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ZACKBUM hat sich getäuscht

Die Sache mit Axpo ist anders.

Wir bitten um ehrfürchtiges Schweigen der Leserschaft und anschliessenden donnernden Applaus. Denn ZACKBUM macht hier etwas, was im Rechthaber-Journalismus äussert selten ist und meistens mit einer Gegendarstellung erzwungen werden muss: wir räumen ein, uns fundamental getäuscht zu haben. Ist uns nicht sonderlich peinlich, denn einmal im Leben kann sich jeder irren.

Im Ernst: ZACKBUM hat Axpo und das Führungspersonal kräftig in die Pfanne gehauen. Damit sangen wir im anschwellenden Chor der Mainstream-Medien mit, während Lukas Hässig von «Inside Paradeplatz» der Vorsänger war. Der Staat müsse wieder Zockern unter die Arme greifen, behaupteten wir.

Tiefere Erkenntnis ist der Feind oberflächlicher Betrachtungsweise. Einmal mehr, wir können nichts dafür, müssen wir das Loblied der NZZ singen. Auch das Blatt für die besseren Stände und die grösseren Köpfe ist nicht unfehlbar. Aber dieses Stück von Hansueli Schöchli ist nun erste Sahne:

 

Er tut nämlich genau das, wozu Qualitätsmedien eigentlich da sein sollten und Geld heuschen: er denkt nach, analysiert, macht sich kundig und ordnet ein. Ein Lehrstück, wie Journalismus sein sollte. Und ein Belehrstück.

Schöchli stellt schon am Anfang die richtige Frage: Wenn Stromkonzerne wie Axpo massig Gewinn machen und auch die Gewinnaussichten rosig sind, dabei aber einfach ein kleines Liquiditätsproblem haben, wieso werfen ihnen dann die Banken nicht Kredite nach?

Zunächst einmal: was ist ein Liquiditätsproblem? Das kann sich zum Beispiel so äussern, dass eine Bude Ende Jahr mit einem Supergewinn dastehen wird. Würde, denn vorher ist sie mal kurz pleite, weil sie die laufenden Ausgaben nicht begleichen kann. Daher ist eine Finanzflussplanung etwas vom Wichtigeren im Finanzhaushalt.

Die Stromhändler, nicht nur die Axpo, stehen nun vor folgendem Problem. Der Stromhandel funktioniert so, dass Terminkontrakte mit langer Laufzeit abgeschlossen werden. Also beispielsweise: Axpo liefert 2024 Strom an einen Kunden. Letztes Jahr wurden dafür 100 € vereinbart. Vorteil für beide: Planungssicherheit. Man kann mit einem fixen Preis rechnen. Nun aber das Problem:

«Springt aber in der Zwischenzeit der Marktpreis von 100 auf 1000 Euro, muss der Verkäufer zusätzlich 900 Euro als Sicherheit hinterlegen – damit sich der Käufer am Markt frisch eindecken könnte, wenn der Produzent 2024 nicht für 100 Euro liefern kann. Liefert der Verkäufer wie vereinbart, erhält er die 900 Euro zurück

Da man davon ausgehen kann, dass die Axpo normalerweise in der Lage ist, den Strom wie zugesagt zu liefern, bekommt sie also die Sicherheit mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zurück. Aber sie muss sie zuerst auf den Tisch legen. Daher das Liquiditätsproblem. Dazu muss man auch noch verstehen, dass Strom eben nicht problemlos gelagert werden kann. Im Prinzip wird der gerade erzeugte Strom gehandelt und verkauft.

Dann bliebe also noch die Frage zu beantworten, wieso die Axpo sich nicht mit Krediten auf dem normalen Kapitalmarkt eindeckt, sondern zum Bund rennt und einen Rettungsschirm, bzw. eine Kreditlimite von 4 Milliarden fordert.

Zur Erklärung führt Schöchli diverse Faktoren eher finanztechnischer Art an. Um dann zusammenzufassen:

«Die genannten Hemmfaktoren sollten theoretisch keine entscheidende Rolle spielen, wenn Engagements bei den Stromkonzernen risikofrei wären. Doch das sind sie naturgemäss nicht: Niemand kann garantieren, dass der Spruch «es gibt kein Solvenzproblem» künftig noch stimmen wird. Die Ratings diverser Finanzmarktteilnehmer für die Axpo Holding sind nicht schlecht (BBB+ oder A-), aber sie liegen wesentlich unterhalb der Höchstnote AAA.»

Der Bund geht also durchaus ins Risiko, vor allem auch, weil er einen nachrangigen Kredit anbietet. Das heisst, zuerst werden alle andere Gläubiger bedient, sollte die Axpo dennoch pleite gehen. Und erst, wenn dann noch etwas übrig ist, bekäme der Bund sein Geld zurück. Dafür dürfte er aber – Schätzung von Schöchli – auch rund 10 Prozent Zins kassieren.

Also kann und muss man, in Widerspruch zu unserem dummen Geschwätz von vorgestern, eindeutig sagen: es hat sich hier niemand verzockt. Es ist durch eine in der Dimension tatsächlich nicht vorhersehbare Preisexplosion auf dem Strommarkt eine Situation entstanden, in der vor längerer Zeit abgeschlossene Terminkontrakte mit exorbitanten Sicherheiten unterlegt werden müssen. Das hat die Axpo tatsächlich in ein Liquiditätsproblem gestürzt, das eine kurzfristige Lösung brauchte.

Da die Axpo wohl aber zumindest zum grössten Teil den auf Termin versprochenen Strom liefern wird, wird das meiste der Sicherheiten wieder ausbezahlt werden. Hinzu kommt, dass die Axpo als Stromproduzent selbst von den gewaltig gestiegenen Strompreisen profitiert und ihre Gewinne wohl explodieren werden.

Ein paar Randfragen bleiben. Wieso konnten die Kantone als Besitzer nicht in die Bresche springen? Wieso gibt es ein Dividenden-, aber kein Bonusverbot? Hat die Axpo tatsächlich alle Anstrengungen unternommen, sich auf dem freien Kapitalmarkt die nötigen Kredite zu besorgen? Erschien es ihr einfacher, in Bern ein Laken überzustreifen, buhu zu machen und dann von einer Energieministerin Staatsknete zugesagt zu bekommen, die nicht mal Axpo und Alpiq auseinanderhalten kann?

Aber das sind Nebenfragen. ZACKBUM hofft natürlich, dass diese freiwillige Richtigstellung in die Mediengeschichte eingehen wird.

Zwei starke Stücke

Einsame Lichtlein im Meer der Mediokrität.

«Die Schweizer Renten-Debatte ist verlogen.» NZZ-Redaktor Hansueli Schöchli wagt offen auszusprechen, was in der Debatte über das Rentenalter von allen Politikern tunlichst vermieden wird.

Denn hier gibt es ein fundamentales demokratisches Problem. Ü-64 sind ein bedeutendes Wählersegment. Wer gewählt werden will, sagt dieser Zielgruppe sicher nicht, dass sie den Gürtel enger schnallen muss. Länger arbeiten. Weniger AHV beziehen. Von der Pensionskasse ganz zu schweigen.

Alleine die Erhöhung des Rentenalters für Frauen um ein einziges Jahr löst grosses Gebrüll und erbitterten Widerstand aus. Dagegen ruft Schöchli die banalen Tatsachen ins Bewusstsein:

«Bei der Einführung der AHV 1948 lebten 65-Jährige im Mittel noch knapp 14 Jahre lang. Heute sind es über 23 Jahre. Doch noch immer liegt das Rentenalter bei den Männern gleich hoch wie 1948, und bei den Frauen ist es sogar ein Jahr tiefer.»

Bitteres Fazit: «Die Rentenalter-Debatte ist geprägt von Verlogenheit.» Denn die Gegner argumentieren damit, dass längere Arbeitszeiten zur Folge hätten, dass Alte den Jungen Stellen wegnehmen. Was aber – nachgewiesen in Studien – nicht der Fall ist. Und wie soll denn sonst das Loch in der AHV-Finanzierung gestopft werden? «Deshalb sollen im Drehbuch der Gegner zusätzliche Subventionen und Lohnbeiträge die AHV sanieren. Dass dies vor allem zulasten der Jüngeren geht, muss man ja nicht laut sagen.» Genauso leise muss man sagen, dass die bereits in Milliardenhöhe die Pensionskassen füttern. Ein mutiger Aufschrei, für NZZ-Verhältnisse scharf geschrieben. Bravo.

Cum grano salis ist überhaupt nichts am sauberen Recherchierstück, mit dem der «Tages-Anzeiger» aufwartet: «Fünfsternhotel und Helikopterflug: Politiker reisen auf Kosten des Staatsunternehmens Schweizer Salinen AG regelmässig ins Ausland – und das ziemlich komfortabel.» Mit Schmackes untersucht Markus Häfliger die Luxusreisen, die sich amtierende und ehemalige Verwaltungsräte der Schweizer Salinen AG gönnen.

Der Staatsmonopolist führt seine Geschichte ins Mittelalter zurück und darf bis heute exklusiv jedes Salzkorn in die Speisen und auf die Strassen liefern. Importe sind lediglich mit seiner huldvollen Bewilligung gestattet. Kein Wunder: «2018 kritisierte die Eidgenössische Finanzkontrolle, wegen des Monopols sei das Streusalz in der Schweiz zwei- bis viermal so teuer wie im Ausland.»

Beruhigend zu lesen, dass diese Extraprofite sinnvoll ausgegeben werden. Ein Ausflug nach Südfrankreich wurde nach der Anreise im TGV mit der stilgerechten Unterbringung im 5-Sterne-Hotel «L’Arlatan» gefeiert: «Von dieser sehr komfortablen Basis aus startete die Reisegruppe zu Ausflügen in die Camargue. Der Höhepunkt zumindest in vertikaler Hinsicht: ein Helikopterflug über die riesige Meersalzsaline bei Aigues-Mortes.»

Bis zu 27 Verwaltungsräte haben das Recht, an solchen alle zwei Jahre stattfindenden «Studienreisen» teilzunehmen. Ibiza, Barcelona, Salzburg, Berchdesgaden und dann die Camargue, es gibt ja so viel zu studieren auf der Welt. Immerhin, nachdem der Tagi-Redaktor entsprechende Anfragen an die Salinen AG stellte, ruft ihn der Zuger Finanzdirektor Heinz Tännler an, von Amtes wegen im VR des Salzmonopolisten. Er stellt klar: «Ich habe an diesen Reisen – die Salinen nennen sie Bildungsreisen – nie teilgenommen.»

Launiger Kommentar von Häfliger: «Man muss sagen: Heinz Tännler hat etwas verpasst.» Entschieden weniger Unrechtsbewusstsein zeigt der Geschäftsführer der Salinen: «Die Reisen adressieren jeweils ein Thema, welches in engem Zusammenhang mit anstehenden strategischen Entscheiden des Verwaltungsrats steht

Konkret sieht das dann so aus: «Neben der Besichtigung der südfranzösischen Saline blieb viel Zeit für sehr viel Kultur, Natur und Kulinarik. Die Politikerinnen und Politiker genossen einen Stadtrundgang durch Aigues-Mortes, besuchten in Arles die Fondation Vincent Van Gogh und das Kulturzentrum Luma. Sie erlebten eine halbtägige ornithologische Führung in der Camargue. Und sie verbrachten einen Abend in einer Manade, wo die berühmten Camargue-Stiere gezüchtet werden. Aus- und Weiterbildung auch in südfranzösischem Stierkampf also.»

Jede Reise, schätzt Häfliger, dürfte rund 100’000 Franken gekostet haben. Es ist zu bezweifeln, dass sie in diesem Rahmen weitergeführt werden, dank diesem Stück, das die Wächterfunktion der Medien aufs beste illustriert. Bravo.

Sogar die Karikatur ist gut …