzeugten.»

Der ewig untaugliche Vergleich, der durch seine Wiederholung weder besser, noch richtiger wird.

Aber dann wird es wieder glasklar bei Gujer: «Die Populisten von heute wollen die herrschende Ordnung nicht stürzen, weil sie diese brauchen. Nur so können sie gegen das «System» und die «Systemparteien» polemisieren. Viktor Orbans Protest geht gerade so weit, dass er Brüssel zwar ärgert, aber die ungarischen Pfründen nicht gefährdet. Dem Gulasch-Illiberalismus fehlt die kriminelle Energie, die es für eine Revolution braucht. Er hat ein parasitäres Verhältnis zur EU, kein revolutionäres

Schlussfolgerung: Das 21. Jahrhundert beherbergt (noch) keine Extreme, sondern: «Heute dominiert rationaler Opportunismus, wie ihn Giorgia Meloni und Marine Le Pen vertreten.»

Gujer empfiehlt, dass die AfD mit dem BSW eine Koalition bilden sollte, in der sich beide entzaubern könnten. Aber dafür sei Sahra Wagenknecht halt zu schlau, diagnostiziert er.

Dann fällt er mit voller Wucht über die CDU her: «Stattdessen führt man in Thüringen ein erbärmliches Schauspiel auf. Die CDU ist so versessen auf die Macht, dass sie alles zusammenkratzen wird, um eine Regierung zu bilden. Zwar haben sich die Christlichdemokraten geschworen, nie mit den Erben der kommunistischen Diktatur gemeinsame Sache zu machen. Doch ist das einerlei, seit der Parteichef Friedrich Merz Wagenknecht zur möglichen Koalitionspartnerin in den Ländern geadelt hat. Ausgerechnet Wagenknecht.»

Der Todesstoss, elegant gesetzt: «Ein Unvereinbarkeitsbeschluss in Bezug auf die Linkspartei, aber ein Bündnisangebot an das BSW: Die CDU verläuft sich im Unterholz der ostdeutschen Politik. … Warum die CDU mit der Altstalinistin Wagenknecht zusammengehen kann, aber gegenüber der AfD eine Brandmauer errichtet, ist schwer verständlich.»

Man kann nun politisch nicht das Heu auf der gleichen Bühne wie Gujer haben. Aber es ist unbestreitbar, dass gegenüber seinen Kommentaren und anderen Blicken die Kommentare und Analysen der übrigen Journaille in der Schweiz verzwergen, peinlich provinziell, intellektuell mit kleinem Besteck angerichtet wirken. Von sprachlicher Brillanz ganz zu schweigen. Von der Spitze von Tamedia abwärts und aufwärts wirkt deren Geholper so, wie schon Franz Kafka den Schweizer Dialekt nannte: ein mit Blei ausgegossenes Deutsch.

 

«Spiegel» spinnt

Das ist keine Kritik, sondern eine Therapiesitzung.

Auf der Couch liegt eine Redaktion, die durchgedreht ist. Es gibt eine unselige «Spiegel»-Tradition von Trump-Covern, die völlig den Kontakt mit der Realität verloren haben. Es gibt den absurden Ansatz, dass der «Spiegel» es sich zur vornehmsten Aufgabe gemacht hatte, Trump «wegzuschreiben». Und es gibt den Relotius-GAU.

Aus all dem hat die Redaktion nichts gelernt, sondern sie verliert sich immer mehr in einer Welt, die nur noch aus Wille und Wahn besteht.

Anders ist ein solches Titelblatt, kurz vor deutschen Landtagswahlen, nicht zu erklären:

Auf der Gewaltstrecke von 62’886 A versuchen Lothar Gorris und Tobias Rapp in der Titelgeschichte «Die heimlichen Hitler» aufzuspüren. Sie nennen ihre Teufelsaustreibung überheblich «Über den Versuch, das Böse zu erkennen».

Damit kein Zweifel bleibt, in welcher Tradition das heutige Böse steht, beginnt der ellenlange Artikel mit einem ganzseitigen Schwarzweissfoto, das Adolf Hitler 1937 in Berlin zeigt:

Das ist der vollendete Faschismus, jetzt aber zu seinen Neuanfängen, symbolisiert in Donald Trump, Marine Le Pen und natürlich Björn Höcke. Die allesamt auch mal so dastehen wollen, wenn man sie nicht rechtzeitig daran hindert.

Die unendliche Titelgeschichte beginnt mit der Beschreibung des Brettspiels «Secret Hitler». Es gehe darin darum, «Adolf Hitler zu enttarnen und zu töten, bevor er Reichskanzler werden kann». Aufgepasst: «»Secret Hitler« kam 2016 auf den Markt, kurz bevor Donald Trump zum US-Präsi­denten gewählt wurde

Also gerade noch rechtzeitig, oder zu spät, wenn es nach den beiden Therapiebedürftigen ginge. Sie sehen, ahnen, wittern Faschismus fast überall auf der Welt. Sollen nun – dank ihnen – die neuen Hitlers auch aufgespürt und getötet werden, aber natürlich nur im Spiel? In bestem Whataboutism-Stil rühren sie zusammen, was nicht zusammengehört:

«Der Rückfall in den Faschismus ist die Urangst der modernen demokratischen Gesellschaften. Doch was lange etwas hysterisch klang und unvorstellbar, erscheint inzwischen ernst und real. Wladimir Putins imperiale Ambitionen. Narendra Modis nationalistische Hindu-Regierung in Indien. Der Wahlsieg Giorgia Melonis in Italien. Marine Le Pens Normalisierungsstrategie in Frankreich. Javier Mileis Sieg in Argentinien. Viktor Orbáns autokratische Dominanz in Ungarn. Die Comebacks der FPÖ in Österreich oder von Geert Wilders in den Niederlanden. Die AfD in Ostdeutschland. Nayib Bukeles autokra­tische Herrschaft in El Salvador, eher unbeachtet, aber erstaunlich zielstrebig, wo das Parlament mit Waffengewalt zu Entscheidungen gezwungen wird. Die drohende Wiederwahl Trumps und die Angst davor, dass er in einer zweiten Amtszeit wirklich ernst machen könnte. Die Überfälle britischer Mobs auf ­Migranten-Unterkünfte. Der Neonazi-Aufmarsch in Bautzen. Die Pandemie. Der Krieg in der Ukraine. Die Inflation.»

Immerhin versuchen die beiden Faschismus-Warner sich an einer Definition des Begriffs. Denn eigentlich ist «Faschist» schon längst zu einem beliebigen Schimpfwort denaturiert, mit dem Linke alles belegen, was ihnen nicht passt. Also zitieren sie einen US-Autor, der ihnen in den Kram passt: «Moderner Faschismus sei, schreibt Stanley, ein Führerkult, der einer gedemütigten Nation die Wiedergeburt verspricht

Damit ist der Begriff, mit Verlaub, entkernt, ins Beliebige entlassen, wird anwendbar auf jede autoritäre Gestalt, auf jeden Potentaten oder Möchtegern-Demagogen. Die zehn Punkte, die Stanley dann aufzählt, treffen von Hitler bis Putin, von Trump bis Sarkozy, von ReaganMake America Great again») bis Orbán auf alle und alles zu, was einem verängstigten Gutmenschen als Gottseibeiuns vorkommt.

Damit wird der Hitler-Faschismus, und dafür sollte dieses Wort reserviert bleiben, verniedlicht und verharmlost, werden seine Opfer verhöhnt. Ohne dass damit neue Erkenntnisse gewonnen wären. Ausser: all diese politischen Führer mögen wir Gutmenschen überhaupt nicht. Ausser Reagan, aber den haben sie vergessen.

Und Führer, die sie nicht mögen, sind Faschisten. Das sagen nicht nur die Autoren: «Timothy Snyder spricht bedächtig und leise, aber mit großer Gewissheit. Putin ist ein Faschist. Trump ist ein Faschist. Der Unterschied: Der eine ist an der Macht. Der andere nicht. Noch nicht.» Das ist natürlich eine Analyse von überlegener Denkkraft, denn sie wird von einem «der wichtigsten Intellektuellen Amerikas» ausgesprochen. Ob das Amerika weiss?

Wie klein der Denker ist, zeigt seine verpeilte Analyse der Entstehungsgeschichte des deutschen Faschismus im letzten Jahrhundert: «Die Marxisten der Zwanziger- und Dreißigerjahre, so Snyder, glaubten, der Faschismus sei nur eine Variante des Kapitalismus. Die Oli­garchen, wie wir sie heute nennen würden, hätten den Aufstieg Hitlers überhaupt erst ermöglicht. Aber das stimme nicht.»

Vielleicht sollte der Denker mal «Der Faschismus» von Reinhard Kühnl lesen, so als Einstiegslektüre in ein Thema, von dem er sehr wenig versteht. Aber natürlich brauchen moderne Faschisten wie Trump auch Helfershelfer, sozusagen die modernen Krupps und Thyssens, und da heisst der grösste Gottseibeiuns Elon Musk: «Er ist die Nummer eins. Niemand hat in den vergangenen ­anderthalb Jahren so viel dafür getan, dass der Faschismus auf dem Vormarsch ist», macht sich der Denker Snyder völlig lächerlich.

Und so weiter und so fort. So mäandern sich die zwei durch ihre Weltreise zu ausgewählten Intellektuellen, die jeweils wie auf der Sprechbühne ihren Auftritt haben und wieder verschwinden.

Aber nach vielen Irrungen und Wirrungen landen die beiden dort, wie sie von Anfang an hinwollten: natürlich in Greiz, Ostdeutschland. Der Wahlkreis von Björn Höcke. Da sind die beiden zunächst hin und her gerissen: «Höckes Auftritte in den Medien haben oft etwas Verspanntes, sein Blick flattert dann panisch und empört. Hier in seinem Wahlkreis strahlt er Souveränität aus. Er ist, das muss man sagen, ein guter Redner, er spricht ohne Manuskript, er scheint sich zu Hause zu fühlen auf der Bühne.»

Blöd aber auch, weil sie ihn am Ende seiner Rede nicht eindeutig des Faschismus überführen können, maulen sie am Schluss: «Man bleibt etwas ratlos zurück.»

Aber, nochmal blöd, selbst die längste Strecke geht mal zu Ende, nun muss noch eine Schlusspointe hergeprügelt werden. Da sie selbst doch ziemlich schwächlich daherkommt, wird sie mit einem hübschen Scherz eingeleitet:

«In Berlin machte Ivan Krastev einen dieser Krastev-­Witze. Ein amerikanischer Richter habe mal gesagt: Er könne Pornografie zwar nicht definieren, »aber ich erkenne sie, wenn ich sie sehe«. Mit dem Faschismus, sagt Krastev, sei es genau umgekehrt: einfach zu definieren, aber schwierig zu erkennen, wenn man ihn sieht.

Das »F-Wort«. F wie in Faschismus oder wie in »Fuck you«. Man darf, das hat ein ­Gericht in Meiningen verfügt, Höcke einen Faschisten nennen. Die Frage bleibt, was man davon hat

Womit der Artikel auf der Primitivst-Ebene endet:

Es bleibt die Frage, was der Leser von diesem Artikel hat. Ausser der Gewissheit, dass der «Spiegel» sich endgültig vom Anspruch verabschiedet hat, die Wirklichkeit zu umgreifen und zu begreifen. Stattdessen gibt er sich dem eschatologischen Wahn hin, in der Welt «das Böse» erkennen zu wollen. Für Bibeltreue ist das ein gehörntes Wesen, schwarz behaart mit Bocksfüssen und einem Schwanz. Für den Zerrspiegel sind das alle Menschen, die die Redaktion nicht mag und denen man das Etikett «Faschist» ankleben kann.

Was man davon hat? Nichts, ausser einem wehmütigen Abschied von einer medialen Institution, die sich selbst mit wiederholten Anläufen mit Schmackes demoliert und zerstört.

NZZ, quo vadis?

ZACKBUM wiederholt sich. Die NZZ leider auch.

Wenn ein Klugschwätzer wie Christoph Koopmann im fernen München via Tamedia UnausgegorenesPutin, der Pate») absondert, dann ist das halt eines der vielen Anzeichen des unaufhaltsamen Niedergangs.

Aber Peter Rásonyi ist immerhin Auslandchef der NZZ. Deren Auslandberichterstattung ist (meistens) ein Leuchtturm in der Tiefebene der deutschen Medienlandschaft. Ausser, wenn sich Rásonyi zu den USA äussert. Oder zum Krieg im Nahen Osten. Oder zum Ukrainekrieg.

Da nimmt auch Rásonyi ein von westlichen Geheimdiensten in die Welt gesetztes Gerücht für bare Münze: «Der russische Geheimdienst hat einen Mordanschlag auf den CEO des grössten deutschen Rüstungskonzerns Rheinmetall geplant.»

Hier erhebt sich langsam die Frage, ob der Sohn von Ungarn-Flüchtlingen unbedingt öffentlich ein Familientrauma abarbeiten muss. Dieses Propagandagetöse westlicher Geheimdienste, die notorisch falsch liegen, müsste dringlich auf seine Substanz abgeklopft werden. Sonst ist es nicht mehr als ähnliche unsinnige Behauptungen der russischen Propaganda. Aber für Rásonyi ist alles Anlass, seine ewig gleiche Schallplatte zu spielen: «Der Fall zeigt, dass der Krieg, den Präsident Putin seit mehr als zwei Jahren gegen die Ukraine führt, sich längst auch gegen den ganzen Westen richtet.» Kleines Problem: es gibt keinen Fall.

Aber wenn die Schallplatte sich mal dreht, dann kommt er nicht aus der Rille: «Derzeit stecken Putins Panzer in der östlichen Ukraine fest, aber niemand weiss, wie weit sie fahren würden, wenn sie könnten. Deshalb liegen all die angeblichen Friedensvermittler in Deutschland und ganz Europa falsch.»

Falscher als falsch liegt natürlich einer, der Rásonyi nahe und fern liegt: «Die Nato verhalte sich mit ihrer Unterstützung der Ukraine zunehmend wie eine kriegerischen Organisation, warnte der ungarische Ministerpräsident Orban diese Woche am Nato-Gipfel in Washington.»

Ganz falsch, donnert Rásonyi, denn er weiss, was richtig wäre: «Der Preis für Russlands Raubzug im Westen muss durch die starke Gegenwehr und die Unterstützung der Ukraine so hoch geschraubt werden, dass Putin künftig weder Mittel noch Anreiz zu solchen Verbrechen hat. Nur dann wird Europa wieder in Ruhe und Sicherheit schlafen können. Und genau das tun die Nato-Staaten, wenn sie die Ukraine unterstützen. Wenn die europäische Geschichte etwas gezeigt hat, dann den kontraproduktiven Effekt von Appeasement gegen brutale Diktatoren

Grosse Imperien unternehmen Raubzüge und wollen ihre Flanken schützen. Niemals würden es die USA akzeptieren, wenn Mexiko russische Militärstützpunkte zulassen würde. Als die Sowjetunion selig Atomraketen auf Kuba stationierte, die nicht näher an den USA waren als US-Atomraketen in der Türkei oder der BRD, endete das beinahe im Dritten Weltkrieg.

Schliesslich der «kontraproduktive Effekt von Appeasement gegen brutale Diktatoren». Der ewige schiefe Vergleich mit der Politik Grossbritanniens gegenüber Hitler vor dem Zweiten Weltkrieg. Wie alle Verkürzungen einer komplexen historischen Situation untauglich. Putin ist nicht Hitler mit Atomwaffen. Und hätte der Naziverbrecher solche besessen, wäre die Geschichte ganz anders ausgegangen. Hitler wollte nicht weniger als die ganze Welt erobern und die jüdische Rasse vernichten. Beides will Putin nicht.

Wenn ein Krieg nicht mit Verhandlungen endet, endet er mit der völligen Niederlage einer der beiden Kriegsparteien. Was ist an dieser einfachen, klaren und richtigen Analyse zu schwer zu kapieren? Die USA haben seit dem Zweiten Weltkrieg jede Menge Kriege verloren. Korea, Vietnam, Irak, Afghanistan, dennoch wurden sie niemals für die Verheerungen die sie anrichteten, zur Verantwortung gezogen. Ganz einfach, weil es niemanden gibt, der das einer Atommacht gegenüber tun könnte. Und Russland? Was soll an diesem Vergleich zu schwer zu kapieren sein?

Selbst die Militärmacht USA, die alleine so viel für Rüstung ausgibt wie die zehn nächsten Staaten zusammen, kam an ihre militärischen Grenzen; knapp bevor sie Atomwaffen in Vietnam einsetzte, wie es der verrückt gewordene General Westmorland forderte, so wie es zuvor General McArthur in Korea gefordert hatte. Eine Atommacht aus einem Krieg herausbugsieren, das geht nur mit Fingerspitzengefühl und Verhandlungen. Wer das als «Appeasement» denunziert, der zeigt ein bedenkliches Unvermögen zur Analyse.

Kann jedem passieren. Sollte dem Auslandchef der NZZ nicht passieren. Kann ihm einmal passieren. Aber in dieser hohen Kadenz und Wiederholung? Da hat God almighty Eric Gujer – bei all seiner atlantischen Sympathie – neben Beat Balzli noch ein zweites gröberes personelles Problem. Je schneller er es löst, desto besser für die NZZ.

Propaganda

Die Massen sind dumm. Aber will man das so genau wissen?

Schon 1928 hat Edward Bernays das Gültige zur Aufgabe von Propaganda gesagt, es ist

«das stetige, konsequente Bemühen, Ereignisse zu formen oder zu schaffen mit dem Zweck, die Haltung der Öffentlichkeit zu einem Unternehmen, einer Idee oder einer Gruppe zu beeinflussen».

Schon 1895 hat Gustave Le Bon das Gültige zum Verhalten von Menschenmengen in seiner «Psychologie der Massen» gesagt. Er kam zur einfachen Erkenntnis, dass der durchschnittliche IQ bei einer Massenversammlung auf das Niveau der beschränktesten Teilnehmer herabsinkt. Je dreister die Lüge, die man den Massen suggeriert, desto wahrscheinlicher wird sie geglaubt und massenhaft übernommen. Daran hielten sich schon Goebbels und Hitler, die Le Bon sicherlich, Bernays wahrscheinlich gelesen hatten.

Dennoch beschlich den Menschen am Anfang des 21. Jahrhunderts Unglauben und Unverständnis, wenn er die grölenden Massen anschauen muss, die im Sportpalast angesichts eines sicher verlorenen Krieges aus voller Kehle ein brausendes Ja brüllten, auf die absurde Frage, ob sie einen «totalen Krieg» wollten, obwohl die totale Niederlage bevorstand.

Vergangenheitsform, denn spätestens seit Beginn des Ukrainekriegs kann man wieder (schlimmer als bei Covid) einige Beobachtungen machen, die nicht gerade optimistisch stimmen.

  1. Wie dünn der Firnis der Zivilisation ist, wie mit leichter Hand rechtsstaatliche Prinzipien, unser einziger und letzter Schutzwall gegen Barbarei, beiseite gewischt werden, von fanatisierten Flachköpfen, die die gleiche Sippenhaft auf russische Reiche anwenden wie damals auf Juden.
  2. Wie westliche Propaganda halt immer noch effizienter, geschickter und manipulativer ist als ihr östlicher Gegenpart. Wer Hill & Knowlton (Brutkastenlüge) auf seiner Seite hat, kann im Propagandakrieg gar nicht verlieren. Das Absurde im Westen ist: es gibt sogar gut und geschickt gemachte Filme (Wag the dog), die genau solche Bernays und Le Bon folgende Methoden thematisieren – und nichts wird damit ausgelöst.

Propaganda soll immer den Effekt haben, das Gegnerische als einmalig, böse, verächtlich, unmenschlich darzustellen. Propaganda soll verschwinden lassen, dass das eigene Lager gleiche oder ähnliche Verbrechen begangen hat und begeht.

Man nehme nur die Kriege der USA in Afghanistan und dem Irak. Und folgen wir der Untersuchung der angesehenen und renommierten Brown University in den USA. Die hat ausgerechnet, dass die USA alleine hier für 4 Millionen Tote und 37 Millionen Vertriebene verantwortlich sind. Irak ist heute ein failed State, in Afghanistan wurden die Taliban von der Macht vertrieben, um sie ein paar Jahre später wieder zu übernehmen. Von der Stimulierung und dem Heranzüchten des fundamentalistischen Terrorismus ganz zu schweigen.

Was die Brutkastenlüge im ersten Irakkrieg war, waren die Massenvernichtungswaffen im Irak. Vom mörderischen, verbrecherischen, völkerrechtswidrigen Krieg in Vietnam (Agent Orange), der vom Kriegsverbrecher und Friedensnobelpreisträger Henry Kissinger selig auf Kambodscha und Laos ausgeweitet wurde, ganz zu schweigen. Oder von der Kill List, die Friedensnobelpreisträger Obama wöchentlich abzeichnete und die die Ermordung von angeblichen Terroristen weltweit bedeutete, Kollateralschäden inbegriffen.

Schadenersatz, Reparationen, Verantwortung für die Multimilliardenschäden, die die USA angerichtet haben? Forderung nach der Beschlagnahme von US-Vermögen im Ausland? Jemals davon gehört?

Macht das den völkerrechtswidrigen Überfall auf die Ukraine, unter Bruch bindender internationaler Verträge, besser oder akzeptabel? Natürlich nicht.

Aber es ist erschütternd, wenn man das Gejapse nicht nur bei «Inside Paradeplatz» liest. Inzwischen über 300 Kommentare. Gegenmeinungen sind selbstverständlich erlaubt, aber peinlich ist mal wieder das bodenlos-primitive Niveau der feigen, anonymen Wäffler. Wir sehen das als soziologisches Experiment, müssen dabei die Genialität von Bernays und Le Bon wieder bewundern, die hier vollständig bestätigt werden.

Erziehung, Aufklärung, Verankerung rechtsstaatlicher Grundsätze im allgemeinen Bewusstsein? Fähigkeit zur Differenzierung, Unschuldsvermutung, internationale Regeln, erst kurz nachdenken, dann loskläffen?

Es sind offenbar ewig gültige Prinzipien der Propaganda. Wenn man die richtig anwendet, durch alle Zeiten hinweg, wenn man auf die richtigen Knöpfchen drückt, dann ist der Lack ab und der Neandertaler schwingt die Keule, rast wie ein Berserker gegen alles, was nicht in seine Miniatur-Denkschablonen passt. Und ist sich sicher, dass die ihm geschickt eingeflösste Meinung die einzig richtige sei. Wer Widerworte wagt, kann das nur aus bösartiger Absicht, als bezahlter Söldner des Kreml tun.

Interessant ist auch, dass durch Propaganda bewirkt wird, dass kein Diskurs mehr möglich ist, kein Meinungsaustausch zwecks Erkenntnisgewinn. Denn ZACKBUM unterscheidet von diesen Primitivlingen schon mal, dass wir überhaupt nicht sicher sind, ob unsere Ansicht die einzig richtige sei. Wir sind jederzeit bereit, uns belehren zu lassen, denn nur so kommt man doch voran.

Wer aber – mangels Argumente – sich nicht anders zu helfen weiss, als zu Verbalinjurien zu greifen, eine gekaufte Meinung zu unterstellen, jeden, der aus dem Mainstream ausbricht, als willigen Helfer Putins zu denunzieren (wie sich der Auslandchef ohne Ausland von Tamedia Münger nicht entblödet, das Sahra Wagenknecht und Roger Köppel vorzuwerfen), der vergiftet die öffentliche Debatte und tritt das in die Tonne, was uns doch angeblich von Unrechtsstaaten wie Russland (oder der Ukraine) unterscheiden sollte. Die Möglichkeit zum kritischen, öffentlichen Dialog.

Erbärmlich ist dabei, dass diese Dummschwätzer nicht einmal merken, dass sie an unserer Gesellschaft auf ihre Art einen mindestens so grossen Schaden wie Russland in der Ukraine anrichten. Nein, hier wird nicht Zerstörung und menschliches Leid verglichen. Hier geht es darum, dass –neben dem Rechtsstaat – der möglichst freie Diskurs unser zweiter, distinktiver Unterschied zu allen mittelalterlichen Unrechtsstaaten der Welt ist. Und beides schwebt in Todesgefahr.

Aber Wagenknecht, Köppel und auch Zeyer dürfen doch ihre Meinung sagen, auch öffentlich? Nun ja, auf welche Kosten und wo? Ist ein Schreibverbot im «Tages-Anzeiger» Ausdruck des Willens zum öffentlichen, konfliktiven  Diskurs? Vielleicht kann man an das gute alte Wort der repressiven Toleranz erinnern. Auch hier ist der Westen viel geschickter als der Osten, der dumm und blöd jede aufmüpfige Meinungsäusserung zensiert oder gar drakonisch bestraft.

Aber eine eigene Meinung im Westen, die muss man sich auch leisten können. Wer Lohnabhängiger in der Medienbranche ist, kann sich keine leisten …

 

Ein Stein und kein Ende

Das «Investigativ-Team» von SRF ist an allem schuld.

Die zwölfköpfige Truppe tat Anfang 2023 etwas für ihr Geld (1,2 Millionen Gebührenfranken gurgeln hier jährlich runter): «Ein Nazi-Denkmal steht mitten in Chur».

Hat also der Steinbock nicht nur manchmal ein braunes Hinterteil? Verkappte Nazis in Graubünden? Skandal? Ach was. Schon damals sagte ein Kommentarschreiber das Nötige: «Warum ein Grabstein für gefallene Deutsche im Ersten Weltkrieg ein Nazi-Stein sein soll, verstehe ich nicht

Nun könnte man meinen, dass es mit dieser aufgeblasenen Aufregung sein Bewenden hatte. Und irrt sich natürlich, denn eine Leonie C. Wagner nimmt in der NZZ den Stein des Anstosses nochmal in die Hand, bzw. in die Feder. Denn die Volontärin im Feuilleton will weiter zündeln und wagt den recht schrägen Titel: «Der Churer «Nazistein» entzündet eine alte Debatte neu».

Das Problem mit diesem Nazistein ist allerdings, dass er gar keiner ist. Denn er wurde im Gedenken an deutsche Gefallene im Ersten Weltkrieg errichtet. Und die konnten nun beim schlechtesten Willen keine Nazis sein; nicht mal Hitler war damals einer. Allerdings, errichtet wurde das Denkmal 1938 vom «Deutschen Volksbund Kriegsgräberfürsorge», der sich hingebungsvoll um die Überreste von im Ersten Weltkrieg Gefallenen kümmerte und zu dieser Zeit natürlich nationalsozialistisch war.

Also könnte man den Stein, der an keine Nazis erinnert und auch keine Nazi-Insignien trägt, endlich in Ruhe lassen. Aber doch nicht in der Schweiz. Da müsse aufgearbeitet, nicht verdrängt werden, und überhaupt. Also bequemte sich das städtische Parlament von Chur dazu, für Steuergeld den Stadtarchivar damit zu beauftragen eine Informationstafel zu betexten. Neudeutsch Kontextualisierung. Aber oh weh, der könne gar nicht objektiv sein, als Angestellter der Stadt, wurde gemeckert. Vom medialen Tausendsassa Sacha Zala, den es vor jede Kamera, jedes Mikrofon drängt.

Aber noch schlimmer, im letzten Absatz des Texts heisst es: «Die Regierung des Kantons Graubünden sowie der Gemeinderat und der Stadtrat von Chur gedenken mit dieser Tafel der Opfer, welche die Kriege des 20. Jahrhunderts gefordert haben.»

Kann man da etwas zu meckern dran finden? Kein Problem für Wagner: «Kein Wort zu den Opfern des Nationalsozialismus. Stattdessen eine Pauschalformel für das gesamte 20. Jahrhundert.» Zu einem Gedenkstein für deutsche Gefallene im Ersten Weltkrieg sollen also mahnende Worte zu den Opfern des Nationalsozialismus gestellt werden. Wie wäre es konkret mit den sowjetischen Opfern? Oder überhaupt allen Opfern, von Stalinismus, Apartheid in Südafrika, Pol Pot in Kambodscha? Damit könnte man dann problemlos den ganzen Friedhof dekorieren.

Viel Lärm um nichts, würde Shakespeare sagen. Sturm im Wasserglas, würde Montesquieu sagen. Platzverschwendung in der NZZ, sagt ZACKBUM.

Das NZZ-Desaster

Hoch lebe die Meinungsfreiheit. Aber muss das sein?

Gekonnt ist gekonnt. Kommentator Jörg Himmelreich setzt schon den allerersten Satz in den Sand: «Putins Invasion in die Ukraine im Februar 2022 stellt das grösste Desaster bundesdeutscher Aussenpolitik seit dem Zweiten Weltkrieg dar.»

Der Mann lehrt an der «École Supérieure de Commerce de Paris». Hat aber offensichtlich von Geschichte nicht den Hauch einer Ahnung. Das vormalige Desaster deutscher Aussenpolitik im Zweiten Weltkrieg war die Invasion der Ukraine, wo die Nazis – fleissig unterstützt von ukrainischen Kollaborateuren um den heute noch verehrten Kriegsverbrecher und Judenhasser Stepan Bandera – wie die Barbaren wüteten. Bis die Rote Armee die Sowjetrepublik unter grossen Opfern – und gegen den erbitterten Widerstand auch von Nazi-Ukrainern – vom Joch des Faschismus befreite.

Das zum Thema Desaster. Dann zum Thema Deutschland – Russland: «Die Missdeutung der Herrschaftskultur Russlands und seiner Politik folgt jahrhundertealten tiefen Spuren in der deutschen Geschichte und Kultur über alle Kriege hinweg.»

Dann holt Himmelreich weit in die Geschichte bis zu Iwan dem Schrecklichen (1530 – 1584) aus, um mit gewählteren Worten zu sagen, dass der Iwan, der slawische Mensch als solcher, der Russe halt (und blöd auch, dass das Wort vom bolschewistischen Untermenschen ein Geschmäckle hat) halt modernen Errungenschaften wie Demokratie, Eigentumsgarantie oder Trennung von Kirche und Staat nicht mächtig sei. Dabei waren zum Beispiel Kirche und Staat fast im ganzen letzten Jahrhundert strikt getrennt. Aber dass es von 1917 bis 1991 eine Sowjetunion gab, ignoriert der Wissenschaftler.

Das hindert ihn nicht daran, Ignoranz der deutschen Politik vorzuwerfen: «Auf der Verkennung dieser historischen Tatsachen beruhten die Kernirrtümer deutscher Russlandpolitik. Der historischen Herrschaftskultur sind die Begriffe von Demokratie, von Grund- und Menschenrechten fremd.» Das ist nun echt witzig, denn der deutschen Politik waren diese Grundbegriffe bis 1918 auch nicht geläufig, und dann gab es doch noch irgendwann so ein Drittes Reich, das nicht nur gegenüber den jüdischen Mitbürgern auf Menschenrechte geschissen hat.

Und ab 1949 war zumindest die Hälfte Deutschlands auch nicht wirklich mit Demokratie gesegnet.

Nach diesem Blindflug durch die Geschichte kommt Himmelreichs zur Gegenwart zurück: «Russland kehrt sich von Europa ab und besinnt sich zurück auf alte Pfade asiatischer Orientierungen – nach Karl Marx solche einer «asiatischen Despotie». So ist halt der Iwan. Wird bloss ein wenig vom Westen sanktioniert, sein Überfall auf die Ukraine wird zum Stellvertreterkrieg gemacht, in dem auch deutsche Panzer endlich wieder durch das Land rasseln dürfen und gegen russische Invasoren schiessen, und schon wendet der sich der asiatischen Despotie zu, wie schon Marx wusste.

Aber weiter im wilden Ritt wider Vernunft und Geschichte: «Gegenüber einer Macht, deren historische Staatsräson militärische Expansion ist, kann westliche Demokratie und Freiheit nicht mit Verträgen, temporären Waffenstillständen und einer alle russischen völkerrechtswidrigen Annexionen hinnehmenden Appeasement-Politik verteidigt werden.»

«Westliche Demokratie und Freiheit» hat in den letzten zwei Jahrhunderten dreimal Russland überfallen. Frankreichs Napoleon, Deutschlands Wilhelm Zwo und schliesslich noch Hitler. Währenddessen hat Russland in der geglichen Zeit (und auch zuvor) niemals den Westen angegriffen. Der Ostblock entstand als unausweichliche Folge des Zusammenbruchs des Hitlerfaschismus. Für die Befreiung Europas von dieser braunen Pest hat die Sowjetunion übrigens den höchsten Blutzoll aller Alliierten erlitten; über 25 Millionen Tote.

Bis hierher ist es nur hirnrissig, was Himmelreich dichtet. Dann wird’s aber richtig gefährlich: «Einer Herrschaftskultur, die sich alleine durch ihre rechtswidrige Machtausübung definiert, diplomatisch nachzugeben, ist tödlichDas heisst mit anderen Worten: besser schiessen statt reden.

Dann wärmt Himmelreich doch tatsächlich die alte Lüge in modernem Gewand auf, dass Hitlers Überfall auf die Sowjetunion in Wirklichkeit ein Präventivschlag war:

«Die deutsche Politik und weite Teile der deutschen Gesellschaft müssen endlich begreifen, dass Putin Deutschland schon längst den Krieg erklärt hat.»

Und wie damals gibt es natürlich moskauhörige Trottel: «Putins fünfte Kolonne bilden all die Ex- Stasi- und Ex-SED-Netzwerke, die nützlichen Idioten von AfD, der Linken und Teilen der SPD.»

Während die das Geschäft des Kremls verrichten, gehe es in Wirklichkeit darum: «Es bedarf endlich einer abgestimmten westlichen Politik, Russland vor allem wirtschaftlich zu besiegen und damit seine latente historische Gefahr für Europa nach dem Zusammenbruch der UdSSR 1991 endgültig zu neutralisieren.»

Wir lesen genau: besiegen, «vor allem» wirtschaftlich. Also auch militärisch. Aus diesem Vokabular ist auch der Begriff «neutralisieren» entlehnt.

Mit anderen Worten: Germans to the front, schliesslich kennt sich der deutsche Landser, bzw. sein moderner Nachfahr, der «Staatsbürger in Uniform», damit doch bestens aus. Hat ja immer prima geklappt.

In Wirklichkeit, das ist ein von angesehenen Historikern mehrfach beschriebene historische Konstante, herrschte immer dann Frieden in Europa, wenn es friedliche Beziehungen zwischen Deutschland und Russland gab. Das war schon so, als Deutschland noch gar nicht existierte und Preussen die Führungsmacht im deutschen Fleckenteppich von Kleinstaaten war.

Es lebe die Meinungsfreiheit und jeder darf sich öffentlich zum Deppen machen. Aber muss das in der NZZ sein?

Renegaten sind die Schlimmsten

Reinhard Mohr versäubert sich öffentlich von seiner Vergangenheit.

Die NZZ bietet immer gerne Hand, wenn mal wieder jemand bereut. Abbitte leistet, sich mit Schaudern von allem Linken, Revolutionären, Aufrührerischen abwendet. Und den Weg zurück in den Schoss der Indolenz der Akzeptanz der herrschenden Verhältnisse findet.

Schon wieder einer, der wohl frei nach Hegel lebt: «Das Gute ist überhaupt das Wesen des Willens in seiner Substantialität und Allgemeinheit.» Einer, der sich lieber nicht mehr an Brecht erinnern will: «Auch der Hass gegen die Niedrigkeit verzerrt die Züge

Reinhard Mohr ist einer, der in seinem anderen Leben beim linksradikalen AStA (Allgemeiner Studentenausschuss, nicht aus Zufall in Anklang an den Wohlfahrtsausschuss der Französischen Revolution benannt) aktiv war, für die linksradikale Sponti-Postille «Pflasterstrand» schrieb, dann für die Berliner taz. Dann wanderte er über die FAZ zum «Spiegel» und landete schliesslich bei «Cicero».

Das ist nicht verboten, nur bleibt die Frage, wieso sich Mohr von seiner Vergangenheit öffentlich distanzieren muss; das Zuschauen bei versteckten Selbstgeisselungen, wenn der Autor im Büsserhemd auftritt, ist nicht schön. Jemand, der die eigentlichen Motive für seinen Parforceritt gegen alles Linke zudem verschleiert, ist kein schöner Anblick.

Er beginnt mit der eigentlich interessanten Frage, wieso linke und alternative Studenten sich mit den fundamentalistischen Wahnsinnigen der Hamas gemein machen, deren Ziele gegen alles stehen, was aufgeklärte, feministische, kritische, der Meinungsfreiheit zugeneigte Menschen wünschen und wollen.

Aber das dient Mohr nur als Sprungbrett für einen wilden Ritt durch die Wellen der Geschichte. Natürlich fängt er mit Arthur Koestler an, dessen «Sonnenfinsternis» vielen Renegaten als Leuchtturm dient. Die Erwiderung von Maurice Merleau-Ponty «Humanismus und Terror» haben sie hingegen nicht gelesen – oder längst verdrängt.

Dann räumt Mohr mit allen Ikonen der Linken auf:

«Lenin, Stalin, Mao Zedong, Fidel Castro, Che Guevara, Ho Chi Minh, Kim Il Sung, Enver Hodscha, Pol Pot, Yasir Arafat, Muammar al-Ghadhafi, Daniel Ortega – die Liste ist unvollständig, aber beeindruckend, zeigt sie doch, wie gross das unstillbare Bedürfnis nach Identifikation, Bewunderung und freiwilliger Unterwerfung war, wenn es nur um die Rettung der Menschheit ging, um die Erfüllung eines Traums.»

Es ist anzunehmen, dass auch Mohr in seinen besseren Tagen ein Che-Poster an der Wand hatte und «Ho, Ho, Ho Chi Minh» skandierte. Diese Verteufelung ehemals Angebetetem zeugt eigentlich nur davon, dass Mohr damals das Wirken dieser Revolutionäre nicht ganz verstanden hat. Was es ihm umso leichter macht, sich heute mit Grausen von ihnen abzuwenden. Ihm entgeht dabei, dass er damit nur die unkritische Bewunderung spiegelt, die er in seinem Aufsatz nicht müde wird, mit Abscheu zu kritisieren.

Mohr ist kein Freund von Lion Feuchtwanger, der in «Moskau 1937, ein Reisebericht für meine Freunde» seine Eindrücke von Stalins Sowjetunion festhielt. Wer sich mit der Arroganz des Nachgeborenen darüber hermacht, verkennt völlig die damaligen Zeitumstände. Verkennt, für wen oder für welches System sich jeder denkende Mensch entscheiden musste, wenn die Alternative Hitler gewesen wäre. Wer Lenin verurteilt, verkennt die Zustände im zaristischen Russland, die zur ersten kommunistischen Revolution führten. Wer Fidel Castro deklamatorisch niedermacht, hat keine Ahnung von dessen Lebenswerk.

Wer Feuchtwanger, diesen Giganten der antifaschistischen deutschen Literatur, auf dieses Reisetagebuch reduziert, ist ein Schmock.

Dass Mohr den unerträglichen Wendehals Wolf Biermann vorführt, der auf die geklaute Melodie von Carlos Puebla mit schrummelnder Gitarre seine Hymne auf Che Guevara anstimmte («Jesus Christus mit der Knarre / So führt Dein Bild uns zur Attacke»), ist geradezu aberwitzig, weil er sich damit von einer Selbstgeisselung salvieren will.

Aber Mohr verwendet all das nur als Staffage, als Kulissenschieberei, um gegen Schluss zu seinem eigentlichen Ansinnen zurückzukehren: «Die revolutionäre Ahnengalerie sinkt qualitativ und ist nun beim bärtigen Militärchef der Hamas, Yahya Sinwar, angekommen.» Was für ein Bullshit, kann man da nur auf Englisch sagen.

Aber wenn Mohr nicht in der Vergangenheit weilen kann und kein Klischee der Kritik an revolutionären Galionsfiguren auslässt, wird er recht flach und primitiv, wenn er in die Gegenwart zurückkehrt: «So steht nicht zufällig Israel am Pranger – und eben nicht Kuba, Nicaragua, Venezuela, Somalia, der Sudan, Syrien und das Afghanistan der Taliban, nicht einmal Nordkorea und China. Nein, Israel, die einzige Demokratie in der arabischen Welt, wird auf den Index gesetzt – Ersatzhandlung einer moralisch und politisch verkommenen Linken, die auf ihrer Suche nach dem revolutionären Subjekt nun in Gaza angekommen ist, im islamistischen Reich der Hamas.»

Pauschalieren, über einen Leisten schlagen, selbstvergessen nimmt Mohr Abschied von allem, was einen differenziert denkenden Intellektuellen ausmachen sollte. So schwarzweiss die Welt früher für ihn war, so schwarzweiss ist sie heute. Nur haben Schwarz und Weiss die Plätze gewechselt, ein Phänomen, das schon George Orwell mit Abscheu beschrieben hat.

Natürlich ist auch für Mohr jede Kritik an Israel antisemitisch, das Totschlagargument der Armen im Geiste. Und natürlich endet Mohr mit Robbespierre, dem ersten bürgerlichen Revolutionär. Auch Mohr kann man nur die Lektüre von «Gefangen im Panoptikum» von Philipp Blom empfehlen. Aber hätte er das gelesen, hätte er diesen in der NZZ als Werbung für Mohrs neustes Buch abgedruckten Text gewogen und selbst für zu leicht befunden.

Nützliche Idioten nannte Lenin Unterstützer seiner Sache, die sich dessen gar nicht bewusst waren. Mohr kann das noch steigern, er ist nicht mal das.

ZACKBUM meinte bislang, nur Lukas Bärfuss selbst sei in der Lage, die höchste Stufe von drei Bärfüssen zu erreichen. Was geht uns unser dummes Geschwätz von gestern an, Mohr kann’s auch. Bravo.

 

Die Doublette

Wenn zwei das Gleiche tun – zeigt sich das Niveau.

Zufälle gibt’s … Geht man nach der Chronologie, hatte die NZZ um wenige Stunden die Nase vorn:

Variationen zur Schweizer Geschichte, wenn sich entscheidende Ereignisse anders abgespielt hätten.

Variationen zur Schweizer Geschichte, wenn sich entscheidende Ereignisse anders abgespielt hätten. Oder sagten wir das schon?

Einmal NZZ, einmal Tamedia.

Hoppla. Nun ist es so, dass bei Tamedia der verantwortliche Redaktor Andreas Tobler heisst. Das sagt eigentlich schon alles. Der kennt einmal seine Grenzen und hat «Intellektuelle sowie renommierte Historikerinnen und Historiker gefragt …»

Die Resultate sind, gelinde gesagt, durchwachsen. Markus Somm macht sich Gedanken, wie’s weitergegangen wäre, hätte die Schweiz 1515 bei Marignano gewonnen. Ist durchaus unterhaltsam. Josef Lang, nein, muss man nicht lesen. Marco Jorio. Marco who? Brigitte Studer, emeritierte Geschichtsprofessorin, geht der Idee nach, dass das Frauenstimmrecht schon 1919 eingeführt worden sei. Historisch absurd, das macht die NZZ dann viel besser.

Und schliesslich der unsägliche Jakob Tanner, der eigentlich darüber fantasieren möchte, was wäre, wenn Hitler die Schweiz erobert hätte. Aber statt dem nachzugehen, ist er viel zu selbstverliebt und schreibt eigentlich nur über sich: «In meiner Mitte der 1980er-Jahre vorgelegten Dissertation … Um den analytischen Durchblick zu schärfen, zielte ich … Meine kontrafaktische Modellierung bezog sich auf die Frage … Dieses Nachdenken über «roads not taken» hat es mir erleichtert …». Geschichtsschreibung als Bespiegelung des eigenen Bauchnabels, lachhaft.

Eine Franziska Rogger (sieht sich als «Historikerin und Feministin») fantasiert darüber, dass das Frauenstimmrecht 1971 nicht eingeführt worden wäre und irrlichtert in die Zukunft: «2041 schliesslich kappte man in einer ausgleichenden Gerechtigkeit das männliche Stimmrecht, von nun an waren nur noch Frauen stimmberechtigt». Geschichte als Wahnvorstellung. Regula Bochsler (bezeichnet sich als «Historikerin, Künstlerin und TV-Journalistin») überlegt sich, was passiert wäre, wenn Christoph Blocher nicht die EMS Chemie übernommen hätte. Auch das macht die NZZ viel besser.

Und Moritz Leuenberger schliesslich leckt wie immer leicht weinerlich eine alte Wunde: «Bei einem Ja zum EWR hätte sich diese Spirale in die andere Richtung gedreht. Wir hätten ein unverkrampftes Verhältnis zur EU und wären nicht bis zur Verhandlungsunfähigkeit gelähmt und müssten ständig Unterhändlerinnen austauschen.» Wenn Wünschen helfen würde, wäre Leuenberger ein erfolgreicher Politiker gewesen.

Insgesamt eine naheliegende Idee zum 1. August, weitgehend versemmelt durch mediokres Personal. Also genau das, was Tamedia halt ist.

Die drei Autoren der NZZ hingegen sind selbst ans Gerät gegangen und haben durchaus niveauvolle alternative Szenarien entwickelt. Sie legen mit einem hübschen Nietzsche-Zitat schon gleich mal die Latte hoch: «Die Frage «Was wäre geschehen, wenn das oder das nicht eingetreten wäre» wird fast einstimmig abgelehnt, und doch ist sie gerade die kardinale Frage.»

Auch bei ihnen erobern 1940 die Nazis die Schweiz. Das wird aber nicht aus der Bauchnabelperspektive erzählt, sondern den wahren Geschehnissen entlang, angefangen bei der historischen Figur Hauptmann Menges, der den Auftrag erhalten hatte, einen Angriffsplan gegen die Schweiz auszuarbeiten. Die kontrafaktische Darstellung endet mit der Feststellung, dass sich die Historiker bis heute streiten, wieso Hitler den Angriffsbefehl nicht gab: «Was immer der Grund war: Die Neutralität ist bis heute identitätsstiftend für das Land. Die Zustimmung lag Anfang 2023 bei 91 Prozent.»

Viel näher an der Realität ist auch die Erzählung, dass Christoph Blocher nicht nur eine Lehre als Bauer gemacht hätte, sondern tatsächlich auch Bauer geworden wäre und deshalb keine Zeit gehabt hätte, in die SVP einzutreten, bzw. dort aktiv zu werden. An dem Tag, als er gewinnbringend eine Kuh verkauft, tritt die Schweiz 1992 dem EWR bei.

Eine weitere spannende Geschichtsumschreibung ist die Aufgabe des Schweizer Bankkundengeheimnisses bereits im Februar 1936 auf französischen Druck hin. Am Anfang steht eine Razzia in Paris, die tatsächlich stattgefunden hat und als «Pariser Skandal» in die Geschichte einging. Nächste interessante Etappe: wie wäre es weitergegangen, wenn die Schwarzenbach-Überfremdungsinitiative 1970 angenommen worden wäre.

Entlang der historischen Figur Antoinette Quinche entwickelt die NZZ ein realistisches Szenario, was passiert wäre, wenn nicht zuletzt aufgrund ihres Kampfes die Frauen 1931 das Stimmrecht bekommen hätten.

Darin sind so grossartige Trouvaillen wie Auszüge aus einer 136-seitigen Botschaft des Bundesrats zum Frauenstimmrecht aus dem Jahr 1957: «Das Denken der Frau lässt vielleicht hie und da an logischer Konsequenz vermissen … Wenn gesagt wird, die Frau gehöre ins Haus, so ist das sicher richtig. Nicht richtig wäre es aber, daraus zu schliessen, dass das Frauenstimmrecht abgelehnt werden müsse.»

Und schliesslich, auch viel sinnenhafter als ein Sieg bei Marignano, was wäre, wenn die Schweiz beim Wiener Kongress 1815 nicht als Pufferstaat wiederhergestellt worden wäre, sondern der Plan des Freiherr von Stein angenommen worden wäre, die Schweiz auf die Nachbarstaaten aufzuteilen. «Und weil die Kantone wenig verbindet, kommt es danach nie mehr zum Versuch, die alte Eidgenossenschaft wiederzubeleben. Die moderne Schweiz gibt es nie. Der Gotthard bildet heute die Grenze zwischen Deutschland und Italien.»

Die NZZ erinnert dann daran, wie es wirklich war: «1815 wurde in Wien die Grundlage für die moderne Schweiz geschaffen – und zwar hauptsächlich auf Initiative eines griechischen Diplomaten im Auftrag des russischen Zaren. Die Eidgenossen hatten wenig dazu beigetragen.»

Das sind Szenarien, die Spass machen und zum Denken anregen. Kompetent nahe an den wirklichen historischen Ereignissen entlanggeschrieben, wohldokumentiert und erkenntnisfördernd, statt Ideologien, Steckenpferde und persönliche Meinungen der Autoren zu bedienen.

Lustiger Zufall der Geschichte, und erst noch wahr, dass NZZ und Tamedia am gleichen Tag die gleiche Idee veröffentlichen. Was für ein Pech auch für den Konzern an der Werdstrasse, dass seine Mediokrität mal wieder so schmerzlich vorgeführt wird. Aber Redaktoren wie Tobler sind scham- und schmerzfrei, das hat er schon zur Genüge unter Beweis gestellt.

Dem Leser sei aber dieser Direktvergleich ans Herz gelegt, auch wenn er dafür einmal bei einem der beiden Blätter (oder gar bei beiden) einen Obolus entrichten muss. Das lohnt sich schon alleine wegen der Entscheidung, wofür man zukünftig Geld ausgeben will …

 

Kleinintellektueller am Werk

Stephan Israel vergreift sich an Grösserem.

Wenn ein Sesselfurzer aus dem Hause Tamedia sich mit den grossen Dingen beschäftigt, so Liga Krieg und Frieden, dann kann nur Kleingehacktes herauskommen.

Einer der letzten überlebenden Korrespondenten des einstmals dem Journalismus verpflichteten Konzerns hebt an: «Wer ist schon gegen Frieden, wer hätte nicht lieber Verhandlungen als noch mehr Krieg

Genau, selbst die grössten Kriegsgurgeln behaupten, mit ihrer Kriegsrhetorik wollten sie nichts anderes als ein bisschen Frieden. Aber natürlich kommt es darauf an, ob man den gestrengen Israel-Test besteht, also richtig für den Frieden ist.

Da fällt schon mal der «deutsche Grossintellektuelle Jürgen Habermas» durch. Er ist allerdings in guter, schlechter Gesellschaft: «Die Alt-Feministin Alice Schwarzer und die Linkenpolitikerin Sahra Wagenknecht sammeln innert kurzer Zeit eine halbe Million Unterschriften unter ihr «Manifest für den Frieden»

Grossintellektueller, Alt-Feministin, Linkenpolitikerin. Ist dann Bärfuss ein Kleinintellektueller für Israel, Schutzbach eine Jung-Feministin und Silberschmidt ein Rechtenpolitiker?

Wie auch immer, was bewirken denn diese Friedenstauben? «Im Kreml kann sich der mutmassliche Kriegsverbrecherpräsident freuen.» Immerhin quetscht Israel, wohl aus Furcht vor dem langen Arm des FSB, noch ein «mutmasslich» vor den Kriegsverbrecher. Das sind allerdings auch so Lichtgestalten wie Barak Obama (Friedensnobelpreis mit «Kill List») oder Henry Kissinger (Friedensnobelpreisträger mit blutigen Händen).

Was bewirken denn diese Diversanten, wie Israel sie nennen würde, wenn er dieses Wort kennte? «Die Kakofonie in den Talkshows und Feuilletons lenkt davon ab, dass die russischen Streitkräfte gerade eine massive neue Grossoffensive vorbereiten.»

Man stelle sich nur vor, da zupfen Putin-Erfreuer die Friedensschalmei, während der Iwan eine Offensive plant. Statt wie Israel mutig in den Schützengraben zu springen und «Helm auf!» zu rufen. Stattdessen ist er aber leicht verwirrt: «Was die Intellektuellen und Nationalpazifisten genau verhandeln wollen, bleibt ohnehin nebulös.»

Nationalpazifisten? Das ist wenigsten originell, hört sich auch zum Verwechseln ähnlich wie Nationalsozialisten an. Allerdings könnte dem im Nebel stehenden Schwätzer ein Blick ins Manifest für den Frieden helfen. Dort herrscht kein Nebel. Hier wird der höchste Militär der USA zitiert, dass in der Ukraine eine militärische Pattsituation existiere, die nur durch Verhandlungen gelöst werden könne. Dem hätte der Sandkastengeneral Israel wegen Defätismus längst die Schulterklappen abgerissen.

Dann wird überhaupt nicht nebulös geendet:

«Wir fordern den Bundeskanzler auf, die Eskalation der Waffenlieferungen zu stoppen. Jetzt! Er sollte sich auf deutscher wie europäischer Ebene an die Spitze einer starken Allianz für einen Waffenstillstand und für Friedensverhandlungen setzen. Jetzt! Denn jeder verlorene Tag kostet bis zu 1.000 weitere Menschenleben – und bringt uns einem 3. Weltkrieg näher.»

Aber so weit hat Israel wohl nicht gelesen, weil er schon rot sah. Der «Grossintellektuelle» kriegt dann im Vorbeilaufen auch noch sein Fett ab: «Jürgen Habermas setzt auf einen für beide Seiten «gesichtswahrenden Kompromiss»».  Was für ein Dummkopf, nicht nur Israel weiss doch, dass bei einem Kompromiss immer eine Seite das Gesicht verlieren muss, logo.

Israel ist dafür aber Meister der Geschichtsklitterung, wenn er schreibt, «im Donbass hätte man zudem beobachten können, was ein Frieden für die Bevölkerung unter russischer Besatzung bedeutet, nämlich Deportation, Folter und Vergewaltigungen». Was dort die russischsprachige Bevölkerung zuvor von ukrainischer Seite erleiden musste, Schwamm drüber.

Aber im wilden Geturne und Gekurve mit partieller Wahrnehmung historischer Ereignisse trägt es Israel dann völlig aus der Bahn: «Die Sowjetunion wird da schnell mal mit Russland gleichgesetzt. Dabei geht vergessen, dass unter den Sowjetrepubliken die Ukraine Schauplatz der schlimmsten Kriegsverbrechen von Wehrmacht und Waffen-SS war.»

Dabei geht Israel vergessen, dass im Westen der Ukraine heute noch der Nazi-Kollaborateur und Kriegsverbrecher Bandera mit Denkmälern gefeiert wird, denn wie kaum woanders haben Teile der Bevölkerung die Nazis bei ihren Kriegsverbrechen so sehr unterstützt wie in der Ukraine. Die dann von der Roten Armee in verlustreichen Kämpfen von den Faschisten befreit werden musste, was vielen Ukrainern heute noch unangenehm ist.

Nach diesem wilden Ritt durch Kannitverstan lobhudelt Israel sich selbst: «Es gäbe also für Intellektuelle auch gute Gründe, entschlossen an der Seite der Ukraine zu stehen und zögerliche Regierungen an ihre Beistandspflicht zu erinnern.» Das kann man im Rahmen der Meinungsfreiheit durchaus sagen. Denn man soll niemandem im Weg stehen, wenn er sich öffentlich zum Deppen machen will.

Israel tut das zum Schluss mit Anlauf und Energie: «Wie würden wir heute rückblickend einen Appell renommierter und bekannter Persönlichkeiten im Sommer 1940 an den britischen Premier Winston Churchill bewerten, doch bitte in Verhandlungen mit Adolf Hitler einzutreten

Am 3. September 1939 hatten Frankreich und England dem deutschen Nazi-Reich den Krieg erklärt. Nach dem Überfall Hitler-Deutschlands auf Polen. Weder zu diesem Zeitpunkt noch danach wären «Persönlichkeiten» auf die Idee gekommen, Churchill um Verhandlungen mit Hitler zu bitten. Welch absurder Vergleich.

Welch hilfreicher Vergleich. Denn er zeigt überdeutlich den Niveau-Unterschied zwischen einem Habermas, einer Schwarzer, einer Wagenknecht und der halben Million Unterzeichner des Manifests – und Israel.

Wie schreibt er so schön vor diesem Bauchklatscher am Schluss: «Etwas Polemik sei deshalb hier auch erlaubt.» Ganz richtig: was für ein arroganter, ungebildeter, historisch unbewanderter Kriegskläffer, der gerne zusieht, wie noch Hunderttausende von Ukrainern sterben werden. Wenn es nach ihm ginge. Glücklicherweise tut es das aber nicht.

Die überwältigende Mehrzahl hat nicht deswegen Recht, weil es so viele sind. Aber vielleicht könnte Israel etwas zu denken geben, dass die «Nationalpazifisten» etwas mehr Zuspruch erhalten als ein «Gegenmanifest», das bei krümeligen 100+ Unterschriften steht: